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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Dezember 1897
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Nr. 289
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1193

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Feiertage. NdoUNememspreis mit dem wöchent-
lichen unterhaltunasblatt »Der Sonntagsbote" für
Heidelberg monatlich KV H mit Trägerlohn, durch
die Bost bezogen Viertels. 1.60 franco.

Organ sm Wekrlieit, KMeil L KM

Kr. 289.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Melders, MM des 18. Minder 1897.

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Expedition: ZwingsrKratze 7._
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
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lichen 8sritigev UnterhaltuugSblatt „Der Sonn-
tags bote" belehrenden und spannenden Artikeln
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Kurz »ach Neujahr beginnen wir mit der Ver-
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ES wird stets unser Bestreben sein, möglichst viel
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*0 Melisnr. AZL
Krählung von Melativ Iva. A lS -r-n ö >us- bischen von
L- v. Heemftede.
, »Todt! todt! und all' seine Gedanken bei ihr, der Treu-
Mn ! Sie habe» ihn ermordet, die Elenden, und für mich
r."n Grub, keine Erinnerung. O! und ich habe Dich ge-
«ebk. Eia Lächeln, ein Händedruck von Dir war mein
^eben I Und nun habe» sie Dich getödtct und lachend ver-
jdeilen sie Dein Erbe, während Du hier liegst unter der
'alten Erde, ferne von der Heimath I" So klagte u. jam-
xkrte sie mit aller Kraft einer seit lange mit Gemalt unter-
Uckten Leidenschaft. »Du haft es nie gewußt, was Du
M mich warst, mein schöner »Poll, mein Ideal!" wieder-
Wie sie in der kindische» Aeußerung ihres weiblichen
«chmerzes. Sie klagte und seufzte lange Zeit, aber ihr
M, wurde nicht weicher; sie hatte das starre, unbeugsame

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Meilen sie* Dein Erbe, während' Du hier liegst
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Mte sie mit aller Kraft einer se' "
Wckten Leidenschaft. »Du haft __ _
M mich warst, mein schöner »Poll, mein Ideal!" wieder-
Wie sie in der kindische» Aeußerung ihres weiblichen
Schmerzes. Sie klagte und seufzte lange Zeit, aber ihr
M, wurde nicht weicher; sie hatte das sv
«kmüth der HilverdaS, das gebrochen, zertrümmert, aber
?«cht geschmolzen werden konnte. Zärtliche Gefühle fanden
jenen Herze« keinen Platz, religiöse Trostgründe fruchte-
st« nicht. »Ich werde ihn rächen!" sagte sie endlich mit
Wattiger Freude, »es ist das Einzige, was ich noch für
thun kann."
. Frau Htlverda saß inzwischen am Bette ihres Sohnes
M bemühte sich, ihm sein Trünkchen einzuflößen, doch er
meß alle- von sich.
»Kümmere Dich nicht um mich," murmelte er, „das ist
alles war ich verlange."
. Trotz seines Widerwillens gegen die Medizin »ahm
M Fieder ab; die Stirnwunde war geschloffen, aber sein
«emüthszustand blieb unverändert. Ein bitterer, feindli-
Zug lag um seine Lippen, seine Augen blickten düster;
" .sing nichts, er klagte nicht, er sprach kaum ein Wort
M beantwortete alle theilnehmenden Fragen kurz und
>Mlf.
. „Frau Hilverda, die wenig bei ihm zu thun fand, lang-
Mte sich jm Krankenzimmer und ging lieber nach unten,
M sie von den zahlreichen Gästen, die an de» Vorfällen
letzten Tage herzlich theilnahmcn, mit großer Zuvor-
kommenheit behandelt wurde. Da konnte sie sprechen mit

Jeder Abonnent des „Pfälzer VolkS-
blatteS" möge eS sich angelegen sein lassen, min-
destens einen neuen Abonnenten für unser
Blatt zu gewinnen.
Expedition des „Pfalzer Volksblstt".

