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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Februar 1897
DOI Artikel:
Nr. 46
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0185

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Pfälzer Volksblatt

Melders, FMs, de» 26. Kdmi 1897.

1. M«.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Deutsches Reich.
* Berlin, 24. Febr. Das Staatsministerium
trat heute Nachmittag unter dem Vorsitze des Reichs-
kanzlers zu einer Sitzung zusammen.
* Berti«, 24 Febr. Anläßlich der morgigen
Geburtstage- der König- von Württemberg findet
heute eine größere Festtafel unter dem Vorsitze dßS
Gesandten von Varnbühler und unter Theilnahme her-
vorragender Persönlichkeiten statt.
* Stuttgart, 24. Febr. Anläßlich des morgigen
Geburtstages des König- sind zahlreiche OrdeoSauS-
zeichnungen verliehen worden. So erhielten der
Finanzminister, der KciegSminister und die Generale
von Lindequist und Falkenstein das Großkreoz der
Orden- der württembergischen Krone.

Auf das
^ Pfalzer B-ttsblatt"
"" schon für den Monat
werden. Bestellungen nimmt jede Postaustalt
'r unsere Expedition in Heidelberg, Zwingerstraße 7,
'ükgrn.
skei d^be«uutmer« werden auf Wunsch gerne Porto-
mn zugesandt.

Schlesien 2). Dr. Adler, ist der Sicherheit Halder
mchrere Male aufgestellt. Im schlesischen Kohlenbezirk
candidirt der czechische Bergarbeiterführer Cingr. Der
Abg. Schriftsteller Pernerstorfer candidirt dies Mal
ausdrücklich als Sozialdemokrat.
Die österr. Parteileitung hofft auf etwa ein Dutzend
Mandate. Etwa- skeptischer ist der Berliner Vorwärts,
der ausdrücklich vor „Illusionen" warnt. Vorläufig
hat der Parteivorstand der deutschen Socialdemokratie
dem Wahlfonds der österr. „Genossen" 10,000 Mk.
zugehen lassen und der Generalrath der belgischen So-
zialdemokratie 500 FrcS. Wie die Wiener Ärbeiterztg.
außerdem berichtet, Haden die sozialdemokratischen Vereine
der Oesterreichec in der Schweiz und in Frankreich
Aufrufe erlassen; ein Zweigverein der Sozialdemokratie
Federation in London habe eine Sammlung emge^et
tet, und Parieiblätter in Nordamerika veröffentlichten
einen Aufruf zur Unterstützung des österreichischen Wahl-
fonds.
Fürst Alois Liechtenstein hat in einer Wiener Ver-
sammlung der Christlich-Sozialen versichert, die neuen
72 Volksvertreter der fünften Curie würden in ihrer
überwältigenden Mehrheit den Christlich Sozialen an-
gehören. Daß in den Alpenländern und in Ober-
österreich die Christlich Socialen in der fünften Curie
siegen werden, kann schon heute mit einiger Sicherheit
angenommen werden.
Da- neue Abgeordnetenhaus de- ReichSrathS wird
künftig 425 Mitglieder zählen, also 28 mehr als der
Deutsche Reichstag, acht weniger als das preußische
Abgeordnetenhaus. Bisher zählte das österr. Abge-
ordnetenhaus nur 353 Mitglieder. Im alten Parla-
ment, der „Bretterbude am Schottenring" wä e für
die Vertreter der fünften Curie kein Platz gewesen.
Die österr. Abgeordneten erhalten .täglich 10 Gulden
Diäten.
Im übrigen herrscht in der österr. Wahlbcwegung
dies Mal ein so unentwirrbares Durcheinander der
Parteien und Gruppen, wie wohl noch nie seit dem
Beginnen des Versa ssungSlebenS in Oesterreich. In
Böhmen bekämpfen sich z. B. Jung- u. Altczechen,
Omladinisten, Antisemiten, Sozialdemokraten, Deutsche
Fortschrittler, Christlich Soziale usw. Auch im slowe-
nischen Lager dauert der Zwist zwischen Alt- u. Jung-
slowenen fort. Dem österr. Liberalismus scheint das
Schicksal de- belgischen bevorzustehen. In ihrer alten
Form dürfte die liberale Partei nicht mehr ins neue
Haus zurückkehren, in dem es wohl etwas lebhafter
und radicaler zugehen wird, als im alten.

