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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Mai 1897
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Nr. 102
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0423

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« Weitz aber
weiß auch,

-alb 10 Uhr öffneten sich die breiten Pforten deS
HauptportalL, und der Zug betrat daS Innere. Bald
fanden sich nun auch die Vertretungen der staatlichen
und städtischen Behörden, der Schulen und der Hoch»
schule, der Vereine und Korporationen in der Kirche
in stattlicher Anzahl ein, mit den Pfarrkindern ider
Herz-Jesu-Gemeinde und den zahlreichen sonstigen
Gläubigen die weiten Räume bis aaf daS letzte Platz»
chen füllend. Der Akt der Kirchenweihe und die Weihe
der Altarmensen nahm die Zeit bis nahezu halb 12
Uhr in Anspruch. Bei der Weihe levitirten die beiden
Cooperatoren von St. Martin, die Herren Bitrck und
Schmidle, assistirt von Hrn. Domprädendar Schweitzer
welcher die Stelle eines HofkaplanS versah. ,
In vorgerückter Vormittagsstunde bestieg Herr
DomkustoS Karcher, der unermüdliche Förderer des
Kirchenbauer seit anderthalb Jahrzehnten, die provi-
sorische Kanzel, um in kurzen eindringlichen Worten
auf die Bedeutung des Festaktes hinzuweisen. Durch
die lithurgische Weihe sollte die Stätte, in der Gott
selber seinen Thron aufschlagen will, zunächst allem
Bösen und Gottwidrigen entfremdet und ganz dem
Dienste des Allerheiligsten gewidmet werden. Würde
Gott nur an einer Stelle auf dem Erdboden eine blei-
bende Stätte sich erwählen, so wäre das für uns Men-
schen schon eine große Gnade; aber seine Freude, un-
ter den Menschen zu wohnen, geht so weit, daß er
fast allerorten, wo Menschen wohnen, sich ein Hau«
erbauen läßt, von wo seine Segnungen ausströmen
sollen. Ein solches Gotteshaus ist daher nicht nur
eine heilige, sondern» auch eine heilsame Stätte, wo
au uns der Ruf ergeht: Auf zu Gott erhebet Augen
und Herzen! Es ist eine Stätte der Heils, der Hilfe,
der Seligkeit, der Wahrheit, wo uns die Glaubens-
lehre verkündet, hie Sakramente gespendet und in un-
beschreiblicher Fülle Gnaden und Segnungen zutheil
werden.
DaS feierliche Hochamt unter Pontifikal-Asfistenz
zelebrirte Herr Domkapitular Dr. Gutmann, levitirt
von den Herren Kooperatoren Bürck und Schtnidle.
Der neugegründete gemischte Kirchenchor der Herz-
Jesu-Kirche trug eine Messe von Biadana vor und
zeigte, daß er unter der rührigen und sachkundigen
Leitung des Herrn Heim, trotz der kurzen Zeit seine»
Bestehens, bereits recht Gediegener zu leisten vermag;
das Credo bewies in seinem Vortrag eine Abrundung,
wie sie sonst nur bei wohlgeschulten, lang eingeübten
Kirchenchören zur Erscheinung gelangt. Mit einem
mächtig erklingenden, durch die weiten Hallen der Kirche
meinen immer, ich sei so dumm, und kümmerte mich nur
um meine Puppe. Ich merke aber Alle»; wegen Elisabeth
kommt er! Er ist aber viel zu gut für sie."
Anna's Herz klopfte stürmisch. »Aber Du solltest doch
nicht auf das auspaffen, wa- Deine Schwestern reden.
Komm' Kind, komm'! Wir haben schon zu lange geplaudert,
gehe» wir an unsere Geographie. Sei recht aufmerksam;
dann wollen wir auch einen lange» Spaziergang machen
und schön miteinander spielen und recht lustig sein."
Martha kam es vor, als strafe ein feuchter Schimmer
m deS Fräuleins Augen ihre heiteren Worte Lügen. Da-
altkluge Kind konnte aber seine Beobachtungen nicht fort-
setze«; denn die Erzieherin stand auf und holte Landkarten
herbei. Nach dem Unterricht fand der versprochene Spazier-
gang statt. Fräulein GraShoff hatte ganz rosige Wange«;
ihr Kopfweh mutzte vergangen sein. Sie war sonst ziemlich
schweigsam, beute aber sprach sie auffallend viel. Sie er-
zählte Geschichte», erfand Spiele, pflückte Blumen und
flocht Kränze daraus, mit denen sie Martha schmückte- Wie
Diamanten blitzten dabei ihre Augen, und ihr Lachen klau«
silberhell- Selten hatte Martha bei ihrem lieben Fräulein
solch' laute Heiterkeit beobachtet. Als aber die Stunde de»
Abendessens gekommen war, daS die Familie gemeinsam
einzunehmen Pflegte, schien das Kopsweh der Erzieherin
eben so Plötzlich wiedergekehrt z« fein, als e» vorhin ver-
gangen war. Auffallend bleich und stumm fatz sie da und
brachte beinahe keinen Bisse« herunter. Nach dem Essen
entfernte sie sich, sobald e» thunlich war. Sie brachte da»
vom langen Spaziergange, vom Scherzen und Tolle» er-
müdete Kind zu Bette und verrichtete mit demselben da»
Abendgebet. Al» sie sich über Martha beugte und zum Ab-
schied ihr die schlaftrunkenen Augen küßte, flüsterte sie:
»Noch ei» Gebet für mich, «ein Liebling!" Dann schloß
sie die weißen Vorhänge der Bettes und kehrte in da»
Studirzimmer zurück-
(Fortsetzung folgt.)

