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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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August 1897
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Nr. 183
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0749

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GlM für MMMt, FMktt L AM

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingerstraßr 7.

Wie angegossen saß, und dann bob Fritz seine Gemahlin
auf's Pferd. Sie ritt vor der Thüre ein paar Mal auf
und nieder, grüßte ihn freundlich und lachend, indem sie
die Reitpeitsche schwenkte, und blickte nach den Fenstern des
ersten Stockwerkes, wo die Bonne mit der kleinen Margo
auf dem Arme am Fenster stand. Cilla nickte dem Kinde
noch einmal zu und ritt im Trab davon. Fritz blickte ihr
nach und ging dann in das Schloß zurück, um seine Reit-
stiefel anzuziehen.
Die gute Martha, die mit grotzem Widerwillen und
nur ihrem Manne zu Lieb auf Doornburg blieb, war da-
mit beschäftigt, den großen Saal für das Fest, das am
Abend ftattfinden sollte, in Ordnung zu bringen. Sie stand
gerade vor dem Portrait der verstorbenen Mutter des
Herrn Baron und stieß einen Seufzer aus. Das junge
Volk ist vergeblich I Es wird beute ein Fest gefeiert, weil
der Baronin Geburtstag ist, und Keiner von Allen denkt
daran, daß heute vor dreiundzwanzig Jahren meine gute
alte Herrin begraben wurde. So geht es in der Welt. Das
hätte die selige Frau erleben müssen: ihre Söhne wegen ei-
nes einfältigen Mädchens verfeindet! Aber mein „junger
Herr" vergißt gewiß den heutigen Tag nicht.
Fritz, der gestiefelt und gespornt vor der Thüre stand,
unterbrach ihren Monolog. „Wir reiten beide aus, Martha.
Sorge dafür, daß heute Mittag der Stuhl meiner Frau
mit Blumen geziert ist, und daß ein feines Bouquet auf
dem Tisch steht."
„Und sieh Dich auch mal nach der Kleinen um."
„Jawohl, Herr Baron!"
Sie gab ihm Viesen Titel immer mehr oder weniger
spöttisch, und als er die Treppen binabging, murmelte sie:
„Ein Baron? Welche Kinderei! Mein junger Herr macht
sich nichts aus dieser „Baronerei," dazu ist er viel zu
verst. . . O Gott, die gnädige Frau!" schrie sie Plötzlich
laut auf.
(Fortsetzung folgt.)

Inserats die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
10H, ReklameW H. Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
Expedition: ZwingerKratze 7.

Deutsches Reich.
* Berlin, 12. Aug. Der Landwirthschaftsmini-
ster Freiherr v. Hammerstein unterbrach seinen
Urlaub. Er begibt sich morgen mit den Ministern
des Innern, der öffentlichen Arbeiten und der Finan-
zen nach dem schlesischen UeberschwemmungS-
Gebiete, speziell in den Regierungsbezirk Liegnitz.
* Leipzig, 12. Aug. Gestern verstarb in Harz-
burg infolge von Herzlähmuug der Staatspräsident
beim Reichsgericht, kaiserl. Wirklicher Geheimer
Rath, Dr. jur. August Drechsler.
* Köln, 12. Aug. Entgegen den von verschie-
denen auswärtigen Zeitungen gebrachten beunruhigen-
den Nachrichten über den Gesundheitszustand Sr.
Eminenz des H rrn Cardinal-Erzbischofs können wir
bestimmt versichern, daß das Befinden desselben
durchaus zufriedenstellend ist, wenn auch die Be-
schwerden zunehmenden Alters ihn an der Vornahme
längerer amtlicher Functionen behindern. Se. Eminenz
erfreuen sich großer geistiger Frische, wie dieses bei dem
Empfange der 74 Neopresbyter gestern Nachmittag zur
Freude aller Anwesenden ersichtlich war. Der greise Kir-
chenfürst gab bei dieser Gelegenheitseiner herzlichen Freude
über die große Zahl der neugeweihten Priester Ausdruck.
Den Verhandlungen der am 17. d. M. in Fulda zu-
sammentretenden Conferenz der preußischen Bischöfe
werden Se. Eminenz mit Rücksicht aus die Anstreng-
ungen der Reise voraussichtlich nicht beiwohnen.