^latnritts-Wshlen und Sacialdeawkratie
in Besterreich.
M k Oesterreich haben die Neuwahlen zum Reichs-
^.begonnen. Da das Wahlverfahren ein überaus
Theil indirektes ist, und die verschie-
sch,"^«ah'cunen nach einander wählen, werden zwi-
streiik kM" und Schluß der Wahlen Wochen ver-
liiberErst nach dem 24. März wird man ein
der Nr des Wahlergebnisses haben. Den Reigen
schon eröffnet in allen Provinzen die neuge-
dik j fünfte Curie des allgemeinen Stimmrechts,
solo,„ Kssammt 72 Mandate zu vergeben hat; ihr
II? Landgemeinden, die 130, die Städte, die
^'^.Handelskammern, die 21, endlich die. Gcoß-
vdesitzer, die 85 Mandate zu besetzen haben.
HchOUM ersten Mal trstt die Socialdemokratie Oester-
«j, den Wahlkampf, und zwar mit einer Euer-
Mir- "?dern Parteien zum Muster dienen kann.
GH finden in ganz Oesterreich größere oder
>d sozialdemokratische Wählerversammlungeu statt,
an Sonntagen einige Dutzend, u. die Wiener
sch» "btzeitung;' der österreichische Vorwärts, widmet
dq in Wochen den größten Theil ihres Raunus
so Bewegung, die in Oesterreich noch niemals
derz Msch gewesen sein dürfte wie die- Mal, beson-
tzo-,? Cdtistlichsoziale und Antisemiten einerseits u.
- Tokkaten anderseits in der fünften Curie deS
suchen Stimmrechts sich den Rang abzulaufen
5g N Die Sozialdemokraten haben in dieser Curie
udidaten ausgestellt (Böhmen 18, Steiermark 4,
""d Vorarlberg 3, Niederösterreich 9, Ober-
Hör- H 2' Salzburg 1, Kärnten 1, Krain, Istrien,
und GradiSka und Triest je 1, Mähren 6,

Terrtscher Reichstag
Berlin, 24. Febr.
Abg. Dr. Pieschel (natl.) beantragt im Namen der
GeschäftSordnungSkommission, die Genehmigung zu
einer Strafverfolgung des Abg. Dr. Sigl. (daher.
Bauernbund) nicht zu ertheilen.
Der Antrag wird angenommen.
ES folgt die zweite Berathung deS Etats deS
ReichSeisenbahnamtes. Titel Präsident.
Hierzu liegt ein Antrag Pachnicke deS Inhaltes
vor, daß unter thunlichster Ermäßigung der Tarifsätze
eine Vereinfachung des Tarifiy iemS für den Bahn-
verkehr stattfinde, und daß unter Aufhebung de- Frei-
gepäcks eine Ermäßigung und Vereinfachung des Ge-
päcktarifes eintritt.
Auf eine Anfrage des Abg. Hammacher (natl.)
bemerkt der
Präsident des ReichSeisenbahnamtes Dr. Schulz,
daß auf der Pariser Conferenz 1896 die Zollabfertig-
ung an der Grenze eingehend behandelt worden ist.
Die betr. deutschen Anträge wurden mit 5 gegen 4
Stimmen abgelehnt. Einstweilen muß es also beim
Alten bleiben. Besondere Tarife für den auf den
Grenzstationen gebrochenen Verkehr sollen aber Deutsch-
land gegen Benachtheiligungen, besonders an der
russischen Grenze, schützen.
Abg. Hug (Centr.) fragt an, wie hoch der Zuschuß
Badens zu den strategischen Linien der RsichSeisen-
bahnen auf badischem Gebiete sei.
Direktor des ReichSeisenbahnamtes Dr. Schulz
bemerkt: Derselbe beträgt nicht 100 000 sonder»
50 000 Mark.

