Wlzer Mksblatt
WkibtT IMtlig, dei 10. Illi!1897.
! .st ÄL)
U
rachgeliefert.
MWWWWWWWMWWW
Zur grMigeu Beachtung!
Auf dar „Pfälzer Volksbkatt" kann
fortwährend hier in unserem ExPeditiouS-
Lokale, aukwärts bei ollen Postämtern und
Postboten abonnirt werden.
Die bereits erschienereu Nummern werden
Verantwortlicher Redakteur
Joseph Hube rkinffH eidelb e'r'g.
Das Lentrum und die neue Lage.
Man kann jetzt verschiedentlich lesen, die Cen-
-rum Spiesse möge sich doch Hrn. v. Miquel nicht
w unfreundlich gegevübersttllen; er beabsichtige keines-
"'kgs das Centrum „unschädlich- zu machen, sondern
gedenke gut mit ihm auszukommen. Dasselbe wurde
An den Freunden Dr. Miquel'S schon vor ein paar
Wochen verkündet; Herr v. Miquel sei kein ConfliktS-
Awister usw. Das war allerdings zu der Zeit, wo
dieselben Leute ihn als Mitregrnten auküudlgten. Wir
zweifeln keinen Augenblick, daß Herr v. Miquel sich
M dem Centrum gut zu stellen suchen wird, denn
wie sollte er sonst zurechtkommen. Im Reiche kann
« ohne das Centrum nichts durchsetzen, und es zu
vernichten, ist nicht so leicht. Wir zweifeln aber auch
sorn so wenig, daß Herr v. Miquel uvs gründlich
Abers Ohr hcuen u. das Centrum kalt stellen würde,
sobald sich ihm die Gelegenheit dazu böte. Er hat
E» nicht danach gemacht, daß er unser Vertrauen
.ünspiuchcn könnte, und überdies lassen wir unS
Acht auSreden, daß ein Hauptziel der neuesten Politik
5^ Beiseitrschiebung des CentrumS ist.
, Man braucht in dieser Beziehung nur diejenigen
konservativen Blätter zu verfolgen, welche sich am ein-
SMeihtesten geberden, insbesondere den Reichs-
Voten. Schon vor Wochen wurde in verschiedenen
A'ättern darauf hingewiescn, daß dieses Blatt neuer«
Avgs die ältesten Ladenhüter von „Reichsfeindschast"
oeS CentrumS und dergleichen hervorholt, und in
rruer Nummer macht dasselbe gelegentlich einer
Auseinandersetzung mit der nationalliberalen Presse
Akser den Vorwurf der Kurzsichtigkeit, weil „sie sich
Asch ihre liberale Gespeustersurcht vor Reaktion so
Aslt verleiten läßt, selbst den Bestrebungen eine Ab-
sage zu ertheilen, die auf Zurückdrängung des über-
mäßigen Einflusses des CentrumS, das sich bereits in
den Traum einer Lieber'schen Reichsregentschaft und
die Rolle eines Prince Cousort der Regierung einge-
wiegt hat, hinausgehen.- Die katholische Presse habe
diese in nationalen Kreisen weitverbreitete Gegenströ-
mung gegen da- Centrum ganz tendentiös ein neues
Stückchen „Culturkompf- getauft, und die Köln Zig.
wie die Nat. Ztg. seien beschränkt genug, dies nachzu-
beten und „lieber die Schlochtreihe der nationalen u.
evangelischen Kreise zu verlassen, ehe sie etwas von
ihrem Hasse gegen das „ostelbische Junkerthum- auf«
geben-. Der Reichrbote hofft, „daß doch noch weite
nationalliberale Kreise sich einen freiern Blick, ein
feineres nationales Gewissen und mehr evangelisches
Verständniß für die Ziele Rom'S und der Jesuiten
bewahrt haben werden." Wir verzeichnen auch diese
Auslassung, die aufs neue die ganze Perfidie des
ReichSboten dem Centrum gegenüber in der Art und
Weise kennzeichnet, wie derselbe von der „Lieber'schen
ReichSregentschast" redet. Diese Phrase stammt be-
kanntlick aus einem liberalen, dem Ceutrum feind-
lichen Blatte; der Reichsbote verwerthet sie so, als
ob jemals in Cent, umSkreisen Auffassungen hervorge-
treten seien, welche eine derartige Wendung rechtfer-
tigen kövntln. Dir ReichSbdte kann, wie eS scheint,
nickt wahr und ehrlich sein, wenn es um Katholizis-
mus und Cenlrum sich handelt.
In der Nummer vom 7. Juli gibt der Reichsbote
noch als „zutreffend" eine Auslassung der freikonser-
vativen Schlesischen Ztg. wieder, in welcher eS Heist:
die CentrumSpartei sei mit Recht um ihre Zukunft
besorgt unb habe begründeten Anlaß, von den Regie-
rungSveränderungen beunruhigt zu sein. Auch als
Nachfolger des Grafen v. Posadowsly dürfte kein
Vertrauensmann des Centrums in Aussicht stehen.
Daß es sich mit dem Centrum als „Regie,ungSpar-
ter" nicht arbeiten lasse, hätten die letzten Jahre zu
evident gezeigt. „Eine Partei, die mit Aengstlichkeit
darauf bedacht ist, pcpulär zu bleiben, die dabei in
erster Linie konfessionelle Interessen in den engsten
Grenzen Pflegt, kann als zuverlässige Stütze für die
Regierungspolitik nicht erachtet werden. Er ist darum
eine wesentliche Aufgabe der innern Politik, das par-
lamentarische Uebergewicht des CentrumS zu brechtn."
Nvdere konservative Kreise beschäftigen sich mit
dem Cenlrum und seinem Verhältniß zur neuen Lage
in anderer Waise. Vorsichtiger als der Reichsbote
meinte z. B. die Knuzzeitung dieser Tage, da- Cen-
Mann — und Ihr habt doch wobl einen Schluck für uns
im Schrank, denn eS ist eine sehr kalte Nacht."
Ehe ich „ja" sagen konnte, drängte der ganze Haufen
in das Haus und in die Stube, wo meine Frau schon die
Talgkerze angesteckt hatte und sich vor Freude wie toll ge-
berdete; denn sie hatte alles in der Hausflur mit angehört.
„Kathrin, Kathrin," sagte ich, „fasse Dich!"
Aber sie fakte sich nicht, sondern sie fakte mich und
tanzte mit mir wie besessen in der Stube herum, daß die
Stühle zur Seite flogen und das drcibcinige Oefchen in
die Ecke fiel. Dabei war ich immer noch in bloßen Füßen,
die mir förmlich zu Eisklumpen erstarrten. -- Und der
kleine Heinrich liegt oben allein in seinem Bettchen, dachte
ich, und Vater und Mutter kümmern sich nicht um ihn.—
Und ich verwünschte innerlich schon das große LooS, denn
der Junge ist mir lieber als alles Gold der Erde.
Während ich mit meiner Frau den unfreiwilligen Tanz
aufsührte, dessen ich mich nicht wenig schämte, hatten die
eingedrnngenen Menschen den Schrank aufgerissen und da-
rin eine große Flasche mit Bittern entdickt, den ich vor
drei Tagen erst auf Calmus gesetzt hatte. Ein lautes Hur-
rah begrüßte den Fund. Man nahm sich nicht einmal die
Mühe, ein Glas hervorzulangin, sondern trank aus der
Flasche selbst, indem man sie von Hand zu Land, von
Mund zu Mund gehen ließ. Auch ich wurde ausgefordert,
mitzutriuken, aber ich entschuldigte mich, weil mich die
ganze Geschichte anwiderte. Endlich war die Flasche, mit
deren Jrhalt ich ein halbes Jahr auszukommen gedachte,
leer und nun fesselte die Leute vorläufig nichts mehr bei
mir. Erleichtert schloß ich hinter ihnen die Hausthür. Von
dem Thmme der Liebfrauenkirche verkündete die Glocke
ein Uhr. — Als ich in die Wohnstube zurückkehrte, fand
ich meine Frau damit beschäftigt, eine Kommodenlade, die
sie herausgezogen und mitten auf den Boden gestellt hatte,
beim Scheine der träufelnden Talgkerze durchzukramen.