ärgern, so werden sie von denjenigen Zeitungen, die
selbst von Pikanterieen und Unsittiichkeiten im redak-
tionellen und Jnseratentheile leben, verhöhnt und ver-
spottet. Wenn ein protestantischer Prediger in einem
Berichte an die Synode die Anklagen etwas scharf
auSspricht, so entrüstet sich alles, sogar die Berliner
Stadtvätcr gerathen in heiligen Zorn. Und doch hat
gerade auch die Stadtverwaltung hier viel auf dem
Gewissen. Wir verweisen nur auf eins. Ein Haupt-
herd der Unsittlichkeit ist in den traurigen WohnungS-
Verhältnissen der unbemittelten Klassen zu suchen. In
keiner europäischen Hauptstadt sind die Menschen so
zusammenglpfercht, wie in Berlin. Die Stadtver-
waltung hat für die Wohnungsfrage bisher nur sehr
wenig Berständniß gezeigt. Als wenn es nur darauf
ankäm-, daß Grundstücksspekulanten und Häuserwu-
cherer den Boden bis auf das alleräußerste ausnutzen!
Auch hier bietet sich ein weites Felo für den „Kampf
gegen den Umsturz."

Die einzige Tochter«
Ui es kein Mittel geben, sich diesen Verpflichtungen
üur MUkn? Jeder mutzte seinen Bruder als einen Held
die k^.^Mrzeitcn betrachten, rind eigentlich hatte dieser
tlich.^bkndste Methode ausgesucht, um sich an ihm zu
Scheu 'Mancher hatte ihm dies fckon gesagt oder auch an-
Er Lber er hatte es niemals so empfunden als jetzt.
..... __er mußte nun auch handeln
^ürd?»°c-w>e das anfangen? Doornburg verkaufen? Was
Rcht s!>^we Schwiegereltern und Cäcilie sagen? Er wagte
l'kbei, e!"" daran zu denken. Sick einschränken und feiner
Noch eine ihrer rheuren Gewohnheiten entziehen?
pW..." weniger! Aber in aller Stille eine größere Hh-
!ki» Schloß nehmen. Das würde wohl das Beste
durchs war in Stadt ein Mann, der sich seit Kurzem
diesen »'we Spekulationen einen Namen gemacht halte;
»Hl W.,Me Fritz, ohne Vorwifsen seines Schwiegervaters,
V angehen.
ter nicht lange, so gerieth der Baron ganz un-
Eplku, ""seligen Einfluß jenes Mannes. Einige kleinen
er ha,.„ ?wen gelangen und gaben ihm Muth zu größeren;
Aon °*ssen Schritt auf einer abschüssigen Bahn ge-
d«bvn """ weder seine Frau, noch deren Eltern wußten
tag EwrS Morgens — cs war gerade Eäciliens Geburts-
Maron i L die beiden Leutchen beim Frühstück; die kleine
dein Kinde uuf Mama's Schooß, und Fritz spielte mit
sich sagte er plötzlich, „würdest Du es nicht Herr-
hätten?» - wenn wir Adelbert nichts mehr zu verdanke»
Wiewiß, gewiß," erwiderte sie, „aber ich wüßte nicht,
U tu machen märe."
di« Ta» Ä "Ur," sagte er geheimnijjvoll zu ihr, „noch ei-
La "der zwei."
^va da» der Lotterie gespielt? Da weißt, daß
" nicht gerne sieht."

Mere«„ Eglich mit Ausnahme der Sonn- u.
,8e. Vbvnuewentöpreiö mit dem wöchent-
öeideln " Erhaltungsblatt «Der Sonntagsbote" für
. di°Z monatlich KV mit Trägerlohn, durch
^ü»^_P0st bezogen vierteln -ttz 1.60 franco.

Heidelberg, ZmMg, dm 14. MH 1897.
liegen. In der vorigen Session Hal das Centrum
sie wieder aus den Acten hervorgesvcht und in der
Fassung der frühern Commission als Antrag ein-
gebracht; er ist aber nicht mehr zur Berathung
gekommen. Wird er in der nächsten Session erneuert,
so wird olles, was liberal ist, sich mit Hävden und
Füßen dagegen wehren unter dem Vorwande, Kunst,
Litteratur und Wissenschaft sollten um ihre „Freiheit"
gebracht werden. Wir wissen sehr wohl, daß man
mit Gesetzen die Unsittlichkeit nicht ausrotten kann,
man kann aber damit noch immer mehr auSrichten
gegen sie, als gegen Umsturz Jdeev. Man kann
die Gelegenheit und die Verführung ganz bedeutend
eindämmen, wenn man ein scharfes Auge auf die
Bühnen aller Art, ans die Schaufenster, aus die
CasvS, die Straßen usw. hat. Alle theatralischen,
gesanglichen usw. Aufführungen haben eine Polizei-
Censur zu pcssiren. Diese ist sehr streng in allem,
was die Politik angebt, aber geradezu haarsträubend
ist, was sie in sittlicher Hinsicht durchgehen läßt. Dabei
haben wir den Eindruck, daß es von Jahr zu Jahr
schlimmer werde, trotz aller Berliner Kirchenbauten. Es
werden Stücke aufgesührt, die von Anfang bis zu Ende
nichts als Zoten sind. Schaustellungen ä la Barrisonwer-
den nächstens schon Harmlosigkeiten sein. Die Pholo-
grophieen „pikanter" Bühnenschamlosigkeiten hängen in
zahllosen Buchhändler- und Kunsthändler Schaufen-
stern. Die BarrisonS sind in letzter Zeit längst über-
holt. Was man jetzt an Bildern dieser Art aushängt,
kann kaum roch überboten werden. Dazu kommen
noch p kante „lebende Photogrophieen" a la Kinema-
tograph.
Was uns zur Zeit der Kunstausstellung von Pho-
tographien vorgeführt wird, ist auch oft von Kunst
sehr weit entfernt, mit Unzucht dagegen nahe ver-
wandt. Doß so etwas im Interesse der Kunst aller
Welt vor Augen gestellt werden müßte, vermögen wir
wenigstens nicht einzusehen. Wie wollen uns hier-
über, sowie über die sich in den belebtesten Straßen
und gewissen CafeeS breitmachende Unzucht nicht
weiter äußern. Wer Berliner und andere großstädtische
Verhältnisse auch nur oberflächlich kennt, weiß, wie
es darum steht.
Muß denn das nun olles sein? Könnte man da-
gegen nicht energisch nnschreiten? Wie mancher junge
Mann ist nur dadurch in den Sumps gerathen, wie
marcher Familienvater hat sich und die Seinen durch
Betrug und Unirschlagung ins Elend gebracht, weil
die Versuchung ihm auf Schritt und Tritt begegnete.
Wenn aber sittlich empfindende Leute diese Zustände
'„Eine altmodische Idee! Nein, das ist es nicht!"
„Ach Frederik, kümmere Dich doch nicht um Geldsachen
und sprich erst mit Papa darüber."
Cäcilie schien in der That wenig Vertrauen auf ihren
Mann zu sitzen, wenn es sich um wichtige Dinge handelte.
Er war ein wenig empfindlich davon berührt. „Paß
nur auf und frage mich um nichts wehr vor nächster Woche."
„Ach Frederik, L>u gibst mir Räihsel auf!"
„Gib Dir keire Mühe, sie aufzulösen und warte ruhig ab."
„Nun, dann werden wir schon sehen. Du hast mich
heute doch schon so hübsch überrascht, durch das reizende
Service und den schönen, neuen Sattel."
„Mama war bange, daß Filko sich nicht daran ge-
wöhnen würde, und meinte, ich sollte Dir etwas Anderes
schenk!n ; aber ich wußte, doß Du cs nun einmal auf einen
jo niedlichen Sattel abgesehen hattest."
„Du hättest mir kein größeres Vergnügen bereiten
können; Mama ist gar zu besorgt und denkt, daß ich noch
ein Kind sei."
„Wir könnten heute ober auch einen kleinen Spazier-
ritt machen, Cilla I"
„Ja, das wollte ich gerade Vorschlägen; dann können
wir beim Konditor halten, ich habe noch etwas für die heu-
tige Soiree zu bestellen. Ich will Margo der Bonne über-
geben und mich ankleiden."
„Ich will die Pferde inzwischen satteln lassen."
„Ganz gut — ich reite dann gleich bei Papa und Mama
vorbei, um ihre Glückwünsche in Empfang zu nehmen
denn es kann spät werden, ehe wir zurückkommen."
Sie entfernte sich und kam bald darauf in einem ele-
ganten dunkelblauen Reitkleid zurück, mit einem Tiroler
Hütchen auf den blonden Locken.
„Die Pferde stehen bereit," sagte Fritz, „ich werde mich
eilen."
„Ich erwarte Dich an der Villa."
Sie gingen beide zum Schloßhvf, wo die schönen Rosse
harrten, bewunderten den prächtigen Sattel, der dem Fikko

