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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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März 1897
DOI Artikel:
Nr. 63
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0257

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Pfälzer Volksblatt

Melbers, WneM, dm 18. Miirz 1897.

Edition
> elb erg,

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Bestellungen
katholische, unverrückbar aus dem Boden des
Brunis stehende Zeitung
..Pfälzer Bolksblatt"
tür das 2. Quartal 1897 von jedem Post'
.. , E und Briefträger, sowie von unserer Expedition
^Stgrvgenommen.
h ^as „Pfälzer Bolksblatt" welches fich in
E? kurM Zeit seines bisherigen Bestehens bereits
Eunerwartet großen Leserkreis erworben hat,
durch die Post bezogen vierteljährlich mit Zu-
^"gSgebühr 1.60 Mk. frei ins Haus gebracht.
. ^»stre Freunde und Leser bitten wir, im Interesse
üuten Sache, soweit es dem Einzelnen möglich ist
r immer tyeitere Verbreitung unsere- Blattes einzu-
leift"' ^hr Leser eine Zeitung hat, desto
. """Söfähiger wird sie auch und desto mehr ist sie
biete» im Stande.
Probrblätter stehen jederzeit zur Verfügung.
Der Verlag des „Pfälzer Bolksblatt"

Ein siegreicher Aussiand.
Nu zeitlich so kurz dauernder und in seiner un-
ickl "ttn Wirkung ein seinem Erfolge so durch-
^Kruder Ausstand, wie der so eben zu Ende ge-
hH'HEvr der Angestellten der schweizerischen Nordostbahn
VM k"ohl ohne Beispiel dastehen. ES wird gewiß
zÄ un Leuten fehlen, welche demselben aus Partei-
Keuchten eine übertrieben große Ähnlichkeit mit dem
niburger Ausstande beimessen, der ja auch in ge-
Ans Sinne das Verkehrsgewerbe traf, und in seinem
orange eine Art Revanche für da- Mißlingen des
Hamburger Strike'S erblicken möchten. Die
nisse liegen aber nun doch anders im gegen-
ss^ageu Falle.

Druck, Verlag u. Erp»
Gebr. Huber in Herd
Lwingerstraße 7.

täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
i?E- AtbvnuewentSprris mit dem wöchent-
hxjLUnterhciltunasblatt „Der " .
m "Erg monatlich LV L mit Trägerlohn,
Post bezogen Viertels. 1.60 franco.

