Pfcher Volksblalt
KMkU Mwch, dm 20. WM 1897.
Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huper in Heidelberg,
Iwisgerstraße 7.
Zur gefälligen Beachtung!
Auf das „Pfälzer Volksblatt- kann
strtwährend hier in unserem Expeditione
Lokale, Zwingerstraße Nr. 7, auswärts bei
"llrn Postämtern und Postboten abonnirt
werden.
Der Kronrath,
am 15. ds. beisammen war, hat sich, wie
nur mit der Erledigung
wird er der Opposition, wie die Dinge nun ein Mal
bei uns liegen, um so mehr nützen, je mehr er ihr zu
schaden gedenkt. Vor seiner alsbaldigen Abnutzung
im eben so furcht- wie fruchtlosen Kampfe gegen die
Opposition ist uns nicht bange. Der „Fels im Meere"
wird voraussichtlich die Rolle eines steinernen GasteS
spielen, dessen Gastspiel rascher endigt, als sich der
gewesene Ahlwardt-Moniteur träumen läßt."
Auf die Erzählungen der Staatsbürger Ztg. über
die Entwickelung der „bayerischen Frage" einzugehen,
verlohnt sich nicht der Mühe, wenn das Blatt ganz
ernsthaft glauben machen will, zwischen dem Kaiser u.
dem Kanzler bestehe wegen der Militärstrasprozeßord-
nung keine Meinungsverschiedenheit. Immerhin ift'S
gut, daß in der leeren, trüben Zeit Blätter vom
Schlage der Staatsbürger Ztg. mit Kennermiene für
etwas politischen Humor sorgen; so läßt sich die Sache
noch einigermaßen ertragen.
Der Mil.-Pol.-Corr, zufolge gibt man sich in
BundeSrathSkreisen wegen der Marinevorlage durchaus
keinem „Sanguinismus" hin. Um so etwas sagen zu
können, braucht man im Grunde auch nichts zu wissen.
Der Reichstag soll dem Berl. Tagebl. zufolge in der
ersten Dec-mberwoche einberufen werden. DaS kann
wahr, aber auch falsch sein. Da in Wahrheit außer den
wirklich Eingeweihten — falls eS solche überhaupt
gibt — niemand etwas weiß, die Eingeweihten aber
schweigen, so thut man am besten, in allen diesen
Dingen sich aufs ruhige Abwarten zu verlegen.
Verantwortlicher Redakteur
Joseph Huber in Heidelberg.
Ein Franenschicksal.
unerhoffte, überaus freundliche Entgegen-
»«sie» e."«genommen, babe Wilhelm dem ehemaligen Ge-
ksiLere schwierige Lage eröffnet, worauf dieser ihm »u-
8ra« iXsur ihn zu sorgen, er wolle nur schnell zu seiner
M und diese unterrichten- Bis zu seiner Rückkehr
hab-beim in einem Wirtbshause warten. Der Freund
dort i» """ durch einen Hof in ein Hintergebäude und
itvanri" b'n großes Zimmer geführt, in welchem sich etwa
besnL°,-versouen, meistens junge Leute in seinem Alter
Oben am Tische ser neben einem gewaltig bärti-
steten ein Mann in mittleren Jahren in einem
glatt-« sl-Wide, wie sein Freund, gesessen, der mit einem
Aizi Ä Süchte und kalten Blicken ihn angesehen und mit
Nur b°irxF"und einige Worte gewechselt, worauf jener
Werm Eg »»genickt habe. Sein Freund habe sich dann
eiu-r Wilhelm noch »»gerufen, daß er spätestens in
stunde »urückkommen werde.
Nied^A^m habe Man einem wenig besetzten Tische
svglii» und als er sich in der Gesellschaft umgesehe»,
WNllen »»behaglich gefühlt, denn die meisten der
-!,7ö»te seien schwer betrunken gewesen, und aus
idrü^Wren Umständen, ihren Gesichtern und ihrem Ge-
Abe er erkannt, daß Alle sich in verzweifelten Ver-
^rathen rwd er in die schlimmste Gesellschaft
ihn >hn nun geahnt, daß sein angeblicher Freund
°ber Az. h? aus Rache in diese Patsche geführt, er wollte
Anrath voreilig handeln und abwarten, und habe auf
heg Fremden seine düstere Stimmung zu verscheu-
Wem r. Nachdem weit üb«.r eine Stunde verflossen,
Freund sich entfernt hatte, ohne daß er »urück-
Mselk>°» ,'bm Zorn erwacht und erhübe angesangen, über
2- ??öuziehen, darauf sei der Bärtige, der neben
ihm 2 Gesichte gesessen, zu ihm gekommen, habe
sei ti» .„^rochen noch mehr »u warten, denn sein Freund
tNMrn»°» lässiger Man», daß es Niemanden einsalle, ihm
»uen, daß er sein Versprechen nicht halte; der Fremde
„In der Frage der Militärstrafprozeßreform und
der Flottenvermehrung herrscht zwischen dem Kaiser
und dem Kanzler keine Meinungsverschiedenheit, wohl
aber verschließt man sich an beiden Stellen der Wahr-
nehmung nicht, daß bei der immer stärker werdenden
demokratischen nnd partikularistischen Strömung ein
Leiter der ReichSgeschäfte nothwendig ist, der gleich
dem ersten Kanzler in der Lage ist, an seinem Platze
im Reichstage den Kampf mit der unnationalen Mehr-
heit aufzunehmen, wie ein Fels im brandenden Meere
die Regierungspolitik zu vertreten und dem Einheits-
gedanken zum Siege zu verhelfen. Dieser Einsicht
verscyließt sich weder der Kaiser noch sein Kanzler,
und es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß wir noch
vor dem Zusammentritte des Reichstages einen allsei
tigen Wünschen entsprechenden Kanzlerwechsel haben
werden, der aber keine Krisis, sondern eine Stärkung
der Regierung zur Folge haben würde."
Man beachte: Im Anfänge wird die acute Krisis
geleugnet, einige Zeilen weiter befindet sich der Kavz-
lerwechsel in der Schwebe, und am Schlüsse gibtS
trotz Kanzlerwechsel keine Krisis sondern eine Stärkung
der Regierung. Die Staatsbürgerzeitung ist bekannt-
lich ein „ernstes" Blatt, allem „Sensationellen" ab-
hold, empfindet aber in der stoffarmen Zeit Mitleid
mit den „sensationslüsternen" Blättern, die nichts In-
teressantes zn bringen wissen, und sorgt daher, gut-
müthig wie sie nun einmal ist, für den begehrten Stoff.
Gegen die demokratische und particularistische Ström-
ung soll es also loSgehen. