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Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Druck, Verlag u. Expedition:
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingrrftraße 7.
Handeln insofern bewahren, als ich nach dein, was gut
und böse ist, meinen Gotr frage, mich aber immer unter
das Joch gesellschafilicher Tyrannei beuge. Uebrigens glaube
ich von der Tante Debby gehört zu haben, daß ehr die
Familiengeschichte der Mrs. Reeves nicht unbekannt ist;
sie machte erst jüngst eine Andeutung, wonach die Abkunft
jener geldstolzen Frau nicht allzu hoch sein wird. Nun, ich
werde mich gelegentlich bei der Tante Debby darnach er
kundigen können."
Diese Bemerkungen Jessie's gaben der Unterredung
plötzlich eine Wendung; Mrs. Bartows schien sich nur
noch für die Vorgeschichte ihrer „intimen" Freundin Mrs.
Reeves zu interessiren, deren übermäßiger Stolz und ge-
sellschaftliche Anmaßung ihr im Herzen längst zuwider
waren und unter welchen sie oft zu leiden gehabt hatte.
Allzu gerne hätte sie Näheres erfahren, aber sie fürchtete
daß bei der gutmütigen Geschwätzigkeit der Tante Debby
und bei deren unverkennbarer Personen Kenntniß auch für
sie, die Mrs. Bartows, unangenehme Dinge an dm Tag
kommen möchten. Tante Debby hatte vorhin zur Genüge
bewiesen, als sie der rothen Narbe am Kinne der alten
Dame arglos erwähnt hatte, daß ihr Gedächtniß von den
Jahren noch nicht geschwächt war und das verursachte der
Mrs. Bartows einige Herzbeklemmungen- Schließlich siegte
doch die Neugierde ihres Geschlechts und in der Hoffnung,
eine Waffe gegen ihre Busenfreundin in die Hand zu be
kommen, machte sie keine Einwendung, als Jeffis darauf
bestand, Tante Debby zum Erzählen zu veranlassen. Unt r-
detz war in der behaglichen Wohnstube das Abendessen be-
reitet, zu Welchem nun die Einladung erfolgte. Die warme
Sprache, welche Jessie für ihre Freunde geführt, hatte
ihren Eindruck nicht wrfchlt, indem sie sich nun recht
freundlich zu sein bemühte und sich an dem allgemeinen
Gespräch nach Kräften betheiligte- Dadurch kam eine ge-
müthliche Stimmung in die Gesellschaft, welche Jessie beim
Nachtisch benutzte, um an die Tante Debby die Frage zu
richten: „Hast Du nicht eine Familie Gregory gekannt?
So hieß Mrs. Reeves ja vor ihrer Verheirathung, nicht
wahr, Großmama?"
Mrs- Bartows nickte zustimmend, während Tante
, Probermmnrern werden auf Wunsch gerne Porto-
Jedermann zugesandt.
Dazu kam aber noch ein Anderes. Die Entwicke-
lung der Anschauungen drängt gebieterisch auf eine
innere Reform des Steuerwesens. Das
Centrum kann nach seinen in der ReichSverfassung u.
bisherigen Reichsentwicklung gründenden Grundsätzen
eine directe Besteuerung von Reichswegen nicht
durchführen. Und doch drängt in unserer Zeit alle-
auf eine Steuerreform in der Richtung dec direc-
t e n Steuern und einer möglichst kräftigen Beiziehung
der großen Vermögen hin. W-nn nun das Centrum
auch nicht direct durch den Reichstag die Frage der
directen Steuern zur Erledigung bringen lassen kann,
so hat es auch einen indincten Weg, indem eS durch
theilweise Verwendung der Ueberschüssr der Reichs-
finanzen zur Schuldentilgung die Einzclflaaten zwingt^
der Steuerreform im eigenen Kreise eine etwas wei»
tergehende Beachtung zu schenken, als es bisher in
einer Reihe von Staaten der Frll gewesen. So
lange die Bundesstaaten durch volle Zuweisung der
Ueberschüfsr in ihren Haushalten hatten, konnten sie
sich schön bequem der goldenen Gegenwart ströften u.
wenigstens einmal so viel erreicht wird, daß in den
Einzelstaaten die Periode der Überschüsse bei Beide«
Haltung ihrer alten Steuersysteme aufhört, wird wühl
etwas mehr Rührigkeit in die hohen Regierungen
kommen.
