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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Januar 1897
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Nr. 24
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0097

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Wriderg, HanW, Lm 30. IMw 1897.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Druck, Verlag u. Expedition
G ebr. Huber in Heidelberg,
Zwtngrrstraße 7.

ZUM Kspitrt der Existenzberechtigung.
Eine von etwa 700 Studirrnden besuchte allge-
meine Studentenversammlung dertechnischenHoch«
schulein Darm stadt hat vor einigen Tagen
einstimmigen Beschluß gefaßt, daß eine katho-
lische Studentenverb indungjeder Exi
Uenzberechtigung ermangle. Dieser Be
Muß richtete sich gegen die im November v. I. neu-
Segründete „Katholische Studentenverbindung- „Nasso-
Via- an der Hochschule daselbst. Gleichzeitig hatte
Man beschlossen, den Rektor zu bitten, er möge ver-
Klassen, daß die „Nassovia" von dem in nächster
«eit statifindenden Kaisercommers ausge-
schlossen werde. Der große Senat der Hochschule
hat daraufhin in seiner am Samstag abgehaltenen
Sitzung beschlossen, dem Studentenausschuß ein Schrei-
ben zugehen zu lassen, das sich derselbe wohl schwer-
«ch hinter den Spiegel stecken dürste. DaS für de«
^enat wie für die seitherige Haltung der „Nassovia"
Mich rühmliche Schreiben hat folgenden Wortlaut:
An den Ausschuß der Studirenden der technischen
Hochschule zu Darmstadt. 22. Januar 1897.
Auf einstimmigen Beschluß des großen Senats
cheile ich Ihnen auf die urterm 18. d. Mts. gemachte
Angabe über die von der Smdentenversammlung am
Januar gefaßten Resolutionen das folgende Ergeb-
ruß mit:
. Der große Senat der technischen Hochschule hat
Alt Befremden und zugleich mit Bedauern davon
Am.tviß genommen, daß die Darmstädter Studenten-
schaft einer auf der Hochschule rechtmäßig auf Grund
"kr seiner Zeit von der Studentenschaft mit Begeister-
ung ausgenommen^ Dikciplinarbestimmungen vom

Das
„Pfälzer Bolksblatt"
Ea«n schon jetzt für die zwei Monate
Ieövuav rrnö März
ubormirt werden. Bestellungen nimmt jede Postanstalt
sowie unsere Expedition in Heidelberg, Zwingerstraße 7,
Entgegen.
Probermmmern werden auf Wunsch gerne porto-
skei Jedermann zugesaudt.

