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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Februar 1897
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Nr. 34
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0137

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Pfälzer Volksblatt

AkllMU Mag, dm 12. MriM 1897.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Druck, Verlag u. Expedition
G ebr. Huber in Heidelberg,
__Lwiugrrftraße 7._

Auf das
^ Pfälzer Bolksblatt"
"" immer noch für die zwei Monate
Ieövrrav unö Wävz
, ^nirt werden. Bestellungen nimmt jede Postaustalt
ft unsere Expedition in Heidelberg, Zwingerstraße 7,
"hegen.
^ Prnbenurumern werden auf Wunsch gerne Porto-
jedermann zugesandt.

mit ^ Ausnahme der Sonn- n. _ Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
dklbttq? Snnntagsb^t^ str Äkülllllkll, Äklül- Prwat^nzeigeM^
die L A mtlich 5V nnt Tragerlohn, durch » ' ' ,Rabattbewilligung.
Post bezogen vierteln 1.60 franco. Expedition: Zwingerstratze 7.

thut gar nicht weh!" — drei! — „jetzt nur noch
einen Augenblick, Herr Graf; gleich bin ich fertig!"
— vier! — „Pardon, Herr Graf- nur noch ein
kleiner Scherz, den ich vorhin vergessen hatte", —
und so fort. Graf Limburg wußte gor nicht wie
ihm geschah. Dem Grafen Mirbach ging'S am Sams-
tag nicht besser. Ec hatte den Absentismus für den
bessern Theil der parlamentarischen Thätigkeit ge-
halten. Obwohl er sich denken konnte, daß ihm seine
schöne Bemerkung von gestern — „geradezu empö-
rend" nennt sie der Abg. Lieber — nicht glatt durch-
gehen werde, war er in der Sitzung nicht anwesend.
Vielleicht hat er allen Ernstes den Versuch machen
wollen, ob er mit seiner höchst lahmen Entschuldig-
ung von gestern die Sache nicht als erledigt betrachten
könne.
Da kam er aber schlecht an. Die Abfertigung,
die ihm am SamStag durch den Abg. Lieber zu Theil
wurde, eignet sich kaum für die Ehroriik seines gräf-
lichen Hauses. Läge der Fall umgekehrt, so würde
sie wohl einen Ehrenplatz in derselben einnehmen. Es
ist ganz gut, daß diesen übermüthigen Herren, welche
die „preußische Tradition" und das „Nationalgefühl"
im fideicomwissarischen Monopolbesitz zu haben sich
einbilden oder wenigstens einzubilden sich anstellen,
auch ein Mal Männer gegenübertreten, welche sie
eben so rücksichtslos in ihre Schranken zurückweisen,
welche sie selbst es zu thun gewohnt sind, wenn ihnen
und ihren wirklichen oder vermeintlichen Rechten ein
anderer auch nur im entferntesten zu nahe tr.tt. Er
war dem Grafen Mirbach so schlecht ergangen, daß
seine Fraktion ihn unmöglich ganz im Sumps stecken
lasten zu dürfen glauben mochte. Für ihn mußte der
neue Vorsitzende der conservativen Fraktion, der Abg.
v. Levetzow, in die Schranken treten, fürwahr keine
angenehme Aufgabe, mit welcher er sein neues Amt
im Plenum des Reichstage- antrat, um so unange-
nehmer, als eben der Abg. Dr. Lieber etwaige Ein-
wände gegen seine Bemerkungen von vorn herein sorg-
fältig „verbaut" hatte.
Ueber die Anti-Polenrede des Abg. Haste ist we-
nig zu sagen; sie enthält absolut nichts neues. Ihre
Politik ist eigentlich jungeheuer bequem; Nachdenken
gehört nicht dazu, auch keine Geschicklichkeit. Sie hat
aber trotzdem immer den Erfolg für sich, wenn sie
nur auch die Mehrheit für sich hat.

