Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Staatssekretär Nirberding.
amt-müde sein; wenigstens wird auS Breslau
»Meldet, er beabsichtige, seinen Abschied zu nehmen
seinen Wohnsitz nach Breslau zu verlegen, wo
Bruder Direktor des katholischen MathiaS-Gym-
Mums ist. DaS bürgerliche Gesetzbuch und die
^giinzungsgesetze dazu haben allerdings seine Kräfte
stark in Anspruch genommen, die ganze Winter-Session
Murch ist er auS den Commissionen des Reichs
?8eS, in welchem die Grundbuch-Ordnung, die Zwavgs-
°°ustrkckungS«Ordnung und daS Handelsgesetzbuch be-
uchen wurden, nicht herausgekommen; doch hatte er
Erfolg, daß nach der gründlichen Vorberathung
s?se drei Entwürfe im Plenum glatt durchgegangen
Damit ist die Hauptarbeit erledigt, welche
«^wendig war, um daS rechtzeitige JnSlebentreten
Bürgerlichen Gesetzbuches zu sichern, und nun
Mk so wie so für den Staatssekretär deS Reichs -
Mizamts eine Zeit größerer Ruhe, die er zur Er«
Mag benutzen könnte. Wenn er gleichwohl ent-
Mssm sein sollte, von seinem Amte zurückzutreten,
müßte man annehmen, daß es sich um ein tieferes
zierliches Leiden handelte, wovon aber bisher nichts
Mautete, oder um Erwägungen politischer Art. Die
etztere Annahme wäre kaum von der Hand zu weisen,
Mn e- sich bestätigen sollte, daß der Kaiser auf
Mer neuen Umsturz-Vorlage bestehe; schon die lange
Nzögerung einer so einfachen Angelegenheit wie die
Milderung deS Artikels 8 des Vereinsgesetzes mußte
^Eerhand Bermuthungen nach dieser Richtung hin
Für die Monate
Mcn und Juni
^hmeu fitzt schon alle Postämter Bestellungen auf
m täglich erscheinende Zeitung
-Pfälzer Bottsblatt"
^it der wöchentlichen GratiLbeilage „Der Sonntags-
sowie unsere Expedition Heidelberg
Hlviugerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingcrstraße 7.
Ausland.
* Wien, 21. April. Der deutsche Kaiser
traf heute Vormittag 11 Uhr auf dem Nordbahnhofe
ein. Beide Kaiser umarmten und küßten sich
wiederholt. Kaiser Wilhelm begrüßte sodann die Erz-
Herzöge in herzlichster Weise und schüttelte ihnen die
Hand. Nach dem Abschreiten der Ehrenkompagnie,
während dessen die Musik die deutsche Hymne spielte,
und einer kurzen Begrüßung der übrigen auf dem
Bahnhofe erschienenen Persönlichkeiten begaben sich die
beiden Kaiser in einem trotz der leichten Regens un-
gedeckten Wagen nach der Hofburg. Das Publikum,
welches längst den Straßen Spalier gebildet hatte,
begrüßte die Herrschaften mit begeisterten Huldigungen.
Ja der Hofburg wurden die beiden Kaiser vom Oberst-
Entschlüsse. „Gieb er schnell, ehe ich Zeit habe, »einen
Schritt zu bereuen!"
Herr v. Neudingen stand auf, ging an die Lommode,
holte da- Schriftstück heraus und breitete eS auf den Tisch.
Mit Augen, die von Habgier funkelten, blickte er über
Anna's Schulter, während sie mit fester Hand ihren Namen
unter die Worte setzte, die sie zur Bettlerin machten.
„Nun hindert mich ja nicht«, an meine Abreise zu
denken," sagte er so kaltblütig, als handele eS sich um ei-
nen Spaziergang- „Blerbe noch ein wenig hier und hilf
mir meine Sachen einpacken." Seine Stimme klang ganz
fröhlich. Die Freude, hinausrukommen aus der Abgeschie-
denheit, die Aussicht, sich wieder Genuß aller Art verschaf-
fen zu können, das Verschwinden der Gefahr, "on einem
ungeduldigen Gläubiger gequält zu werden — das alles
Kob seine Laune- Für Gewissensbisse war in diesem von
Selbstsucht durchfressenen Gemüth kein Raum. Eine Gassen-
hauermelodie vor sich hinpfeifend, schob er ferne wenigen
Habseligkeiten in die Reisetasche, in welcher er sie mitge-
bracht hatte.
„Nun leihe mir noch fünfzig Gulden; ich habe augen-
blicklich keinen Kreuzer bei mir," sprach er so unbefangen,
als handele es sich um etwas Selbstverständliches.
Anna erwiderte nichts; sie preßte die Lippen fest auf-
einander und ging, das Geld zu holen. So roh der Mann
und so verhärtet sein Gemüth auch war; als die bleiche
Tochter vor ihm stand, und er das Geld aus ihrer Tasche
nehmen sollte, empfand er, daß eine unangenehme Regung,
etwas, das an Scham grenzte, in ihm aufstteg.
„Ich will mich mit zwanzig Gnld-n begnügen, behalte
den Rest," erklärte er, und stieß die Hand, in der sie die
übrigen Geldstücke hielt, beinahe rauh zurück. Fürchtete er,
wenn er das Geld ansehe, der Versuchung zu unterliegen
und auch dieses noch zu nehmen?
„Die Mutter schläft. Willst Du aber nicht doch zu ihr?
Willst Du nicht weuigstens einen Blick auf sie werfen?
fragte Anna, als er, Hut und Tasche in der Hand, im Be-
griffe stand, hinauszuichreiten. Sie mochte wohl denken,
düs könne das letzte Wiedersehen zwischen den Eltern sein.
(Fortsetzung folgt )
Aeidvoll und freudvoll.
Novelle von L- v. Ne i d egg.
*8ch bitte, ich beschwöre Sie, mir die Wahrheit zu
ihx,"! rief Anna und fast war es Verzweiflung, was au»
U ^Stimme klang. „Ich habe ganz allein die Sorge für
die Ml^r, und ich habe Gründe — traurige Gründe —
iü> Mhrheit erfahren zu wollen- Seit langer Zeit ahne
ALE la!" fuhr sie schmerzlich fort, als sie sah, wie der
ist k , Schweigen verharrte. „Nicht wahr, die Mutter
" verloren?"
«3a!" erwiderte der Arzt und wandte den Kopf ab-
lange Pause entstand; er hörte, wie sie ihr
ÜL - «n äu unterdrücken sich bemühte. Endlich sagte sie
»Wie lange geben Sie ihr noch zu leben?"
Lj,r großer Gött, dachte Doktor Hermburg, wie soll ich
rvnr.KvZe beantworten? Enthält sie doch gewissermaßen
das Todesurtheil der Tochter! „Liebes Fräulein,"
ivort. e er endlich, „diese Frage kann Gott allein beant-
"em m Seiner Hand liegt unser Aller Leben."
er muß es aber wissen I" begann sie beinahe heftig;
»O* Ns Wü ein schmerzlicher Aufschrei, als sie jo sprach-
kostet» L.' begreifen Sie denn nicht, was mich die Frage
irn Akhen Sie denn nicht, daß ich mit brechendem Her-
N stelle, weil die äußerste Noth mich dazu zwingt?"
- immer wollte kerne Antwort über die Lippen des
kommen.
sie klauben, ich ertrüge die Wahrheit nicht?" fuhr
tvj,, i i"fer Bitterkeit im Tone fort- „O, Sie wissen nicht,
tzi- ^verhüllt ich sie ost habe seh n müssen! Beantworten
ikben?«r i>as Eine: kann die Mutter noch ein Jahr
«Nein."
gey,.^vrz und unerbittlich hatte die Antwort deS Arztes
und Anna zuckte zusammen, al» sie dieselbe ver-
dann-,,LegungsloS stand sie einige Minuten vor dem Arzt,
tzchLM sie sich über die Stirne, wie um die quälende«
Herr» k wegzuschcuchen, und bemühte sich, den alten
«n freundlich anzublicken.
»xkch danke Ihnen!" flüsterte sie. Ihre Stimme hatte
Druck,Verlag u. Expedition io ,
Gebr. Huber in Heidelberg, I. MUg.
_Lwingerstraße 7._ v«
Deutsches Reich.