Es sind so, um das triviale Vergleichswort zu
gebrauchen, zwei Mücken, weiche das Ceutrum mit
einem Schlage trifft. ES ist Ursache, daß die Reichs-
schuldentilgung ausgenommen wird und es gibt den
Anstoß, soweit möglich, zur Umgestaltung der bis-
herigen Steuersysteme der Eiuzelstaaten. Der 12.
März 1896 war der Tag gewesen, mit welchem das
Centrum in glücklicher Weise in die Wetterführung
der Reichsfinanzpoliti? eingegriffen hat. An diesem
Tage hat Dr. Lieber seinen ersten Antrag auf Schul-
dentilgung gestellt. Es wird nunmehr darauf ankom-
men, den rechten Mittelweg zwischen der Ueberwei-
sung der Überschüsse an die Bundesstaaten laut der
Franckenstrin'schlm Clausel und der Reichsschulden-
tilgung aus diesen Ueberschüssen zu finden. Insbe-
sondere der Uebergang wird kein zu schroffer sein
dürfen, um der neuen Entwicklung den Boden ruhig
zu bereiten. Mag aus liberalen und conservativen
Kreisen heftiger Widerstand entgegengestellt werden,
wir vom Centrum können die neue Thä igkeit unserer
Partei nur mit Freuden begrüßen und in der neuen
Richtung der Reichsfinanzpolitik einen neuen Erfolg
unserer Vertreter im Reichstag verzeichnen.
direktes Reichs st euersystem wird als ein
Eingriff in die Rechte der Bundesstaaten vom Cent-
rum verworfen. Es ist dies der erste Grundsatz, der
für die Reichsfinanzpolitik maßgebend ist.
Durch die elau8ula Franckenstein hat sodann das
Centrum dafür gesorgt, daß bei der Entwicklung der
Industrie uns deS Handels der Ertrag der Zölle und
indirckien Steuern nicht dem Reiche inunge-
messener Weise verbleibe. ES hat durch
die Ueberweisung der Überschüsse der Reichseinnahmen
an die einzelnen Bundesstaaten 1) der Ansammlung
der Gelder in der Hand des Reiches einen Riegel
vorgeschoben, damit 2) dafür gesorgt, daß nicht von
dem etwa vorhandenen U^birflusse unnöthige Ausgaben
gemacht wurden, wobei die Begehrlichkeit von Heer
und Marine die Wichtigkeit dieser Bestimmung ecla-
tant beweist; °eS hat 3) d'e Lasten der Einzelstaaten
für das Reich erleichtert — wiederum eine Folge des
durch die clausula Franckenstem erzwungenen Spar-
systems; es hat 4) offensichtlich der Finanzgebahrung
der Bundesstaaten ganz bedeutend nachgchoifen, und
5) den Bundesstaaten selbst ein Interesse an der Spar-
samksit im Reichshaushalt aufgezwungeu. Wir bitten
dabei allerdings die Jahre, da die anderen Parteien
die Finanzen des Reiches zu bestimmen hatten, be
sonders die Jahre des Kartellreichstags für sich zu
betrachten. Im großen Ganzen bleibt der oben kurz
gegebene Gesichtspunkt des CcntrumS in seinen Wirk-
ungen zu Recht bestehend.
Inzwischen sind nun die Reichsschulden, die im
Jabre 1879 noch 124 Millionen Mark betrugen, auf
2291 Millionen Mark gestiegen. Es sind davon allein
in den 4 Jahren der Cartellparteiwirthschaft im Haus-
halisjahr 1887/88 222V-, 1888/99 394'/,, 1889/90
9O'/s und 1890/91 306 Millionen, inSgesammt also
1013'/, Millionen neuer Anleihen genehmigt worden.