Stolz und Liebe. kLn"
Dem Amerikanischen nacherzählt.
M A Winterliche Sonne neigte sich dem Untergänge zu
letzten Strahlen beleuchteten das bleiche, schöne
M AWens, welche in demselben Zimmer, in dem Wal-
HvdA. .r gestorben war, müde und träumend auf dem
Hch di-iMe. Sie war heute schwächer, als gewöhnlich,
As».," hektische Röthe ihrer Wanaen wirkte beängstigend.
Mker ü "öl? sie den Dampfwolken nach, die der New-
tztatinn M der eben von der auf einer Anhöhe belesenen
»»Deerwood abfuhr, hinter sich Herzog-
sagte sie Plötzlich, „kommt dort nicht der
, 'M Von der Höhe?"
haft recht, mein Kind," autwortete Mrs. How-
Kranke zärtlich anschamnd, „sollte am Abend
Besuch überraschen ! Vielleicht kommt Walter,
'hm in meinem letzten Briese nicht mitgetheilt
»hne'qM schwach Du Dich fühlst. Warum sollten wir ihn
F°th. beunruhigen?"
k!ebn»^^°re Stimme sagte Ellen, daß der so lange,
in der Nähe sei. Sie schlang ihren
,'^Utt-r M der Mutter Hals und flüsterte ihr zu:
tnk mA,habe eine innige Bitte. Ich habe eine Ahn-
Ut ib», .^Eam Bellcnger mich besuchen wird. Ich muß
M. z»i^den; sor^e dafür, daß wir ein Stündchen allein
kr ft-r".Du, Mutter? Es ist nichts Unrechtes dabei,"
als st- dem forschenden Blick ihrer Mutter
U «."-Später will ich Dir Alles erklären."
M j„» Mutter fiel es wie Schuppen von den Augen:
schwerste bestürzt, erkannte sie plötzlich die U-fache
d Seelenleidens ihres geliebten Kindes-
M»eKind!" — sagte ste mehr erschreckt, als
ein iU.^.s war nicht recht von Dir, vor Deiner Mut-
vsk)?Ae>mmß zu haben. Warum hast Du Dich nicht
ick-Ml- Deinen Wunsch werde ich zu erfüllen suchen;
s 8n ^Mr e von Dir, daß Du nichts Unrechtes suchest."
Augenblicke betrat William Bellenger die
en leichten Gruß erwiderte die besorgte
wrt einem mißtrauischen, forschenden Blicke; den-

^Bkrathung des Etats des Reichskanzlers
cm Somstag im Reichstag zu Ende geführt.
L.,. hochpolitische Debatte wurde fortgesetzt. Wie am
^«"9 die Rede des StaatSsecretärS Frhrn. v. Mar-
Akk' so bezeichnete heute die Rede deS Abg. Dr.
den Höhepunkt der Debatte. Zunächst ging
W. ""l denjenigen Gegenstand ein, der bei Er-
der Debatte zuerst angeregt worden war,
P "''ch den Beginn eines neuen Feldzugs gegen die
l>y"h durch die preußische Regierung. Alle Redner
h,; 'Hw waren an diesem Gegenstand säuberlich ror-
Den einen ist wohl die Sache glcich
d.» andern sind die Polen eine quuntitä
die drittcn sind mit der neuesten Wen-
del einverstanden, wie mit der besonnenen
!üblr" Politik unter Caprivi. Das Centrum aber
Ich huch daun die Pflicht, für Recht und Gcrechtrg-
H^bzutrrten, wenn es um die Polen sich handelt.
Nl « 8'bt keine wirkliche Gerechtigkeit, wenn sie
W preußischen und deutschen Staatsbürgern
^gleichmäßig zu Theil wird.
ollem Ernst und aller Schärfe brachte der
liilsvAhuete Dr. Lieber diesen Standpunkt zur Gel-
»ich?' er sprach eS auch für solche, die es noch immer
offen aus, daß das Centrum wie alle
dekz ""ft katholischen Politiker in der neuerlichen
i>i/A!ung des PolenthumS als die erste Triebfeder
äwpfung der Katholizismus in der Ostmark
lchc, S erkennt. Das Centrum hat keine Luft,
Vckm huschen, wenn man glaubt, dort unter dem
der Bekämpfung des PolenthumS den
"Hf wieder aufnehmen zu können. Es gibt
tz^urdlg wenige Leute im Reichstage außerhalb

