Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI Heft:
Dezember 1897
DOI Artikel:
Nr. 295
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1227

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


MTfcheKnt MMH mit Ausnahme der Sonn- u.
Keiertage. LSsRNecseKtSprei» mit dem wöchent-
lichen UnterhaltnngMatt „Der Svnntagsbote" sür
Heidelberg monatlich 5V H mit Trägerlvhn, durch
die Host bezogen viertel;. -S 1.60 franco.

EkWk sirr UMckÄ, FMM L Kesßi.

Znkerste die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
10L, Reklame25 Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie sürJahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
Expeditisn: ZwivgerKratze 7.

8l. NS. DkWArg, KWag,

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
ZwingerSraZe 7.

1. JaW.


6t

Die Abonnenten
des „Pfälzer Bolksblatt" werden gebeten, ihr Abon-
nement für das 1. Quartal 1898
zu erneuern, damit in der Zusendung keine Unterbrech-
ung eintritt.
Das „Pfälzer Volksblatt" wird auch im kom-
menden Quartale neben dem politischen und belehren-
den Theile für einen fesfelnden Unterhaltuvgsstoff,
sowohl im täglichen Feuilleton als auch in unserem
so beliebt geworbene« „Pormtagsbote" Sorge
tragen.

si Weihnnrhten.
Wieder nahst Du in sturmbewegler Winterszeit,
poesieumrauschtes Wnhnachtssest, mit Tonnengrün
und Tannenduft, mit Kerzenschimmer und goldenrm
Mtterkram. Willkommen, Du Krone der Feste, lang-
ersehnt von Groß und Klein, von Arm u. Reich und
Hoch und Niedrig; kehr' ein in die Hütten u. Paläste,
Fest des Friedens, Fest der Freude, allüberall, wo
Menschenherzen in Liebe und Eintracht für einander
schlagen! Möge kein Hauch des Unfriedens oder nied-
riger Gesinnung Deine hehre Weche stören; gebiete
Halt dem Getriebe der Alltäglichkeit, und Pflanze in
die Herzen der sorgenden und ringenden Menschheit
das tröstliche Bewußtsein, daß es einen Gott gibt, der
in seiner ur endlichen Barmherzigkeit und Liebe uns
gleich geworden in Kämpfen und Leiden, in Freude
und Schmerz. „Lt verduw euro kuetuw 68t,
dnörtuvit in nodis «
„Und das Wort ist Fleisch geworden,
Daß es bei uns wohne:
Der sein Zelt von Süd bis Norden,
Welten hat zum Throne,
Kehrt zum Stall bei Thieren ein,
Arm und schwach ein Kindelein."
Ueberaus tröstlich und Vertrauen erweckend ist der
Anblick tes schwachen Kindleins auf dem Strohlager.
LUeUsne. NL
Erzählung von Melativ Iva- Aus dem ö wär bischen von
L- v. Heemsted e-
N Frau Hilvcrda war nicht vollkommen zufrieden. Wohl
bekam ihr Sohn den Löwenanteil, aber wer viel hat,
möchte gern Alles haben, und wenn kein Testament da
kewtfen wäre, dätte das iremde Mädchen Nichts bekommen,
während sie sitzt mit Kcprice, das Hände voll Geld ge-
kostet hatte, «nd einem hübschen Kapital dazu, Schönburg
verlassen körnte, lind dann all' dis Legate! Es war sehr
schöu von Leo, daß er etwas für Gesine gethan hatte, das
hatte er versprochen, und das Kind war nun versorgt.
„Mein Sohn" brauchte fiS des frechen Geschöpfes nicht
mehr onzunehmen, — aber doch Erich war nicht zu seinem
vollen Recht gekommen, und das war nicht hübsch von Leo,
durchaus nicht!
Sie hielt diese Gedankcn aber sür sich, und als die
Lesung beendet war, frug Hilverda seine Mutter: „Ist es,
um die Feierlichkeit eder Ceremonie zu erhöhen, daß die
Kerzen da brennen?"
„Durchaus nicht, Erich, aber die K>one ist ziemlich
weit vom Tisch entfernt, und der Herr Notar hat keine
Augen mehr von zwanzig Jadren."
Dann lasse doch die Lampen anzunden! 34 mag das
altmodische Kerzenlicht nicht leiden."
Sah er vielleicht im flimmernden Kerzenschem ein
blasses, schadenfroh lächelndes Angesicht?
„Die Damen bleiben doch zum Theetrinken?" frug
Frau Hilverda. . .
„Danke," sagte Miliane, „wir gehen gleich nach Hause."
, „Ohne etwas z« gebrauchen bee der neue» Gastsrau?"
sagte die alte Dame mit einem selbstgefälligen Lächeln.
" Der Notar aber fand den Scherz weniger passend;
das arme Fräulein Wolson schien noch sehr betrübt über
den Tod ihres Verlobten, daß daS große ihr zu Theil ge-
wordene Bermächtniß sie ganz gleichgiltig ließ.
„Nun, aber Sie kommen oft her, nicht wahr? Wir
brechen die Freundschaft nicht ab. WaS sagst Du dazu,
Erich?"

Konnte der gewaltige Gott in seiner unbegrenzten
Liebe eine sür uns anziehendere Gestalt annehmen,
als die Hülle des schwachen, ohnmächtigen Kindes?
Ich glaube kaum: Ohne Zagen tritt der unglückliche
oder schuldbeladene Mensch vor die armselige Krippe
und sagt dem mildlächelndm Kinde vertrauerSvoll
und unbefangen, was das Herz ihm bedrückt. Und
daS göttliche Kind verzeiht dem rcumüihigen Sünder,
denn cs weiß, wie schwach der Mensch ist; und dem
Unglücklichen gießt eS Trost und Linderung in das
schmerzdurchwühlte Herz. Und wer fühlte sich nicht
schuldig, wen drücken nicht Leid ».Kummer?! Uns
alle: Wir alle sind der Verzeihung, des Trostes
bedürftig, weil wir ja alle schwache u. hilfsbedürftige
Menschen sind! Darum wollen wir ungesäumt zur
Krippe eilen und viederknieen zu Füßen des göttlichen
Kindes. ES kennt und versteht unser Leid u. wird
uns helfen, wofern wir ihm vertrauen. Und dann
wollen wir nicht vergessen, dem Kindlein Abbitte zu
leisten sür die Ur.billen, die ihm und seiner hl. Kirche
besonders in unseren Tagen in so erschreckender Zahl
zugesügt werden. Heute trachtet nicht ein Herodes dem
Kinde nach dem Lede», nein, es sind ganze Horden,
viel schlimmer im Denken und Handeln als Herodes,
die des göttlichen Kindes Spur in fanatischem Hasse
verwischen uvd seine hl. Kirche auf immer vernichten
möchten. Nutzlos ist freilich ihr Beginnen, und ohn-
mächtig ihr teuflichec Haß, aber die beleidigte Gott-
heit läßt ihrer nicht straflos spotten! In den Händen
des versöhnten Kindleins ruht die Erde und das ge-
waltige Weltall mit seinen unzählbaren Sonnen, Monden
und Sternen; is lenkt den Lauf der Gestirne und
bestimmt ihr Dasein. In des Kindes Händen ruhen
aber auch die Geschicke aller Menschen jedwede« Standes
und Verdienstes, vom Kaiser bis zum Bettler. Und
der Tag wird kommen, wo dieses Kindlein abgestreift
hat die unscheinbare Hülle und vor uns steht in seiner
unbegreiflichen Größe und Majestät, um zu strafen,
zn belehren, je nach Verdienst und Recht. Dann
wehe denen, die jetzt bei d-m Anblick des schwachen
Kindleins ungläubig und mitleidig die Schultern ziehen,
es verhöhnen und ihm nachstellen, die dem Teufel und
seinen Anbetern Denkmäler setzen. Wehe ihnen, denn
