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der Börse sie verursachte», sondern in erster Reihe
der Bedarf der allgemeinen Verkehrs und der Groß-
gewerbe. Dieser Schluß ist ober ganz hinfällig. Daß
zu Ende September auch die Privat Notenbanken stark
in Anspruch genommen worden sind, ist ganz selbstver-
ständlich und ebenfalls mit auf die Ansprüche der
Börse zurückzuführen, in so fern man, wie wir unter
Börse nicht nur diejenigen von Berlin versteht, wie
dies allerdings die Berliner Presse zu thun gewohnt
ist. Die Bedürfnisse der Börse habe» eben gerade
so gut, wie in Berlin, auch in München, in Frank-
furt a. M. usw. sich geltend gemacht und erheischten
Befriedigung. Daß auch die Ansprüche von Handel,
Gewerbe, Landwirthschaft zu Ende September groß
zu sein pflegen, ist eine bekannte Thatsache und von
niemand bestritten worden. Daran ist nichts zu
deuteln und nicht zu rütteln, und das wird
auch im Reichstage zur geeigneten Zeit mit der
größten Deutlichkeit dargethan werden, so sehr man
auf der Gegenseite auch davor sich scheut.
Dann wird man auch zu der Erkenntniß gelangen,
daß die fernere Entwickelung der ersten deutschen No-
tenbank nicht nach der Seite hin sich vollziehen wird,
nach welcher sie» wenn man den Wünschen der Börsen-
und Bank Welt entsprechen wollte, gezerrt werden
müßte. Auf jener Seite benutzt man nämlich die
Unzufriedenheit, welche die Erhöhung des amtlichen
Zinsfußes der Deutschen ReichSbauk vielfach hervor-
gerufen hat, dazu, für eine Erhöhung des steu-
erfreien ContingentS derselben Stimmung
zu machen. Man weist zu diesem Behufe darauf hin,
daß unser Baukgesetz aus dem Jahre 1875 stammt.
In den seitdem verflossenen 22 Jahren hätten aber
Handel und Großgewerbe in Deutschland einen unge-
ahnten Aufschwung genommen, und demgemäß sei auch
der Geldbedarf gestiegen. Die Reichsbank sei aber
unter der Herrschaft des jetzt gültigen Bankgesetzes
nicht in der Lage, sich diesen bedeutend erhöhten Be-
dürfnissen des Handels und der Großgewerbe anzu-
passen, was nothgedrungen dazu führe, daß in Zeiten
eines vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarfs die
Sätze schneller, als im Auslande, in die Höhe gesetzt
werden müßten, wodurch unsere Handels- und groß-
gewerblichen Kreise geschädigt würden, da sie gegen-
über den strtigern Zinsfuß-Verhältnissen in England
und Frankreich an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen müß-
ten. Eine Erhöhung des steuerfreien Noten-Contin-
gents würde sich deshalb dringend empfehlen. Gleich-
zeitig müßte auch eine Ermäßigung der unverhältniß-
zahlte, fand er an dem Wirth einen Gönner. Als nun
Wilhelm diesem einmal in vertrautem Gespräche seine Ver-
legenheit erzählte, lachte dieser laut auf und meinte, da sei
mit etwas Geld leicht zu helfen. Er theilte nun Wilhelm,
gegen dessen Versprechen, die Sache geheim zu halten, mit,
er soll nach Straßburg gehen, dort in der Blauwolken-
gasse ein näher berechnetes Laus aufsuchen, dort dem Eigen-
thümer einen Gruß von ihm, dem Wirth, ausrichten und
diesem einen Zettel behändigen, auf dem die wenigen Worte
standen: „Schaue und traue dem"; dann folgte ein Hand-
zeichen mit einem Schnörkel. Der Wirth fügte bei, daß er
die ganre Reise bezahlen wolle, wenn Wilhelm dort das
nicht bekomme, was er verlangte.
Diesem Rath folgte Wilhelm und er erhielt in Straß-
burg gegen gutes Geld die Urkunden, wie er sie brauchte,
und von daher datirt sich seine Bekanntschaft mit diesem
besonderen Geschäftszweige. Er blieb als Küfer etwa drei
Jahre in Straßburg und nachdem er dort mit der deutschen
Sprache vertraut war, auch die französische sich ziemlich
angeeignet hatte, beschloß er weiter zu wandern, ging über
den Rhein, kam nach E. und fand dort einen Dienst in
M , wie das Alles schon von Anna erzählt wurde. Seine
Mtttheilungen über die dortigen Ereignisse stimmten in der
Hauptsache mit jenen meiner Mutter überein, allein sie
wichen insofern von der Wahrheit ab, als er die unheil-
vollen Folgen mehr meiner Mutter in die Schuhe schob-
Ueber seine Trennung von Anna auf der Brücke ru
Amsterdam bemerkte Wilhelm, mit der Angabe, daß leine
Eltern in Amsterdam wohnten und ein angemessenes Ver-
mögen besitzen, habe er allerdings Anna betrogen; es sei
dieß aber mehr in der Absicht geschehen, Anna zu der
Flucht zu bewegen. Er habe Anna wirklich geliebt und sei
entschlossen gewesen, sie vor der Ankunft in jener Stadt
von dem wirklichen Stande zu unterrichten und sie zu be-
wegen, mit ihm nach Amerika auszuwandern und sich dort
häuslich niederzulafsen. So oft er aber auch nur annährend
auf einen solchen Plan hingedeutet habe, sei Anna ganz
außer sich gerathen und so habe er den Muth verloren,
sie ernstlich auf diesen Ausgang vorzubereiten; der Geld-
mäßig hohen Noten-Steuer von 5°/o in Erwägung
gezogen werden.
Man sieht: das bekannte Wort, daß nur die
Lumpen bescheiden sind, hat noch immer Geltung.
Gleich zwei Fliegen möchte man mit einem Schlage
treffen: eine Erhöhung des steuerfreien Noten Contin-
gents und eine Ermäßigung der Notensteuer erzielen.
Hei, wie blühte dann der Weizen der Börsenjobberei,
die bald eine solche Ausdehnung annehmen würde,
daß wir binnen kurzem eben so weit wären, wie heute!
Viel zu sehr tritt aber bei den diesmaligen Er-
örterungen über die Erhöhung des Zinsfußes der
Reichsbank der eigentliche Kern der Angelegenheit
zurück; denn dieser bildet eben der Schutz des Gold«
vorrathS. Zwar hat der Reichsbank-Präsident früher
ein Mal die Sache so Hingestell», daß er um diesen
Goldvorrath nie besorgt fei; allein wenn er genöthigt
ist, zu Zinsfußerhöhungen zu schreiten, so fehlt bei
sein« Begründung, welche er dem Hauptausschuß der
ReichSbauk vorzutragen Pflegt, selten die Fürsorge
für den Metallbestand der Bank. Auch dies Mal
legte der Reichsbank Präsident, nach den überein-
stimmenden Berichten über die am 11. d. abgehaltene
Sitzung des HauptauSschusseS der Reichsbank, dar,
daß der Metallbestand der Bank auch in der ersten
Woche des neuen Jahrviertels nicht nur nicht zu-
genommen, sondern selbst nach Ablauf der ersten
Woche der Oktober noch um etwa 4 Millionen M.
