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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Dezember 1897
DOI Artikel:
Nr. 292
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1213

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Expedition: Zwingerftratze 7.

Nr. 292.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

WMrg, MM dm 22. DkWder 1897.

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwkrgerßraße 7.

ü MW.

Die Abonnenten
des „Pfälzer Volks blatt" werden gebeten, ihr Abon-
nement für das 1. Quartal 1898
zu erneuern, damit in der Zusendung keine Unterbrech-
ung rintritt.
Das „Pfälzer Volks blatt" wird auch im kom-
menden Quartale neben dem politischen und belehren-
den Theile für einen fesselnden Unterhaltung?ftoff,
sowohl im täglichen Feuilleton als auch in unserem
so beliebt geworbenen „LonntagSbote" Sorge
tragen.

China und Japan


beherrschen seit 1894, wo der chinesisch-japanische
Krieg ausbrach, in demselben Maße das Gebiet der
Publikationen aus Geographie, Ethnographie, Cultur-
Darstellung und WirthschaftSgebiet wie vorher der
dunkele Welttheil Afrika. Dies geht so weit, daß „ver-
flossene- Chinesen und Japanesen, d. h. Europäer,
die Jahrzehnte vorher sich drüben in Ostasien aufge-
halten hatten, mit Erfolg ihre Erinnerungen aus
jener Zeit auf den Büchermarkt tragen konnten, Er-
innerungrn, die unter andern Umständen wohl kaum
über den individuellen Werth hinauSgegangen wären.
Für Forscher und Weltreisende drängten sich die bei-
den im Kampfe liegenden Mächte aber seit 1894 ge»
gradezu als BeobachtuogS Ovj ke auf, und unter
diesen Forschern und Reisenden konnte einer der be-
kanntesten, Ernst v. Hesse-Wartegg, gewiß nicht zu
spät kommen, geschweige denn fehlen. Sein Buch
über Korea, also das eigentliche ursprüngliche Streit-
Objekt zwischen Japan und China, lag im kritischen
Augenblicke des Krieges schon vor und führte in den
alten Covflikt zwischen dem kleinen Japan mit seiner
beweglichen Bevölkerung und dem trägen Koloß China
bereit- belehrend ein, wie anderseits die enge Be-
rührung der koreanischen und der chinesischen Cultur
stets hervor trat.

42 Melisnr. ML
Erzählt»« von Mclativ Iva. A!s "em ö bischen von
L. v. Heemftede.
Die Damen Wolson kehrten zur Stadt zurück. Wie
verschieden war diese Fahrt von der ersten, die sie nach
Schönburg gemacht hatten an dem Hellen Wintcrtage! Auf
den bechcu Morgen war ein schweres Gewitter mit hefti-
gem Regen gefolgt; und in dem kleinen Koupe mit nieder-
gelassenen Vorhängen, dem nämlichen, da» Leo zur Bahn
gebracht hatte, lag seme sogenannte Braut, schluchzend, ge-
brochen an Leib und Seele, in den Armen ihrer Schwester.
„Ich bin «amevlos unglücklich I" flüsterte sie ihr zu, „sonst
weiß ich nicht», ich habe keine Zukunft mehr und an die
Vergangenheit kann ich nur mit Ekel zurückdenken."
„Und doch muht Du daran denken, um daS Geschehene
wieder gut zu machen," entgegnete Nette.
„Wie kann ich daS?"
„Indem Du sein Andenken ehrst."
„Er weih jetzt Alle»! sagte Miliane schaudernd und
daS Gesicht verbergens, .Alle», ohne meinen Brief!"
„Aber er sieht e» jetzt mit anderen Augen an, Miliane.
Du kannst seine Verzelhung noch erlangen, aber denke jetzt
nicht daran, armes Kindl Bühe« kannst Du noch Dem
ganze» Leben; ach Gott I er verlangt da» nicht von Dir,
»r, der Dich nur von Glück und Freude umgeben zu sehen
wünschte. Da, leg' Dein Köpfchen an meine Brust, das
Schlimmste ist nun vorbei, Mimi, nun kannst Du ruhen !"
„Nette l Ruhen, wie kann ich da» mit meinen nimmer
rastenden Gedanken und dem Blick, womit Gesine mich oer-
solgt! E» ist mir, als wenn sein Borwurf, seine Entrüstung
dir daran» entgegentöne."
„Nein, Sind! Gesine trägt Haß im Busen und das
konnte Leo nicht."
„Selbst nicht, wenn er Alle- gewußt hätte?"
„Er hätte Schmerz empfunden, aber keine« Haß."
„Und ist Haß nicht leichter zu tragen?"
„Komm, Schwesterchen, quäl« Dich nicht länger! D«
hast Deine Schuld erkannt, aber läge Drch dadurch nicht
nieder »rücken, da» wurde er nicht wünschen!"