Wenn die Ausständigen der Nordostbahn ihre
sämmlichen materiellen Forderungen gegen die Direktion
durchgesetzt haben, so war das die Durchsetzung eines
ihnen schon seit Monaten zustehenden Rechter, welches
die Verwaltung ihnen nur willkürlich vorenthalten
hatte. Die vorjährige allgemeine Lohnbewegung un-
ter den deutsch-schweizerischen Eisenbahn-Angestellten
hatte Verhandlungen zwischen ihrer Vertretung und den
verschiedenen Eisenbahn Verwaltungen vor einer De-
putation des BundeSratheS zur Folge. Man einigte
sich über die Feststellung des Anstellungs-Vertrages,
eine feste, abgestufte Gehalts-Ordnung und gewisse
Lohn-Erhöhungen, die am 1. Januar 1897 eintreten
sollten. Die Vereinigten Schweizerbahnen, die Cen-
tralbahn und die St. Gotthardbahn hielten ihre Zu-
sagen ; die Nordostbahn hingegen, suchte an der Aus-
führung ihrer Versprechen herumzukommen, theilS durch
willkürliche Auslegung, theilS durch einfache Weiger-
ung. Dar Luzerner Vaterland schreibt in dieser Be-
ziehung:
„Ueber das Gebühren der Direktion werden aller-
lei wenig erbauliche Diug bekanut. So wurde nach
Abschluß der vorjährigen Lohnbewegung einzelnen
Beamten und Angestellten die Gehälter aus der einen
Seite allerdings aufgebessert, auf der andern Seite
rechnete man ihnen aber den Miethzins für die Dienst-
wohnung um so viel höher an, da sie schließlich sich
nicht nur nicht besser, sondern sogar noch schlechter
stellten als vorher. Ueber solche Fälle wurde schon
vor einem Jahre berichtet, und sie sollen nickt etwa
bloS vereinzelt dastehen. Von Loyalität in Haltung
eines gegebenen Versprechens kann da allerdings nicht
gesprochen werden, und eine Verwaltung, welche sich
solches zu Schulden kommen läßt, darf nicht auf die
Sympathie des unbetheiligteo Publikums rechnen."
ES ist begreiflich, daß seitdem 1. Januar, wo die
erwähnte Lohnerhöhung vergebens erwartet wurde,
die Erregung unter den Angestellten immer mehr
wuchs und der Entschluß reifte, durch einen wirth-
schaftlichen Gewaltstreich von der Verwaltung zu er-
zwingen, was selbst die gewissermaßen vertragsmäßige
Verpflichtung der Direktion durch den BundeSrath
nicht hatte erreichen können. ES hätte mit seltsamen
Dingen zugehen müssen, wenn nicht das böse Gewissen
die Direktion mißtrauisch gemacht und veranlaßt haben
würde, die E twickelung der unausbleiblichen Unzu-
friedenheit unter ihren Beamten zu verfolgen und sich
„auf etwas gefaßt zu machen." Bedenkliche Anzeichen
traten schon früh genug hervor, uad eben deshalb
kann man es den Eisenbahn Angestellten bei ihrer
daß Dein Haar schon grau ist, und Du warst ein kleiner
Knabe."
Als dann Seth wieder ins Zimmer trat, ließ er ihn
neben sich niedersihen. Er faßte seine beiden Hände und
blickt- ihn mit einem so sonderbaren Lächeln an, daß Alle
ihn sehr besorgt beobachteten.
„Seth ist zurückgekommen, wißt Ihr eS schon?" fragte
er jeden der Umstehenden, als wenn ihnen die Neuigkeit
noch unbekannt wäre, und so oft er so sprach, fuhr seine
Hand zärtlich über das graue Haar, das ihm den meisten
Kummer zu bereiten schien. Allgemach wurde sein Geist
aber wieder klarer, so daß er sogar den Lorten Setgs
folgen konnte, als derselbe seine Schicksale den Freunden
erzählte.
Gegen Abend, als die Sonne sich zum Untergange
rüstete, erhob fich Seth Marshall und schritt schweigend
hinaus Niemand folgte ihm, denn Alle wußten, daß er
allein sein wollte, wenn er daS Grab seiner früb verstor-
benen Gattin besuchte.
Es dauerte geraume Zeit, daß er dort verweilte. Jessie
und Walter schlugen, als es bereits dämmerte, den Weg
zum Friedhöfe ein, um dem Vater entgegenzugehen. Sie
gingen Arm in Arm, ganz mit sich und ihren Angelegen-
heiten beschäftigt. Was alles hatten sie sich nicht zu erzählen,
wie viele Gefühle und Gedanken nicht auszutauschen. Dann
blieben sie stehen, an jener Stelle, an welcher Jessie am
Abend von EllenS Beqräbnißiag Walter mit den Worten
so wonnig gestimmt hatte: „Ist nicht Dein Glück auch
mein Glück?
Und doch hatte Walter nachher in der Qual und Auf-
regung seines geängsteten Herzens den boshaft mißver-
ständlichen Zeilen eines unehrlichen Menschen mehr Glau-
ben geschenkt, als dem Gelöbniß der Treue des von ihm
geliebten Mädchens. Unter Thränen bat er Jessie um Ver-
gebung. Und als er sie erlangt, drückte er den ersten Kuß
auf ihre reine Stirne. In diesem Augenblicke hatte Seth
Marshall bei seiner Heimkehr vom Grabe seiner Gattin
diese Stelle erreicht; eine Weile stand er da und beobach-
tete, dann trat er leise näher, faßte eine der dunklen Lo-
cken und sagte halb scherzhaft, halb ernsthaft: „Ich glaube,