abgenommen habe. Wie der Metallbestand weiter sich
gestalten wird, sei ungewiß, da Rußland, Oesterreich
und Japan immer noch Gold an sich ziehen und da-
für Bedingungen stellen, die den Abfluß nach jenen
Ländern begünstigen; eS sei also keineswegs sicher,
daß der Goldvorrath der Reichsbank in der zweiten
Woche des Oktober die wünschenswerthe Erhöhung
erfahren wird. Der Präsident wies auch auf die
Bank von England hin, die bekanntlich gleichfalls
unter Goldeutziehungen leidet und vielleicht in dieser
Woche ebenfalls zu einer Zinsfußerhöhung sich ent-
schließen könnte. Und in der That war der Metall-
Vsrrath der Reichsbank um diese Zeit deS Jahres
und überhaupt nicht seit Jahren so gering, wie nach
dem Ausweis vom 7. Okt. d. I.; denn er umfaßte
nur 748 Mill. M., gegen 804 Mill. M. zur gleichen
Zeit des Vorjahres und 900, bezw. 909 Mill. M.
zur entsprechenden Zeit der Jahre 1895 und 1894.
Gegenüber dem zuletzt genannten Jahre ergibt sich
also ein Weniger von 161 Mill. M.! Diese Schwäch-
ung des MetallbestandeS ist ohne Zweifel zum
vorrath sei durch die lange Reise auch so geschwunden, daß
er zur Reise nach Amerika für sie beide und zu einer auch
nur nothdürftigen Einrichtung nicht mehr hinreichte.
In dieser fatalen Lage habe er sich vorgenommen, in
Amsterdam zuerst einen Bekannten aufzusuchen, diesen zu
der Aufnahme von Beiden zu bewegen und von dort an
die Eltern von Anna zu schreiben, in der sicheren Hoffnung,
daß diese ihr einziges Kind in diesem trostlosen Zustande
nicht verlassen werden. Er betheuerte auf Alles, daß es ihm
nicht im Mindesten im Sinne gelegen, Anna zu verlassen,
aber sein Herz sei arg geängstigt worden, in dem Gedanken,
daß jetzt in wenigen Stunden die Zeit heranrücke, wo er
Anna in seinen Plan einweihen müsse.
Er habe nun Anna zugesprochen und sei m der Absicht,.
seinen Plan auszusühren und zu Anna zuruckzukehren m
die Stadt hineingegangen. Die erste bekannte Person, der
er begegnet, sei merkwürdigerweise lener Obergesell gewesen,
dem er einen so heftigen Schlag auf den Arm versetzt hatte.
Wilhelm habe sich unbemerkt an demselben vorberdrucken
wollen, allein jener sei gerade aus rhn zu gegangen, habe
hn auf das Freundlichste begrüß und ihm erzählt, er ser
in Folge seines Schlages zum Kufergeschaft untauglich ge-
worden, allein das sei sein Glück gewestn, denn er habe
alsbald in einem Kommlssionsbureau Beschäftigung ge-
funden und stehe jetzt in guten Verhältnissen, wie denn auch
ein Aeuieres zeigte. Der ehemalige Obergesell war gut
gekleidet/ er hatte ein mehr militärisches Aussehen, auch
war sein Oberkleid und seine Kopfbedeckung militärisch zu-
geschnitten, ohne doch eine Uniform vorzustellen.
Fortsetzung folgt.)
Pfcher Volksblatt
Melbers, WenM de« 19. Moder 1897.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
>ei«t täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
-tage. «bouuemeutspret» mit dem wöchent-
l Unterhaltungsblatt „Der Sonntagsbote" für
"berg monatlich KO H mit Trägerlohn, durch
die Post bezogen Viertels. Ft 1.60 franco.
Gram für Maßrlmi, Frerlmi L KM.
A r Rabattbewilligung.
Expedition: Awiugerftraße 7.
S«ser«nte die 1-spaltige Petitzeile oder deren Rau«
"" "
bedeutende
Die Erhöhung -es Zinsfußes -er Deut-
schen Reichsbank,
Arlchx am 11. d. M. erfolgt ist, beunruhigt die Bör-
fresse um deswillen sehr, weil durch sie die allge -
^El»e Aufmerksamkeit nothgedrungen wieder
das deutsche Notenbank-Institut hingelenkt wird
L.d auf die Verhältnisse, unter welchen dasselbe ar-
und unter welchen Handel und Gewerbe in
?s"Ech regelmäßigen Zwischenräumen nicht unempfind-
zu leiden haben.
