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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Oktober 1897
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Nr. 241
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0981

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Wlzer Volksblatt

WMrg, DmmrflU Len-Li. Gwdei 1897,

Verantwortlicher Redakteur«:
Joseph Huber in Heidelberg.

W Zur gefällige« Beachtung!
U Auf das „Pfälzer Volksblalt- kann
U fortwährend hier in unserem Expedition-«
M Lokale, Zwingetstraße Nr. 7, auswärts bei
H vllen Postämtern und Postboten abonnirt
U Werden.

Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huber in Heidelberg,
Zwingergraße 7.

Vermischtes.
— Ein mysteriöser Vorfall, der schon im
vorigen Jahre in der Gegend von Hildesheim großes Auf-
sehen erregte, macht neuerdings wieder von sich reden. Eine
Ehefrau Wolter aus dem benachbarten Dorfe Freden traf
am 16. August v. I. mit ihrer Freundin einem Fräulein
Anna Seisart, der einzigen Tochter des früher» Redakteurs
der Lüneburger Anzeigen, Schriftstellers Dr. Karl Seifart,
in Thale am Harz ein. Am andern Tage machten beide
sodann einen Spaziergang ins Bodethal, von dem aber nur
Frau Wolter zmückkehrte. Die Leiche der Freundin fand
man am folgenden Tage in der Bode, und Frau Wolter
behauptete, Fräulein Seisart, die stark excentrischer Natur
sei, habe fich durch einen Sprung in die Bode das Leben
genommen. Irgend welche triftige Gründe für den Selbst-
mord konnten nicht ermittelt Verden, auch nicht, nachdem
die Leiche, da inzwischen allerlei Verdachts-Momente auf-

Snserat« die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
10H, Reklame 25 Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
_Sxpedtttoa: Awingerftratze 7._

A,Ei"t täglich mit Ausnahme der Sonn- u. - » „
Oman für Malickeri, Fmlmt L HM
"Ribera monatlich 50 H mit Trägerlohn, durch " *
—die Post bezogen viertelj. -R 1.60 franco.

Ein Frsuenfchicksal.
»y, (Schluß statt Fortsetzung.)
leid A??« Pflegemutter fühlte natürlich das innigste Mit-
die tz„,den unglücklichen Mann, es durchschnitt ihr aber
ließ, daß derselbe auch gar kein Wort darüber fallen
W in " KW Segen Gottes Gebote vergangen hatte
m keine Reue zeigte. Sie sprach dem
reihum "iu, sich nur zu Gott zu wenden, um seine Ver-
M erhalten. In den beweglichsten Ausdrücken und
W ^o5°»en in den Augen bat sie ihn, den letzten Augen-
zur Rettung seiner Seele zu verwenden.
»iid Augenblick schien es, als ob ihre Worte, so warm
HachAmerllch gesprochen, Eindruck auf den Unglücklichen
dichte diese Bewegung ging schnell vorüber: er
M Hand und winkte dann, sie soll nun gehen
ichjittert k sich mit dem Gesicht gegen die Wand. Ties er-
Ait der ^^ließ sie die Krankenstube und während sie noch
^ln, wn^?"dlerin sprach, kam der Soldat, der bei Wil-
nn. «,»?»- und ries ihr zu, der Tod sei soeben eingetre-
d> ibrer"/ummervollem Herzen kehrte meine Pflegemutter
^eit g-I,?Men Base zurück und erzählte ihr der Wahr-
Neine ganzen Vorgang. Von dieser Zeit an wurde
» M kWucklrche Mutter immer einsilbiger, auf mich häufte
Ur °anr°L^bltem Maaße alle Beweise ihrer Zärtlichkeit.
^ben war Hingebung in Gottes Willen, ihre
"iii zw-^vg aber, Gutes zu thun und für die Berstorbe-
Tage ihres Lebens mußte und wollte ich
^ern np r.um sie sein; meine Pflegeeltern kamen täglich,
!?°ßen Ü ""ander abwechselten. Es gereichte ihr zum
filier daß meine Pflegeeltern mir das Geheimniß
^"öffnet hatten und als sie sah, mit welch'
Ai«en W, W' inniger Liebe ich ihr entgegen kam. Auf
errichtete sie ein Testament, stiftete ewige
dkvi ä? I"" ihre Eltern, für Wilhelm und sich, über-
Nevson^ °^r einen kleinen Betrag, vermachte dem
Mr M. eine größere Summe und für den Rest
«eine Pflegeeltern zu Erben ein,

Deutsches Reich.
* Berlin, 19. Okt. Der „Reichsanzeiger" ver«
öffentlicht über das Tongo-Abksmmen folgendes: Art. 1
bestimmt die Einzelheiten der neuen Abgrenzung, Art. 2
gesteht Frankreich für seine Truppen und KriegSma«
terial das Recht des freien Durchzugs auf 4 Jahre
auf der Straße von Kuanda-Pama und Sausanne u.
Mango zu. Art. 4 zufolge werden beide Regierungen
Kommissäre mit der Feststellung der Grenze beauf-
tragen. Der Austausch der Ratifikationsurkunde er«
folgt in Paris in längstens 6 Monaten nach der am
23. Juli erfolgten Unterzeichnung.
* Berlin, 18. Okt. Bei der gestrigen Fahnen-
weihe hielt der Kaiser folgende Ansprache:
„Die vor dem Altäre Gotter soeben geweihten
neuen Fahnen übergebe ich nunmehr den neuen Regi-
mentern, welche unsere Armee, sich stets wieder er«
neuernd und verjüngend, aus den Reihen ihrer alten,
bewährten Regimenter bat neu erstehen sehen. Ich
thue dies an geweihter Stätte vor dem Denkmal des
großen Königs und vor dem Fenster des große»
Kaisers. Nicht minder heilig wie die Stätte ist auch
der Tag; eS ist der Jahrestag des großen
Sieges, da das deutsche Volk zum ersten Male vor-
ahnend erschauen durfte das Morgenroth kommender
Vereinigung und dadurch bedingter zukünftiger Größe.
Der Tag, an dem in ewiger Erinnerung von Deutsch«
lands Bergen das Oktoberfeuer leuchtet, ist der Ge-
burtstag des heldenhaften ersten deutschen Kronprinzen
und zweiten deutschen Kaisers. Aus alten bewährten
Regimentern, die er zum Kampf und zum Siege ge-
führt, sind die Stämme für die neuen entnommen,
denen nunmehr auch ihre Feldzeichen übergeben wer-
den. Möge der allmächtige Gott, der eS mit unserem
Preußeulande und gesammten deutschen Vaterlande
stets so treu gemeint, ein ewiger EideShelser
fein über alle die Tausende von Jünglingen, die aus
des Volkes Kreisen zu diesen neuen Fahnen strömen
werden, wenn von ihnen der Fahneneid abgelegt
wird. Mögen in den Regimentern nach dem Vor-
bilde des herrlichen Kaisers seine Haupteigenschaften
weiterleben; völlige selbstlose Hingabe an das Ganze,
rücksichtsloses Einsetzen der eigenen Fähigkeiten, der
körperlichen wie der geistigen, für den Ruhm der
Armee und die Sicherheit des geliebten Vaterlandes,
dann werden, dessen bin ich überzeugt, auch bei
den neuen Regimentern fest u. unverwandt die Grund-
festen bestehen, auf denen unseres H-ereS Disziplin
beruht. Die Tapferkeit, das Ehrgefühl, der absolut
getaucht waren, auf staatsanwaltliche Anordnung wieder
ausgegraben worden war. Frau Wolter kehrte nach diesem
Vorkommniß zu ihrem Manne nach Freden nicht zurück,
sondern hielt sich eine Zeit lang in einem andern benach-
barten Dorfe auf, von wo sie sodann nach Bremen verzog.
Von dort ist sie unter Zurücklassung ihrer Möbel spurlos
verschwunden. Indessen hat man sie jetzt ausgefunden, und
zwar in der Nähe von Berlin. Am letzten Sonntage fan-
den Ausflügler im Tegler Forst eine „Einsiedlerin" in ei-
nem höchst verkommenen Zustande, die sich später, nachdem
sie in ein Krankenhaus geschafft worden, als die gesuchte
Frau Wolter herausstellte. Die Abenteuerin war 14 Tage
lang planlos im Walde umhergeirrt, und hatte sich ledig-
lich von Früchten, Wurzeln und Kräutern ernährt. Sie
war derartig körperlich entkräftet, daß sie fich kaum noch
aufrecht zu erhalte» vermochte. Ihre dünne Sommerkleidung
bestand nur noch aus Lumpen.
— Auf dem Pilatus - Eulm ist das dort wei-
lende Hotelpersonal vom Schneefall überrascht worden. Da
der Schneesturm die Tunnelportale völlig verweht und die
Strecke 2—3 Meter hoch mit Schnee bedeckt hat, war die
Pilatusbahn genöthigt, die Fahrten einzustellen. Nur noch
durch's Telephon und durch die Wackern Bahnwärter, die
trotz Sturm und Schnee die Post befördern, stehen die Be-
wohner von Culm mit dem Thale in Verbindung. Für die
Verpflegung muß zu den für solche Fälle stets vorräthigen
Conserven gegriffen werden. Dazu genießen sie in uriLe-
störter Ruhe — seit gestern bei Hochliegendem Nebelmeer
und klarblauem Himmel — die großartige Randsicht, die
sie zu betrachten den Sommer über doch kaum Zeit ge-
funden haben. Seit Freitag, da die Schneestürme nachge-
lassen, ist eine Arbeiter-Colonne mit dem Schneebruch an
der Eselwand beschäftigt. Bis morgen wird die Strecke
wieder freigelegt sein, so daß die eingeschneite Hotel-Garni-
son abziehsn und ihre mildern Winterquartiere aufsuchen
kann.