die beleidigte Gottheit läßt ihrer nicht straflos spotten !
Uns aber liegt es nicht ob, zu rächen und zu ver-
dammen, wir wollen beten für jene Unglücklichen, die
in den Stürmen des Lebens, im Kampfe wieder die
Versuchung und Verführung den Glauben ihrer Kind-
heit verloren haben. Nicht auf einmal, nicht plötzlich
wird der Mensch zum Verbrecher: Von Stufe zu
Erich hatte aber so viel mit der Lampe zu schaffen,
daß cr die Frage überhörte.
„Im Gegentheil!" sagte Gesine bedeutungsvoll- „Es
thut wir sehr leid, Fräulein Miliane, daß Sie nicht ganz
auf Schönburg bleiben können. Sie paßten hier so vortreff-
lich ! Ich werde bald von hier gehen, aber dss interefsirt
Sie wohl Wenig; wenn ich bliebe, wäre cs vielleicht etwas
Anderes. Doch wünsche ich Jhmn so vicl Glück, als Sie
verdienen."
Frau Hilverda, die mit dem Notar sprach, hörte Gest-
nen's Worte nicht. Miliane wendete sich um, aber Nette
trat zu dem jungen Mädchen und sagte sanft: „Gesine,
eine Pflicht haben wir vor Allem gegenüber geliebten Tob-
ten zu erfüllen. Wir muffen in ihrem Geiste handeln,
damit sie mit Wohlgefallen auf unsere Thaten niedersehev.
Denke daran, Kind, und Du wirst manches Wort, das Dir
auf den Lippen zuckt, zurückhalten."
..Und jene triumphiren lassen, und ruhig sehen, wie
sie die Beute theilen?"
„Es ist Manches, was Du nicht verstehst, Gesine.
Glaub' mir, die Todien sind ost weniger zu beklagen als
die Lebenden, selbst wenn sie scheinbar triumphiren."
„Wie? Sehen sie denn nicht, wie Tante und ihr Sohn
Mühe haben, ihre Freude zu verbergen? 3hre Schwester
kann r icht heuchel«, das ist wahr! Doch Nur wollen uns
über ein Jahr 'mal wieder sprechen."
„Vielleicht wirst Du dann nur Mitleid und keinen
Haß oder Groll mehr empfinden, Gesine!"
„Das nie! Ich gehe fort und nehme Rix mit. Dann
kann er vollkommen glücklich sein und Ihre Schwester
heim führen!"
„Bleibe Deines Freundes stets Werth, Gesine!"
„Natürlich! wer sollte an ihn denken, wenn wir es
nicht thäten!'
Nette seufzte: „Sein Leben machte Alle glücklich, sein
Tod bringt nur bittere Reue und Haß."
Miliane war beschäftigt, Hut und Mantel anzulegen
und hatte dem Lichte den Rücken zuzekehrt, als Hilverda
Plötzlich zu ihr trat-