Gebr. Hu'ber in Herdelberg,
Zwillgrrüraßr 7.

— .. Jus-rat- die 1-spaltige Petitzeile oder deren RE
«-M,« t
Werg monatlich KV L. mit Trägerlohn, durch
L Post bezogen viertelj. 1.60 francw-



aters, der sie mit zärtlichen Worten

tz Stolz und Lieöe. k-L'
. Dem Amerikanischen nacherzählt.
liftl/Mo Du weißt nichts von dem, was Walter mir so
Hu AWich mitgktheilt?" forschte Mr. Graham weiter,
«ttkit« nicht, daß Walter heute Morgen in der Frühe
lenM" 'M Reise noch Californien angetreien hat? Du
keßen?« Grünte, welche ihn seine Abreise beschleu-
Hn-'AEcr wäre gegangen, ohne ein Wort des Abschieds,
Uug.„'".Lebewohl, ohne einen Auftrag, ohne eine Erklär-
tzk sj?- b'ntkrlllsseri? Es st nicht möglich, Vater I" rief
'n höchster Bestürzung.
Hu ""nm und lies, meine Tochter, vielleicht verstehst
^as Walter schreibt, als ich; ich vermag die
diu, H.' Nicht zu lösen," bemerkte der Vater in beruhigm-
dem zitternden Mädchen den eben durch den
. K^nsnnltenen Brief Walters hinreichend.
e er sich doch getäuscht haben? War er Charlotte
^sj Ai und nicht seine Tochter, welche Walter liebte?
vkvbU.5 ts so. Und doch war es nicht möglich, seine
^aen am konnten ihn nicht irre führen. Walter mußte
Prnut im Jrrthum sein, Jessie würde ihm
itkrgs"", geben, glaubte er, und bet halb beobachtete er sie
, 3 sie den Brief las.
überflog Helle Röthe ihr Gesicht; als sie aber
fMkck-»^ahrheit erfahren hatte, machte die Röthe einer
!lU>kBlässe Raum. Mit einem gellenden Aufschrei
^»den. " btnen Sessel und bedeckte ihr Gesicht mit beiden
Walter, warum hast Du mir das gethan
,, M doch. Dein Herz gehörte mir!" stöhnte sie.
dakin qualvollen Augenblicke erst empfand sie mit
ihr sie isUMahnter Stärke, was Walter ihr war, wie
7? liebte und daß es ein Ledensbedürfniß für sie
?"die ^lubt zu werden.;Laut weinend warf sie sich
Vaters, der sie mit zärtlichen Worten
suchte.
^kiiunik ihr Geheimmß verratben oder vielmehr ihr
hatte sie überwältigt. Der Vater empfand mit

