Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI Heft:
Januar 1897
DOI Artikel:
Nr. 7
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0029

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Pscher Volksblatt

Heidelberg, ZmntU, dm 10. Mnm 1897.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Druck, Verlag u. Expedition:
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingrrstraße 7.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. __ Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder derenfRaum
Oroait für Wllürliät, verliert L KeM. P-LLW
veidelbexg monatlich ^0 mit Trägerlohn, durch " ' Rabattbewilligung,
die Post bezogen Viertels. 1.60 franco. Expedition: Awingerftratze 7.

Für das erste Guartal 1897
Nehmen «och immer alle Postämter Bestellungen auf
^le täglich erscheinende Zeitung
„Pfälzer Bottsblatt"
(mit der wöchentlichen Gratisbeilage „DerlEountags-
öote",) sowie unsere Expedition Heidelberg
Zivivgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblstt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

Zweikampf und Ehrengericht.
Professor Binding in Leipzig unterzieht in der
»Deutschen Juristen Zeitung" diese Frage einer Be-
trachtung, an deren Schluß er u. A. sagt:
»Wenn es wissenschaftlich unanfechtbar ist, daß
die Ehre durch die Beleidigung nicht verletzt wird,
daß der Beleidigte also einer Wiederherstellung der.
selben nicht beoarf und durch den Kampf mit einem
Menschen vielleicht sehr zweifelhaften WertheS schlech-
terdings nicht erlangen karw, und wenn die Rache
*icht geradezu zur Pflicht des Beleidigten gestempelt
ivrrden soll, so darf eine Duellpflicht der Offiziere
Vicht länger unerkannt werden. Die Aushebung dieses
Rothstandes wäre der erste große, unendlich segenS-
ttiche Fortschritt auf dem Boden des militärischen
Arennchtes. Der Monarch, der den Muth und die
Weisheit besäße, mit dem alten Vorurtheil von der
Unwürdigkeit des Offiziers, der sich im concreten
Falle nicht schlägt, kühn zu brechen, könnte des Dan.
«2 seines Volkes und insbesondere auch des Dankes
sütens eines nicht kleinen TheilS seiner Osficiere ge.
iviß sein. Und daS Verdienst, ein großes Unrecht
üus unserer Rechtsordnung getilgt zu haben, wäre an
fich schon groß genug! ES wäre ein großer Sieg
Mitten im Frieden! Es gibt der ehrenhaften Motive
genug, die einen Officier zur Unterlassung oder Ab-
'Ahnung einer Forderung bestimmen können. Wo sind
edlere Triebfedern als die Gottesfurcht und die Ach-
mrg vor dem Recht, die jemanden zum grundsätzlichen
Gegner des Zweikampfes machen? Was gibt eS
schöneres, als die gefestigte Selbstachtung des Belei-

