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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Juli 1897
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Nr. 146
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0601

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Wrlderg, KritU, den 2. M IM.

rg.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Druck, Verlag u. Erp
G eb r. Huber in Heid
Zwtngerllraße 7.

Pfälzer Volksblatt.
MrichetUt täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
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scheinende Zeitung
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ö»te",) sowie unsere Expedition Heidelberg
8ivi»gerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksdlatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

0 Fünfter hrffifcher Käthoti Ken-Lag in
Benkheim.
Wegen der ungünstigen Witterung wußte die Ver.
wmmlung, die im Freien statifinden sollte, geiheilt
beiden, da kein hineicherd grohls Lrcol vo>Händen
lvvr, und die Rednir wußten zwei Mal ihre Vorträge
holten. Die Versammlung in der Turnhalle wurde
von Tecan Dr. Geier (BknSheim) eröffnet, den Vor.
sttz führte Reichs- und Landtags-Abgeordneter Dr.
Schmitt. Der Verscmwlurg im Deut'chea Kaiser
Aeisidirte Landiogs Abgeordneter Rkchlsarwvlt v.
Brentano (Offenbach).
Weinhändler Molihan (Mainz) sprach über die
Bedeutung deS PepstthumS. Mit der Vernichtung
des Kirchenstaates wurde daS Prinzip der Legitimität
vnt güßen getreten; denn niemals war der Rechts-
titel auf ein Fürstenthum so unbestreitbar. Weich'
traurige Flüchte brachte dieser Raub Italien, daS
Rande des Wirth! chaftlichen VankerotteS steht
und eine Beute des pelitischen Radikalismus zu wer-
den droht. Schon schielt man sehnsüchtig nack dem
Vatikan und erhofft von der Theilnahme der Katho-
liken an den Wahlen die erfolgreiche Bekämpfung der
^adikalen Volksströmung. Ter Kampf gegen daS
Pdpstthum ist doch nur eine neue Phase deS zwei-
^ujendjähiigen Kampfs gegen die KirSe! Den
Abfluß des PepstthumS möchte man mit der Welt-
kichen Herrschaft zerstören. Aber wie PiuS IX. so

genießt auch Leo XIII. nicht nur die Liebe der Ka
tbolikev, der ganze Erdkreis zollt dem ehrwürdigen
Greise seine Huldigung. Redner wirft einen Rück-
blick auf die Segnungen, die, besonders im Mittel-
alter, der Welt durch daS Pcpstlhum geworden.
Ader auch heute ist daS Popstthum die Verkörperung
des Autorität; Prinzips, in einer Zeit, welche die Au-
torität mißachtet und der Liberalismus die wahre
christliche Freiheit verdrängt. Die Erhaltung deS
Weltfriedens ist ein weiterer Gegenstaid der Sorge
Leo's XIII. Wenn in der Karolinevfrage Fürst Bis
marck den Weg friedlicher Verständigung beschritten,
warum dürfen wir da nicht hoffen auf eine baldige
Aera des Weltfriedens, dksstn oberster Wächter der
Friedknsfvrst iw Vatikan «st? Redner beleuchtet die
Verdienste der Papste um Ausübung deS Unmensch-
lichku SklavenbsndelS und schildert dann daS Ein-
greifen Lev'S XIII. in die sozialpolitische Bewegung
unserer Zeit. Die Lebensfähigkeit des Katholizismus
konnte sich nie glänzender bewähren, als in unserm
Johrhurdert. Kirche und Papstihum sind eben
göttliche Institutionen. Mächtige Reiche und Tyna-
stieen gingen im Wechsel der Zeit auf und nieder,
nur das Papstthum hat die Stürme der Jahrhun-
derte siegreich überdauert. ES wird seine erhabene
Mission als Veikünderin der christlichen Wahrheit
und der sozialen Friedens noch ausüben, wenn auch
das 19. Jahrhundert mit seinen kircherpolitischen und
sozialen Kämpfen schon längst der Vergangenheit an-
gehört. Der oberste Richter der Könige, der die
Herzen der Menschen wie Wofferbäche lenk', hat vor
mehr als 1800 Jahren dem ersten römischen Papste,
die Verheißung ter Unvrrgänglichkeit der Kirche ge-
geben ! Und mit der Kirche wird auch der Fels daS
Papstihum bis an daS Ende der Zeiten allen Stür-
men Trotz bietrm (Lorgauholtender Beifall.)
Pfarrer Getäfer (Öber-Jngelheim) sprach über
Peter Canisius den zweiten Apostel Deutschlands.
Rechtsarwalt Roth (Worms) behandelte die Fa-
milie als Grundlage der heutigen Gesellschaftsordnung.
Man hat es gewagt, die Gesellschaft von ihrer natür-
lichen Grundlage loszulösen, von der Familie, wie
sie von Gott eingesetzt wurde. Tie Familie ist die
erste, die älteste Gemeinschaft; aus dieser bildete sich
die Völkerfamilie, die Gesellschaft heraus. Im
Schooße der Familie ist auch die Quelle
wahrer Vaterlandsliebe; denn diese beruht
auf der Liebe zu den Unserigen und zu unfern Vor«
fahren. Wer nicht heilig hält den Besitz der Familie,
dem wird auch das Eigenthum seiner Mitmenschen