Heidelberg Zwingerstraße 7


Stillstand der Sozialreform.
Wenn etwas geeignet ist, alle Illusionen über das
Ende der sozialreformrrischkn Aera zu zerstreuen, so
ist es die Rede des Staatssekretärs Grasen Posa-
dowrky vom Montag. Man hat ja bisher mit schö-
nen Worten den Schein aufrecht zu erhalten gesucht,
als denke die Regierung nicht im entferntesten an einen
Stillstand. Noch bei der Berathung der Flottenge-
segeS hat derselbe Graf v. PosadowSky feierlich be-
stritten, daß ein Stillstand emtreten solle, und der
Abg. Fritzen sprach in seiner EtatSrede seine Freude
über diese Erklärung auS. Allein aus der Montags-
rede der Herrn Staatssekretärs können wir trotz allem
decorativen Beiwerke nichts als eine Absage an die
Sozialreform heranSlesen. Die Nordd. Allg. Ztg.,
welche die Rede bereits ein Mal im Wortlaute ge-
bracht hat, macht sich dar Vergnügen, sie noch ein
Mal als Leitartikel mit 8en entsprechenden Abtheilungen
und Unterstreichungen zu bringen. Sie spricht dabei
ihre Ueberzeugilng auS, daß dir Aeußerungen des Mi-
nisters „in den breiten Schichten unseres BürgerthumS
ein freudiges Echo finden werden". Wenn sie aber
gleichzeitig meint, der Staatssekretär habe die „Insi-
nuation", als fei auf sozialpolitischem Gebiet ein Still
stand oder gar Rückschritt beabsichtigt, entkräftet, so
sieht das stark nach Ironie aus.
Der Staatssekretär hat zunächst unumwunden aus-
gesprochen, daß weitere sozial-politische Gesetze nicht
geschaffen werden sollen. Er meint, die Bevölkerung
wolle von diesen Gesetze« nichts mchr wissen; die
Sozial-Reform falle ihr auf die Nerven; sie verlange
Schonzeit. Nun ist eS ja richtig, daß die großen
complicuten Gesetze wenig Beifall finden und den
ausführenden Behörden viel zu schaffen machen.
Allein, die Freunde der Sozial-Reform verlangen jetzt
auch gar keine neuen großen Gesetze, sondern einen
Ausbau des Arbeiterschutzes. Dagegen wehrt sich
keineswegs die gesäumte Bevölkerung, sondern nur die

der festen Ueberzeugung, daß ihr andächtig gelauscht wurde;
bei ihrem Sohne konnte sie doch nichts ausrichten.
Gesine ließ sich fast gar nicht sehen. Jeden Morgen
legte sie frische Blumen auf den Grabhügel. »Siehst Du,
mein Theuerster!" flüsterte sie. »Gesine ist die einzige, die
Deiner gedenkt. Ich werde sorgen, daß Du von hier weg-
gebracht wirst, fern von diesen beschneiten Bergen, die Dich
verschlungen haben, und daß Du in der Heimath ruhen
kannst, mein armer Märtvrer!"
Eines Morgens vom Kirchhofe zurückkehrend, kam Ge-
sine an Erich'- Zimmer vorbei; sie hatte es bisher nicht
betreten; denn sie wollte den Mann nicht sehen, den sie
haßte und verachtete. Nun aber konnte sie sich nicht mehr
zurückhalten und still huschte sie hinein.
Er war allein; halb aufrecht saß er in einem Sessel
am Fenster, doch die Vorhänge waren niedergelassen, und
er schien in die Betrachtung der Teppichdlumsn versunken-
»Wer ist da?" frug er, denn er hatte der Thüre den Rü-
cken zugewendet.
»Ich bin es, Vetter!' entgegnete das Mädchen und
stellte sich ihm gegenüber mit funkelnden Äugen und rucken-
den Lrppen.
»Willst Du etwas von mir?"
»Nein, oder lieber ja! Ich wollte Dich nur fragen,
ob Du jetzt zufrieden bist? Nun hast Du nicht allein seine
Braut, sondern sein Haus, sein Geld, sein Land, seine
Pferde, Alles, was Deinen Neid erregt hat- Und Dein
eigenes Leben verdankst Du ihm auch. Um Dich zu retten
hat er Alles hingegeben. Du bist ein wahres Glückskind,
Vetter!"
Nie würde G-fine das Gesicht vergessen, das sie jetzt
anstarrte; mit hervottretendcn Augen, leichenblassen Zügen,
und geballten Fäusten richtete Hilverda sich auf. »Geh'
fort," zischte er, »geh' Deiner Wege l"
»Noch nicht, Vetter, noch nicht I Wie leicht hat er es
Dir gemacht, nicht wahr? Ohne Mühe, Sorge und Streit,
ohnd den Schein eines Berrathes kannst Du nun alles ge-
nießen ! Wann ist dre Hochzeit? Wann vertheilt Ihr das
Erbs? Ich wünsche Dir Glück, Vetter, zu Deiner schönen
Braut und dem lang begehrten Reichthume. Du wirst

nun gewiß bald die höchsten Stellen einnehmen und sogar
Minister werden; wie so ganz anders wirst Du alles ein-
richten als der Schwachkopf, als der thörichte Leo-mit
seinen kindischen Launen. Bon »Kaprice" laßt Ihr gewiß
keinen Stein stehen? O, eS ist so leicht, in eines Tobten
Schuhe zu treten."
Ein dumpfes Röcheln kam guS Hilverda's Kehle.
»Fort! fort I" rief er, „Du marterst mich zu Tode!"
»Hat das wäre jammerschade, einen so glückliche«
Menschen zu tödten! Er ist gerade zur rechten Zeit gestor-
ben, mcht wahr? Noch ehe er Dir einen Vorwurf machen
konnte, ehe er das Recht hatte, Dich einen Feigling z«
nennen! Denn bei Gott! das hätte er gethan! Ein Feig-
ling ! was bist Du sonst? eia Dieb! ein Verführer!"
Er fiel in den Sessel zurück und nur ein nervöses
Zucken seines Körpers verrirth seine Erregung.
»Leb' wohl, Vetter!" fuhr sie fort, „suche nur rasch
wieder besser zu werden, um das Glück zu genießen, dar
Deiner harrt. Eine liÄr Frau, durch Dich von ihrem
Ty annen befreit, ein Prächtiges Gut, hohe Zinsen, was
kannst Du mehr verlangen? GewissenSbiffe? Dafürstehst
Du ia zu hoch. Und es handelt sich nur um einen einfäl-
tigen Knaben, der sein Leben für Dich hingab." Sie gin«
zur Thüre, aber k-hrte nochmals zurück. »Das kannst Du
nicht aus der Welt schaffen! Die Luft, die Du athmest,
— d-e Sonne, die Dich jeden Tag beicheint, — die Ara«,
die Du umarmst, — das Haus, das Du bewohnst, — das
Gttd, das Du verzehrst, es kommt Dir alles von ihm!
All-s, alles wirst Du fortan ihm verdanken, den Du feig-
herzig verrathen hast, der ohne Dich noch leben würde, de«
Du ermordet haft! Da ist der Brief, den er an Dich dik-
lirt hat. Lies ihn, und genieße Deinen Rsichthum! Sei
glücklich mit Mliane, und wenn Ihr es wirkirch sein könnt,
dann macht Ihr Euch noch verächtlicher, als Ihr jetzt schon
seid." Und mit kiolz erhobenem Haupte u-w glüyenden
Waagen verließ sie das Zimmer und überließ Erich seine»
qualvollen Gedanken.
(Fortsetzusg folgt.)

Interessenten sträuben sich, wie sie die ganze Sozialre-
form nur unwillig über sich haben ergehen lassen. Wäre
es aus sie angekommen, so hätte« wir überhaupt keine
Reform. Nun sagte zwar der Siaatssccretär, wir
müßten uns fortan auf die Ausführung und den
Ausbau der bestehenden Gesetze verlegen. Aber wel-
chen Ausbau will er denn? Allem Anscheine nach
gar keinen. Er verwies auf die fortgesetzte Thätig-
keit der Commission für Arbeiter-Staiistik, verclau-
sulirte sich dabei aber gleich dahin, daß man nicht
jeder Begutachtung der Commission gesetzgeberischen
Ausdruck geben könne, daß man erst die Ueberzeug-
ung von dem Vorhandensein wirklicher Mißstände
haben müsse, daß man nicht alle Erwerbszweige poli-
zeilich reglementirrn könne, daß man nicht in jedem
Betriebe mit staatlicher Hand eingreifen dürfe «sw.
DaS sind aller Hinterthüren, durch die man sich jeder
Reformthätigkeit entziehen kann.
Vom CoalitionSrecht der Arbeiter will der StaatS-
secretär nichts hören. Er meint, das allgemeine
Wahlrecht könne den Arbeiter» genügen. Aber wie
vermag denn diese- ihnen günstigere ArbeitSbedigungen
zu verschaffen? Die Unternehmer dürfen sich zu allem
Möglichen verbinden, zur Boycottirung von Arbeiter«
wie zur Ausbeutung der Publikums; die Arbeiter
haben dagegen viel weniger Rechte. Man fürchtet,
die CoalitionSfreiheit werde nur der social-demokrati-
schen Wühlerei dienstbar gemacht werden. Wir da-
gegen sind überzeugt, daß eS dem socialen Frieden
dienen würde. ES würde die ganze Bewegung in
ruhigere Bahnen lenken; die besonnen«» Elemente
würden größeren Einfluß bei den Lohnkämpfen ge-
winnen, und die nicht-socialdemokratischen Arbeiter
könnten festem Zusammenhalt erwerben. Wer freilich
alle Lohnbestrebungen der Arbeiter für socialdemokra-
tisch hält, der wstd auch Gegner des CoalitionSrechteS
sein. Daß aber die Socialdemokratie durch Vorerst-
Haltung der CoalitionSfreiheit geschwächt over in
ruhigere Bahnen gelenkt werden könne, glauben doch
wohl die Gegner der CoalitionSfreiheit selbst nicht.
Eine Vermehrung der Gewerbeinspektoren, wie
Sia stSsecretär Graf v. PosadowSky sie empfahl, ist
ohne Zweifel dringend zu wünschen. Allein damit
kann es nicht gethan sein. Der Arbeiterschutz muß
noch viel weiter ausgebaut werden. Daß bei uns
sehr viel für die Arbeiter geschehen ist, ist unbestreit-
bar, aber da» kann kein Grund sein, um eine „Schon-
zeit" eintreten zu lassen. Den „sozialistische«
Polizeistaat", den Gras PosadowSky verabscheut,
wollen auch wir nicht. Aber kann er behaupten,
 
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