N Angesichts der schon wieder bemerkbar werdenden
Matiou zu Gunsten einer gründlichen Umgestal-
b"ug der Verfassung der Deutschen Reichsbank ist eS
.^ Börsen- und Mauchester-Presse vor allem darum
d; die Sache so darzustellen, als ob es nicht
u.Bedürfnisse der Börse wären, welche in erster
Ale wieder die Erhöhung des amtlichen Zinsfußes
Deutschen Reichsbank veranlaßt haben. Seit-
hat man aber auf der andern Seite eine
Ausrede vorgebracht, über die wir nicht
lick fiteres hinweggehen möchten. Man hat näm-
di? zur Charakterisirung der Lage bemerkt, daß
vws ^"ßen Privat Notenbanken mit ihrem Noten-
«wlauf ebenfalls in die Steuerpflicht hineingekommen
r-?d- . und möchte diese Anspannung als einen Belag
die Annahme betrachten, daß nicht die Bedürfnisse
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Hüber in Heidelberg,
Lwtngrrftraße 7.
Westell'ungen
m dar
IV. Quartal
Lehmen immer noch alle Postämter auf die täglich er-
scheinende Zeitung
-Pfälzer BoMblatt"
Wit der wöchentlichen Gratisbeilage „Der EountagS-
sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
buße 7, entgegen. Die bereits erschienenen Num-
wrrn werden nachgeliefert.
Expedition -es „PMxer VotksblsU".
Heidelberg, Zwingerstraße 7
Ein Frauenschicksal.
Er nahe daran war, seine Lehrjahre zu vollenden,
<nu ne Mutter und er stand nun mit 13 Jahren allein
Welt. Der Tod seiner Mutter stimmte ihn nicht
Seien und als ihm nun in dieser Zeit einmal der Ober-
Ohrfeige gab, weil er dessen Anordnungen nicht
Ner^ir ri wollte, brauste sein Zorn auf; er schlug mit ei-
s<btn°. neu Zange auf seinen Beleidiger und traf diesen
aus den Arm. Den Augenblick, als die übrigen Ge-
Hilm „W^em Obergesellen zu Hilfe sprangen, benützte Wil-
debn,.""^schlüpfte aus der Werkstätte. Bei seiner ausge-
, dergOU Kenntniß aller Schlupfwinkel war seine Verfolgung
der Tage schlich sich Wilhelm in den äußeren Th-ilen
dies? n herum und ernährte sich mit Betteln. Allein
de» W Ebensweise sagte ihm nicht zu und er kam daher auf
sei»-^fdavlen, sich bei einem Kauffahrteischiff, das bereits
kein- U?ung hatte, als Matrose aufnehmen zu lassen, was
dies?« r> Irrigkeit land. Nachdem er aber etwa zwei Jahre
^ben mitgemacht hatte, mißfiel es ihm, denn die
hvksg^ungen waren häufig sehr groß und blinder Ge-
^forderlich.