Hunderterlei Gegenstände, als alte Strümpfe, Garn-
knäuel, Nähnadelbüchscn, Knöpfe, Halstücher, Kragen und
leere Pillendöschen lagen auf dem Boden und noch immer
ließ meine Frau nicht rach, neue Gegenstände heraus zu
werfen, nachdem sie dieselben flüchtig gemustert hatte.
Das große Loos.
Von Theodor Berthold.
3a, ich hatte dasselbe schon ganz und gar vergeßen,
«w es am 13. Januar um Mitternacht plötzlich an unsere
vonsihüre klopfte. Dabei hörte ich ein lebhaftes Stimmen-
und Schreien, das mir wie „Raspel heraus!" zu
Men schien. „Barmherziger Gott, das SauS brennt!"
ich, auz dem Schlafe auffahnnd, hervor und wickle
,,^ne Flau. Wir schlüpften in die noihwendigsten Kleider
M'S lief in der eiskalten Winternocht mit bloßen Füßen
«rer die eiskalten Steine der Hausflur und öffnete mit
Minden Händen die Hausthür- Im nächsten Augenblicke
rch drei Schritte zurück: denn ich hatte beim Hellen
WA,schein eine ganze Rotte von Menschen gesehen, welche
ik?» l und leere Bieiflaschen mit wildem Gejohle über
^"Köpfen schwangen. Run dachte ich, man wolle mir
^„.Garaus machen, als die ganze Rotie in den RusauS-
,-Kurrah, Raspel, Ihr habt das große Loos ge-
«"vven I Raspel, Hun.ah!'
ez. 3ch stand wie versteinert. Nun drängten sich die Men-
AU'n welchen ich beim Mondschein Handwerker aus der
erkannte, an mich heran, erfaßten gratulircnd meine
und schwenkb n meine Aime, al» wären sie nicht
nAW'che Gliedmaßen, sondern Pumpcnschwengel. Das
io aus meiner Versteinerung ins Leben zurück,
°°Z1ch stammeln konnle:
-Was, ich hätte das große LooS gewonnen?"
Lon»""' wiederholte der Haufen. „Ihr habt das große
gewonnen, Meister Raspel! Bor einer Viertelstunde
ei»a!A telegraphische Dipesche beim Buchbinder Blume
ist ,Uufen, daß auf Nr, 11472 bas große Loos gefallen
Mi ? °>s Blume feine Listen nochsah, fand er neben der
Er 11472 den Namen Johann Raspel, Pantvffelwacher."
SleiL , ^"rh grüßen und beglückwünschen, denn er rannte
hin? tu uns in d«n rothen Ochsen und sagte es «rs; mit
Hai», . kommen konnte er nicht, wiil feine Frau Zahnweh
Aicht r.A er fie nicht verlcsfen dürfe. Ja, er darf wirklich
Lralüii»* "ewe Schelm, sonst setzt es was sür ihn. — Wir
uffren, Meister Raspel, denn nun seid Ihr ein reicher
trum habe gute Aussichten. Sie sage das, obschon sie
keine Vorliebe für diese Partei habe, am wenigsten
unter ihrer gegenwärtigen Leitung. Aber bei den
jetzigen MehrheitSverhältniffen im Reichstage seien
offenbar die Luftströmungen der Fahrt des CentrumS
nicht ungünstig, und es werde nur von der Klugheit
seines CapitainS abhängen, wie er die Situation ouS-
zunutzen verstehe.
DaS konservative Hauptorqan knüpfte diese Sätze
an einen Artikel des Professors Delbrück in den
Preußischen Jahrbüchern au. Delbrück sieht nur drei
Möglichkeiten für die künftige Politik wie bisher: 1.
So fortwursteln wie bisher; 2. größere Energie, die
auf einen Konflikt, einen Staatsstreich hinausläuft;
3. eine Regierung mit dem Cent! um. DaS „Fort-
wurstkln" in der bisherigen Weise hält Herr Delbrück
für nicht 'ganz so schlimm, wie es scheine, und ver-
weist in dieser Hinsicht auf die Ergebnisse des letzten
Reichstags (Bürgerliches Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch
usw.); der Hauptfehler sei, daß man auf diesem Wege
nicht schnell genug zu dem unentbehrlichen Ausbau
unserer Flotte gelange. Daher der Wunsch nach der
zweiten Methode, der „größeren Energie-. Aber da
diese Methode nur in einen Gewaltstreich auSlaufen
könne und Herr v. Miquel unmöglich der Vertreter
einer derartigen selbstmörderischen Politik sein könne,
so büibe eben nur die Nr. 3 übrig: eine Regierung
mit dem Centrum.