* Berlin, 21. April. Die Kaiserin ist mit
den beiden ältesten Prinzen, dem Fürsten Ferdinand
von Bulgarien und einer Deputation Gardekürassiere
um 8 Uhr 47 Min. nach LuowigSlust abgereist.
* Berlin, 21. April. Die Morgenblätter melden:
Der Direktor im Reichspostamte Flitsch reiste nach
Washington ab zur Theilnahme am Weltpostcongreß
* Berlin, 22 April. Dec 26 Chirurgen-
Congreß wurde heute im Laugenbeckhause eröffnet.
Herr Prof. BrunS aus Tübingen begrüßte die zahl-
reich Erschienenen, erstattete den Bericht über daS
letzte Jahr. Hierauf begannen die Vorträge. Bis
jetzt sind 62 Vorträge angekündigt. Mit dem Con-
greß ist eine Ausstellung verbunden, in der eine
Sammlung von Röntgenstrahlen Photographien aus-
gestellt ist.
* Elberfeld, 20. April. Die Festversammlung
des Katholischen Lehrer-VerbandeS nahm
einen glänzenden Verlauf. Stadt Schulinspektor Janisch
lobte mit warmen Worten das Wirken des Verbandes.
Die heutige Hauptversammlung ist trotz deS strömen-
den Fügens sehr gut besucht. Anwesend sind u. a.
Wsihbischof Schmitz, Geh. Regierung?- und Schul-
rath Dr. Rovenhagen als Vertreter oer kgl. Regier-
ung in Düsseldorf, Beigeordneter Stadtschulrath Dr.
Boodstein. Geh. Rath Dr. Rovenhagen begrüßt im
Namen der Regierung die Verbandsmitglieder al-
treue Stützen. Schulrath Boodstein bekundet der Ver-
sammlung im Namen der Stadt feine Sympathie.
Rektor Brück begrüßt die Versammlung als Vorsitz-
ender des Gesammtverbandes.
scheint ISglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Mrtage. AbonnementSpreiv mit dem wöchent- FvsikozsL.Ks.Lt R e kl am e 25 Für hiesige Geschäfts-^ und
Wen Unterhaltungsblatt „Der Sonntaasbote" für WWW IlN AüMlltttksl, 6L Nlkull» Privatanzeigen,sowiesurJahres-Anzeigenbedeutend
Adelberg monatlich S« H mit Trägerlohn, durch ' Rabattbewrlligung.
Post bezogen Viertels, i,60 franco..Expedition: Zwina-rftraße 7
Melbers, FMg, dm 23. April 1897.
Anlaß geben; wenn es nun heißt, daß die betreffende
Vorlage an den Preußischen Landtag nicht viel mehr
enthalten solle als eben die Außerkraftsetzung jenes
Artikels, so braucht deshalb nicht als ausgeschlossen
zu gelten, daß die Hauptarbeit dem Reichstag für die
nächste Session Vorbehalten bleiben solle, und in
diesem würde dann Hr. Nirberding die neue Umsturz-
Vorlage zu vertreten haben. Daß er dazu nach den
Erfahrungen, die er mit der ersten Vorlage gemacht
ha», keine Lust haben würde, läßt sich denken; er
würde sich sogar schwerlich bereit finden lassen, eine
neue Vorlage auszuarbeiten, weil er befürchten müßte,
weiter getrieben zu werden, als ihm, dem scharfsinnigen
Juristen, erwünscht ist. So war es auch bei der ersten
Vorlage, die gegen seinen Willen mit allzu viel Karst-
schuck auSgestattet wurde. Eine Frage für sich ist eS,
ob der Reichskanzler Fürst Hohenlohe noch im Amte wäre,
wenn der Reichstag sich mit einer neuen Umsturz-Vor-
lage zu befassen hätte. Wir glauben nicht, daß Fürst
Hohenlohe Neigung hat, seine glänzende staatsmänni-
sche Lausbahn mit einem solchen Gesetzgebungswerk
abzuschließen, das der Sozialdemokratie im besten
Falle sicherlich weit weniger schnell Abbruch thun
Würde als die auSnahmegesetzlose Zeit, welche die An-
sichten klärt und Utopien von selbst überwindet. Wir