Cchjffi Elm hatte sich ziemlich Geld verdient und als sein
Und-„4" Rotterdam landete, trat er aus dem Tienste
detrew-» sich, sein ursprüngliches Gewerbe wieder zu
tu Es fiel nicht schwer, in Rotterdam selbst Arbeit
Lbera,?."«' aber Wilhelm nicht wußte, wie sein, dem
sorgen verfitzter Schlag ausgefallen sei und er be-
Ttrak, ;»^E, im Falle seiner Entdeckung ergriffen und als
SeMnn? El" Regiment gesteckt oder auf ein Kriegsschiff
werden, so entsckloß er sich, in» deutsche Reich
der kam nach Köln, er erhielt alsbald Arbeit,
d>eil „ jür sand Gefallen an ihm, er konnte ihn aber,
bch fiin-Or kewen Ausweis über seine Abkunft, nament-
dicht behaltA^brief besaß, bei den strengen Zunftgesetzen
"er tz^delm war nun rathlos; er nahm Wohnung in ei-
ammwirthschaft. Da er dort gut zehrte und blank be-
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der Börse sie verursachte», sondern in erster Reihe
der Bedarf der allgemeinen Verkehrs und der Groß-
gewerbe. Dieser Schluß ist ober ganz hinfällig. Daß
zu Ende September auch die Privat Notenbanken stark
in Anspruch genommen worden sind, ist ganz selbstver-
ständlich und ebenfalls mit auf die Ansprüche der
Börse zurückzuführen, in so fern man, wie wir unter
Börse nicht nur diejenigen von Berlin versteht, wie
dies allerdings die Berliner Presse zu thun gewohnt
ist. Die Bedürfnisse der Börse habe» eben gerade
so gut, wie in Berlin, auch in München, in Frank-
furt a. M. usw. sich geltend gemacht und erheischten
Befriedigung. Daß auch die Ansprüche von Handel,
Gewerbe, Landwirthschaft zu Ende September groß
zu sein pflegen, ist eine bekannte Thatsache und von
niemand bestritten worden. Daran ist nichts zu
deuteln und nicht zu rütteln, und das wird
auch im Reichstage zur geeigneten Zeit mit der
größten Deutlichkeit dargethan werden, so sehr man
auf der Gegenseite auch davor sich scheut.
Dann wird man auch zu der Erkenntniß gelangen,
daß die fernere Entwickelung der ersten deutschen No-
tenbank nicht nach der Seite hin sich vollziehen wird,
nach welcher sie» wenn man den Wünschen der Börsen-
und Bank Welt entsprechen wollte, gezerrt werden
müßte. Auf jener Seite benutzt man nämlich die
Unzufriedenheit, welche die Erhöhung des amtlichen
Zinsfußes der Deutschen ReichSbauk vielfach hervor-
gerufen hat, dazu, für eine Erhöhung des steu-
erfreien ContingentS derselben Stimmung
zu machen. Man weist zu diesem Behufe darauf hin,
daß unser Baukgesetz aus dem Jahre 1875 stammt.
In den seitdem verflossenen 22 Jahren hätten aber
Handel und Großgewerbe in Deutschland einen unge-
ahnten Aufschwung genommen, und demgemäß sei auch
der Geldbedarf gestiegen. Die Reichsbank sei aber
unter der Herrschaft des jetzt gültigen Bankgesetzes
nicht in der Lage, sich diesen bedeutend erhöhten Be-
dürfnissen des Handels und der Großgewerbe anzu-
passen, was nothgedrungen dazu führe, daß in Zeiten
eines vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarfs die
Sätze schneller, als im Auslande, in die Höhe gesetzt
werden müßten, wodurch unsere Handels- und groß-
gewerblichen Kreise geschädigt würden, da sie gegen-
über den strtigern Zinsfuß-Verhältnissen in England
und Frankreich an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen müß-
ten. Eine Erhöhung des steuerfreien Noten-Contin-
gents würde sich deshalb dringend empfehlen. Gleich-
zeitig müßte auch eine Ermäßigung der unverhältniß-
zahlte, fand er an dem Wirth einen Gönner. Als nun
Wilhelm diesem einmal in vertrautem Gespräche seine Ver-
legenheit erzählte, lachte dieser laut auf und meinte, da sei
mit etwas Geld leicht zu helfen. Er theilte nun Wilhelm,
gegen dessen Versprechen, die Sache geheim zu halten, mit,
er soll nach Straßburg gehen, dort in der Blauwolken-
gasse ein näher berechnetes Laus aufsuchen, dort dem Eigen-
thümer einen Gruß von ihm, dem Wirth, ausrichten und
diesem einen Zettel behändigen, auf dem die wenigen Worte
standen: „Schaue und traue dem"; dann folgte ein Hand-
zeichen mit einem Schnörkel. Der Wirth fügte bei, daß er
die ganre Reise bezahlen wolle, wenn Wilhelm dort das
nicht bekomme, was er verlangte.