ES ist nicht schwer zu erkennen, worauf die an
den Delbrück'schen Artikel anknüpfende liebenswürdige
Werbung der Kreuzzeitung hinausläuft: auf eine
Selbstaufopferung des CentrumS. Dasselbe soll die
Flottenvermehrung und die zugehörigen Steuern be-
willigen — das wird als „politischer Befähigungs-
Nachweis" gefordert! Wenn es das gethan hat, so
bekommt es den üblichen Fortschritt, wie f. Z. nach
der Steuerreform, als die Conservativen uns schnöde
um die vereinbarte Wahlrechtsverbesserung betrogen.
Da sagen wir mit einer häufiger citirten Centrums-
Correspoudevz: Nein, sür so dumm darf man daS
Centrum nicht halten, daß es sich selbst aufopfern
sollte, um den Herren aus Ostelbien die rücksichtslose
Ausbeutung der Staatsgewalt und der Staatskasse zn
sichern.
Auch wir sind der Meinung, daß daß Centrum in
der gegenwärtigen Lage „gute Aussichten" hat,
mit oder ohne Herrn v. Miquel. Es braucht nur
auf dem bisherigen Wege fortzufahren, indem eS einig
und geschlossen bleibt, namentlich dem zersetzenden
„Um Gottes Willen, Kathrin," rief ich, „war fängst
Du da an?"
. „Ich suche unser Loos," antwortete sie, ohne von ihrer
Beschäftigung aufzublicken; „ich weiß es sicher, daß ich es
hier in die Kommode gelegt habe, das heißt, wenn es nicht
darin ist, kann es auch oben im Kleiderschranke stecken."
„Dann wird es Wohl weder im Kleidcrschranke, noch
in der Kommode sein," bemerkte ich trocken.
„Ich sage Dir ja," entgegnete mir meine Frau mit der
gereizten Stimme, die ich nun schon kannte, „daß das LooS
in der Kommode steckt. In dieser Lade freilich scheint es
nicht zu sein, denn ich habe alles aufs sorgfältigste durch-
gemustert, aber in der zweiten Lade wird es sich befinden,
ja, nun erinnere ich mich deutlich, daß ich es in die zweite
Lade gelegt habe. Wie konnte ich nur so vergeßlich fein?"
Während ich mich frierend und ungeduldig auf einen
Stuhl warf, zog meine Frau die zweite Lade aus der Kom-
mode, ohne die erste wieder einzuschieben. Nun flogen auS
der zweiten Lade frisch gewaschene Hemden, Handtücher,
Tischtücher und Betttücher, aber das, worauf es ankam,
fand sich nicht. —
„Sollte ich mich getäuscht haben?" murmelte Kathrin
eiwas kleinlaut vor sich hin.
„Ja, du hast dich getäuscht," sagte ich mit einem Tone
so kalt wie die Winternacht und wie mein mangelhaft be-
kleideter Körper.
e- Meine Frau wischte sich den Schweiß von der Stirne,
denn i hr war beim Suchen heiß, sehr heiß geworden und
sie sagte: „Dann ist cs die dritte und unterste Lade. Rich-
tig, in der untersten Lade pflege ich wichtige Sachen zu
verbergen."
Sie zog die unterste Lade aus und stellte sie oben aus
Nummer eins und zwei. — Wie eine scharrende Henne die
Erde hinter sich krazt, so kratzte — man verzeihe mir den
Vergleich — meine Frau uralte, längst quittirte Rechnungen,
vergilbte Briefe und zerknitterte Tapetenreste hinter sich,
aber das Los, das große Los kam nicht zum Vorschein-
(Fortsetzung folgt)
scheint tLglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
tz'L-Su^ Oman für Hattert, Frerlmt L KM.
vetdelbera monatlich 50 H mit Trägerlohn, durch l Rabattbewrllrgung.
.die Host bezogen viertelt. 1.60 franco. Expedition: Zwingerstratze 7.
Druck, Verlag u. Expeditton
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwtsgrraraße 7.
WkibtT IMtlig, dei 10. Illi!1897.
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fortwährend hier in unserem ExPeditiouS-
Lokale, aukwärts bei ollen Postämtern und
Postboten abonnirt werden.
Die bereits erschienereu Nummern werden
Verantwortlicher Redakteur
Joseph Hube rkinffH eidelb e'r'g.
Das Lentrum und die neue Lage.
Man kann jetzt verschiedentlich lesen, die Cen-
-rum Spiesse möge sich doch Hrn. v. Miquel nicht
w unfreundlich gegevübersttllen; er beabsichtige keines-
"'kgs das Centrum „unschädlich- zu machen, sondern
gedenke gut mit ihm auszukommen. Dasselbe wurde
An den Freunden Dr. Miquel'S schon vor ein paar
Wochen verkündet; Herr v. Miquel sei kein ConfliktS-
Awister usw. Das war allerdings zu der Zeit, wo
dieselben Leute ihn als Mitregrnten auküudlgten. Wir
zweifeln keinen Augenblick, daß Herr v. Miquel sich
M dem Centrum gut zu stellen suchen wird, denn
wie sollte er sonst zurechtkommen. Im Reiche kann
« ohne das Centrum nichts durchsetzen, und es zu
vernichten, ist nicht so leicht. Wir zweifeln aber auch
sorn so wenig, daß Herr v. Miquel uvs gründlich
Abers Ohr hcuen u. das Centrum kalt stellen würde,
sobald sich ihm die Gelegenheit dazu böte. Er hat
E» nicht danach gemacht, daß er unser Vertrauen
.ünspiuchcn könnte, und überdies lassen wir unS
Acht auSreden, daß ein Hauptziel der neuesten Politik
5^ Beiseitrschiebung des CentrumS ist.
, Man braucht in dieser Beziehung nur diejenigen
konservativen Blätter zu verfolgen, welche sich am ein-
SMeihtesten geberden, insbesondere den Reichs-
Voten. Schon vor Wochen wurde in verschiedenen
A'ättern darauf hingewiescn, daß dieses Blatt neuer«
Avgs die ältesten Ladenhüter von „Reichsfeindschast"
oeS CentrumS und dergleichen hervorholt, und in
rruer Nummer macht dasselbe gelegentlich einer
Auseinandersetzung mit der nationalliberalen Presse
Akser den Vorwurf der Kurzsichtigkeit, weil „sie sich
Asch ihre liberale Gespeustersurcht vor Reaktion so
Aslt verleiten läßt, selbst den Bestrebungen eine Ab-
sage zu ertheilen, die auf Zurückdrängung des über-
mäßigen Einflusses des CentrumS, das sich bereits in
den Traum einer Lieber'schen Reichsregentschaft und
die Rolle eines Prince Cousort der Regierung einge-
wiegt hat, hinausgehen.- Die katholische Presse habe
diese in nationalen Kreisen weitverbreitete Gegenströ-
mung gegen da- Centrum ganz tendentiös ein neues
Stückchen „Culturkompf- getauft, und die Köln Zig.
wie die Nat. Ztg. seien beschränkt genug, dies nachzu-
beten und „lieber die Schlochtreihe der nationalen u.
evangelischen Kreise zu verlassen, ehe sie etwas von
ihrem Hasse gegen das „ostelbische Junkerthum- auf«
geben-. Der Reichrbote hofft, „daß doch noch weite
nationalliberale Kreise sich einen freiern Blick, ein
feineres nationales Gewissen und mehr evangelisches
Verständniß für die Ziele Rom'S und der Jesuiten
bewahrt haben werden." Wir verzeichnen auch diese
Auslassung, die aufs neue die ganze Perfidie des
ReichSboten dem Centrum gegenüber in der Art und
Weise kennzeichnet, wie derselbe von der „Lieber'schen
ReichSregentschast" redet. Diese Phrase stammt be-
kanntlick aus einem liberalen, dem Ceutrum feind-
lichen Blatte; der Reichsbote verwerthet sie so, als
ob jemals in Cent, umSkreisen Auffassungen hervorge-
treten seien, welche eine derartige Wendung rechtfer-
tigen kövntln. Dir ReichSbdte kann, wie eS scheint,
nickt wahr und ehrlich sein, wenn es um Katholizis-
mus und Cenlrum sich handelt.
In der Nummer vom 7. Juli gibt der Reichsbote
noch als „zutreffend" eine Auslassung der freikonser-
vativen Schlesischen Ztg. wieder, in welcher eS Heist:
die CentrumSpartei sei mit Recht um ihre Zukunft
besorgt unb habe begründeten Anlaß, von den Regie-
rungSveränderungen beunruhigt zu sein. Auch als
Nachfolger des Grafen v. Posadowsly dürfte kein
Vertrauensmann des Centrums in Aussicht stehen.
Daß es sich mit dem Centrum als „Regie,ungSpar-
ter" nicht arbeiten lasse, hätten die letzten Jahre zu
evident gezeigt. „Eine Partei, die mit Aengstlichkeit
darauf bedacht ist, pcpulär zu bleiben, die dabei in
erster Linie konfessionelle Interessen in den engsten
Grenzen Pflegt, kann als zuverlässige Stütze für die
Regierungspolitik nicht erachtet werden. Er ist darum
eine wesentliche Aufgabe der innern Politik, das par-
lamentarische Uebergewicht des CentrumS zu brechtn."
Nvdere konservative Kreise beschäftigen sich mit
dem Cenlrum und seinem Verhältniß zur neuen Lage
in anderer Waise. Vorsichtiger als der Reichsbote
meinte z. B. die Knuzzeitung dieser Tage, da- Cen-
Mann — und Ihr habt doch wobl einen Schluck für uns
im Schrank, denn eS ist eine sehr kalte Nacht."
Ehe ich „ja" sagen konnte, drängte der ganze Haufen
in das Haus und in die Stube, wo meine Frau schon die
Talgkerze angesteckt hatte und sich vor Freude wie toll ge-
berdete; denn sie hatte alles in der Hausflur mit angehört.
„Kathrin, Kathrin," sagte ich, „fasse Dich!"
Aber sie fakte sich nicht, sondern sie fakte mich und
tanzte mit mir wie besessen in der Stube herum, daß die
Stühle zur Seite flogen und das drcibcinige Oefchen in
die Ecke fiel. Dabei war ich immer noch in bloßen Füßen,
die mir förmlich zu Eisklumpen erstarrten. -- Und der
kleine Heinrich liegt oben allein in seinem Bettchen, dachte
ich, und Vater und Mutter kümmern sich nicht um ihn.—
Und ich verwünschte innerlich schon das große LooS, denn
der Junge ist mir lieber als alles Gold der Erde.
Während ich mit meiner Frau den unfreiwilligen Tanz
aufsührte, dessen ich mich nicht wenig schämte, hatten die
eingedrnngenen Menschen den Schrank aufgerissen und da-
rin eine große Flasche mit Bittern entdickt, den ich vor
drei Tagen erst auf Calmus gesetzt hatte. Ein lautes Hur-
rah begrüßte den Fund. Man nahm sich nicht einmal die
Mühe, ein Glas hervorzulangin, sondern trank aus der
Flasche selbst, indem man sie von Hand zu Land, von
Mund zu Mund gehen ließ. Auch ich wurde ausgefordert,
mitzutriuken, aber ich entschuldigte mich, weil mich die
ganze Geschichte anwiderte. Endlich war die Flasche, mit
deren Jrhalt ich ein halbes Jahr auszukommen gedachte,
leer und nun fesselte die Leute vorläufig nichts mehr bei
mir. Erleichtert schloß ich hinter ihnen die Hausthür. Von
dem Thmme der Liebfrauenkirche verkündete die Glocke
ein Uhr. — Als ich in die Wohnstube zurückkehrte, fand
ich meine Frau damit beschäftigt, eine Kommodenlade, die
sie herausgezogen und mitten auf den Boden gestellt hatte,
beim Scheine der träufelnden Talgkerze durchzukramen.
Hunderterlei Gegenstände, als alte Strümpfe, Garn-
knäuel, Nähnadelbüchscn, Knöpfe, Halstücher, Kragen und
leere Pillendöschen lagen auf dem Boden und noch immer
ließ meine Frau nicht rach, neue Gegenstände heraus zu
werfen, nachdem sie dieselben flüchtig gemustert hatte.
Das große Loos.
Von Theodor Berthold.
3a, ich hatte dasselbe schon ganz und gar vergeßen,
«w es am 13. Januar um Mitternacht plötzlich an unsere
vonsihüre klopfte. Dabei hörte ich ein lebhaftes Stimmen-
und Schreien, das mir wie „Raspel heraus!" zu
Men schien. „Barmherziger Gott, das SauS brennt!"
ich, auz dem Schlafe auffahnnd, hervor und wickle
,,^ne Flau. Wir schlüpften in die noihwendigsten Kleider
M'S lief in der eiskalten Winternocht mit bloßen Füßen
«rer die eiskalten Steine der Hausflur und öffnete mit
Minden Händen die Hausthür- Im nächsten Augenblicke
rch drei Schritte zurück: denn ich hatte beim Hellen
WA,schein eine ganze Rotte von Menschen gesehen, welche
ik?» l und leere Bieiflaschen mit wildem Gejohle über
^"Köpfen schwangen. Run dachte ich, man wolle mir
^„.Garaus machen, als die ganze Rotie in den RusauS-
,-Kurrah, Raspel, Ihr habt das große Loos ge-
«"vven I Raspel, Hun.ah!'
ez. 3ch stand wie versteinert. Nun drängten sich die Men-
AU'n welchen ich beim Mondschein Handwerker aus der
erkannte, an mich heran, erfaßten gratulircnd meine
und schwenkb n meine Aime, al» wären sie nicht
nAW'che Gliedmaßen, sondern Pumpcnschwengel. Das
io aus meiner Versteinerung ins Leben zurück,
°°Z1ch stammeln konnle:
-Was, ich hätte das große LooS gewonnen?"
Lon»""' wiederholte der Haufen. „Ihr habt das große
gewonnen, Meister Raspel! Bor einer Viertelstunde
ei»a!A telegraphische Dipesche beim Buchbinder Blume
ist ,Uufen, daß auf Nr, 11472 bas große Loos gefallen
Mi ? °>s Blume feine Listen nochsah, fand er neben der
Er 11472 den Namen Johann Raspel, Pantvffelwacher."
SleiL , ^"rh grüßen und beglückwünschen, denn er rannte
hin? tu uns in d«n rothen Ochsen und sagte es «rs; mit
Hai», . kommen konnte er nicht, wiil feine Frau Zahnweh
Aicht r.A er fie nicht verlcsfen dürfe. Ja, er darf wirklich
Lralüii»* "ewe Schelm, sonst setzt es was sür ihn. — Wir
uffren, Meister Raspel, denn nun seid Ihr ein reicher
trum habe gute Aussichten. Sie sage das, obschon sie
keine Vorliebe für diese Partei habe, am wenigsten
unter ihrer gegenwärtigen Leitung. Aber bei den
jetzigen MehrheitSverhältniffen im Reichstage seien
offenbar die Luftströmungen der Fahrt des CentrumS
nicht ungünstig, und es werde nur von der Klugheit
seines CapitainS abhängen, wie er die Situation ouS-
zunutzen verstehe.
DaS konservative Hauptorqan knüpfte diese Sätze
an einen Artikel des Professors Delbrück in den
Preußischen Jahrbüchern au. Delbrück sieht nur drei
Möglichkeiten für die künftige Politik wie bisher: 1.
So fortwursteln wie bisher; 2. größere Energie, die
auf einen Konflikt, einen Staatsstreich hinausläuft;
3. eine Regierung mit dem Cent! um. DaS „Fort-
wurstkln" in der bisherigen Weise hält Herr Delbrück
für nicht 'ganz so schlimm, wie es scheine, und ver-
weist in dieser Hinsicht auf die Ergebnisse des letzten
Reichstags (Bürgerliches Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch
usw.); der Hauptfehler sei, daß man auf diesem Wege
nicht schnell genug zu dem unentbehrlichen Ausbau
unserer Flotte gelange. Daher der Wunsch nach der
zweiten Methode, der „größeren Energie-. Aber da
diese Methode nur in einen Gewaltstreich auSlaufen
könne und Herr v. Miquel unmöglich der Vertreter
einer derartigen selbstmörderischen Politik sein könne,
so büibe eben nur die Nr. 3 übrig: eine Regierung
mit dem Centrum.