Das bayerische Reservstrecht
rücku^ug auf die Militär-Strafprozeß-Ordnung wird
»sA. "ur von der Bayerischen Regierung durch ihre
Erklärungen in Anspruch genommen, sondern
der andere der vertragschließenden Theile tritt
..Mur ein. Die Hamburger Nachrichten hatten
düt, bekannt, das Vorhandensein eines Reser-
gl,-Mes bestritten, aber zugleich den Rath gegeben,
chwohl nur im Einvernehmen mit der bayerischen
zvAerung vorzugehen bei der Durchführung der
Beri k Strafprozeß,Reform, und bei den innigen
^Nungen des Blattes zu FriedrichSruh mußte man
Au« « daß in dieser Negation die staatsrechtliche
ly^siung des Fürsten Bismarck zum Ausdruck ge-
eilten sei.
war ein Jrrthum. Die Hamburger Nach-
yea^tt. .düngen jetzt eine Mittheilung, welche die
^heilige Auffassung vertritt und deren Friedrichs-
'"Herkunft äußerlich gekennzeichnet ist. Sie lautet:
dekti'^ gingen uns Informationen zu, die uns
!"ünen, die Reservatrechts-Frage nicht als irrelevant
tzj.Mndrln. Wir haben uns überzeugt, daß ein
di,k,'chrz und unbedingtes Reservatrecht Bayerns in
«er besteht und nach Absicht der Unterzeich«
stirr S Versailler Vertrages bestehen sollte; eS exi-
und ist als vollgültig zu betrachten."
dem den Unterzeichnern des Versailler Vertrages
' November 1870 leben nur noch zwei: Fürst
TxDrck und der ehemalige bayerische Ministerpräsident
Kar Steinburg, und die werden wohl wissen,
Bau. nrit der Militärhoheit des Königs von
gemeint haben. Auf die Absicht der Unter-
Vir ?"wmt es an, nicht auf die Wortfassuug des
die allerdings verschieden gedeutet werden

kann und auch verschieden gedeutet worden ist. Da-
mit erledigen sich dann auch die gesinnungstüchtigen
Ausfälle der Post, Nationalzeitung und Berliner
Neuesten Nachrichten auf das Centrum, dem man
sogar Doppelzüngigkeit vorwarf, weil es zwar ernstlich
auf einer gründlichen Reform der Militär-Strafprozeß-
Reform besteht, aber nicht ohne weitere- sich bereit
zeigte, die Argumente der „nationalen" Presse gegen
das Vorhandensein eines Reser vatrechts als stichhaltig
anzuerkennen. Wir hoffen, daß nun auch die höhern
militärischen Kreise in Berlin, die bei der Abfassung
des Entwurfs von der Voraussetzung ausgingen,
daß ein Reservatrecht Bayerns nicht bestehe, ihren
Jrrthum einsehen oder doch von weitern Versuchen
zur Geltendmachung ihres abweichenden Standpunktes
Abstand nehmen werden. In diesen Kreisen hatte
man sich, vorausgesetzt, daß der Kaiser dem Entwurf
endgültig zustimmen würde, die Entwicklung einfach so
gedacht, daß der Anspruch Bayerns auf einen be-
sonderen Militärischen Gerichtshof durch einen Mehr-
heitsbeschluß im Bundesrath niedergestimmt würde.
Wenn der Kaiser wirklich gesagt hat, er ließe den
Entwurf lieber liegen, als daß er Bayern im Bundes-
rath majorisiren lasse, so muß mau annehmeu, das
der Kaiser ebenfalls an die Existenz eine- bayerischen
Reservatrechts bis dahin nicht geglaubt hat, da von
einer Majoristrung sonst nicht die Rede sein könnte.
Eine weitere interessante Frage drängt sich aus:
Wie hat sich von Anfang an der Reichskanzler Fürst
Hohenlohe zu dieser Angelegenheit gestellt und zu
welchen Entschlüssen wird er nun kommen? Es kann
nach seiner Erklärung im Reichstage nicht zweifelhaft
sein. Ist die bayerische Regierung nicht in der Lage,
auf das Reservatrecht zu verzichten, so erlischt unserer
Auffassung nach keinesweg die Verpflichtung sür den
Reichskanzler, einen den modernen Rechtsanschauungen
entsprechenden Entwurf einer Militär-Strafprozeß-
Reform dem Reichstage vorzulegen, denn wie Wünschens-
werth auch die militärische Rechtsprechung in einer
einheitlichen Spitze sein möge, so ist doch letztere nicht
unbedingt nothwendig. Jedenfalls hat man unter
den modernen Rechtsanschauungen im Reichstage
immer nur die Forderung der Ständigkeit der Gerichte,
der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens
verstanden, und sicher hat kein Mensch jemals daran
gedacht, daß eS dieser Forderung widerspräche, zwei
oberste Gerichtshöfe einzusetzen. Der Verzicht auf
Vorlegung des Entwurfs im Falle der Aufrechthaltung
des Reservatrechts, würde nur dahin gedeutet werden,
daß man eine Reform überhaupt nicht will.
Nachdem sie ihre irdischen Angelegenheiten besorgt
batte, lebte sie gleichsam nur noch in ihrem Heiland; sie
hielt das Kruzifix in ihren Händen, drückte es an's Herz
und benetzte cs mit ihren Tbränen; von Zeit zu Zeit warf
sie dann noch einen flehentlichen Blick auf das Bild der
heiligen Anna. Täglich durfte sie die Himmesspeise genießen.
Obgleich sie bereits gar keine Nahrung mehr zu sich nahm,
schien die himmlische Speise ihr Leben zu erhalten; sie
starb eines Abends, still, ruhig, ohne Kampf. Gott fei ihrer
armen Seele gnädig!
Indem ich Dir, mein treuer Freund, die Geschichte über
Entstehung der St. Anna-Koprlle mittbeile, irre ich mich
gewiß nicht, wenn ich annehme, daß Du an der Kapelle
ein Besonderes finden wirst und es Dir gefallen wird, so
oft Du dort das hl. Meßopfer feierst oder auch nur an
der Kapelle vorbeigehst, für die Seele meiner armen Mutter
herzinnig zu beten, um was Dich bittet
Im Kloster zu E. 1780.
Dein treuer Schulkamerad und Bruder
Ambros.
 
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