des CentrumS, welche diese doch so höchst einfache
Politik zu verstehen vermögen. Der Abgeordnete
Hasse, einer der Bannerträger deS vielberühmten
„Alldeutschen Verbandes", machte später aus den
Ausführungen des Abgeordneten Lieber, er habe eine
polenfreundliche" Politik empfohlen. Warum eigent-
lich diese Verdrehung? Soll sie ein Schlagwort bil-
den helfen, das man je nach Zeit und Gelegenheit
hier oder da verwenden kann, sei eS bei Hofe, sei es
in Zeitungen, sei eS in Volksversammlungen? Der
Abgeordnete Dr. Lieber belehrte später den polen-
fürchtigen Herrn sehr nachdrücklich, daß er nichts
weniger als eine „polenfreundliche Politik empfohlen
habe, sondern lediglich eine Politik der Gerechtigkeit,
auch gegenüber den Polen.
Im zweiten Theile seiner Rede in dem er sich
zum Prozeß Leck rt Lützow äußerte, kam der Abg. Dr.
Lieber auf das Schlagwort von „Junker und Pfaffen",
das am Freitag eine Rolle gespielt hatte. Der Abg.
Bebel möchte wohl gerne die Stellung des Centrums
in dem Licht erscheinen lassen, als ob dasselbe die
„Junker" schätze, um so zugleich die „Pfaffen" sichern zu
können. Anknüpfend an das Wort des P. Ventura
entgegnete der Abg. Lieber darauf, daß, wie die
Katholiken der Ansicht seien, der Altar könne wohl
des Thrones entbehren, nicht aber der Thron des
Altares, so auch die „Pfaffen" ohne die „Junker"
ganz gut auskommrn, wenn auch vielleicht die „Jun-
ker" Veranlassung haben möchten zu dem Wunsche,
auf die Hülfe der „Pfaffen" rechnen zu können. DaS
gefiel dem Abg. Frhrn. v. Stumm nicht; er wies mit
Emphase darauf hin, Laß auch der Altar deS Thrones
nicht entbehren könne. Ob das vom Standpunkt
dieses Abgeordneten aus richtig ist oder nicht, ist seine
eigene Sache; begreiflich ist seine Anschauung aber
wohl; er sprach eben von seinem protestantischen
Standpunkte aus. Aber damit konnte er dem Abg.
Dr. Lieber nicht widerlegen, der ausdrücklich betont
hatte, daß seine Anschauung diejenige der Katholiken sei.
Endlich kam in der Rede des Abg. Dr. Lieber
auch der Abg. Graf Mirbach mit seiner gestrigen
Glanzleistung parlamentarischen Taktes und vornehmen
Tones an die Reihe, und cs ging ihm in den Hän-
den des Abg. Lieber ebenso schlecht, wie gestern dem
Grasen Limburg. Stirum in den Händen des Staats-
sekretärs v. Marschall. Letzterer hatte gestern seine
Schläge mit ausgesuchter Eleganz ausgetheilt: eins!
— „bitte, Herr Graf, ich habe eben so wenig die
geringste Animosität gegen Sie, wie Sie gegen mich !"
— zwei! — „halten Sie nur still, Herr Graf, es
noch ahnte sie nickt, wie furchtbar selbstsüchtig der Mann
sei, welcher das Herz ihrer Tochter betrogen und gebrochen.
Jndeß dem Wunsche ibres siechenden Kindes vermochte sie
sich in diesem Augenblicke nicht zu widersetzen. Tante
Debby und auch der alte Marshall waren von dem wie-
derholten Besuche Bellenger- nicht erbaut; der junge Mann
war ihnen antipathisch; allein die Mutter wußte sich zu
beruhigen um ihres Kindes willen.
William und Ellen waren allein. Der leidende Aus-
druck in dem G-sichte des Mädchens, das sichtlich dem
Tode enigegenreifte, hatte ihn ergriffen- Aber das einmal
begonnene Werk des Betruges mußte fortgesetzt werden.
Wie früher, erzählte er Ellen von seiner Liebe, wie un-
aussprechlich theuer sie ihm sei, und daß er sie sofort als
Gattin heimsühren würde, wenn nicht unüberwindliche
Schwierigkeiten seinen Wünschen entgegenständen. Schwere
Thronen entfielen bei seinen Versicherungen den Äugen
Ellens; sie kämpfte mit dem Gedanken, ob es nicht großes
Unrecht von ihm sei, überhaupt von Liebe zu ihr gespro-
chen zu haben, wenn ihm früher schon diese Schwierig-
keiten bekannt gewesen wären. Aber sie wollte ihn nicht
anklagen, ihn, den ihr Herz ohne Falsch und ohne Arg
hielt; dennoch klang es wie ein leiser Vorwurf, als sie
jetzt in mildem Tone, ihre großen Augen forschend auf ihn
richtend, bemerkte: „Ich frage nicht, ob Du jemals ge-
wünscht hast, mich zu heirathen. Jedenfalls ist eS jetzt da-
für zu spät; denn ich werde sterben. Der Lod hat ein
größeres Recht an mir, und Dir kann ich niemals anze-
hörcn."
Er hielt ihre glühende Hand in der Seinen; der fie-
berhafte Puls, die scharsbegrenzte Röthe ihrer Wangen,
der unnatürliche Glanz ihres Auges, alles dies sagte ihm,
sie spreche die Wahrheit. Noch einmal kam die b-ffere Re-
gung bei ihm zum Durchbruch. Er schlang seinen Arm um
den Hals des Mädchens und tröstete: „Men, rede nicht
so. Ich hoffe, daß Du noch viele Jahre für mich leben
wirst. Glaubst Du wohl, gesund und stark zu werden, wenn
ich Dich als meine Frau mit nach Florida, dem warmen
Süden, nehme?"
Des Mädchens Augen leuchteten auf. Wie süß und