nicht unantastbar sein. Wenn aber die Familie und
mit ibr die Gesellschaft Bestand haben soll, dann
muß Gott auch als der höchste Herr, Vater und
Richter gelten. „Herd und Altar" waren von jeher
die Symbole alles dessen, was dem Menschen hoch
und heilig ist. Der Abfall von Gott ist das Grund-
übel unserer Tage. Unser Kaiser ruft den christlichen
Völkern Europa'- zu: „Wahret, schützet euere
heiligsten Güter!" Unser hl. Vater ist von
dem heiligen Wunsche beseelt nach Wiedervereinigung
im Glauben. Auf der Warte der Zeit stehend, ver-
einigen sich so die höchste geistliche und weltliche Au-
torität im Kampfe gegen den verderblichen Geist der
Zeit. Beide verweisen auf die einzige Hülfe: die
Religion. Die Heilung muß bei der Wurzel be-
ginnen ; die s ozi a l e F r a g e bat ihren Ursprung
in der Familie, darum zurück die Familie zu
Gott, zur Religion, zum Geiste des
Christenthums!
Rechtsanwalt v. Brentano (Offenbach) schloß die
Versammlung im Deutschen Kaiser. Redner hatte
nicht vorhergesehen, daß die Ungunst der Witterung
Veranlassung werde, daß er einer Versammlung prä-
sidiren müsse. Unter Blitz und Donner haben die
hessischen Katholiken zwei gleich großartige, einander
ebenbürtige Versammlungen zu wege gebracht. Redner
zog in packender Weile die Schlüsse aus den Worten
der Vorredner, ermahnte unerschütterlich zu beharren
bei den Prinzipien, auf denen unsere Gesellschaftsord-
nung beruht. Redner schloß mit einem Danke an die
Stadt Bensheim. Nachdem das Lied Großer Gott
gesungen worden war, wurde der ausgezeichnet ver-
laufene Katholikentag geschlossen.
Die angenommenen Resolutionen lauten:
Römische Frage. Wir hessischen Katholiken
erheben wiederum die Forderung mit allen Katholiken
deS Erdkreises auf völlige Wiederherstellung der terri-
torialen Unabhängigkeit des apostolischen Stuhles, weil
diese für eine gedeihliche Regierung der Kirche unent-
behrlich ist. Demgemäß erklären wir, daß es für den
Raub am Patrimonium Petri keine Verjährung gibt.
In unerschütterlicher Treue gegen den hl. Vater ec-
neuern wir wiederum das Gelöbniß der Liebe u. deS
Gehorsams und hoffen zu Gott, daß er der Sache
feireA heiligen Kirche den Sieg verleihen werde.
Orden. Da die Orden der katholischen Kirche
gerade in unserer Zeit so überaus nothwendig sind
zur Pflege christlihen Sinnes, die freie Entfaltung
ihrer Kräfte jedoch durch die LandeSgesetzgsvung ge-
hemmt ist, so erheben wir wiederum unsere Stimme

8

Blind und doch sehend.
.Gut, gut, ich sehe, Sie können spielen — viel besser
US ich — Has ist mir lehr lieb. Ich habe gestern esne
KMie neuer Sachen bekommen, darunter auch Lieder ohne
Worte von Mendelswhn-Bartbolty, bas Paradies und die
Mi von Robert Schumann und Franz Schubert'sche Lie-
ver — aber die Begleitung ist mrr zu schwer, und eine
ncbe Person, die des Augenlichtes beraubt ist, möchte sie
kerne töreu — heute ist es dazu zu spät, aber morgen,
wenn Sie wollen, hole ich Sie wieder."
Als Rudolf wieder in seine Zelle zurückgekehrt war,
wußte er nicht, ob er nicht vielmehr dem Schicksal danken
Me, das ihn an diesen Ort geführt, al« darüber jammern.
Halle danach eine Nacht voll erquickenden Schlafes.
. Am folgenden Tage konnte er die Stunde nicht erwar-
»n. wo er nürde zum Kiavielspielabgeholt werden. Heute
hoffte er Clelia bestimut zu sehen. Aber er sollte sich wie-
Ur getäuscht haben. Die Blinde war im angrenzenden
Kcwach, dessen Inneres ein Vorhang feinem Blick verbarg.
ahnte, daß sie da sei, und spielte die ihm vorgclegten
«tucke mit innigster Bewegung. In den Pausen unterhielt
sssb zwanglos mit dem Greis, der immer zutraulicher
Md. Rudolf hütete sich wohl nach seiner unsichtbaren Zu-
M^in zu fragen; erhoffte, daß sie eines Tages seinem
°°Ucke nicht länger evtzogen sein werde.
v,„Aber wie froh erstaunte er, als er wieder in seiner
«Me war, da abirmals Harfenton an sein Ohr klang und
krnes der niucn Lieder von Schubert vortragen hörte!
M verstand er den Vater der blinden Har fnerirr: er
'h" zu ihrem Lehrer gemacht- Wie erhob dieser Ge-
feine Seele I wie beglückt führte er ihn jeden Tag
Mber ir, das kleine trauliche Zimmer an das Pianosort,
viX«tss>n Hilfe er feiner unsichtbaren Schülerin neue
L lehrte. Dabei wurde Vater Widerhol — wie sich
rui» ,f°ngnißwärter am liebsten neunen hörte — täglich
«^Micher, er verlängerte die Lihrstunden immer mehr
° u«cht immer längere Unterredungen hinein-

Da erzählten iMn beide Männer von ihren Erleb-
nissen, Rudolf von stirrrn Schul- und Universitätsjahren,
der Greis von seinem Kriegerleben. Rudolf hatte öfters
Gelegenheit wahrzunehmen, wie nicht nur er fo wohlwollend
behandelt weide, sondern der alte Kriegsmann allen Ge-
fangenen in Wahrheit ein s-rgsamer Vater war. Rudolf
konnte einst nicht umhin, stirer, Beifall und seine Bewun-
derung darüber zu äußern. Da sagte der Alte:
„lieber Doktor, wenn man seine siebzig Jahre im Le-
ben nicht gedankenlos versaust oder verträumt, wenn man
die Welt mit klarem Blick betrachtet hat, fo muß man
Wohl endlich wissen, daß nicht in den Gefängnissen die
verworfensten Glieder des Menschengeschlechtes zu suchen
sind, und wenn man ein Menschenalter lang mit Verstand
Gesangenwärter gewesen, so muß man die Erfahrung ge-
macht haben, daß keine Tugend, keine Vorsicht und keine
Stellung im Leben einen Unschuldigen davor sichert, ein-
mal der Bewohner eines Gefängnisses zu werden, und daß
selbst von den Schuldigen Weit mehrere durch Jrrthum und
Unwissenheit, Uebereilung und Krankheit der Seele Ver-
brecher werden, als durch Herzensdosheit. Unsereiner, wenn
er will und Verstand dazu hat, lernt weit besser in den
Seelen der Unglücklichen lesen, die hier herein kommen, als
die Herrn von der Feder, die ost den Wald vor Bäumen
nicht sehen. Ich will mich aber nicht rühmen — wer w-iß,
welch' ein blinder Tyrann meiner Gefangenen ich wäre,
hätte Golt mir nicht einen Engel an vie Seite geführt, der
mir die Äugen öffnete und mich aus den rechten Weg lei-
tete. Ich fand an einer armen verwaisten Lchrerstochter
nicht nur ein Weib nach meinem Herzen, sondern auch eine
Retterin meines besseren Menschen. O Sie sollten Sie ge-
kannt haben, die Mutter meiner armen Kinder — sie war
die verkörperte Gnade, von der das Evangelium redet."
Er hielt inne, Thränen erstickt?» seine Stimme-
„Nachdem sie ihre heilige Sendung an mir vollendet,"
fuhr er nach einer Pause fort — .nachdem sie au- einem
gut dresfirten Kriegsknecht einen Menschen gemacht, in
meine Brust das Erbarmen Gottes gepflanzt hatte, nahm
er sie wieder von mir und meine» Kindern, ehe sie deren

Unglück erleben konnte; denn bald nach ihrem Hinscheiden
wurde mein Sohn, der in Berlin stndirte, in eine politische
Untersuchung verflochten, deren vvrauszusehendem unheil-
vollen Ausgang er sich durch die Flucht entzog, und meine
Clelia, damals ein Kind von sieben Jahren, erkrankte am
Scharlachfieber, in Folge dessen sie erblindete. — Ja, lieber
Doktor, die Hand des Herrn hat auch schwer auf mir ge-
legen, aber Preis sei ihm, er hat es gut mit mir gemeint,
und Alles zum Besten gelenkt. Mein Sohn, dessen Ver-
irrung ich nicht zu billigen brauche, wenn ich den Adel der
Gesinnung ehre, die ihr zu Grunde liegt und auf die un-
sere Gesetze keine Rücksicht nehmen wollen, ist längst ein
glücklicher Bürger des freien Norwegens, der auf seinem
eigenen Schiffe dann und wann den hiesigen Hasen besucht,
wo ich ihn heimlich sehen und in meine Arms schließen
kann, und Clelia — was soll ich von ihr sagen? Sie
Wurde die Vollenderin des Werkes, das ihre Mutter a«
mir angesangen, sie werde das Licht meiner Seele, das
das Auge meines Geistes, das von Gott selbst regierte
Steuer meines Herzens. Ich sage Ihnen: das zarte, unge-
lehrte Wesen sieht heller und schärfer in Dingen des mensch-
lichen Herzens, als ich und alle Richter hier mit ihrem
rechtsgelehrten Schwulst. Sie hat schon manchen unschul-
digen herausgefunden, wo die Welt und das Gericht ver-
dammten und hinterher durch einen sogenannten Zufall
die Unschuld an den Tag kam, nachdem der arme Vsrur-
theilte schon Monate und Jahre die Schmach des Ver-
brechers getragen! Herr — wenn man nach solchen Er-
fahrungen feine Gefangenen noch tyrannisiren oder auch
nur kalt behandeln kann, so ist man des Menschennamens
nicht würdig."
(Fortsetzung folgt.)
 
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