Stimmung nicht gar zu hoch anrechneu, wenn sie sich
um die gerade erst jetzt vom V-rwaltungSrathe der
Nordostbahn zur Prüfung der Lohnfrage eingesetzte
Kommission kümmerten. Wozu noch eine Kommission,
wenn die andern Eisenbahn-Gesellschaften die Sache
vom 1. Januar ab als durchaus geregelt betrachteten?
Wozu eine Commission, wenn nicht nur zu dem Zw.cke,
die dringliche Angelegenheit im eigenen Interesse noch
weiter zu verschleppen? Im schweizerischen Bundes-
rathe hatte man allerdings, wie die Franks. Ztg. aus
Bern erfährt, auf Grund der Einsetzung jener Kom-
mission gehofft, eS komme bei der Nordostbahn nicht zu
dem angedrohten Ausstand des gesammten Betriebs-
personals, so unerhört war eben der Gedanke deS
plötzlichen Stillstandes eines großen schweizerischen
BahnnetzeS. BundeSrath Dr. Zemp, der Vorsteher
deS Eisenbahn-Departement-, meinte, eS wäre seltsam,
wenn das Nordostbahn-Personal strikte, ohne die Er-
gebnisse der vom VerwaltungSrathe der Nordostbahn zur
Prüfung der Lohnfrage gewählten Kommission abzuwa-
ten. Der Commission gehörten nämlich sehr arbeiter-
freundliche und bei der Arbeitersckaft angesehene Herren,
wie Nationalrath Curti (St. Gallen), RegierungSrath
Locher (Zürich) und andere an. Im genannten Siune
hatte sich auch Dr. Zemp gegenüber dem General-
sekretär und Führer der schweizerischen Eisenbahn-
Angestellten, Herrn Dr. Sourbeck, mündlich und
schriftlich ausgesprochen. Man hörte im Bundes-
rathShauS, als der Ausstand auszebrochen war, frei-
lich auch Stimmen, welche die Schuld auf die Ver-
waltung der Nordostbahn glaubten wälzen und dar
ausständige Personal in Schutz nehmen zu sollen.
Auch der Berner Bund, daS bundeSräthliche Organ,
erklärt, „auf eine unverantwortlichere Weis- sei wohl
noch nie von einer Verwaltung oder Direktion ein
Ausstand heraufbeschworen worden, wie es im vor-
liegenden Falle durch die Nordostbahn geschah."
Da Zürich der industriereichste Canton der Schweiz
ist, wurde hier die Lahmlegung des Verkehrs doppelt
empfunden. Die gewerblichen Kreise haben deshalb
auch den Eisenbahn-Angestellten schweren Tadel nicht
erspart, weil sie, ohne daS Urtheil der notorisch ar-
beiterfreundlichen LohnprüfungS-Commission abzuwar-
ten, durch ihren Ausstand das wirth schaftliche Leben
lahmgelegt und sehr schwer geschädigt hätten. Schon
der einzige erste Tag deS Ausstandes muß eine Un-
summe von Unheil, Verwirrungen und Störungen
aller Art mit sich geführt haben, und die Frage der
Verantwortlichkeit wird bald in einer endlosen Zahl
von Rechtsstreiten zu Tage treten und ihre Lösung
als Mrs. Marshall habe ich Jessie noch nicht begrüßt, und
das will ich denn jetzt nachholen — willst Du meine Toch-
ter werden. Du kleines Mädchen?"
„Ja, sie will!" antwortete Walter, während Jesfie fich
von ihm losriß und verschämt den Blick zur Seite wandte,
ergriff sie die Hände Mr. Marshalls und küßte sie.
Glücklich und beseeligt schritten sie dem alten Farm-
hause zu; jeder von ihnen von einer frohen Zukunft
träumend.
18. Kapitel.
Schluß.
Bier Jahre sind seit jenem Erntefest vergangen, und
Mr. Marshall, der damals sein letztes zu feiern glaubte,
scheint derselben noch manche erleben zu sollen. Gesund,
heiter und glücklich fitzt er in seinem Lehnstuhle, das ge-
wohnte Pfeifchen rauchend, und wenn die Nachbarn ihm
sagm, wie schön das alte Farmhaus geworden sei und daß
man eS kaum wieder kenne, antwortet er jedesmal: „Ja,
Seth hat einen guten Geschmack, und Seth ist reich. Ec
könnte ganz Deerwood kaufen, wenn er wollte. Dort das
Haus baut er für die armen Leute, und am Bache baut
er eine Fabrik, wo er Jedem Arbeit giebt. Seth ist ein
guter Junge."
Auch Andere giebt eS, die Seth Marshall gut und
edel nennen, und seit seiner Rückkehr ist noch nicht eine
Stimme laut geworden, di/ ihn hätte tadeln mögen- Nach-
dem er einige Zeit gebraucht hatte, um sich an das neue
Leben eines freien und geachteten Mannes zu gewöhnen,
war es sein erstes Geschäft gewesen, das alte Haus nach
seinem Gcschmacke etwas bequemer und schöner umzubauen.
Er hatte sich sogar mit dem Gedanken getragen, in der
Nähe ein ganz neues, prächtiges WodnhauS zu errichten;
aber sein Vater hatte ihm gesagt: „Nein, das alte Haus
ist mir lieber. Das neue wäre vielleicht schöner: aber eS
wäre doch nicht dasjenige, in welchem Du und ich und
alle die Unsrigen geboren find, und worin Deine Mutter
gestorben ist- Warte bis ich todt bin, dann magst Du thun,
was Dir gefällt."
(Schluß folgt.)