wissen, wie gesagt, nicht, ob ein neuer gesetzgeberisches
Vorgehen gegen die Sozialdemokratie jetzt schon an
maßgebender Stelle ernstlich geplant ist, aber das
glauben wir sagen zu können, oaß mit dem Rücktritt
des Fürsten Hohenlohe bestimmt auf eine derartige
gesetzgeberische Action großen Stil- zu rechnen sein
würde, und vielleicht noch auf mehr. In dem Zu-
sammenhang mit diesen Bestrebungen gewinnen die
Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt Nieber-
ding'S jedenfalls eine besondere Farbe. Aber auch
wenn Hr. Nieberding bleibt, kommt möglicher Weise
schon in naher Zeit Verschiedenes ins Rollen. Der
große Tauschprozch steht vor der Thüre, dessen Haupt-
bedeutung nachgerade darin besteht, eine hohe Stelle
zu überzeugen, daß eS wirklich nothwendig war, die
Hülfe der Gerichte gegen die politische Polizei in
Anspruch zu nehmen oder, wie der geflügelte Ausdruck
lautet, in die O-ffentlichkeit zu flüchten. Auf die Er-
gebnisse dieser Prozesses kommt vieles an, nicht nur
für den Angeklagten. Wir glauben, daß der Prozeß
Treibereien der schlimmsten Art bloßlegen wird, durch
welche sogar die Person deS Kaisers selbst zeitweilig
in Mitleidenschaft gezogen wurde; aber die Frage
bleibt allerdings offen, ob diese nachträglichen Auf-
deckungen voll bewerthet werden.
einen fremden Klang angenommen, als sei aller Lebens-
muth von ihr gewichen. „Ich danke Ihnen aufrichtig für
Ihre Offenheit.i Ich habe ja gesehen, wie schwer sie Ihnen
wurde " Sie wandte sich ab, um ihre Thränen zu ver-
bergen. Tief erschüttert verließ »er Arzt das Hau».
Der Baron lag rauchend aus dem Canapä und blät-
terte in einem abgegriffenen Romane. Auf dem Tische ne-
ben ihm stand ein Bierkrua, dessen Inhalt er fleißig zu-
sprach. Da öffnete sich leise die Thüre, und Anna trat in
da» Zimmer.
„Verzeihe, daß ich Dich störe!" begann sie zaghaft
w a» ihrem sonstigen entschiedenen Wesen völlig wider Prach-
Sie blieb vor ihm stehen, mir den Fingern nervös an
ihrem Kleide zupfend. „Ich hätte nothwendig ein Paar
Worte mit Dir zu sprechen."
„So sprich!" versetzte er mürrisch.
„Vater!" sagte sie, und immer unsicherer wurde ihre
Stimme. „Tie Wohnung hier ist eng, die Mutter bedarf
nothwendig eines Raumes, den sie allein bewohnen kann.
Es vermehrt ihre ohnedies so Peinliche Athemnoth, wenn
ich mich in ihrem Schlafzimmer aushalten muß. Auch reicht
das leiseste Geräusch hin, um ihre Nerven aufzuregen.
Darf ich mich nach einer kleinen Wohnung in der Nähe
für Dich umsehen?"
Er lachte laut auf — ein roheS, unangenehmes Lachen
„Ihr Weibsleute wollt »ich los sein?" rief er aus. „Eine
zärtliche Frau, eine liebende Tochter! Ich will an Auf-
richtigkeit übrigens nicht hinter Dir zurückstehen und Dir
bekennen, daß ich heute lieber wie morgen dies entsetzliche
Prennberg verlossen würde. Ich vergehe hier vor Lange-
weile. Hätte ich nur das Geld dazu! Ja, wenn Dudas
Papier unterfertigst hättest und mir noch etwa fünfzig Gul-
den hättest dazu leihen können, dann hätte sich über meine
Abreise reden lasten." Er sah ihr lauernd ins Gesicht-
„Also, wenn ich das Papier unterzeichne, gehst Du?"
begann sie rasch.
„Sogleich mein Kind! Ich kam nur hierher, nm diese»
Zweck zu erreichen."
„So gieb es her!" rief sie mit verzweiflung-vollem
Joseph Huber in Heidelberg.