Seme sehr zeitgemäßen Studien des Charakters '
der Japaner und Chinesen, ihrer Länder und deren
Hülskquellen hat der genannte Verfasser jetzt in einem
Prachlwerke (China und Japan ; Erlebnisse, Studien,
Beobachtungen auf einer Reise um die Welt von E.
v. Hasse.Wartegg. I. I. Weber, Leipzig) nieder-
gelegt, daS nicht nur unterhalten will, sondern auch
Europa zeigt, warum und wie eS in Ostasien für
eine wirthschaftliche Zukunst zu sorgen hat. Darum
ist daS Werk aber nicht etwa in einem großen Theile
ein trockener tendentiöser statistischer Nachweis geworden,
im Gegentheil. Wer übrigens die verschiedenen seit
den letzten Jahren von demselben Verfasser in der
Kölnischen Volkszeitung erschienenen Aufsätze über dre
von Japan drohende wirthschaftliche Gefahr, über die
Aussichten für den Absatz der Erzeugnisse europäischer,
spcciell deutscher Gewerbethäti-keit in China gelesen
hat, weiß, in wie fesselnder Weise v. Hesie-Wartegg
diesen Stoff zu gestalten versteht. Man hat zwar
nicht allgemein in Deutschland sich davon überzeugen
lassen wollen, daß Japan, wie eS v. Hefse-Wartegg
immer wieder aus'S neu« wiederholt, in so naher
Zeit eire so große wirthschaftliche Drohung für Eu-
ropa sei; wir glauben aber auS gewissen Anzeichen ge-
rade der gegenwärtigen internationalen politischen
Konstellation schließen zu können, daß die Regierungen
in Europa die erwähnte Drohung sehr wohl mit in
ihre Berechnung ziehen. Schon die Coalition Ruß-
lands, Frankreichs und Deutschlands, welche den
Frieden von Shimonoseki (1895 April) in derselben
Weise zurück-evidirte, wie daS europäische Corcert
seiner Zeit den Frieden von San Stefans (1878),
in welchem die niedergeworfene Türkei zu weitgehende
russische Forderungen harte bewilligen müssen, ist be-
zeichnend genug für das seit dem japanisch chinesischen
Kriege angebahnte Berhäitniß Europa'S zu Japan.
Die diplomatische Coalition der drei Mächte sprach
Japan den ihm von China schon zugestandenen Be-
sitz der Halbinsel Liao-Tong ab, welcher den Golf
von Tschili und damit Peking uvter die unmittelbare
Coutrole des Siegers gebracht haben würde. Und
Japan, obwohl vom Siegergefühl ganz durchdrungen,
gab ohne weiteres resignirt nach. Jene diplomatische
Coalition war keine Zusammensügung des Auges-