Einweihung der Her;-Ies«-Kirche in
Irriburg.
.-. Der langgehegte Wunsch, für die tausende Krtho
'm Stühlinger Stadttheile eine besondere Pfarr-
'M zu errichten, ist mit dem heutigen Tage endlich
b That geworden. Von der St. MartinSpfarrei
»er westlich von der Bahn und nördlich von der
nsarn liegende Theil der Stadt, einschließlich der
MrbarungSstraße abgetrennt und al» selbstständige
Mj'Jesu-Pfarrer begründet worden. Jedoch ist mit
Asir friedlichen Scheidung nur der geringer» Theil
Bedeutung de» TageS angedeutet; die Hauptsache
W darin, daß die neue Pfarrgemeinde mit dem
Nkgen Tage ein Gotteshaus zum Geschenk erhält,
MeS, erstellt durch die Freigebigkeit und Hochher-
M" katholischer Stifter uyd Stifterinnen, nicht nur
.^ Zierde der Weststadt, sonder» der Weichbildes
Morden ist, und welches in seiner architektonische»
Schönheit sich den hervorragendsten Kircheubauten
badischen Oberlandes würdig zur Seite stellt.
Mr auch da- darf und Huß gesagt werden, daß
A. Einwohnerschaft der Herz - Jesu - Pfarrei ohne
Mrrschied des Glaubensbekenntnisses, so weit eS am
Mgen Tage möglich war, sich für dar allerseits
Msrsene Entgegenkommen dankbar und erkenntlich
WW hat. DaS war in seinem ganzen Verlauf
.-"Fest so schön und glänzend, wie es nur eine
Zeitlich zusammenstimmende, Gemeinde zu feiern
^rnlag.
Ai-voll und freudvoll. AW
Novelle von L. v. N e i d e g g.
ließ das Kind gewähre«, und ein weh«üthiae»
«vnln umspielte ihre Lippen, während sie ihr zssah. Sie
»'Mute sich ähnlicher FreudenauSbrüche aus den sorglose«
ihre, Kindheit- Materielle Genüsse und lustige
.j^baltuug gelten ja so viel in jenem Alter. Ach, »nd in
späteren wohl auch — für allzu viele Menschen! —
und Spiele — heißt es für die Einen wie für die
»Fräulein GraShoff, Sie fragen ja gar nicht, wer
„Mt ?" sagte Matthä nach einer Weile, al» sie sich müde
glanzt hatte.
«Nun, so sage es mir," bemerkte Anna freundlich,
de« Kinde eine» Gefallen zu thu», al» au»
"Uchem Bntheil an dessen Mittheilunge».
»ii Vettern Karlsberg, eine Baronin Dürmann
ein ?"" rothhaarigen Töchtern und einem Sohn, der wie
tuender Affe. . ."
A»«." » ""g, genug, Martha! Du weißt, ich liebe solche
i *"Sen nicht. Ich will weiter nichts mehr vo« den
Wartete« Gästen hören."
d,^»Das Kmd ließ verschämt dar Köpfchen hänge» und
tzg/Aunte für einige Augenblicke. Länger konnte es aper
Überlangen, seine Neuigkeiten mitzutheilen, nicht unter-
Li».' *od lebhaft fuhr eS fort: »Ucbermorgen ist große»
»n, *; dazu find viele Gäste eingelade», die aber Abend»
Heeder gehen. Zum Dessert Liebt eS ganz seines Zucker-
dabe *» eben anseheu dürfen."
dem wird Martha kaum etwa» bekommen, we-
E"*, nicht bei Tische," lächelte die Erzieherin. »Ich
wir werden wohl allein aus unserem Zimmer speisen
""dem Tage." !
nein!" rief Martha i« Helle« Entzücken. Wieder
»iMe sie 'N die Hände und sprang wie ein Kobold tm
* Herum. »Die Schwestern freilich hätten »» gern
fier» ?' und auch die Mama war dafür, oder that wenig-
lieb- m "achte aber et« so trauriges Gesicht, daß der
gift Aha erkläite: »Ach, gönnt dem Kinde den Spaß;
"'N »in harmlose» Vergnügen."

Der Sonntag Morgen zeigte zwar unseren Schloß-
>erg in einer gewaltigen Nebelhülle, aber trotzdem
chafften die Bewohner des StühlingerS guten MutheS
drauf los, und gegen sieben Uhr sahen die Straßen
aus, als ob die Wichtelmänner ihre wunderthätige
Hand angelegt und über Nacht den schönsten Fest-
schmuck hervorgezaubert hätten. Kein Hau» entbehrte
deS Schmuckes, aber sehr viele Häuser zeigten Guir-
landen, Kränze, Pflanzest und Blumen, Fahnen und
Dekorationen in so reichem Maße, daß das Auge
kaum alles zu erschauen vermochte.
Der Kirchenplatz selbst war mit Fahnenmasten
eingefaßt, die in sehr wirkungsvoller Weife durch Guir-
landen verbunden waren. Wie überhaupt bei dem
AuSfchmücken der Straßen, Plätze und Häuser, so war
auch im Anfertigen dieser Guirlanden da-Lokal-Comite
von der St. Elisabeth. Anstalt wesentlich unterstützt
worden. Sogar die Eisenbahnbrücke hatte dem Feste
zu liebe ihr prosaisches Naturell abgelegt und zeigte
sich im heiteren Festschmucke; fühlte sie sich doch
heute als die bedeutsame Grenze und Vermittlerin
zwischen der Mutterkirche St. Martin und der neuen
Tochlerpsarrei, und begann ja auf ihrer Ostseite, bei
der herrlichen gothifchen Triumphpforte, die eigentliche
kirchliche Feier mit der Begrüßung und Einholung deS
Hochw. Hrn. KonsekratorS. DaS war gewiß ein berechtig-
ter Stolz der Eisenbahnbrücke; aber ihr Stolz ist auch
darin begründet, daß sie den schönsten Blick gewährt
auf den reichgegliederten Aufbau der beiden Thürme
— natürlich nur soweit die selbstbewußt vorgelagerte
städtische Plakatsäule und ein mächtiger Kandelaber
das zulaffen.
In früher Morgenstunde kündete feierliche Choral-
musik von den Thürmen der Herz-Jesu-Kirche der
neuen Pfarrgemeiude den Anbruch de- Weihefestes
an. Kurz vor halb 8 Uhr begab sich die Geistlich-
keit zu der Triumpfpforte an der Eisenbahnbrücke, um
den Hochw. Herrn ErzbiSthumSverweser, Weihbischof
Dr. Knecht, in feierlichem Zuge zur Kirche zu geleiten.
Alsdann begann der Weiheakt in seiner großen unun-
terbrochenen Reihe bedeutsamer Ceremonien. Gegen
9 Uhr trafen die Abordnungen der kath. Vereine mit
Fahnen auf dem Kirchplatze ein und nahmen vor de«
Portale Ausstellung. E» war ein herrlicher Anblick:
da» von der schönsten Maiensonne bestrahlte Gottes-
haus, umgeben von einer dichtgedrängten Menschen-
menge in Festgewändern, aus der sich die kirchlichen
Gewänder der Geistlichen, die VereinSfahnen, die
glitzernden Helme der freiwilligen Feuerwehr und daS
Weiß der Mädchenschaar wirkungsvoll abhoben. Gegen
»Dann mutzt Du aber recht stille sein und gar nicht
fo vorlaut."
»Ei» weißes Kleid mit blauen Streifen darf ich an-
ziehen," fuhr Martha unbeirrt fort! die Festfreude überwog
jedes andere Gefühl. »O, ich freue mich ganz närrisch, Fräu-
lein GraShoff! Dreißig bis vierzig Personen bei Tische I
Bon au-wärtS kommt Oberst Rosenberg «it seiner Frau,
Herr von Wiederhold, Graf Tiefenbach . . ."
Schwer senkte sich die Hand der Erzieherin auf den
Arm öes Kinde». »Welche Namen hast Du genannt?"
»Wiederhold, Rosenberg und Tiefenbach," wiederholte
Martha und sah verwundert auf. »Fehlt Ihnen etwas,
Fräulein?" fragte sie. »Sie sind so blaß."
»Ein wenig Kopsweh, sonst nichts," erwiderte Anna.
Sie fühlte, daß sie erröthete, als sie diesen Borwand be>
nutzte. »Der Oberst und Graf Tirfenbach sind alte Herrn?"
Martha lachte. »Der Oberst wohl . . . aber Graf
Tiefenbach — Betler Robert, wie er befahl, daß ich ihn
nennen solle. Vor langer Zeit war da-, wohl über ein
Jghr mag e« sein — Graf Diefenbach ist gar nicht so alt,
nicht, was Sie fo nennen, wenigsten». Aber «an findet ibn
jung und schön." DaS Kind sah ganz verschositzt aus, als
e« fo sprach.
»Seit wir hier find, war er noch nicht i» Ebersburg,"
sagte Lnna beinahe flüsternd und starr vor sich tzi«sehend.
»Wie kommt da- wohl?"
»Er soll auf Reisen gewesen sei«, monatelang. Erst seit
ein paar Tagen in er wieder in St. Trudpert," erklärte
Martha, innerlich entzückt darüber, daß die vorher o zu-
rückhaltende Erzieherin jetzt ihre Mittheilungen einiger
Aufmerksamkeit würdigte. »Er gilt für menschenscheu. Ich
i Weitz aber, datz er jetzt sehr viel komme» wird, und ich
weiß auch, warum, Ich will eS Ihnen ganz leise in's
Ohr sagen." Sie legte beide Arme um den HalS der Er-
zieherin und zog deren Kopf fest an sich."
»Wenn es Dir anvertraut worden ist, darfst Du eS
überhaupt nicht sagen," erwiderte Anna, inde« sie sich be-
mühte, die Aermchcn deS Kindes losjmnachen.
»Anvertraut ist mir gar nichts worden. Ich habe nur
gehört, »ar dir Schwestern «it Elisabeth sprachen. Sie

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HMbklg, Mas, dm 7. Mai 1897

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Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

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WM.
 
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