Diesem Rath folgte Wilhelm und er erhielt in Straß-
burg gegen gutes Geld die Urkunden, wie er sie brauchte,
und von daher datirt sich seine Bekanntschaft mit diesem
besonderen Geschäftszweige. Er blieb als Küfer etwa drei
Jahre in Straßburg und nachdem er dort mit der deutschen
Sprache vertraut war, auch die französische sich ziemlich
angeeignet hatte, beschloß er weiter zu wandern, ging über
den Rhein, kam nach E. und fand dort einen Dienst in
M , wie das Alles schon von Anna erzählt wurde. Seine
Mtttheilungen über die dortigen Ereignisse stimmten in der
Hauptsache mit jenen meiner Mutter überein, allein sie
wichen insofern von der Wahrheit ab, als er die unheil-
vollen Folgen mehr meiner Mutter in die Schuhe schob-
Ueber seine Trennung von Anna auf der Brücke ru
Amsterdam bemerkte Wilhelm, mit der Angabe, daß leine
Eltern in Amsterdam wohnten und ein angemessenes Ver-
mögen besitzen, habe er allerdings Anna betrogen; es sei
dieß aber mehr in der Absicht geschehen, Anna zu der
Flucht zu bewegen. Er habe Anna wirklich geliebt und sei
entschlossen gewesen, sie vor der Ankunft in jener Stadt
von dem wirklichen Stande zu unterrichten und sie zu be-
wegen, mit ihm nach Amerika auszuwandern und sich dort
häuslich niederzulafsen. So oft er aber auch nur annährend
auf einen solchen Plan hingedeutet habe, sei Anna ganz
außer sich gerathen und so habe er den Muth verloren,
sie ernstlich auf diesen Ausgang vorzubereiten; der Geld-
mäßig hohen Noten-Steuer von 5°/o in Erwägung
gezogen werden.
Man sieht: das bekannte Wort, daß nur die
Lumpen bescheiden sind, hat noch immer Geltung.
Gleich zwei Fliegen möchte man mit einem Schlage
treffen: eine Erhöhung des steuerfreien Noten Contin-
gents und eine Ermäßigung der Notensteuer erzielen.
Hei, wie blühte dann der Weizen der Börsenjobberei,
die bald eine solche Ausdehnung annehmen würde,
daß wir binnen kurzem eben so weit wären, wie heute!
Viel zu sehr tritt aber bei den diesmaligen Er-
örterungen über die Erhöhung des Zinsfußes der
Reichsbank der eigentliche Kern der Angelegenheit
zurück; denn dieser bildet eben der Schutz des Gold«
vorrathS. Zwar hat der Reichsbank-Präsident früher
ein Mal die Sache so Hingestell», daß er um diesen
Goldvorrath nie besorgt fei; allein wenn er genöthigt
ist, zu Zinsfußerhöhungen zu schreiten, so fehlt bei
sein« Begründung, welche er dem Hauptausschuß der
ReichSbauk vorzutragen Pflegt, selten die Fürsorge
für den Metallbestand der Bank. Auch dies Mal
legte der Reichsbank Präsident, nach den überein-
stimmenden Berichten über die am 11. d. abgehaltene
Sitzung des HauptauSschusseS der Reichsbank, dar,
daß der Metallbestand der Bank auch in der ersten
Woche des neuen Jahrviertels nicht nur nicht zu-
genommen, sondern selbst nach Ablauf der ersten
Woche der Oktober noch um etwa 4 Millionen M.