die der Ueberzeugung sind, die ganze katholische Kirche
sei übelflüssig und sei nicht existenzberechtigt, und von
diesem Standpunkte aus b trachtet, müssen die katho-
lischen Studentencorporationen es sich erst recht ge-
fallen lassen, daß Jemand sagt: „Ich glaube nicht,
daß die katholischen Corporatiouen an sich existenzbe»
rechtigt sind." Dar kann man Niemand verwehren,
ebenso wenig wie man vies versa nun andern Leuten,
also uns verwehren kann, daß wir andere Gebilde
des akademischen Lebens, sei es unter den Studenten
oder Docenten, für nichtexistenzberechtigt erachten....
Wir können Herrn Professor Camphausen in Bonn
seine Meinung nicht verwehren. Demgegenüber aber
haben wir allerdings dieVerpflichtung, hier
öffentlich auszusprechen, daß ein erheb-
licher Theil der preußischen Staatsbürger ganz an-
derer Meinung ist, als der Herr Professor Camp-
hausen, daß wir die katholischen Corpo-
rationen nicht bloS für exist enzb erech-
tigt, sovdernfür existeuznothwendig halten.
Dir beste Rechtfertigung aber haben die katholischen
Studentercorporationen durch den Minister der Geist-
lichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenhsiten ge-
funden, als er auf die Interpellation deS CentrumS
antwortete, besonders in den Sätzen: „Nun, meine
Herren, muß ich zunächst vom Gesichtspunkte der
Unterrichtsverwaltung aus hervorheben, daß die legale
Existenz der katholischen Stud-ntenverdindungen nicht
bestritten werden kann ..... Ich muß hier con-
statiren und constatire eS gern, daß Thatsacheu, aus
denen sich ergäbe, die katholischen Studentenverbin-
dungen hätten den coichssionellsn Frieden gefährdet,
zu meiner Kenntniß nicht gelangt find."
Die Vorgänge in Darmstadt sind also nichts
Neues, sie sind im Grunde dieselben, die sich vor zwei
Jahren in Bonn abgespielt haben, nur mit dem Unter-
schied, daß dort der R ctor es war, der diese Aeußer-
ung gethan, während in Darmstadt eS durch die Stu-
dentenschaft geschehen ist, der Rector der Hochschule,
Hr. Geheime Baurath Berndt, der selbst Protestant ist,
dagegen auf dem GcündungSkommers der „Nassooia"
versichert hat, daß er keinen Augenblick im Zweifel
gewesen wäre, daß er dem Gesuche der „Nassooia"
um Genehmigung stattgeben müsse. DaS freundliche
Wohlwollen, welches der Rector damals der „Nassovia»
erwies, berechtigte die Mitglieder dieser Verbindung z
der frohen Hoffnung, daß sie jederzeit auf eine ge"
rechte Beurteilung von Seiten des Rektors und de'
Senats rechnen dürfte. Diese Hoffnung ist nicht ge^
täuscht worden, sondern hat sich glänzend bewährt be",
jektirte Ausflug am ehesten Gelegenheit zu einer von Jesfie
unbemerkten Unterredung mit Walter bieten würde-
Mit jugendlicher Freude verkündete Jesfie den übrigen
Hausgenossm, daß ihre Großmutter mit von der Partie
sein werde. Rasch waren die nöthigen Vorbereitungen ge-
troffen, denn man wollte den Tag in den Berge» zubriugen
uno das Mittagsmahl im Walde einnehmen. Auch Walter
freute sich in der Hoffnung auf den bevorstehenden Genuß,
Jtsste war ia mit dabei und er vergaß für Augenblicke,
was sein Herz bedrückte- So ging's denn hinaus; natür-
lich fehlte Ellen nicht, sie hatte viel von ihrer alten Mun-
terkeit wieder gewonnen, wiegte sie sich doch in den schön-
sten Hoffnungen. Die Aermste!
MrS. Bartows schien heute gern in der Nähe Wal-
ters zu verweilen und dieser war bemüht, sich der alten
Dame angenehm zu machen, war sie doch die Großmutter
Jkssies, und diese freute sich still im Herzen, daß jene an
Walter Gefallen zu finden schien. So kam es. daß bei
ihren Reise- und Wanderzügen die jungen Mädchen wieder-
holt weit vorauseilten, zum Strauße und zum Kranze
windend, was ver Herbst freigebig beut, während Walter
und die alte Dame langsamen Schrittes folgten.
Eine solche Gelegenheit benutzte diese zur Ausführung
ihrer nicht lauteren Absicht, Walter hatte soeben von seiner
Studienzeit erzählt und seine Zukunftspläae mit jugend-
licher Wärme entwickelt. Daran knüpfte dis alte Dame an.
„Sie werden also demnächst in das Geschäft meines
Schwiegersohnes eintreten und in Newyork Ihren Wohn-
fitz nehmen. Sie werden auf diese Weise Gelegenheit haben
auch ferner mit meiner Enkelin zu verkehren, sie werden
vielleicht diesen Verkehr sogar suchen. Hm, hm!" räusperte
die Sprecherin, als wollte ihr das Weitere nicht recht
über ihre Lippen, während Walter erstaunt aufhorchte und
enöthete. Dann fuhr sie fort: „Es fällt mir schwer, was
ich n n sagen will, aber meine Pflicht gegen Mr. Graham
und die Gerechtigkeit gegen Sie verlangen, daß ich rede-
Aus verschiedenen Anzeichen, Mr. Macchall, muß ich
schließen, daß Sie — oder fürchte ich, drtz Sic — kurz,
eS ist wenigstens zu vermuthen, daß Sie zu viel an Miß
Graham denken." Fortsetzung folgt.