Staatssekretär Nirberding.
amt-müde sein; wenigstens wird auS Breslau
»Meldet, er beabsichtige, seinen Abschied zu nehmen
seinen Wohnsitz nach Breslau zu verlegen, wo
Bruder Direktor des katholischen MathiaS-Gym-
Mums ist. DaS bürgerliche Gesetzbuch und die
^giinzungsgesetze dazu haben allerdings seine Kräfte
stark in Anspruch genommen, die ganze Winter-Session
Murch ist er auS den Commissionen des Reichs
?8eS, in welchem die Grundbuch-Ordnung, die Zwavgs-
°°ustrkckungS«Ordnung und daS Handelsgesetzbuch be-
uchen wurden, nicht herausgekommen; doch hatte er
Erfolg, daß nach der gründlichen Vorberathung
s?se drei Entwürfe im Plenum glatt durchgegangen
Damit ist die Hauptarbeit erledigt, welche
«^wendig war, um daS rechtzeitige JnSlebentreten
Bürgerlichen Gesetzbuches zu sichern, und nun
Mk so wie so für den Staatssekretär deS Reichs -
Mizamts eine Zeit größerer Ruhe, die er zur Er«
Mag benutzen könnte. Wenn er gleichwohl ent-
Mssm sein sollte, von seinem Amte zurückzutreten,
müßte man annehmen, daß es sich um ein tieferes
zierliches Leiden handelte, wovon aber bisher nichts
Mautete, oder um Erwägungen politischer Art. Die
etztere Annahme wäre kaum von der Hand zu weisen,
Mn e- sich bestätigen sollte, daß der Kaiser auf
Mer neuen Umsturz-Vorlage bestehe; schon die lange
Nzögerung einer so einfachen Angelegenheit wie die
Milderung deS Artikels 8 des Vereinsgesetzes mußte
^Eerhand Bermuthungen nach dieser Richtung hin
Für die Monate
Mcn und Juni
^hmeu fitzt schon alle Postämter Bestellungen auf
m täglich erscheinende Zeitung
-Pfälzer Bottsblatt"
^it der wöchentlichen GratiLbeilage „Der Sonntags-
sowie unsere Expedition Heidelberg
Hlviugerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingcrstraße 7.
Ausland.
* Wien, 21. April. Der deutsche Kaiser
traf heute Vormittag 11 Uhr auf dem Nordbahnhofe
ein. Beide Kaiser umarmten und küßten sich
wiederholt. Kaiser Wilhelm begrüßte sodann die Erz-
Herzöge in herzlichster Weise und schüttelte ihnen die
Hand. Nach dem Abschreiten der Ehrenkompagnie,
während dessen die Musik die deutsche Hymne spielte,
und einer kurzen Begrüßung der übrigen auf dem
Bahnhofe erschienenen Persönlichkeiten begaben sich die
beiden Kaiser in einem trotz der leichten Regens un-
gedeckten Wagen nach der Hofburg. Das Publikum,
welches längst den Straßen Spalier gebildet hatte,
begrüßte die Herrschaften mit begeisterten Huldigungen.
Ja der Hofburg wurden die beiden Kaiser vom Oberst-
Entschlüsse. „Gieb er schnell, ehe ich Zeit habe, »einen
Schritt zu bereuen!"
Herr v. Neudingen stand auf, ging an die Lommode,
holte da- Schriftstück heraus und breitete eS auf den Tisch.
Mit Augen, die von Habgier funkelten, blickte er über
Anna's Schulter, während sie mit fester Hand ihren Namen
unter die Worte setzte, die sie zur Bettlerin machten.
„Nun hindert mich ja nicht«, an meine Abreise zu
denken," sagte er so kaltblütig, als handele eS sich um ei-
nen Spaziergang- „Blerbe noch ein wenig hier und hilf
mir meine Sachen einpacken." Seine Stimme klang ganz
fröhlich. Die Freude, hinausrukommen aus der Abgeschie-
denheit, die Aussicht, sich wieder Genuß aller Art verschaf-
fen zu können, das Verschwinden der Gefahr, "on einem
ungeduldigen Gläubiger gequält zu werden — das alles
Kob seine Laune- Für Gewissensbisse war in diesem von
Selbstsucht durchfressenen Gemüth kein Raum. Eine Gassen-
hauermelodie vor sich hinpfeifend, schob er ferne wenigen
Habseligkeiten in die Reisetasche, in welcher er sie mitge-
bracht hatte.
„Nun leihe mir noch fünfzig Gulden; ich habe augen-
blicklich keinen Kreuzer bei mir," sprach er so unbefangen,
als handele es sich um etwas Selbstverständliches.
Anna erwiderte nichts; sie preßte die Lippen fest auf-
einander und ging, das Geld zu holen. So roh der Mann
und so verhärtet sein Gemüth auch war; als die bleiche
Tochter vor ihm stand, und er das Geld aus ihrer Tasche
nehmen sollte, empfand er, daß eine unangenehme Regung,
etwas, das an Scham grenzte, in ihm aufstteg.
„Ich will mich mit zwanzig Gnld-n begnügen, behalte
den Rest," erklärte er, und stieß die Hand, in der sie die
übrigen Geldstücke hielt, beinahe rauh zurück. Fürchtete er,
wenn er das Geld ansehe, der Versuchung zu unterliegen
und auch dieses noch zu nehmen?
„Die Mutter schläft. Willst Du aber nicht doch zu ihr?
Willst Du nicht weuigstens einen Blick auf sie werfen?
fragte Anna, als er, Hut und Tasche in der Hand, im Be-
griffe stand, hinauszuichreiten. Sie mochte wohl denken,
düs könne das letzte Wiedersehen zwischen den Eltern sein.
(Fortsetzung folgt )
Aeidvoll und freudvoll.
Novelle von L- v. Ne i d egg.
*8ch bitte, ich beschwöre Sie, mir die Wahrheit zu
ihx,"! rief Anna und fast war es Verzweiflung, was au»
U ^Stimme klang. „Ich habe ganz allein die Sorge für
die Ml^r, und ich habe Gründe — traurige Gründe —
iü> Mhrheit erfahren zu wollen- Seit langer Zeit ahne
ALE la!" fuhr sie schmerzlich fort, als sie sah, wie der
ist k , Schweigen verharrte. „Nicht wahr, die Mutter
" verloren?"
«3a!" erwiderte der Arzt und wandte den Kopf ab-
lange Pause entstand; er hörte, wie sie ihr
ÜL - «n äu unterdrücken sich bemühte. Endlich sagte sie
»Wie lange geben Sie ihr noch zu leben?"
Lj,r großer Gött, dachte Doktor Hermburg, wie soll ich
rvnr.KvZe beantworten? Enthält sie doch gewissermaßen
das Todesurtheil der Tochter! „Liebes Fräulein,"
ivort. e er endlich, „diese Frage kann Gott allein beant-
"em m Seiner Hand liegt unser Aller Leben."
er muß es aber wissen I" begann sie beinahe heftig;
»O* Ns Wü ein schmerzlicher Aufschrei, als sie jo sprach-
kostet» L.' begreifen Sie denn nicht, was mich die Frage
irn Akhen Sie denn nicht, daß ich mit brechendem Her-
N stelle, weil die äußerste Noth mich dazu zwingt?"
- immer wollte kerne Antwort über die Lippen des
kommen.
sie klauben, ich ertrüge die Wahrheit nicht?" fuhr
tvj,, i i"fer Bitterkeit im Tone fort- „O, Sie wissen nicht,
tzi- ^verhüllt ich sie ost habe seh n müssen! Beantworten
ikben?«r i>as Eine: kann die Mutter noch ein Jahr
«Nein."
gey,.^vrz und unerbittlich hatte die Antwort deS Arztes
und Anna zuckte zusammen, al» sie dieselbe ver-
dann-,,LegungsloS stand sie einige Minuten vor dem Arzt,
tzchLM sie sich über die Stirne, wie um die quälende«
Herr» k wegzuschcuchen, und bemühte sich, den alten
«n freundlich anzublicken.
»xkch danke Ihnen!" flüsterte sie. Ihre Stimme hatte
Druck,Verlag u. Expedition io ,
Gebr. Huber in Heidelberg, I. MUg.
_Lwingerstraße 7._ v«
Deutsches Reich.
