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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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April 1897
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Nr. 73
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0303

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Mtzer Volksblatt

AMders, DmerßU M1. AM 1897.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

, Rr das Weite Uuartal 1897
sj «och immer alle Postämter Bestellungen auf
erscheinende Zeitung
»Pfälzer Bolksblatt"
i«t wöchentlichen Gratisbeilage „Der Sonntags-
L? -) sowie unsere Expedition Heidelberg
'^Serstraße 7 entgegen.
Spedition -es „Mäher VolksblaU".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

mit der bekannten „Strenge, um Land und Leute vor
Unheil zu bewahren." Der Staatssekretär v Putt-
kamer betheuerte acht Tage später im Landes Aus-
schuß: „Es deutet kein Wort in der Rede der Herrn
Statthalters darauf hin, daß die Maßregeln, die er
in Aussicht stellte, nur auf Grund deS Diktatur-Para-
graphen getroffen werden könnten; eine Unterstellung
nach dieser Richtung hin entbehrt jeder Begründung."
Jetzt hat Hoyenlohe II. zu den Worten des Reichs-
kanzlers und des Herrn v. Puttkamer seinen Com
mevtar gegeben, und der lautet: „Heute ist der Dik-
tatur-Paragraph nicht nur von theoretischer Bedeut-
ung", sondern von praktischer, und ich „brauche ihn
gegen die Bevölkerung Elsaß Lothringens."
Das Verbot nimmt seinen AuSgang von dem Ar
tikel: „Wir machen nicht mit", den beide Blätter zur
Centenarfeier gebracht hatten. Wir sagen ausdrücklich:
seinen Ausgong. Denn ein Mal vermögen wir iu
dem Artikel — so wenig wir auch einzelne Stellen
daraus billigen — richt das zu finden, waS der
Statthalter daraus liest: ein „Hinstellen des großen
KaseiS als blutdürstigen Eroberer" oder „den offen-
baren Zweck, die Bevölkerung mit Haß gegen das
deutsche Kaiserthum zu erfüllen" oder gar „eine Ge-
fahr für die öffentliche Sicherheit." Zum andern aber
ist uns alsbald nach der Hohenlohe',chen Rede vom
9. Februar von völlig informirter Seile als ganz
authentisch mitgetheilt worden, daß die Drohungen
schon damals sich gegen die Colmarer Volk!Partei
und die jetzt unterdrückten Blätter richteten. Diese
Feststellung ist sehr wichtig; denn sie zeigt, was schon
vorher geplant war, ehe der iucciminirte Artikel er-
schien.
Darum wollen wir denn einiges über die bis-
herige Haltung der Blätter sagen, um zu sehe», ob
denn darin eine „Gefahr für die öffentliche Sicher-
heit" lag, die iu dem Statthalter solche Pläne reifen
lassen konnte.
Wir haben hier ein Urtheil von einer Seite, die
sicherlich vor allen dafür unverdächtig u. beweiskräftig
ist, nämlich von der „Straßburger Post". Sie schrieb
am 4. Januar 1896 gegen die Spectator-Briefe der
Allg. Ztg.: „Ter jüngere Theil der katholischen Geist-
lichkeit (in Elsaß-LotHungen) steht wohl eher auf
Seiten der Redakteure des Mühlh. VolkLbl. und der
Colmarer Ztg. Aber auch in diesen Blättern kommt
ein protestlerischer oder gar ein französischer Gedanke
nicht zum Ausdruck. Wir leben seit Jahren mit die-
sen Blättern in fast unausgesetzter Fehde, aber wir
dürfen auch nicht ungerecht gegen sie sein, und deS-