digten, der weiß, daß seine Ehre unverletzbar ist, und
deshalb stolz verächtlich herabsieht auf den moralisch
vielleicht tief unter ihm Stehenden, der ihn zu besu-
deln vergeblich versucht hat? Und gebürt nicht in
einem nationalen Heere, das nicht aus Söldnern ge-
worben wird, deren Sold allein für ihren Muth be-
zahlt wird, das Leben des Kriegers allein dem Staate,
dem er eS im ernstesten Augenblicke zu opfern hat?
Große Herrscher des In- und Auslandes habe« die
Preisgabe des Lebens im Privat-Zweikampfe als ein
Unrecht gegen das Vaterland mit gutem Grunde streng
getadelt. Das versteht sich, der feige Oificier muß
entlassen werden. Aber ungerechtfertigte Präsumtionen
der Feigheit aufzustellen, dessen sollte man sich ent-
halten. Der Officier hat keine Ehre, die
sich irgend von derderandernMenschen
unterschiede. Nur legt ihm die Zugehörigkeit zu
einem Berufstande genau wie allen andern Beamten,
zu deren er ja staatsrechtlich zweifelsohne gehört, au-
ßer den allgemeinen Pflichten noch besondere Berufs-
pflichten auf, und seine StandeSehre besteht dann
darin, diese Pflichten neben den anderen, aber nicht
auf deren Kosten zu erfüllen. Aber in einem Punkte
separat sich seine Stellung doch in etwas. Er trägt
die Waffe, stets geht er in Amtstracht, er ist der au-
gensällige Repräsentant der Wehrhaftigkeit und Un-
angreifbarkeit des Staates. Es ist für die meisten
Fälle eine ganz richtige Empfindung, daß er die Be-
leidigung nicht auf sich sitzen lassen dürfe, sondern
gegen sie vorgehen müsse — und durchaus nicht allein
um seiner selbst willen. Ist ihr Urheber ein anderer
Officier, so könnten jetzt die militärischen Ehrengerichte
ihre segensreiche Thätigkeit entfalten. Sie haben zu
prüfen und zu entscheiden, ob die Beleidigung wirklich
oder nur vermeintlich vorliege, und was der Belei-
diger zu thun habe, um dem Beleidigten Genüge zu
thun und seinen Ruf zu repariren. Dies Urtheil
dürste nie direct oder iudirect auf Zweikampf lauten
und feine Vollstreckung müßte als genügende SatiS-
factiou für den Beleidigten gelten. Es ist mit großer
Genugthuung zu begrüßen, daß in der Sitzung des
Reichstags vom 17. November 1896 der Reichs-
kanzler Fürst zu Hohenlohe-SchillingSfürst mit Er-
mächtigung des Kaifers ausgesprochen hat: daß in
Anlehnung au die in Geltung gewesene Verordnung
vom 26. Juli 1843 über das Verfahren bei Untersuch-
ungen der zwischen Officieren vorfallenden Streitig-
keiten nnd Beleidigungen beabsichtigt werde, „diese
Streitigkeit-» und Beleidigungen der ehrengerichtlichen
Behandlung und Entscheidung zu uuterwerfen mit

der Wirkung, daß die Entscheidung, welche niemals
auf eine Nöthigung zum Zweikampf oder auf eine Zu-
lassung desselben lauten darf, für die streitenden
Theile unbedingt verbindlich ist." Vielleicht könnte
man den Schritt wagen, diese Behörden als gewill-
kürte Ehrengerichte sprechen zu lassen bei Conflikten
zwischen Officieren und Nicht-Officierev, wenn letztere
sich freiwillig ihnen unterstellen."

Deutsches Reich.
* Berlin, 8. Jan. Dem Reichstag ging eine
Denkschrift über die Entwickelung der Schutzgebiete
zu. — Staatssekretär v. Marschall ist heute zu kur-
zem Erholungsurlaub nach Locarno abgereist.
* Berlin, 8. Jan. Für die Offiziere der Ma-
rine ist gleichzeitig mit der an den Kriegsminister er-
gangenen Kadinets'Ordre über die Ehrengerichte der
Offiziere eine Kabinets-Ordre an den Reichskanzler
(Reichs-Marine-Amt) ergangen, die abgesehen von
nothwendigen redaktionellen Abänderungen den gleichen
Inhalt hat.
° Speyer, 7. Jan. Verschiedene bayerische Blät-
ter berichten, es verlaute gerüchtweise, daß Herr Prof.
Dr. Schädler in Landau als Domkapitular u. Dom-
pfarrer in Bamberg auSersehen sei.
* Frankfurt a. M., 8 Jan. Gleich am ersten
Tage des Antritts seiner Zwangshaft wurde
Redakteur Giesen aus dem Grrichtsgefängniß vor
das Amtsgericht eitirt, und befragt, ob er bei seiner
Zeugnißoer Weigerung beharre. Wie sich
das für jeden ehrenhaften Journalisten von selbst
versteht, bejahte Herr Giesen die Frage und verwahrte
sich entschieden gegen die Zumuthung, das Redaktion--
grheimüiß preiszugeben. Er sprach sein Erstaunen
darüber aus, daß eine solche Zumuthung gerade von
der Verwaltung ausgehe, die doch immer für die Hoch-
Haltung de- Ehrgefühls und der StandeSehre der
Offiziere mit so besonderem Nachdruck eintrete, und
erklärte, daß er mindestens mit demselben Rechte die
journalistische StandeSehre zu wahren habe, die ge-
biete, die Diskretion über die Mitarbeiter der Zeitung
wie ein Ehrenwort zu wahren, das zu brechen keine
Gesetzesauslegung und keine ZwangShaft ihn bewegen
werde. Eine solche wider die Ehre gehende gesetzliche
Pflicht könne er nicht anerkennen, und er glaube sich
darin einig zu wissen mit der Gesammtheit seiner
Berufsgenossen. Den Hinweis des Richters auf die
Gesetzesvorschriften über den Zeugnißzwang erklärte
Herr Giesen das Weiteren in seinem Falle als ver-

Stolz und Liebe. L«
Dem Amerikanischen nacherzählt.
. Es hätte dieser Worte nicht einmal bedurft, um Wal-
A die Gewißheit zu geben, daß er sich vorhin nicht ge-
"N, daß der Fremde William Bellenger sei, und er ant-
AMete in tnmselbkn leichten heiteren Tone: „Ja, heute
ich mich nicht mehr vor dem Löwen, und wäre er
'"bst so bärtig, wie Du geworden bist."
a. William Bellenaer, der Vetter Walters hatte alle
Erzöge und Voriheile einer großstädtischen Erziehung
mnvssen. In vollem Lexus ausgewachsen, ohne sich je eine
«nt.agul g auserlkgkn zu mosten, war aus ihm ein rechter
^bemann geworden mit dim Ansprüche, daß Alles seinen
Wünschen gehorchen müsse. Den ersten Widerstand fand
seine Mittel nicht mehr reichten, die den gesteigerten
«edwsrnssen entsprechenden Auslagen zu decken und a.ch
«er Vater tue Zuschrsse dem verzärtelten Sohne versagen
wußte. William war in das hewathsfähige Alter ringe-
Wen, seinem Vater war es nicht unangenehm, daß er
M nach einer re chen Erbin umsah. Der leichtfertige
Wunsch Mrs. Bartvw'S, der Großmutter Jessie's, ihre
Mkelin mit William Bellenger vermählt zu sehen, war
ifw iungen Manne nicht unbekannt geblieben. Auch wußte
fr, daß Dir. Graham, der Vater Jessie's, ein reicher
Muster in New York, ein ureimeßliches Vermögen besaß,
einstens der Trchter als Erbe andeimfiel. Nicht als
vb mr junge Mann sich nun schon ernstlich mit Heiraths-
xseanken getragen hätte, sendern wehr trüb ihn der Reiz
W-Neuen, sich nach der ihm von Großmutter Bartow's
.'stimmten Braut umzusehen, welche er seit seinen und
Kinder jähr en „uS dem Auge verloren hatte. Das
war der Zwick seiner Reise, auf der er sich eben befand.
bare- vor William nach New Haven gekommen war,
Newhork im Hause von Jessie's Groß-
vorgesprochln, um sich nach der
ibn ?E e zu erkundigen- Zwar sagte der Diener, der
dn« Wstlig, die ganze Familie sei aus dem Lande, aber
s lcharse Auge Williams entdeckte eine Frauengestalt,

die auf der oberen Treppe verborgen stand und lauschte.
Er errieth sofort, wer es sei und antwortete dem Diener:
„Ja, aber Mrs. Bortows wird hier sein. Geben Sie ihr
meine Karte, ich will auf Antwort warten "
Der Name B-llenger eröffnete ihm sogleich den Zutritt
zu der bejahrten Dame, und von ihr ersuhr er, daß Jessie
in Deerwovd sei, wahrscheinlich aber in den nächsten Ta-
gen rach New Haven gehen werde, wo ein Schützling Mr.
Grahams Promoviren solle. Sofort reiste William nach
New Haven, durchforschte die Fremdenbücher aller Hotels
und insp cirte die Gesichter der Fremden, bis er sich end-
lich überzeugen mußte, daß Jessie gar nicht in der Stadt
sei- Da erst beschloß er, seinen Cousin aufzusuchen, um
von ihm ihren Aufenthaltsort zu erfahren-
William trug bei der Begegnung mit Walter eine
Herzlichkeit und Freundlichkeit zur Schau, von welcher sein
Inneres nichts wußte. Ohne sich recht klar darüber zu sein,
warum, erblickte er in Walter einen Nebenbuhler. William
war zu seiner Ausbildung auch in Europa gewesen und
daselbst mrt Mr. Graham, da derselbe sich gleichfalls dort
aushielt, zusommengetilffen. Von ihm halte er die wärmsten
Lobsprüche über Walter gehört, und gerade dadurch hatte
sich seiner eine gewisse Eifersucht auf den Landjungen be
mächtigt, welche duich den heutigen Erfolg Walters nicht
vermindert worden war. Er vermochte die Furcht nicht
los zu Kurden, sein Cousin möchte nicht blos h?ch in der
Gunst Mr. Grahams, sondern auch in der seiner Tochter
stehen.
Auf diese suchte nun William, als er Walter und dem
alten Marshall ins Hotel gefolgt war, möglichst unbefangen
das Gespräch zu bringen. Nachdem er zunächst Mr. Gra-
hams erwähnt, fuhr er scheinbar gleichgültig fort: „Neben-
bei, Walter, seine Tochter Jessie ist wohl in Deerwovd,
nicht wahr?"
„ „Jawohl," erwiderte Walter. „Seit drei Wochen ist
sie wieder da. Während der sechs Jahre, daß ihr Vater
rn Europa verweilte, hat sie bei uns gewohnt, — ausge-
nommen die Zeit, daß sie in der Pension war."
Obschon William wußte, daß Jessie in Deerwovd er-
zogen worden war, that er erstaunt: „Dann wundere ich

mich, daß Jessie heute nicht hier ist. Wenn Ihr so lange
zusammengelebt habt, muß sie ja wohl ein schwesterliche»
Interesse an Dir nehmen."
Er richtete bei diesen Worten seine scharfen Augen
forschend auf Walter, welcher ruhig erwiderte: „Ich er-
wartete sie auch; ebenso meine Cousine. Aber wie ich von
meinem Großvaeer höre, ist Ellen krank und unfähig zu
reisen, und Jessie wollte sie nicht verlassen."
„Da scheint sie ja ihren Landfreunden sehr zugethan
zu sein," entgegnete William spöttisch, so daß Walter ihm
etwas erregt antwortete:
„Gewiß, sie liebt uns alle sehr. Uebrigens liebe ich sie
auch, wre meine Schwester. Und eine Schwester ist sie mir
in der That gewesen, ebenso wie Mr. Graham mir ein
zweiter Vater war. Ihm schulde ich alles, —"
„Doch nicht Deine Ausbildung?" unterbrach William ihn.
Walter zögerte mit der Antwort, weil es seinen Stolz
verletzte, einzugestehen, daß die Güte eines Fremden ihn
zu dem gemacht habe, was er geworden. Mr. Marshall
dagegen, dem ein solches Gefühl fremd war, antwortete
ihm: „Ja, Mr. Graham hat das Geld für seine Erziehung
hergegeben, und ich segne ihn alle Tage meines Lebens
für seine Wohltbat."
„Gewiß, Mr. Graham ist sehr freigebig," erwiderte
William so geringschätzig, daß Walter des Blut in die
„Wirst Du jetzt sofort nach Hause reisen?"
fuhr William fort.
„Mein Großvater wünscht, nach Massachusetts zu
re-sen, wo er serne Frau kennen gelernt hat, und weil ich
ihm versprochen habe, ihn dorthin zu begleiten, so werde
ich nicht vor Ablauf einer Woche nach Deerwovd zurück-
kehren."
Augenblicklich hellten sich Williams Züge auf.
„Dann gestatte mir, der Ueberbringer Deiner Grüße
zu sein, sagte er rasch, „denn da ich Miß Graham wieder-
zusehen wümche, so werde ich von hier aus nach Deerwovd
reffen. In Deiner Abwesenheit wird sie so wie so eines
Ritters bedürfen, und Du darfst mir vertrauen, daß ich
mein Bestes thun werde, wenn ich auch nicht boffen kann,
die Stelle eines Löwen würdig auszufüllen." (F. f.)
 
Annotationen