ES ist nicht schwer zu erkennen, worauf die an
den Delbrück'schen Artikel anknüpfende liebenswürdige
Werbung der Kreuzzeitung hinausläuft: auf eine
Selbstaufopferung des CentrumS. Dasselbe soll die
Flottenvermehrung und die zugehörigen Steuern be-
willigen — das wird als „politischer Befähigungs-
Nachweis" gefordert! Wenn es das gethan hat, so
bekommt es den üblichen Fortschritt, wie f. Z. nach
der Steuerreform, als die Conservativen uns schnöde
um die vereinbarte Wahlrechtsverbesserung betrogen.
Da sagen wir mit einer häufiger citirten Centrums-
Correspoudevz: Nein, sür so dumm darf man daS
Centrum nicht halten, daß es sich selbst aufopfern
sollte, um den Herren aus Ostelbien die rücksichtslose
Ausbeutung der Staatsgewalt und der Staatskasse zn
sichern.
Auch wir sind der Meinung, daß daß Centrum in
der gegenwärtigen Lage „gute Aussichten" hat,
mit oder ohne Herrn v. Miquel. Es braucht nur
auf dem bisherigen Wege fortzufahren, indem eS einig
und geschlossen bleibt, namentlich dem zersetzenden
„Um Gottes Willen, Kathrin," rief ich, „war fängst
Du da an?"
. „Ich suche unser Loos," antwortete sie, ohne von ihrer
Beschäftigung aufzublicken; „ich weiß es sicher, daß ich es
hier in die Kommode gelegt habe, das heißt, wenn es nicht
darin ist, kann es auch oben im Kleiderschranke stecken."
„Dann wird es Wohl weder im Kleidcrschranke, noch
in der Kommode sein," bemerkte ich trocken.
„Ich sage Dir ja," entgegnete mir meine Frau mit der
gereizten Stimme, die ich nun schon kannte, „daß das LooS
in der Kommode steckt. In dieser Lade freilich scheint es
nicht zu sein, denn ich habe alles aufs sorgfältigste durch-
gemustert, aber in der zweiten Lade wird es sich befinden,
ja, nun erinnere ich mich deutlich, daß ich es in die zweite
Lade gelegt habe. Wie konnte ich nur so vergeßlich fein?"
Während ich mich frierend und ungeduldig auf einen
Stuhl warf, zog meine Frau die zweite Lade aus der Kom-
mode, ohne die erste wieder einzuschieben. Nun flogen auS
der zweiten Lade frisch gewaschene Hemden, Handtücher,
Tischtücher und Betttücher, aber das, worauf es ankam,
fand sich nicht. —
„Sollte ich mich getäuscht haben?" murmelte Kathrin
eiwas kleinlaut vor sich hin.
„Ja, du hast dich getäuscht," sagte ich mit einem Tone
so kalt wie die Winternacht und wie mein mangelhaft be-
kleideter Körper.
e- Meine Frau wischte sich den Schweiß von der Stirne,
denn i hr war beim Suchen heiß, sehr heiß geworden und
sie sagte: „Dann ist cs die dritte und unterste Lade. Rich-
tig, in der untersten Lade pflege ich wichtige Sachen zu
verbergen."
Sie zog die unterste Lade aus und stellte sie oben aus
Nummer eins und zwei. — Wie eine scharrende Henne die
Erde hinter sich krazt, so kratzte — man verzeihe mir den
Vergleich — meine Frau uralte, längst quittirte Rechnungen,
vergilbte Briefe und zerknitterte Tapetenreste hinter sich,
aber das Los, das große Los kam nicht zum Vorschein-
(Fortsetzung folgt)
scheint tLglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
tz'L-Su^ Oman für Hattert, Frerlmt L KM.
vetdelbera monatlich 50 H mit Trägerlohn, durch l Rabattbewrllrgung.
.die Host bezogen viertelt. 1.60 franco. Expedition: Zwingerstratze 7.
Druck, Verlag u. Expeditton
Gebr. Huber in Heidelberg,
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