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
- Unterhaltungsblatt „Der Sonntagsbote"' für (DssiM A ^klÜI- 8'ata^
Mra monatlich SO H mit Trägerlohn, durch " ' Rabattbewilligung.
' ' ' ' Expedition: Awiugerftraße 7.

8 Stolz und Liebe. «LL
Dem Amerikanischen nacherzählt.
Hand legte sich leicht auf Seths Schulter; er
drr riä kck um und schaute in das Gesicht Mr. Grahams,
tmernd vor Bewegung daftand.
-Auch ich bedarf der Verzeihung l"
Üy.'-iein, Richard, nein!" Und in einer langen herzlichen
hkit . "g begruben die Freunde die traurige Vergangen-
das Band ihrer Jugend aufs neue zu knüpfen.
. Howland schien am tiefsten ergriffen zu sein,
sie N*te doch der zurückgekehrte Bruder sie an alles, was
«i. Flucht verloren und begraben hatte.
ikki,?"?.Tank Debby war sehr gerührt, ohne jedoch ihr
vgntes „er war doch ein guter Junge" zu verleugnen.
beizM'llch trat auch MrS. Bellenger, welche sich bisher
Hern» A zurückgehalten hatte, an ihren Schwiegersohn
hon-i-S'E bot ihm die Hand und sprach in herzlich flehen-
iu : „Vermögen Sie es über sich zu gewinnen, mir
an ^Even, mir, welche sich am schwersten an Ihnen und
Heruler Familie versündigt hat? Hat nicht mein Hart-
Elle» Stolz dre unsagbaren Leiden verschuldet, welche
kllk» M Sie zu erdulden gehabt? O, um EllenS willen
leider ^-E mir unendlich theuer sein. Obschon ich Sie ja
ki° E bis letzt nicht gekannt, so habe ich doch nach Ihnen
seinem ^°l>ne verlangt. Lassen Sie mich Ihre
Aut?.* keßen und verziehen ist Alles, seien Sie mir
Trtk r, wie ^ner da mein Vater ist!" Mehr vermochte
N.M hervorzubringen.
kdnn^EM Herz «ar zu voll, als daß er hätte antworten
schweigend drückte er die dargebotene Hand und
der U s'ch Mr Seite. „Ich muß allein sein, um mich mit
rndlUEraroßen Freude zurechifinden zu können," sagte er
sür eine Weile begab er sich in das Zimmer,
Di/r früher bewohnt hatte.
AarRnn» erraschung hatte augenscheinlich den Geist Mr.
selben M angegriffen; er wiederholte fortwährend die-
Worte: „Armer Seth — armes Kmd I Zu denken.
 
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