wonnig hatte sie sich oft das Leben erträumt an der Seite
des Geliebten. Eine neue Hoffnung winkte. Sie vergaß,
was sie vorhin gesagt, daß der Tod größere Rechte habe,
als er, der sie umfaßte; noch einmal erwachte ihre ganze
Energy und Lebenslust. Ihr Geficht strahlte ihm schon
ein „Ja" entgegen, noch ehe ihre bleichen Lippen das Wort
auszusprechen vermochten.
„O William, ist es Dein Ernst? Sollen Mr geben?"
Mit Anstrengung richtete sie sich auf, und barg ihr Geficht
an seiner Brust.
William ließ sie gewähren; aber während er zärtlich
ihr Haar streichelte, überlegte er, wie er der selbstgeschaf-
fenen Verlegenheit entschlüpfen könne. Daß sie so entschie-
den seinen Vorschlag ergreifen werde, hatte der Elende
nicht bedacht, und wohl oder übel mußte er seine Falsch-
heit nunmehr enthüllen.
„Vergieb mir, Geliebte," sagte er in traurigem Tone.
„In meiner großen Liebs habe ich unverantwortlich ge
handelt. Wäre ich doch frei, meinem Herzen zu folgen!
Aber ich kann leiser nicht so, wie ich möchte. Höre Ellen,
und dann sollst Du entscheiden. Du hast wohl noch niemals
davon gehört, daß Jesfie und ich schon durch unsere Eltern
für einander bestimmt worden sind?"
Williams Stimme zitterte, als er diese Lüge aussprach.
Mit einem jähen Aufschrei war Ellen in das Sopha zu-
rückzesunken, ihre Gestalt erbebte, wie von Fisberfrost ge
schüttelt. Endlich antwortete sie mit schwacher tonloser
Stimme:
„Jesfie hat mir nie davon gesprochen, obschon sie sonst
kein Geheimniß vor mir hatte. Liebt Jesfie Dich denn,
William?"
„Und wenn es so wäre?" entgegnete er. „Gesetzt den
Fall, sie wäre stets gelehrt worden, mich als ihren zu-
künftigen Gatten zu betrachten, — gesetzt, mein erster Be-
such in Deerwood wäre in gegenseitigem Einverständniß
erfolgt, und wir hätten seither immer in dem Gedanken
miteinander verkehrt, uns einstens anzuzehören! Was wäre
dann meine Pflicht, Ellen? Ich weiß, daß es unrecht von
mir gewesen, von Liebe zu Dir zu sprechen, da mir dies
alles doch bekannt war; aber wenn ich auch noch so sehr
 
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