blickes; ihr Fortbestehen allein konnte für Ost-
aflen jene Ruhe garantiren, welche zu stören un-
ruhige, durch dar Einschreiten Europa'S empfindlich
bedrückte Geister in Japan nur zu geneigt sein
mochten. Durch ihr AuSeinandergehen würde der mäch»
tige moralische Druck europäischer Controle ausgehört
„Und da» Schlimmste harrt meiner noch, da» Aller-
schlimmste I"
26.
Hilverda. von Gerrits begleitet, kam am Tage nach
dem Begräbnisse in Schönburg an; er war noch schwach,
wenigstens insoweit, als ein starker Mann, wie er, von ei-
ner kurzen Krankheit geschwächt werden kann. Er kam des
Abends an und zog sich gleich in fein Zimmer zurück; Rix
aber, der nach dem Begräbnisse unruhig und sichtlich un
zufrieden war, folgte ihm die Treppe hinaus und fetzte sich,
nachdem er eine Zeitlang vergebens an der Zimmerthüre
seines früheren Herrn gekratzt batte, vor Hilverda's Thüre
hin und begann in klagender Weise zu heulen, als wenn er
feinen Freund zurückverlange.
Gesine kam des Weges und strich dem Thiere den
Kopf. „Armer Rix!" sagte sie, „wir find die Einzigen, nicht
wahr, die ihm treu sind! Für die Anderen ist sein Tod
ein Glück, ein Segen, aber für uns . . . O Rix! Winter
und Sommer, Herbst und Frühling gehen vorbei, aber nie
sehen wir den Herrn wieder, nie, bis zum Ende unseres
Lebens, Rix! Wir werden seinen leicht-n schritt, sein fröh-
liches Lachen nicht mehr hören. O Rix, du und ich und
seine Pferde und seine Bauern leben, und seine Mörder
auch, aber er lebt nicht mehr! Ist das nicht ungerecht?
Er wird Rix nicht mehr rufen und dar ist allein die Schuld
dcsien, der da im Zimiwr ist. Rufe ihn Rix, heule so laut
du kannst, er hat den Tod deines Herrn aus dem Gewissen.
Heule nur, ich weine auch, aber in der Stille, damit keines
von diesen Raudthieren meine Thränen sieht. Heule, R x,
und schreie es aus, dein Weh und «eins I" Und daS Thier,
das stumm, wie troftsuchnd, den Kopf in Gefinens Schooß
gelegt hatte, fing von Neuem zu heulen an, als sie es heftig
von sich stieß-
Zornig wurde die Thüre aufgerisie» und Hilverda trat
Hera»- ; er sah Gesine ncbem dem Hund stehen und fuhr
sie an : „Hab' ich Deiner Liebenswürdigkeit das schöne Kon-
zert zu verdanken? Nimm Dein Instrument gleich mit,
wenn Dir weotastens an seinem Besitze liegt, jonft schieß'
ich die Bestie nieder!"

haben, und damit würden die Garantier« für die
Fortdauer friedlicher Zustände stark erschüttert wor"
den sein.
Bon der Fortdauer jener Coalition geben uns die
so eben vcrfloffenen Tage erneute Beweise. Von eng-
lischer Seite ist ja allerdings versucht worden, das
Deutsche Reich wegen der Besetzung der Bucht von
Kiaotschau in Conflict mit Rußland und Frankreich
darzustellen; die Engländer erhielten aber ihr bündige-
DeSaveu durch die offenkundige Gleichgültigkeit der
russischen Regierung und Presse (man schließt hieraus
auf eine freundliche Abmachung zwischen Berlin und
Petersburg) und noch mehr durch die Haltung solcher
angesehenen französischen Blätter, welche nicht ganz
vom DreyfuS Handel faScinirr waren. In diesem
Theile der französischen Presse wurde, statt eine An-
klage gegen Deutschland zu erheben, vielmehr sein
Recht auf Ansprüche gegen China bewiesen; und zwar,
abgesehen von der nöthigen Genugthuung für die
Ermordung der beiden Missionare bei Jendschoufu,
aus der Mitwirkung Deutschlands an der für China
günstigem Gestaltung des Frieden- von Shimonoseki.
ES wurde ausdrücklich betont, daß die Interessen
Frankreichs nicht nur nicht der Besatzung der Bucht
von Kiaotschau durch die deutschen Marine wider-
sprächen, sondern daß die beiderseitigen Interessen
unter dem Gesichtspunkte dieser Besetzung sehr wohl
miteinander gehen könnten. Bei dem diplomatischen
Vasallenverhältnisse Frankreichs zu Rußland würde
ohne die oorherdekannte Stimmung Rußlands ein
angesehenes französische- Blatt, wie das Journal de-
DebatS, eine solche Sprache nicht geführt haben.
So besteht also der europäische Mächtezusammen-
fchluß, den die kriegerischen ErfolgeJapanS und mehr
noch die als Folge deS Krieges zu besorgende
wirthschaftliche Ausdehnung des ostasiatlschen Englands
herbcigeführt, weiter fort, und eS gibt sogar Politiker,
welche ein positives Vorgehen gegen Japan in ab-
sehbarer Zeit von dieser Seite erwarten. Sie schließen
so: Japans wirthschaftliche Cullur ist eine künstliche,
eist seit 1870 im Lande acclimatisi-te Pflanze, die
ausgezeichnet gedieh, aber doch eben noch nicht tief
im Volke wurzelt, dessen Lebenshaltung im allgemei-
nen erst wenig gehoben ist und dem Volke somit noch
verhältnißmäßig wenige moderne Bedürfnisse aus-
gezwungen hat. Aber dieser wirthschaftliche Auf-
schwung ist bei seinem großen und stets noch wach-
sendes Umfange eine wachsende schwere Bedrohung
des europäischen Absatzes in Ostasien. Verliert die
europäische Industrie durch Japans Bordrättgen
„Nnr zu! DaS Eine wird Dir nicht schwerer werden
al» das Andere."
Er gab dem Thiere einen Tritt, daS nun noch lauter
zu heulen begann. „Fort mit ihm Gesine! oder ich bedenke
mich nicht länger mehr."
„Ich rufe ihn nicht, er scheint etwas von Dir zu wollen."
„Aber wer hat chn gehetzt? Das brauche ich nicht zu
fragen, es ist eine elende Komödie!"
„Du irrst Dich sehr! Es ist schade, daß daS Thier uu-
sere Sprache nicht reden kann, dann würde er es Dir deut-
licher sagen."
Hilverda ging ins Zimmer und suchte eine Pistole;
doch es war keine da, und R x heulte immer fort, bis Frau
H lverda im Nachtgewand, mit einem Licht in der Land,
am Ende des Ganges erschien. Was gibt es hier nur?
Welch einen Höllenlärm macht der dumme Hund! Mei«
Sohn kann dabet uicht schlafen, und er bedarf der Ruhe
doch jo sehr."
„G-wiß bedarf er der Ruhe," lachte Gesine spöttisch,
so daß Hllverda, der mit emem Stock an der Thüre er-
schrenen war, es hören konnte, „aber ich kann Rix nicht
fortkricgen."
„Sie hat das Thier hierher gebracht," stotterte Hilverda,
der Plötzlich fühlte, "aß die Kräfte ihn verließen, fo daß er
sich an der Thüre fefthalten mußte, „sie hetzt ihn gegen
mich auf. Sie Mafien beide aus dem Hause. Lasse morgen
den Hund todtschienen."
„Und mich auch, he? O, es wird Dir nichts helfen,
Vetter! Tobte schießt man nicht mehr todt! Die bleiben,
wo sie'find, Tag und Nacht!"
„Mein Gott! er fällr m Ohnmacht; bleib' doch nicht
so steif dabei stehen, Gesine I Du siehst, ich kann ihm nutzt
helfen; rufe Jakob I"
„Nein rufe Niemanden! — ich kann mir selbst Helsen
— aber der Hund — der Hund und — das Kind — sie
müssen beide fort — und sobald als möglich!"
(Fortsetzung fglM
 
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