innigster Teilnahme, war das Herz des einzigen Kindes,
an welchem er mit ganzer Liebe hing, bewegte und litt;
mußte er sich doch bezwingen, um nicht selbst in Thränen
auszubrechen.
.Jessie," sagte er, „es war mir längst nicht entgangen,
daß Du Walter Marshall liebst, und ich glaubte und
glaube auch jetzt noch, daß Deine Liebe von Walter er-
w.dert wurde. Er ist ein zu ehrlicher und offener Charak-
ter, als daß hier eine Täuschung möglich wäre. Beruhige
Dich, mein Kind, wehre Deinem Schmerze und wappne
Dich mit G-duld. Hier liegt ganz gewiß ein Mißverständ-
nis» vor. Hilf mir, dasselbe zu heben."
Diese Worte verfehlten ihre beruhigende Wirkung auf
Jessie nicht. Jndeß, wie konnte es hier ein Mißverständ-
niß geben? Die Braut William BellcngerS war Charlotte
Reeves, und war nicht deutlich in dem Briefe Walters zu
lesen, daß er diese mehr als sein Leben liebe? Noch ein-
mal nahm sie das Schreiben zur Hand, um sich über diese
Stelle zu vergewissern, und ein neuer Thränenstrom brach
aus ihren Augen.
Mr. Graham ließ seine Tochter gewähren, zudem war
er mit semm eigenen Gedanken zu sehr beschäftigt.
„Welche von mir gemachten Andeutungen sollen es
denn gewesen sem, welche durch William Bellenaer Auf-
schluß erhalten hätten, von denen Walter spricht?" sagte
er jetzt im Selbstgespräch laut vor sich hin.
Jessie horchte auf. Hier gab es also noch eine unbe-
antwortete Frage. Wieder griff sie nach dem Schreiben
und bezwang sich so weit, dasselbe Zeile nach Zeile noch
einmal aufmerksam durchzulesen. Also William Bellenger
hatte auch hier seine Hand wieder im Spiel. Aber der
Vater mußte doch wissen, was er Walter geschrieben hatte.
Eine schwache Hoffnung dämmerte in ihr auf und verlieh
ihr neue Kraft.
„Vater, kannst Du denn die dunklen Stellen in Wal-
ters Brief nicht deuten? Er schreibt doch. Du würdest nach
Deinen eigenen Mittheilungen an ihn errathen können,
was ihn aus der Heimath treibe?" fragte Jessie, ihren
Vater aus seinem Nachdenken weckend.
Mr. Graham zögerte mit der Antwort, weil es ihm

in diesem Augenblicke — wollte ec nicht den Schmerz seiner
Tochter noch vermehren — unmöglich schien, ste mit seinem
geheimen Plane vertraut zu machen.
„Soweit ich mich entsinne," bemerkte er, .rieth rch
Walter aus zwei Gründen, seine Reise nach Californien
bis zum Herbste hinauszuschieben, einmal, weil ich alsdann
eine angenehme Ueberraschung für ihn bereitet habe, ander-
mal weil wir hier demnächst eine große Hochzeit hätten,
bei der ihn gegenwärtig zu sehen gewiß Dem Wunsch sein
werde." . .
„Bezeichnetest Du denn die große Hochzeit mcht näher,
mit welcher Du meinen Namen in Verbindung brachtest?"
„Ich glaube nicht. ES konnte ja auch nur eine große
Hochzeit gemeint sein, die zwischen Charlotte Reeves und
William Bellenger ftattfiudet. Wäre es denn möglich, daß
Walter dieses Ereignis der Gesellschaft unbekannt geblieben?
Und nun hat ja der junge Bellenger seinen Vetter, wie
Walter ja ausdrücklich hervorhebt, von seiner Verlobung
benachrichtigt, und darin soll ja für rhn der Aufschluß
meiner Andeutungen liegen. Die Fäden werden immer ver-
worrener, je man ste zu entwirren sich bemüht" bemerkte
Mr. Graham ungeduldig, ohne zu bedenken, daß er di;
auskeimende neue Hoffnung seines Kmdes wieder knickte.
Jndeß ein Strahl blieb ihr noch — wie, wenn William
Bellenger, welchen ste nunmehr jeder niedrigen Hindlung
für fähig hielt, in seinem Hasse gegen Walter diesen ab-
sichtlich irre geführt hätte? Sie verrieth jedoch diesen Ver-
dacht ihrem Vater nicht, da derselbe nach längerem Nach-
denken die Absicht aussprach, noch im Laufe des Tages an
Walter geschäftliche Miltheilungen zu fsnden und in diesem
Schreiben unter ausdrücklicher Nennung der Namen der
bevorstehenden Hochzeit zu erwähnen. Liege ein Jrrthum
vor, so müsse sich derselbe alsdann aufklären und zwar in
nicht allzu fernen Tagen.
Einigermaßen beruhigt, verlieb Jessie nun das Wohn?
gemach, aber ein bitteres, quälendes Gefühl begleitete sie
in die Einsamkeit ihres traulichen Zimmers. Dort knieete
sie vor dem Bilde des Gekreuzigten und flehte um Trost
und Stärke, und sie that gut daran, denn ihre Prüfanzs-
zeit war noch lange nicht beendet.
 
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