„Sie haben fast so viel verloren wie ich, Vater, Bruder
und N-ffen, um derentwillen müssen Sie mir gestatten, für
Sie zu sorgen, da Sie so allein stehen."
Allein er entzog seine Hand der ihrigen, machte eine
abwehrende Bewegung und ging ohne ein Wort zu sagen-
Und er kam nie wieder zu ihr.
Im Dorfe gewann sich Jaspar keine Liebe, da er sich
von allem Verkehr fern hie», ganz in Zurückgezogenheit
lebte, weiche nur unterbrochen wurde, wenn ausländische
Freunde emtrafen, um mit ihm zu jagen. Geld gab er ge-
nug aus, kümmerte sich aber nie darum, ob es in die Hände
drrer käme, welche es nöthig hatten und den rechten Ge-
brauch davon gemacht haben würden.
Im Herrenhause hatte sich Alles umgestaltet. Jasper
Rgvensbourne hatte alle Zimmer neu dekoriren und möb-
liren lassen und, um die Kosten dafür auszubringen, im
Parke Holz geschlagen und verkauft. Mir schnitt es in's
Herz, wenn ich die Bäume durch das Dorf fahren sah
welche zu Lebzeiten des alten Herrn nicht angerührt werden
durften. Die Dienerschaft war nach und nach gewechselt,
alle Stallleute hatten den Dienst verlassen, unter ihnen
auch Foster, mein alter Feind, wenn ich so sagen darf, da
er mir nie etwas zu Leid gethan hatte. Aber Mrs. Westen
war noch da, wiewohl nicht im Hause selbst. Sie bewohnte
das Wächterhäuschen am Eingänge des Parks und hatte
nun ihre kleine Tochter bei sich. Sie dort Hausen sehen zu
müssen, war für mich eine neue Kränkung, denn Mylady
hatte immer gesagt, das Häuschen müsse mein Ruhesitz
werden, wenn ich einmal aufhören werde zu dienen. Ich
konnte der ehemaligen Kammerfrau allerdings keinen Vor-
wurf daraus machen, allein der Anblick mahnte mich doch
stets wieder daran, wie sehr sich hier Alles geändert hatte.
Ich glaube, daß sie diesen Platz zum Lohn für ihr Aus-
harren im Dienste des neuen Herrn erhalten, denn der soll
sehr böse darüber gewesen sein, daß so Viele davongegangen
waren. Aber ungeachtet ihrer verbesserten Lage sah sie so
gedrückt und scheu aus wie nur jemals vorher, und auch
die Anwesenheit ihres Kindes schien ihr keine wahre Freude
zu machen, obgleich sie mit abgöttischer Liebe an demselben

täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
Abonvrnientsprrid mit dem wöchent-
>.,Mterhaltunasblatt „Der Sonntagsbote" für
iu- S, monatlich SO H mit Trägerlohn, durch
Post bezogen Viertels, 1.60 franco.

Verbot der katholischen Presse des
Mer-Elsaßes.
jjh Hvhrnlohe II. hat die Welt heute mit einem Stück
Huscht, wie es im Bereich der schwarz wüß-rothn
hWe nur in Elsaß-Lvthnngen möglich war. Zwei
,j„ 8klesene Zeitungen, die gesawmte katholische Presse
8 grvs en Gebietes, Plötzlich, über Nacht, ohne
»list k UrtheilSspruch eines Richters einfach
>,c Drückt! Das würde man am Ende des neun-
iz k Jahrhunderts nicht für möglich halten, wenn
Regierungs-Amtsblatt von Straßburg nicht
aus weiß als That deS deutschen Statthalters
»ieichsia.de mittheilte.
i«i 30. Januar 1895 erklärte der Reichskanzler
»tejchziage: „Heute ist der sogenannte Dictatur-
W.,3raph nur noch von theoretischer Bedeutung. Im
M seinen ist die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen
W "freudig; sie ehrt Religion und Gefitz. Ich bin
istu» gii der Meinung, daß man gegen diese Bevöl-
^aiiiE sogenannten Dictatur-Paragraphen nicht
Lediglich als „eine gewisse Sicherheit gegen-
auswärtigen Agitationen, nicht gegenüber der
tzr al'erung" solle er dienen. Dies Unheil war das
Mwinß d,r langjährigen Erfahrungen eines Mann es
Mir auerlannt scharfem, klarem Blick und staatSmän-
icriw Weisheit. Sein Nachfolger aber hatte sich
^0 Jahre in Elsaß-Lothringen umgeschaut, da
ljg. br jem 9. Februar 1897) „eine Anzahl öffint--
i^^Blätter" des Landes „übelgesinnt", und drohte
Nach langen Jahren.
. Um». Fünftes Kapitel.
M neues Leben auf der „Meierei" — so nannte
VF von uns bewohnte Gehöfte - verlief still und
2 der ganzen Tag lag Mylady auf ihrem Sopha
M ve des Fensters oder saß, wenn das Wetter
H iw As) unter einer alten Ceder im Garten, während
Men schaffte und ordnete und nur den einen Ge-
H r» AUse, ihr Alles so angenehm und bequem als mög-
Uen suchen, da ich ihr doch nicht Trost und Hoffnung
Leben außerhalb unseres Gartenzaunes
Mder kaum etwas wahr. Ich hörte wohl, daß Mr.
Mlunn vensbourne einige Wochen nach unserer Ueber-
R !» s. "«gekommen war. Aber es verging geraume Zeit,
Mz Zu Gesicht bekam. Denn ich verließ selten unser
«Mris "tost nur um ins Dors zu gehen, und er kam nie
Wen ir2"bs Tages jedoch begann Mylady zu meiner
N Ichi^bbrraschung, sie wünsche Mr. Jasper zu sehen.
vH Uv'b.sch denn um ihn und er kam. In der Zeit, da
M niH.v'cht gesehen, batte er sich bedeutend verändert
8,-, ru seinem Vortbeil. Der unheimliche Ausdruck
Aw. ^e hatte sich noch verstärkt, vertieft möchte ich
Mich^WPen waren blaß und eingekniffen, und ob-
M er Ä-Wesen weniger verdrossen war als früher, ge-
, ch um nichts kusser.
Ache» IWick seiner Schwägerin schien ihn betroffen ru
K lie einander zulitzt gesehen batten, strahlte sie
Schönheit und Gluck; jetzt sah er sie als eine
oliver er,und der Wechsel der Erscheinung überraschte
Ä er n?Äslnlich so sehr, daß seine Wangen fohl wurden
der Lehne eines Sessels griff, um sich zu stützen.
U wu e^ur wenig und hätte er nicht Mylady wieder-
Mldx f>)chemn, beinahe furchtsamen Blicken betrachtet, so
Mw M/bwerlei Theilnahme mit ihrem Geschick verrathen
<We.' brachte es nicht einmal zu einem freundlichen
ÄlK
ii/s.üch erhob, um wieder zu gehen, sagte Mylady,
b ihm dringend ins Auge sah:

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
«NM für RalickM, HMett L «M
A , Rabattbewillrgung.
_Expedition: Zwingerftratze 7.

halb stellen wir ausdrücklich fest, daß der Protest in
ihren Organen keinen Ausdruck findet." Ein halbes
Jahr vorher, am 10. Juni 1895 druckte die Post
„Programmatische Ausführungen" der beiden Zeitun-
gen ab und bemerkte dazu: „Die Wichtigkeit des Be-
kenntnisseS, welches da abgelegt wird, liegt auf der
Hand . . . Daß solche loyale politische Glaubens-
bekenntnisse kräftig mit dazu beitragen werden, den
Zeitpunkt (der Aufhebung der Ausnahmegesetze) näher
zu rücken, wird Niemand bezweifeln, der offenen Auges
die Entwickelung unserer Verhältnisse verfolgt.
1893 bei den Reichstagswahlen war das Muhl-
hauser Volksblatt das einzige Blatt der großen In-
dustriestadt, welches, unbeirrt durch die wildesten An-
griffe und Verdächtigungen, allein den Kampf gegen
den social-demokratischen Reichstags Candidaten mit
größter Aufopferung führte. Als es unterlegen war,
schrieb es in Nr. 140 nach Aufzählung der sämmt-
lichen Mühlhauser Blätter, welche am Tage vor der
Wahl gegen uns aufmarschirt sind: „Am meisten
darf der Expreß jubeln. Die allgemeine Ansicht geht
dahin, daß er durch seine entschieden unehrlichen
Waffen den Sieg für Bueb herbeifübrte. Welch' bittere
Ironie liegt in dem Satz: Das Blatt der Besitzen-
den, der Fabrikanten hat dem Umstürzler zum Sieg
verhalfen!"
Bei den Gemeinderaths-Wahle'' im Sommer 1896
trat das Mühl. Bolksblatt für ^ne Einigung aller
Parteien gegen die Sozial-Demokraten ein, sogar
unter Preisgabe der bisherigen katholischen Stadt-
raths Mehrheit, weil nur so eine Einigung zu er-
zielen war. Ueber den Erfolg schreibt ein altdeutscher
in der Straßb. Post (Nr. 519, 1896): „Es muß
anerkannt werden, daß die klericcale Partei Wort
hielt. Nicht so die sog. liberale Partei. Nicyt genug,
daß sie die beiden altdeutschen Candidaten von der
Liste strich — nein, sie ersetzte dieselben auch durch
Mitglieder der Sozial-Demokratie, gegen welche man
sich verbündet hatte; ein Theil gab überhaupt sozial-
demokratische Zettel ab," wählte also die ganze sozial-
demokratische Liste.
Zur vollen Würdigung der Haltung des Volks-
blattes und der Katholiken, deren Organ es war,
muß noch bemerkt werden, daß wenige Monate vor-
her das protestantisch.bündlerische Hetzblatt in Straß-
burg, Die Heimath, nach besten Kräften zur Wahl
des sozial demokratischen Bezirkstags-Candidaten gegen
den katholischen, (den allgemein hochgeachteten
verstorbenen Stadtrath Metz) mitgeholfen, hatte, was
bei den Katholiken des ganzen Landes Entrüstung
Die kleine Sally Weston war ein hübsches, munteres
freundliches Kind. Eines Tages stand rch am Fenster un-
seres Wohnzimmers und sah dem Mädchen nach, das mit
der Büchertasche in der Hand aus der Schule kommend
scbr vergnügt die Gasse enttang lief. Ich dachte über das
seltsame Spiel der Natur nach: eine so trübselige schwäch-
liche Mutter und ein so lebensfrisches Kind. Eben sprang
die Kleine von dem erhöhten Fußpfade auf den Fahrweg,
um denselben zu kreuzen, als ein Karren im vollen Laufe
den Hügel herabkam. Hatte sie bei dem Sprunge das
Gleichgewicht verloren oder hatte der Zuruf des Fuhr-
manns sie erschreckt oder verwirrt, das weiß ich nicht: ge-
nug, ich sah sie stürzen und im nächsten Moment die Rä-
der über sie hinweggehen.
Ich schrie auf, Mylady fuhr von ihrem Sitze empor
und schneller, als sich sagen läßt, waren wir auf der Gasse
neben dem Mädchen. Sie war nicht bewußtlos, Schreck uno
Angst schienen sie aber für den Moment zu 'lähmen- Schnell
waren mehrere Leute versammelt, uns es hieß, man wolle
sie in die Wohnung des Doktors bringen.
„Mein Haus ist näher, sprach My'ady, „tragt sie da
hinein."
So geschah es. Sie wurde auf das Sopha gelegt und,
während Jemand lief, um den Doktor zu holen, saß My-
lady neben ihr und suchte sie zu beruhigen- Sie dachte auch
zuerst daran, daß um die Mutter geschickt werden müsse,
Aufregung, Mitleid und Sorge schienen der Dame neue
Kräfte zu verleihen. Die Verletzung erwies sich als ganz
unbedeutend, und als die Mutter todtenbleich hineinstürzte
und sich über ihre Sally beugte, konnte das kleine Ding
schon wieder lächeln und den Kops schütteln auf die Frage,
ob sie große Schmerzen habe. Mrs. Weston wandte sich an
ihre einstige Herrin mit lebhaften Danksagungen, Sie sprach
wie immer leise und schüchtern, aber man hörte wohl, daß
ihr die Worte vom Herzen kamen.
„Ach, Mylady ist so gütig, nicht wahr, Mutter?" hörte
tch das Kind flüstern.
(Fortsetzung folgt)

Drück, Verlag u. Expedition
Gebr. Huberin Heidelberg,
_Zwtngrrstrage 7._
 
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