* Berlin, 21. April. Die Kaiserin ist mit
den beiden ältesten Prinzen, dem Fürsten Ferdinand
von Bulgarien und einer Deputation Gardekürassiere
um 8 Uhr 47 Min. nach LuowigSlust abgereist.
* Berlin, 21. April. Die Morgenblätter melden:
Der Direktor im Reichspostamte Flitsch reiste nach
Washington ab zur Theilnahme am Weltpostcongreß
* Berlin, 22 April. Dec 26 Chirurgen-
Congreß wurde heute im Laugenbeckhause eröffnet.
Herr Prof. BrunS aus Tübingen begrüßte die zahl-
reich Erschienenen, erstattete den Bericht über daS
letzte Jahr. Hierauf begannen die Vorträge. Bis
jetzt sind 62 Vorträge angekündigt. Mit dem Con-
greß ist eine Ausstellung verbunden, in der eine
Sammlung von Röntgenstrahlen Photographien aus-
gestellt ist.
* Elberfeld, 20. April. Die Festversammlung
des Katholischen Lehrer-VerbandeS nahm
einen glänzenden Verlauf. Stadt Schulinspektor Janisch
lobte mit warmen Worten das Wirken des Verbandes.
Die heutige Hauptversammlung ist trotz deS strömen-
den Fügens sehr gut besucht. Anwesend sind u. a.
Wsihbischof Schmitz, Geh. Regierung?- und Schul-
rath Dr. Rovenhagen als Vertreter oer kgl. Regier-
ung in Düsseldorf, Beigeordneter Stadtschulrath Dr.
Boodstein. Geh. Rath Dr. Rovenhagen begrüßt im
Namen der Regierung die Verbandsmitglieder al-
treue Stützen. Schulrath Boodstein bekundet der Ver-
sammlung im Namen der Stadt feine Sympathie.
Rektor Brück begrüßt die Versammlung als Vorsitz-
ender des Gesammtverbandes.
scheint ISglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Mrtage. AbonnementSpreiv mit dem wöchent- FvsikozsL.Ks.Lt R e kl am e 25 Für hiesige Geschäfts-^ und
Wen Unterhaltungsblatt „Der Sonntaasbote" für WWW IlN AüMlltttksl, 6L Nlkull» Privatanzeigen,sowiesurJahres-Anzeigenbedeutend
Adelberg monatlich S« H mit Trägerlohn, durch ' Rabattbewrlligung.
Post bezogen Viertels, i,60 franco..Expedition: Zwina-rftraße 7
Melbers, FMg, dm 23. April 1897.
Anlaß geben; wenn es nun heißt, daß die betreffende
Vorlage an den Preußischen Landtag nicht viel mehr
enthalten solle als eben die Außerkraftsetzung jenes
Artikels, so braucht deshalb nicht als ausgeschlossen
zu gelten, daß die Hauptarbeit dem Reichstag für die
nächste Session Vorbehalten bleiben solle, und in
diesem würde dann Hr. Nirberding die neue Umsturz-
Vorlage zu vertreten haben. Daß er dazu nach den
Erfahrungen, die er mit der ersten Vorlage gemacht
ha», keine Lust haben würde, läßt sich denken; er
würde sich sogar schwerlich bereit finden lassen, eine
neue Vorlage auszuarbeiten, weil er befürchten müßte,
weiter getrieben zu werden, als ihm, dem scharfsinnigen
Juristen, erwünscht ist. So war es auch bei der ersten
Vorlage, die gegen seinen Willen mit allzu viel Karst-
schuck auSgestattet wurde. Eine Frage für sich ist eS,
ob der Reichskanzler Fürst Hohenlohe noch im Amte wäre,
wenn der Reichstag sich mit einer neuen Umsturz-Vor-
lage zu befassen hätte. Wir glauben nicht, daß Fürst
Hohenlohe Neigung hat, seine glänzende staatsmänni-
sche Lausbahn mit einem solchen Gesetzgebungswerk
abzuschließen, das der Sozialdemokratie im besten
Falle sicherlich weit weniger schnell Abbruch thun
Würde als die auSnahmegesetzlose Zeit, welche die An-
sichten klärt und Utopien von selbst überwindet. Wir
wissen, wie gesagt, nicht, ob ein neuer gesetzgeberisches
Vorgehen gegen die Sozialdemokratie jetzt schon an
maßgebender Stelle ernstlich geplant ist, aber das
glauben wir sagen zu können, oaß mit dem Rücktritt
des Fürsten Hohenlohe bestimmt auf eine derartige
gesetzgeberische Action großen Stil- zu rechnen sein
würde, und vielleicht noch auf mehr. In dem Zu-
sammenhang mit diesen Bestrebungen gewinnen die
Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt Nieber-
ding'S jedenfalls eine besondere Farbe. Aber auch
wenn Hr. Nieberding bleibt, kommt möglicher Weise
schon in naher Zeit Verschiedenes ins Rollen. Der
große Tauschprozch steht vor der Thüre, dessen Haupt-
bedeutung nachgerade darin besteht, eine hohe Stelle
zu überzeugen, daß eS wirklich nothwendig war, die
Hülfe der Gerichte gegen die politische Polizei in
Anspruch zu nehmen oder, wie der geflügelte Ausdruck
lautet, in die O-ffentlichkeit zu flüchten. Auf die Er-
gebnisse dieser Prozesses kommt vieles an, nicht nur
für den Angeklagten. Wir glauben, daß der Prozeß
Treibereien der schlimmsten Art bloßlegen wird, durch
welche sogar die Person deS Kaisers selbst zeitweilig
in Mitleidenschaft gezogen wurde; aber die Frage
bleibt allerdings offen, ob diese nachträglichen Auf-
deckungen voll bewerthet werden.
einen fremden Klang angenommen, als sei aller Lebens-
muth von ihr gewichen. „Ich danke Ihnen aufrichtig für
Ihre Offenheit.i Ich habe ja gesehen, wie schwer sie Ihnen
wurde " Sie wandte sich ab, um ihre Thränen zu ver-
bergen. Tief erschüttert verließ »er Arzt das Hau».
Der Baron lag rauchend aus dem Canapä und blät-
terte in einem abgegriffenen Romane. Auf dem Tische ne-
ben ihm stand ein Bierkrua, dessen Inhalt er fleißig zu-
sprach. Da öffnete sich leise die Thüre, und Anna trat in
da» Zimmer.
„Verzeihe, daß ich Dich störe!" begann sie zaghaft
w a» ihrem sonstigen entschiedenen Wesen völlig wider Prach-
Sie blieb vor ihm stehen, mir den Fingern nervös an
ihrem Kleide zupfend. „Ich hätte nothwendig ein Paar
Worte mit Dir zu sprechen."
„So sprich!" versetzte er mürrisch.
„Vater!" sagte sie, und immer unsicherer wurde ihre
Stimme. „Tie Wohnung hier ist eng, die Mutter bedarf
nothwendig eines Raumes, den sie allein bewohnen kann.
Es vermehrt ihre ohnedies so Peinliche Athemnoth, wenn
ich mich in ihrem Schlafzimmer aushalten muß. Auch reicht
das leiseste Geräusch hin, um ihre Nerven aufzuregen.
Darf ich mich nach einer kleinen Wohnung in der Nähe
für Dich umsehen?"
Er lachte laut auf — ein roheS, unangenehmes Lachen
„Ihr Weibsleute wollt »ich los sein?" rief er aus. „Eine
zärtliche Frau, eine liebende Tochter! Ich will an Auf-
richtigkeit übrigens nicht hinter Dir zurückstehen und Dir
bekennen, daß ich heute lieber wie morgen dies entsetzliche
Prennberg verlossen würde. Ich vergehe hier vor Lange-
weile. Hätte ich nur das Geld dazu! Ja, wenn Dudas
Papier unterfertigst hättest und mir noch etwa fünfzig Gul-
den hättest dazu leihen können, dann hätte sich über meine
Abreise reden lasten." Er sah ihr lauernd ins Gesicht-
„Also, wenn ich das Papier unterzeichne, gehst Du?"
begann sie rasch.
„Sogleich mein Kind! Ich kam nur hierher, nm diese»
Zweck zu erreichen."
„So gieb es her!" rief sie mit verzweiflung-vollem