Stufe muß er sinken, immer tiefer und tiefer, bis er
dort angelangt ist, wo es keinen Glauben an eine
ewige Vergeltung, wo es keine Rückkehr mehr giebt.
Wohl die größte Mehrzahl war in der Jugend fromm
und gut, und wußte nichts von den Gefahren und
Verbrechen, die ihrer harrten. Sie traten zagenden
Herzens an der Hand eines frommen Vaters, einer
liebenden Mutter unter den strahlenden Christbaum,
und erspähten leuchtenden Auges die Gaben, die dar
Christkind für sie dort niedergelegt. Glückseliger Kinder-
glaube! Längst haben sie Dich aus ihren gottlosen
Herzen gerissen, und die Erinnerung an Dich ist aus
immer erloschen. Glaube und Unschuld, Glück und
Zufriedenheit, sie sind entschwunden!
Wie manchem frommen Elteinpaare vergällt eine
Sorge die Freude des lieblichen Weihnachtsfestes.
Wohl sieht und hört es den Jubel und die Freude
der Kleinen und theilt sie mit ihnen, aber eine bange
Frage schwebt ihm vor Augen: Was wird die
Zukunft unsernKindern bringen? Sorget
nicht, Ihr Eltern, Gott wird weiter helfen, wenn Eure
Kraft erlahmt ist. Erziehet Eure Kinder in GotteS-
furcht und frommer Sitte. Das Herz des Kindes ist
zart und biegsam wie Wachs und für alles Gute und
Schöne empfänglich. Versäumt eS aber nicht, Eltern,
Euren Kindern in allem Guten Vorbild zu sein; nur
dann werden sie Euch freiwillig und gerne folgen.
Wenn Ihr so der heiligen und ernsten Pflicht Eures
Standes nachgekommen, dann banget nicht für die Zu-
kunft Eures Kindes. Vertrauet ihm und lasset es in
GotteS Namen hinauSwandern in die weite, fremde
Welt. Wohl wird es dort Eures Rathes, Eurer Auf-
sicht entbehren; Euer Gebet und Euer Beispiel aber
begleitet dasselbe, und sie werden es sicher führen
durch alle Gefahren und Stürme in der Brandung
des Lebens. Ein Kind, daS nach wirklich frommen
und guten Grundsätzen erzogen ward, geht selten, sehr
selten unter in dem Pfahle der Glaubens- und Sitten-
losigkeit. In Kampf und Gefahr wird es seinen Cha-
rakter festigen und seine Kraft erproben und stählen,
und im Bewußtsein seines Werthes und seines Könnens
kann es wirken und schaffen zu seinem und der Mensch-
heit Wohl und zum Ruhm Jener, die ihm einst daS
Leben gaben.
Leise und unbemerkt tritt die Erinnerung an meinen
Schreibtisch, die Erinnerungen an die verwischte, glück-
liche Kinderzeit, an die ferne Heimath, an Ellern und
Geschwister. Im Drange der Geschäfte, im tägliche»
Kampfe ums Dasein muß der Gedanke an Hnmath
und Familie oft zurückreten und der Pflicht und
„Ich habe noch einen Brief von Ihnen, Fräulein Wol-
son." sagte er beinahe flüsternd, „der unbestellbar geworden
ist." Und er überreichte ihr den Brief, den er an Leo in
Chamouwx hätte bringen müssen.
Bebend nahm sie ibn an und blieb mit niedergeschla-
genen Augen stehen. „Ich danke Ihnen", war Alles, was
sie sagen konnte.
Ohne ein weiteres Wort verließ er sie und blieb in
stehender Haltung bis die Damen sich entfernten.
Mit einer steifen Verbeugung nahmen sie von ihm u.
dem Notar, mit ziemlich kühlem Händedruck von Frau Hil-
verda Abschied. Gesine war verschwunden."
Im Wagen waren Miliane's erste Worte: „Lasse den
Kutscher durch das Dorf fahren und vor dem Friedhof
halten"
„Aber Kind, um diese Stunde!"
«Ja, Nette, ich bitte darum."
Nette gab dem Kutscher die nöthigen Weisungen und
sie fuhren durch Hoensdrecht, bis sie an die kleine Kirchs
kamen, woneben der Gottesacker lag- Es war ein herrli-
cher, stiller Abend; der Mond zeichnete auf dem Boden die
Schatten der Linden, die auf dem Kirchplatz standen, ver-
silberte den Thurm und ließ seine Strahlen zwischen Len
Kerzen, Urnen und Säulen der Gräber spielen.
„Laß mich allein!" ersuchte Miliane, als sie ausgeftie-
gen waren. Sie ging durch das hohe Gras, das zwischen
den Gräbern wuchs, schauderte leise beim Rauschen den
filbergrauen Trauerweiden und lief eilig zur Grabkapelle
am Ende des Kirchhofes, wo die Familcenglufi des Alke-
raedes war. Sie erklomm rasch die Stufen, aber prallte
entsetzt zurück, denn eine schwarze Gestalt la» da oben, halb
im Schatten, halb von den Strahlen des Mondes beschie-
nen. Als sie näher trat, klang ihr ein leises Knurren ent-
gegen. „R°r, treuer Rix!" schmeichelte das Mädchen.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen