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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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April 1897
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Nr. 81
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0337

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PMzer Volksblatt

täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
«Mn für NvIlrliÄ, Fnikeil L «M WELLWAWWS
"l^bera monatlich KV m,t Tragerlohn, durch ri ' Rabattbewilligung.
^L^Post bezogen Viertels. IM franco _ , Expedition: Zwingerstraße 7.

81.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
WMlg, ZMÄU Lm 10. AM 1897.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Herdelberg,
dwingerstraße 7.

Für das zweite Guartal 1897
^weu noch immer alle Postämter Bestellungen auf
täglich erscheinende Zeitung
Pfälzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Lormtags-
sowie unsere Expedition Heidelberg
"^«Serstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblstt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.


^llvn bewegte ein leises Lüftchen die Blätter
<i«e ^ii-stehenden Blumenstöcke; summend umkreiste
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.einer männlichen, rauhen und befehlerischen

Die Handwerker-Vorlage.
tz Hse mit Vorberothuvg der Vorrage betraute
^Mission der Reichstages hat gleich in ihrer ersten
!4en ^nen wichtigen Beschuß gefaßt, der den Wün-
tz?»" des organisirten Handwerks mehr entgegenkommt,
Kurs Vorschläge der Regierung. Nach dem Ent-
U bekanntlich die Zwangsinnung nur eilige-
vUis/ werden auf Antrag der Betheiligten, u. zwar
"ur, wenn die Mehrheit der Betheiiigten
ü,."immt. Dagegen hat die Commission mit 9
M g Stimmen beschlossen, daß die höhere Ver-
j^ ^ngsbehörde auf Antrag Behelligter die ZwangS-
tz auch einführen kann, wenn die Mehrheit der
heiligten nicht zustimmt. Vorbedingung bleibt
Hy'. 1 daß der Bezirk der Innung so abgegrenzt ist,
H Winkln Mitglied« wegen der Entfernung seines
Tes sr^es vom Jmmngssitze die Teilnahme am
k>ur^E"fchaftSleben und die Benutzung der JnnungS-
jungen unmöglich zu machen, 2. daß die Zahl
^heiligten Handwerker zur Bildung einer lei-
jU>n - higen Innung auSreicht, und zwar werden
""i'g als ausreichend angesehen.
Awser Beschluß bietet allerdings nicht daS, was
dy^srllpsch'sche Vorlage wollte, kommt ihm aber
fg^öwnilich nahe. Jene Vorlage schrieb für etwa
Hubwerke die Zwangsinnung vor. Die Einfüh-
«c n aber unterbleiben können, wenn sich her-
Kur « daß die Mehrheit der Betheiiigten dagegen
>^^Also die Initiative ging von der Behörde
'' xeidvoll md fttudooU. »L'
Novelle von L- v- Neidegg.
ii°^ Strahlen der NachmittagSsonne fielen in ein ärm-
8tuu ^"bchen und streiften das Angesicht einer blaffen
^iickw^-ungeachtet der Wärme des Juntages, in wollene
, gehüllt, mit geschlossenen Augen auf einem Ruhe-
Kar . und zu schlummern schien. Daß es eine Kranke
ties». Mettzen die eingefallenen Wangen sowohl, wie die
>kaok>.-„wgtten unter den Augen; das verrietben auch die
U eg»'Durchsichtig feinen Hände, welche beinahe unheim-
Liese L.-n " """ dem dunkeln Tuche, auf dem sie ruhten.
herrschte in dem kleinen, dumpfen Gemach;
irr wann bewegte ein leises Lüftchen die Blätter
!ke fsii^uster stehenden Blumenstöcke; summend umkreiste
BivU.»se die schlummernde Frau. Von Außen drang nur
W-n^u der allmählich herannahende und wieder ver-
!d,r-^ Tvn der Schritte eines Vorübergehenden herauf,
k taz s-W'nd trug den Schall einer menschlichen Stimme
«immer — dann war wieder Ruhe ringsum.
LVM'S ertönte scharf und schrill die Glocke im Haus-
Kranke fuhr zusammen und richtete sich in den
«er "Uf. Draußen hörte man erst ein undeutliches Ge-
A 0"", wurde die Stimme lauter; man unterschied
^iner männlichen, rauhen und befehlerischen
?vd den einer wohltönevden Frauenstimme, welche
Das Geflüster war zum lauten Gespräch ge>
Ms-, ^eine kurze Weile, und es wurde »um Wort-
Kkkmz. Die Kranke hatte mit gespannter Aufmerksamkeit
Air ? lebhafter die Stimmen wurden, um so ängst-
"! ig»?fve der Ausdruck ihres Gesichtes; endlich konnte
langer an sich halten.
Ä",?! Anna! rief sie hinaus, so laut sie nur konnte.
N«? - ort erfolgte. Nur das Gespräch draußen ver-
n SkdSk,L?Eu Augenblick, dann wurde der Wortwechsel
"vipstem Tone fortgesetzt.
wiederholte die Frau, und es lag ein schmerz-
kh Abwurf m dem Ton ihrer Stimme. „So laß mich
umsonst rufen."

aus und diese konnte verzichten, wenn die Mehrheit
widersprach. Nach den Commissionsbeschlüssen geht
die Initiative aus von den Bet heiligt en u. die
Behörde kann ihr stattgeben, auch wenn die Mehrheit
widerspricht. Die Fassung ist verschieden, aber in der
Praxis dürfte beides so ziemlich auf dasselbe hinauS-
kommen. Ju jedem Falle würde eine gewissenhafte
Behörde sorgfältig prüfen, ob sie gegen den Willen
der Mehrbeit der Betheiligten handeln soll oder nicht.
Wo die allgemeine Stimmung mehr für den JnnungS-
zwang ist, würden sie aber in beiden Fällen eher
gegen den Wunsch der Mehrheit handeln, als dort,
wo die Stimmung anders ist.
Wenn die Handwerker sagen, etwas Zwang
könne nichts schaden, so haben sie recht. Wie schon
wiederholt ausgeführt, sind viele Handwerker bloß auS
Indolenz oder Unkenntniß und Vorurtheil nicht für
die Innung, die ihnen sehr gefallen würde, wenn sie
sie nur erst könnten. Durch dm Commissionsbeschluß
würde nun daS JnnungSwesen erheblich gefördert wer-
den können, da die Rücksichtnahme auf die ablehnende
Haltung solcher Elemente wegfiele. Anderseits kann
man aber wieder denen nicht unrecht geben, die von
einem unbedingten Zwang nichts hören mögen.
Ist die Mehrheit der Handwerker mit voller Einsicht
in die Bedeutur g der Innungen ganz entschieden gegen
den Zwang, so kann das JnnungSwesen keine Förde-
rung durch ihn erfahren; denn die widerwilligen Jn-
nungSmitglieder werden alles aufbieten, damit kein
gedeihliches Genossenschaftsleben sich entwickele. Für
die Behörde mag es ja nicht immer leicht sein, die
Entscheidung darüber zu treffen, ob es besser sei der
Mehrheit oder der Minderheit nachzugeben, aber im
allgemeinen wird sie doch wohl im Stande sein, sich
ein Urtheil über die wirkliche Stimmung der Hand-
werker zu bilden.
Die Regierungsvorlage soll bekanntlichdaS Neu-
ßer st e an Zugeständnissen für daS Handwerk sein,
worauf man sich im Bundesrathe hat einigen können.
Der Commissionsbeschluß wirst nun den Compromiß
in seinen wichtigsten Punkten über den Haufen. Die
Regierungsvertreter sprachen deshalb auch dagegen.
Gleichwohl möchten wir glauben, daß der Bundes-
rath sich schließlich nicht widersetzen wird. Wo eine
Regierung die Zwangsinnung nicht will, da behält sie
es ja vollkommen in der Hand, sie nicht einzuführen,
wenn die Mehrheit der Betheiligten dagegen ist. Für
die süddeutschen Regierungen, die auS
Rücksicht auf die Strömung der Handwerker den
Berlepsch'schen Vorschlag verwerfen zu müssen glaubten,

„Sogleich, liebe Mutter!" erhielt sie jetzt zur Antwort.
„Ich muß erst nothwendig etwas besorgen, dann bin ich
sofort bei Dir."
Die Kranke machte eine unruhige Bewegung, als
wollte sie sich erheben. Die Anstrengung erwies sich jedoch
als zu groß für ihre schwachen Kräfte. Mit einem Seufzer
ließ sie sich in die K ssrn zurücksinken und lag wieder still
da. Nur ein nervöses Zucken, das zeitweise ihre Finger-
spitzen durchbebte, legte Zeugniß ab für ihre innere, große
Erregung. Ein Paar Minuten vergingen, dann wurde die
Thür geöffnet und ein junges, hochgewachsenes Mädchen
trat in das Zimmer. Auch sie war erregt; ihre grauen,
von dunklen Wimpern beschatteten Augen blickten finster,
und um den feinen Mund mit den fest geschlossenen Lippen
lag ein harter Zug, Als aber ihr Blick aus die leidende
Frau fiel, kam cs wie ei« warmer Sonnerstrahl über das
Gesicht: der herbe Ausdruck schwand, und nichts als Liebe,
hingebende Liebe sprach aus den schönen Augen.
Sie knicete an dem Ruhebette nieder, ergriff die Hand
der Mutter, die sie küßte und streichelte, und sagte zärtlich:
„Verzeih' mir, Mütterchen! Es war mir eben nicht mög-
lich, auf Deinen ersten Ruf zu kommen. Ich sprach draußen
mit Jemand. . ."
„Wer war der Jemand? unterbrach die Kranke sie
mit fieberhaster Hast, indem sie sich aufrichtete. Ihre dunkel-
blauen Augen leuchteten, ihre bleichen Lippen bekamen
eine unheimliche bläuliche Färbung. „Ich lag im Halb-
schlaf," fuhr sie fort; „da erwachte ich durch den Wort-
wechsel, der im Hausgang statlfand. Deine Stimme hörte
ich sogleich heraus, in der anderen glaubte ich jene Deines
Vaters zu erkennen! War er es?" fügte sie ängstlich hinzu.
Einen Augenblick zögerte das junge Mädchen mit der
Antwort; wie unschlüssig sah sie vor sich hin. „Ja, er
war's," flüsterte sie dann.
Die Kranke fuhr mit der Hand nach dem Herzen, als
habe sie dort einen Schmerz empfunden. Sie blieb eine
Weile stumm, dann fragte sie: „Was führt den Vater
hierher?"
Ein finsterer Zug trat auf das Gesicht der Tochter;
eiskalt klang der Ton, mit dem sie antwortete: „WaS ihn

ist also nichts geändert. Es ist nur den Regierungen,
die anderer Ansicht sind, die Möglichkeit gegeben, dort,
wo es angezeigt erscheint, die Zwangsinnung auch
gegen den Willen der Handwerkermehcheit einzuführen.
Wir sehen nicht ein, warum irgend eine Bundesregie-
rung sich dieser Regelung der Dinge wiedersetzen
sollte, die zudem die Freiheit des Handels läßt.
Für das Handwerk ist der Beschluß trotzdem n i cht
werthlos. Ec wird zur Folge haben, daß in
manchen Bezirken, wo durch die freiwillige Initiative
der Handwerker nie eine Zwangs-Innung zu Stande
käme, diese eingeführt wird. Jede blühende und tüchti-
ges leistende Innung wird ihr Th eil dazu beitragen,
daß das JnnungSwesen sich weiter und weiter auS-
dehnt. Sagen die Handwerker: auf dem Wege der
Freiwilligkeit, ohne Zwang kommen wir nach den
Erfahrungen, die wir mit den freien Innungen ge-
macht haben, nie zu etwas, so haben sie hier den
Zwang, nur nicht in dem Maße, daß er ihren Be-
strebungen selbst gefährd ch werden kann.

Rußland und England.
Die unmerkliche, aber hartnäckige Konsequenz, mit
der die Großmächte an der Blokade griechischer Häfen
fefthalten, versteht sich an dem Gedanken, findet ihr
wohlverdientes Widerspiel in dem edlen Trotz, den
Griechenland den ihm täglich von der europäischen
Presse in Dur und Moll vorgesunzenen Lieder ent-
gegensetzt. Gegen ernstere Verluste können sich die
Griechen bei den unberechtigten Eigenthümlichkeiten
ihrer Verhältnisse so ziemlich gefeit glauben. Denn
auch schlimmsten Falls, wenn sie nämlich wirklich von
den Türken die Hiebe kriegen, wonach ihnen das Fell
juckt, haben sie eine GsbietSverkleinerung kaum zu
befürchten und behalten unter allen Umstärden die
Möglichkeit, ihre Paraderolle als unterdrücktes Kultur-
volk mit noch wirksamerem Pathos als bisher durch-
zuführen. Nebenbei wissen die schlauen Hellenen ganz
gut, daß die erste Macht, für die, abgesehen von der
Türkei, beim Ausbrechen d:s langsam schwelenden
Brandes im Orient LebenSintereffen auf dem Spiele
stehen, — Rußland sein würde: und dasselbe weiß
man in London.

So abenteuerlustig, um die russ. Erbrechte am
goldenen Horn offen anzufechten, sind die engl. Staats-
und Geschäftsmänner nicht. Wenn aber der Hellenis-
mus zum eukaut torribls wird, das urplötzlich an-
fängt, der gesammten slavischen Welt auf der Nase
herumzutanzen, so darf man sich iu Dowuingstreet u.

verführt, Geldnoth jedenfalls . .. O, Mutter," jammerte
sie auf, „wie herabgekommen steht er aus! Es scheint, daß
er kaum weiß, wohin er sein Haupt legen soll. I ch dachte
mir gleich, daß ein Unglück uns bevorstände," fuhr sie in
leidenschaftlicher Erregung fort, „als gestern ein Brief an-
kam, adresfirt an den Freiherrn v- Neudmgen, bis zu sei-
ner Ankunft auszubewahren. Um Dich zu schonen, verschwieg
ich dies, auch hoffte ich immer, Gott würde sich unser er-
barmen und irgend ein Hinderniß in seinen Weg legen."
„Anna, Anna!" unterbrach die Mutter. „Rede nicht
so! Es ist unrecht, Du versündigst Dich damit. Ich will
nicht hoffen, daß Du Dich dem Vater gegenüber auf ähn-
liche Weise ausgesprochen hast. . - Sagte er, was er beab-
sichtigt ?" fragte sie nach einer Pause.
„Vorläufig will er bei uns bleiben. Natürlich fand er
unsere Wohnung armselig und einer Baronin v. Neudingen
unwürdig. Ich erwiderte, das sei ganz wahr; wir wären
jedoch außer Stande, eine bessere zu bezahlen. So wie sie
fei, knapv für uns Beide Raum bietend, nehme die Miethe
ohnehin einen guten Theil des Einkommens in Anspruch."

„Will der Vater bei uns bleiben, so muß selbstverständ-
lich Platz für ihn geschaffen werden," entschied die Baronin,
und ihre sanfte Stimme klang sehr ernst. „Hier das Wohn-
zimmer kann er nicht haben — wir bedürfen dtssen zu
den gemeinschaftlichen Mahlzeiten. Du mußt ihm Dein
Stübchen abtreten, mein Kind, und zu mir in das Schlaf-
zimmer ziehen. Du wirst Dich mit dem Divan begnügen "
„O, arme Mutter!" rief Anna schmerzlich aus. „Wie
hart wird es Dir fallen, bei der Äthemnoth, die Dich
quält, mich bei Dir in dem kleinen Stübchen zu haben!"
„Alles hat sein Gutes!" sagte die Kranke, indem sie
sich zu lächeln bemühte. „Dafür habe ich dann mein Ann-
chen noch näher bei mir."

Nichts verschönt ein Gesicht so sehr, als der Ausdruck
selbstloser Liebe. Das blasse Antlitz de- Mutter erschien
Anna wie von einer Verklärung umgeben, als sie so mit
einem Scherz über ihr Opfer hinwegzugehen suchte-
(Fortsetzung folgt )
 
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