abgenommen habe. Wie der Metallbestand weiter sich
gestalten wird, sei ungewiß, da Rußland, Oesterreich
und Japan immer noch Gold an sich ziehen und da-
für Bedingungen stellen, die den Abfluß nach jenen
Ländern begünstigen; eS sei also keineswegs sicher,
daß der Goldvorrath der Reichsbank in der zweiten
Woche des Oktober die wünschenswerthe Erhöhung
erfahren wird. Der Präsident wies auch auf die
Bank von England hin, die bekanntlich gleichfalls
unter Goldeutziehungen leidet und vielleicht in dieser
Woche ebenfalls zu einer Zinsfußerhöhung sich ent-
schließen könnte. Und in der That war der Metall-
Vsrrath der Reichsbank um diese Zeit deS Jahres
und überhaupt nicht seit Jahren so gering, wie nach
dem Ausweis vom 7. Okt. d. I.; denn er umfaßte
nur 748 Mill. M., gegen 804 Mill. M. zur gleichen
Zeit des Vorjahres und 900, bezw. 909 Mill. M.
zur entsprechenden Zeit der Jahre 1895 und 1894.
Gegenüber dem zuletzt genannten Jahre ergibt sich
also ein Weniger von 161 Mill. M.! Diese Schwäch-
ung des MetallbestandeS ist ohne Zweifel zum
vorrath sei durch die lange Reise auch so geschwunden, daß
er zur Reise nach Amerika für sie beide und zu einer auch
nur nothdürftigen Einrichtung nicht mehr hinreichte.
In dieser fatalen Lage habe er sich vorgenommen, in
Amsterdam zuerst einen Bekannten aufzusuchen, diesen zu
der Aufnahme von Beiden zu bewegen und von dort an
die Eltern von Anna zu schreiben, in der sicheren Hoffnung,
daß diese ihr einziges Kind in diesem trostlosen Zustande
nicht verlassen werden. Er betheuerte auf Alles, daß es ihm
nicht im Mindesten im Sinne gelegen, Anna zu verlassen,
aber sein Herz sei arg geängstigt worden, in dem Gedanken,
daß jetzt in wenigen Stunden die Zeit heranrücke, wo er
Anna in seinen Plan einweihen müsse.
Er habe nun Anna zugesprochen und sei m der Absicht,.
seinen Plan auszusühren und zu Anna zuruckzukehren m
die Stadt hineingegangen. Die erste bekannte Person, der
er begegnet, sei merkwürdigerweise lener Obergesell gewesen,
dem er einen so heftigen Schlag auf den Arm versetzt hatte.
Wilhelm habe sich unbemerkt an demselben vorberdrucken
wollen, allein jener sei gerade aus rhn zu gegangen, habe
hn auf das Freundlichste begrüß und ihm erzählt, er ser
in Folge seines Schlages zum Kufergeschaft untauglich ge-
worden, allein das sei sein Glück gewestn, denn er habe
alsbald in einem Kommlssionsbureau Beschäftigung ge-
funden und stehe jetzt in guten Verhältnissen, wie denn auch
ein Aeuieres zeigte. Der ehemalige Obergesell war gut
gekleidet/ er hatte ein mehr militärisches Aussehen, auch
war sein Oberkleid und seine Kopfbedeckung militärisch zu-
geschnitten, ohne doch eine Uniform vorzustellen.
Fortsetzung folgt.)
Pfcher Volksblatt
Melbers, WenM de« 19. Moder 1897.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
>ei«t täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
-tage. «bouuemeutspret» mit dem wöchent-
l Unterhaltungsblatt „Der Sonntagsbote" für
"berg monatlich KO H mit Trägerlohn, durch
die Post bezogen Viertels. Ft 1.60 franco.
Gram für Maßrlmi, Frerlmi L KM.
A r Rabattbewilligung.
Expedition: Awiugerftraße 7.