Stolz und Liebe. AL'
Dem Amerikanischen nacherzählt.
. „Run, daß MrS. Reives einen Kesselflicker zum Vater
MM hat ui d sie selbst in der Fabrik m beriete, — so
wäre Las ja wohl nicht schlimm." meinte Jesfie, „aber daß
»e Mn so außerordentlich vornehm thut, so anmaßend auf-
"Ut, und auf alle niedri., Geborenen mit Verachtung hc-
'lwfiebt, dafür verdient fie schon bestraft zu werden."
.. »Sprich doch nicht so weliweise, mein Kind," tadelte
M Großmutter, „Du hast ncch zu werig in der Gesell-
Mft verkehrt, um zu wisst», welch hohes Gut eine hohe
«vstammung ist. Ich lege großen Werth darauf, wenn
wan auf eineRe-he reicher Vorfahren zurückblicken kann."
..»Aber Großmutter," warf Jesfie etwas spöttisch da-
Mlschen, »bist Tu auch gewiß, daß wir auf eine große
«seihe reicher Vorfahren uns berufen körnen? Du hast
wer über Deine Herkunft noch wenig erzählt; ich weiß
«ur. Laß Du Wartha Stanwood heißest und ein Adoptiv-
f^d warst. Ist es nicht so? Wei n man aber in der Ge-
Wschaft, in welche ich mich in nächster Zeit nach Deinem
«men kegebcn soll, größeren Werth auf die Abstammung
rims Menschen als auf die persönlichen Eigenschaften des
Mcnwärtigen Menschen selbst legt, so werde ich wich schon
wit aller Kraft auf das Studium unseres Stammbaumes
weneu müssen und ich werde gleich den morgigen Tag be-
nutzen, damit zu beginnen. Vielleicht kann mir Tante
Debbh aus die Spur helfen."
N, Düse unter dem Hellen Lachen Jesfies gesprochenen
«»orte hatten auf die Großmutter einen schlimmen Ein-
N." ausgcübt. Angst und Unruhe lagen auf ihrem Ge-
re?-. ausgeprägt. „Jrsfie, laß das Scherzen," sagte fie
!>.Naut, „ ch bin müde. Im Uebrigcn will es mir nicht
cM passend für Dich erscheinen, daß Tu Dich allzu sehr
Personen einlässest, welche die Geschichten aller Leute
"en.! mir sil d solche Klatschweiber verhaßt. Zud«m wer-
rn wir ia morgen abreisen; bei eite Dich also vor."
ra» - Großmutter, morgen kann aus der Abreise
uichts werden; wir haben für morgen einen größeren
Ausflug geplant. Schließe Dich an und es wird Dir nicht

20. März 1894 bestehenden Verbindungen, ohne daß
dieselbe hierzu durch ihr Benehmen irgend eine Ver-
anlassung gab, in unzulässiger Weise die Existenzbe-
rechtigung abgesprochen und sie von einer patrioti-
schen Feier ausgeschlossen hat, an welcher theilzunehmen
einer jeden Verbindung Ehrensache sein muß. Die
Studentenschaft hat die akademische Freiheit, welche
sie sonst als ihr höchstes Befitzthum ansieht, einfach
mißachtet und ferner ohne Rücksicht auf ihre Compe-
lenzen über Fragen Resolutionen gefaßt, welche einzig
und allein den Senaten der Hochschule bezw. dem
Ministerium zustehen.
Der Senat hat jedoch zu dem guten und biShrr
immer bewährten Geiste der Darmstädter Studenten-
schaft das Vertrauen, daß sie selbst die Mittel und
Wege zu finden wissen wird, um eine derartige Un-
gesrtzwäßigkeit und Vergewaltigung nicht weiter be-
stehen zu lassen.
Die augenblickliche, durch fragliche Resolutionen
an unserer Hochschule geschaffene Disharmonie, die
einzig und allein durch das Entgegenkommen der
„Nassovia" bei der bevorstehenden patriotischen Feier
nicht zu weiterem Zwiespalt führen wird, findet hoffent-
lich keinen weiteren Nährboden, denn im anderen
Falle würden die von der Studentenschaft so oft mit
Begeisterung gesungenen Worte , Vivat
nicht ein Herzensbedürfniß der Herren Studirenden
sein können.
DaS Rectorat der Großherzogl. techn. Hochschule,
gez; Berndt.
Die in vorstehendem Briefe geschilderten Vorgänge
in Darmstadt erinnern an Vorgänge, die sich vor
zwei Jahren in Bonn abgespielt haben. Nur war
dort derjenige, welcher die abgedroschene Phrase über
die Existenzberechtigung der katholischen Studenten-
corporationen vorbrachte, der Universitätsprofessor
elbst, nicht blök, wie in Darmstadt, die „Studenten-
chaft". ES war bekanntlich zu Bonn ebenfalls an-
äßlich eines Kaiserkommers, als der damalige Inhaber
»es dortigen Rektorats, der Professor ver protrstanti-
chen Theologie, Dr. Camphausen, den Vertretern
der fünf katholischen Studentencorporationen von Bonn
gegenüber bemerkie: „Meine Herren, Sie stören durch
Ihre Existenz den confessionellen Frieden; Sie provo-
ciren dmch Ihre Existenz, und Sie sind nicht rxistenz-
berechtigt." Aber in Erinnerung wird auch noch die
vorzügliche Zurückweisung sein, die dieser Bemerkung
im preußischen Landtag seitens der Abgeordneten Graf
v. Hoensbroech, Nadbyl und Dr. Porsch widerfahren
ist. Meine Herren, sagte Letzterer, es gibt ja Leute,
leid sein. Zudem kann ich auch hier nicht so plötzlich ver-
schwinden wie ein Dieb, der von der GenSdarmerie mit-
geschleppt wird."
D>e Großmutter fühlte sich trotz aller energischen Vor-
sätze, die fie bei ihrer Abreise von Haus gefaßt hatte, dem
Widerstande ihrer Enkelin nicht gewachsen, und so stolz
und eitel sie einerseits war, so gutmüthtg und nachgiebig
konnte sie sich ihrer von ihr heißgeliebten Enkelin bezeigen.
Darum sagte sie ausweichend: „Gute Nacht, mein Kind,
wir sprechen morgen darüber."
Der neue Morgen brachte einen jener sehnsüchtigen
Herbsttage, an welchen es uns, wie in der Vorahnung der
nahen Vergänglichkeit, mit unsichtbarer Gewalt hinaus-
drängt in das Freie, an welchen man sich mächtig hinge-
zogen fühlt zu den fernsten Fernen und die Gedanken ge-
tragen find von Wonne und Wehmuth zugleich. Wem. der
einen solchen Septembertag erlebt und unter günstigen Um-
ständen genossen, hätte sich derselbe nicht unauslöschlich in
die Erinnerung eingegraben? — Leichter Nebel lagerte
über Berg und Thal, aber als die Sonne höher stieg, zer-
streute sie denselben in luftige Flocken, während am fernen
Horizoit rinesum der charakteristische Herbstdunst sich
bildete, an dem das Auge so gern sehnsüchtig hängt. Die
Wiesen im Thal, von zahlreichen murmelnden Ouellwässer-
chen durchfloffen, Prangten noch in saftigem Grün, das des
zweifln Schnittes harrte, aber Feld und Wald war von
lenen schmelzendrn Farbentönen übergossen, denen gar
manche Menschen den Vorzug vor den ersten Frühlings-
reizen kinräumen.
Von dem Fenster ihres Schlafzimmers aus hatte Mrs.
Bartows eine herrliche Aussicht auf die Landschaft und sie
war richt unempfänglich für all die Schönheiten, welche
sich ihrem Blicke boten. So fiel es ihr denn nicht allzu
schwer, der Bitte Jesfies Gehör zu geben und noch einen
Tag zu verweilen. Vielleicht trug aber noch mehr zu ihrer
Sinnesänderung eine Jntrigue bei, welche die a'te Dame
in Bezug auf Las Veihältniß zwischen Walter und Jesfie
zu spinnen gedachte: Nachdem fie erkannt, daß sie bei Jisfie
selbst nicht zum Ziele gelangen würde, wollte fie an das
Ehrgefühl Walters appelliren, und sie hoffte, daß der pro-

Inserat« die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
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