Solch riesige und zwar so schnell ins Riesige ange-
wachsrne Schuldenlast gab zu denken und eine Partei,
welch; in der Stellung des Centrums an den Relchs-
interessen niitzuarbeiterr hatte, konnte vor dieser That-
fache die Augen nicht verschließen. Alle Ueberschüsse
der Reichsfinanzen in solcher Lage den einzelnen Bun-
desstaaten überweisen, den einzelnen Staatshaushalten
selbst wieder zu Ueberschüssen verhelfen, während das
Reich nur im Schuldenmachen voranschritt, an eine
Tilgung seiner Schulden aber gar nicht dachte, war
und ist doch ein ungesunder und unvernünftiger Zu-
stand. Was sich in solcher Lage von selbst als nahe-
liegend ergab, war doch Schuldentilgung aus den
U-berschüssen der Reich»finanzen.
Debby antwortete, nachdem sie einen Moment in ihren
Erinnerungen gesucht hatte: „Ja, ich kannte eisen Tim
und einen Benjamin Gregory in Spencer. Benjamin war
der beste von den beiden, obwohl er auch nicht viel getaugt
hat- Er hatte sechs Knaben und Tim hatte sechs Mädchen.»
„Wie hießen dis Mädchen?" fragte Jessie.
„Da war Mary und Lyddy und Charlotte —"
„Das ist schon genug!" rief Jessie. „Was war ihr
Vater, und was ist aus dm Mädchen geworden?",
„Ihr Vater zog als Hausirer und Kesselflicker über
Land, und was er nicht auf ehrliche Weise verdiente, das
hat er genommen, wie die Leute sagten. Aber Niemand
konnte es ihm beweisen. Charlotte und ich waren von ei-
nem Alter. In Lester hat sie m der Tuchfabrik gearbeitet,
und später — sie war schon ihre dreißig alt — heirathete
sie einen kleinen Spezereihändler, mit dem sie auch fort-
gezogen ist. Ich hörte, sie wohne jetzt in Nswyork,"
„Erinnerst Du Dich denn nicht, wie ihr Mann ge-
heißen hat?" beharrte Jessie in ihrer Neugierde.
„Es laulete so wie „Reed", aber es ist schon so lange
her, daß ich es nicht mehr ganz genau weiß."
Das war auch nicht nothwendig, denn Mrs. Bartows
und Jessie hatten schon g-nug gehört und sie zweifelten
durchaus nicht mehr daran, daß dis ehemalige Charlotte
Gregory jetzt die außerordentlich vornehme und geldstolze
Mrs. Reeves sei, deren Enkelin allgemein als eine Neben-
buhlerin Jesste Grahams angesehen wurde. Die Gsnug-
thuung, welche Beide empfanden, hatte ihre sehr verschie-
denen Ursachen. Mrs. Bartows freute sich, indem sie
voller Befriedigung wiederholte: „Der Vater Kesselflicker,
sie eine Fabrikarbeiterin," Gelegenheit zu haben, sich an
Mrs. Reeves für manche von dieser erlittenen Unbill
rächen zu können, während ihre Enkelin sich herzlich da-
rüber freute, daß der lächerlich aufgebauschte Nimbus,
welcher die tonangebende Mrs. Reeves bis jetzt umgeben
hatte, wenigstens in den Augen ihrer Großmut er gründ-
lich zerstört war. Letztere war so aufgeräumt, daß sie die
morgige .Abreise ganz vergaß und sich in heiterer Stim-
mung ins Schlafzimmer begab, wo sie sich nicht enthalten
konnte, Jessie ihre Freude mitzutheilen. (Forts, f.)
Das
-Pfälzer Bolksblatt"
schon jetzt für die zwei Monate
Ieövuav rrnö Mävz
^vnnirt werden. Bestellungen nimmt jede Postaustolt
, unsere Expedition in Heidelberg, Zwingerstraße 7,
Ein Verdienst des Centrums.
Der Einfluß des CentrumS als der größten ge-
Affinen Partei des deutschen Reichstags macht sich
^Beginn der jetzigen Reichstagsperiode, besonders seit
Nfz des vorigen Jahres, in der erfreulichsten Weise,
weit sich bei den in Rechnung zu stellenden Fac-
etwas erreichen läßt, geltend. Ein Gebiet, auf
-Mein die Partei mit allem Nachdruck eingesetzt hat,
«as Gebiet der R e i ch S f in a n z e n. Es zeigt
deutlichsten der scharfe Widerspruch, welchen
Eentrum des Reichstags und Dr. Lieber als der
,Mteter seiner Finanzpolitik nach außen im preußi-
Landtag von Seite der conservativen, freicon-
i 'bativm und liberalen Redner gefunden hat, und
ausgesprochene Gegensatz, in welchen der preußische
^anzminister zu den Grundsätzen dieser Politik ge
. Die Finanzpolitik des Reiches ist von einer Reihe
?>t Gesichtspunkten aus zu betrachten, wenn man
N Standpunkt des Centrums richtig verstehen will.