S«ser«nte die 1-spaltige Petitzeile oder deren Rau«
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schen Reichsbank,
Arlchx am 11. d. M. erfolgt ist, beunruhigt die Bör-
fresse um deswillen sehr, weil durch sie die allge -
^El»e Aufmerksamkeit nothgedrungen wieder
das deutsche Notenbank-Institut hingelenkt wird
L.d auf die Verhältnisse, unter welchen dasselbe ar-
und unter welchen Handel und Gewerbe in
?s"Ech regelmäßigen Zwischenräumen nicht unempfind-
zu leiden haben.
N Angesichts der schon wieder bemerkbar werdenden
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b"ug der Verfassung der Deutschen Reichsbank ist eS
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u.Bedürfnisse der Börse wären, welche in erster
Ale wieder die Erhöhung des amtlichen Zinsfußes
Deutschen Reichsbank veranlaßt haben. Seit-
hat man aber auf der andern Seite eine
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lick fiteres hinweggehen möchten. Man hat näm-
di? zur Charakterisirung der Lage bemerkt, daß
vws ^"ßen Privat Notenbanken mit ihrem Noten-
«wlauf ebenfalls in die Steuerpflicht hineingekommen
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die Annahme betrachten, daß nicht die Bedürfnisse
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Hüber in Heidelberg,
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m dar
IV. Quartal
Lehmen immer noch alle Postämter auf die täglich er-
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sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
buße 7, entgegen. Die bereits erschienenen Num-
wrrn werden nachgeliefert.
Expedition -es „PMxer VotksblsU".
Heidelberg, Zwingerstraße 7
Ein Frauenschicksal.
Er nahe daran war, seine Lehrjahre zu vollenden,
<nu ne Mutter und er stand nun mit 13 Jahren allein
Welt. Der Tod seiner Mutter stimmte ihn nicht
Seien und als ihm nun in dieser Zeit einmal der Ober-
Ohrfeige gab, weil er dessen Anordnungen nicht
Ner^ir ri wollte, brauste sein Zorn auf; er schlug mit ei-
s<btn°. neu Zange auf seinen Beleidiger und traf diesen
aus den Arm. Den Augenblick, als die übrigen Ge-
Hilm „W^em Obergesellen zu Hilfe sprangen, benützte Wil-
debn,.""^schlüpfte aus der Werkstätte. Bei seiner ausge-
, dergOU Kenntniß aller Schlupfwinkel war seine Verfolgung
der Tage schlich sich Wilhelm in den äußeren Th-ilen
dies? n herum und ernährte sich mit Betteln. Allein
de» W Ebensweise sagte ihm nicht zu und er kam daher auf
sei»-^fdavlen, sich bei einem Kauffahrteischiff, das bereits
kein- U?ung hatte, als Matrose aufnehmen zu lassen, was
dies?« r> Irrigkeit land. Nachdem er aber etwa zwei Jahre
^ben mitgemacht hatte, mißfiel es ihm, denn die
hvksg^ungen waren häufig sehr groß und blinder Ge-
^forderlich.
Cchjffi Elm hatte sich ziemlich Geld verdient und als sein
Und-„4" Rotterdam landete, trat er aus dem Tienste
detrew-» sich, sein ursprüngliches Gewerbe wieder zu
tu Es fiel nicht schwer, in Rotterdam selbst Arbeit
Lbera,?."«' aber Wilhelm nicht wußte, wie sein, dem
sorgen verfitzter Schlag ausgefallen sei und er be-
Ttrak, ;»^E, im Falle seiner Entdeckung ergriffen und als
SeMnn? El" Regiment gesteckt oder auf ein Kriegsschiff
werden, so entsckloß er sich, in» deutsche Reich
der kam nach Köln, er erhielt alsbald Arbeit,
d>eil „ jür sand Gefallen an ihm, er konnte ihn aber,
bch fiin-Or kewen Ausweis über seine Abkunft, nament-
dicht behaltA^brief besaß, bei den strengen Zunftgesetzen
"er tz^delm war nun rathlos; er nahm Wohnung in ei-
ammwirthschaft. Da er dort gut zehrte und blank be-