Auch rin Kampf gegen den Umsturz.
h^die Ermordung des Ministers Canovas wird
listen Scharfmocherprisse für ein Soeia-
eurzubeuten gesucht. Ter Sport ist
»v»te ziemlich unschädlich; ein Dutzend fulmi
d,. ^Artikel mehr oder weniger ändern nichts au
^sisichtslosigkeit dieses Gesetzes. Wenn denn
r-'t Scharfmacher wieder ein Mal so eifrig be-
auf die Vertheidigung von Religion, Sitte
^^vvng, so sollte mou meinen, die Anregung
M könnten fle naher haben und brauchten nicht
Spanien zu gehen.
^üri k derselben Zeit, in der die Ermordung
«ine gemeldet wurde, wurde aus Berlin
gen, ,. S°uze Anzahl der schwersten Verbrechen
Hel« Prostituirten ist in der Nacht der
Skt, > ^schnitten worden; von dem Thäter bis
E D e ^pur. Um dieselbe Zeit hat sich eine an-
M ^°siilu>rte vergiftet. In derselben Gegend, wo
kiq !Mord stotlfand, verwund-te am Sonntag
süchtiger Schneider seine Frau durch einen
tz. ^derschlch und versuchte darauf Selbstmord. Am
Schi« "g "schoß sich ein ebenfalls dem Trünke er-
sriy^".Schlosser, nachdem er vorher versucht hatte,
ihriges Kird mit Petroleum zu verbrennen,
«der sE diese Vorkoumnisse berichtet die Presse,
tl>r,g sw hält es nicht für nöthig, daran Betrach.
. zu knüpfen, daß „etwas geschehen" muffe,
i" Berlin gegen so etwas eben schon stark
»lld^W. Daß unsittliche Verhältnisse mit Mord
Hivd ^bibstmord endigen, daß Säufer Frau und
»Üe » "wbringen, kommt, möchte man fast sagen,
^ihr vor. ES wird registrirt und vergessen.
die Sache einen „pikanten" Beigeschmack
bkslbxn* Verbrecher nicht entdeckt werden kann,
Ma k t sich Etwas länger damit, meist nicht
ititet k irgend welchen sittlichen Empfindungen ge-
weil eS die Leser angenehm aufregt,
iviiu» H verdient die sich breit machende und
.Weiler um sich greifende Sittenlosigkeit viel
walt Aufmerksamkeit von Polizei und Staats an-
dnd"der ganze „Umsturz", der sich in Reden
Zestungs-Artikeln Luft macht.
rM» der Proceß Heintze einen die Uneing«weihten
sitgAEerden Blick in das materielle Elend und die
Verkommenheit gewisser Kreise thun ließ,
M A der Kaiser einen dringenden Erlaß an das
ltzx Ä . i^m, dagegen einzuschreiten. Es kam die
»^"6iilt26, aber sie blieb beim Reichstage unerledigt
-.. .
Die einzige Tochter.
l« >c>,> gcvci', „«»Vlcilu
Nur wlogin ? Jedxr mutzte seinen Bruder als einen Held
die ^"terzetten. betrachten,. und eigentlich hatte dieser
. . . . . ....
Er über er hatte es
Wie ein*m>Gwte und Vater,
w Mann.
 
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