e. Zunächst vertritt das Centrum den föderalisti
Gedanken des Deutschen Reiches auch bezüg-
>.? "er Fmanzgebahrung des Reiches und der ein-
" Bundesstaaten, sowie bezüglich der Steuer-
Werne. Den einzelnen Staaten ist das Recht der ei-
Verwaltung, darum auch das Recht des eigenen
«MerwesenS gewahrt. Jeder Staat richtet sein Steuer-
Wern jn der geschichtlich gewordenen Entwicklung
L 'n seiner Wüterbildung nach den eigenen Be-
Missen und nach den zur Geltung kommenden
, Undsgtzxn. Das Reich hat für seine Finanzge-
».^Ung die Zölle, eine Reihe von indirekten Steuern
die Matrikularbeiträge zur Verfügung. Ein
^scheint täglich mit Ausnahme der Sonn- n. . — Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Kurtage. «Lounemeutsprei» mit dem wöchent- 10-H, Reklame25H. Für hiesige Geschäfts-und
hA" Unterhaltungsblatt „Der Sonntagsbote" für ÜL AlrUlI- Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
'tMerg monatlich SV H mit Trägerlohn, durch « ' Rabattbewilligung.
>tzbie Post bezogen Viertels. >t. 1.60 franco. Expedition: Zwingerstraße 7.
Stolz und Ließe. NL
Dem Amerikanischen nacherzählt.
!ak> magst ja Recht haben, mein Kind," sagte sie in
tz. Nötigendem Tone, „daß Walter- Baler unschuldig
L Ar da die Welt ibn für schuldig hält, muß man je-
>^"11 meiden. William sprach mir sogar von Zucht-
Und Galgen und was weiß ich sonst noch."
fW."Mo war er's doch!" stieß Jessie hervor, „aber er
Uh Dir die Wahrheit. Es hat sich auch nicht entfernt
dornen Mord oder dergleichen gehandelt. Uebrigens
ik^.^von Niemanden angenehm sein, sich sagen lassen
sthz» . - °mer seiner Freunde oder Verwandten wäre
worden, obschon er doch-"
i>n,^Was sagst Du da?" — fuhr die alte Dame erschreckt
Ellwen, als wenn in ihrer Erinnerung ein dunkles
G,Lufgetaucht wäre. — „Wer bat gesagt, daß Freunde
verwandte gehängt worden wären? Das ist nicht wahr."
'«de schaute erstaunt ob dieser unvermutheten Ein-
deren Zusammenhang sie nicht zu begreifen vermochte
h^urnch ist xz „icht wahr; das sagte ich ja eben; aber
dj° 5. es auch wahr wäre, so könnten doch der Sohn oder
«I»,Achter edle, höchst achtusgswerthe Menschen fein. Ich
Ei Zuversichtlich mit Walter, daß die Unschuld seines
U S'ih Marshall's noch einmal offenbar wird."
"im "S' Bartows merkte, daß, wollte sie ihre Position
Duz gefährden, hier noch ein Machtwort helfen könne.
drit/l ,f-.dem, wie ihm wolle," — so versuchte sie jede
» L-Ede abzuschneiden. — „Name und Stand ver»
Dir, irgendwelchen Verkehr mit rinem Manne
Herkunft Walter's zu unterhalten. Darum ist es
i, daß Du heiwkehrest. Las würde Mrs. Reeves
Ut,Wzu sagen, wenn sie hörte, Jessie Graham verkehre
^inesÄ Mann, der seine Erziehung der Mildthätigkeit
"°LValers verdanke?"
Kz-^chvn wieder diese Mrs. Reeves I" bemerkte Jesste
Dir ""willig. „Ich fürchte, Großmutter, Du würdest
dich Tages noch das Achmen abgewöhneu, wenn
»in - Reeves es für fein und vornehm erklärte. Ich
Mng und möchte mir meine Unabhängigkeit im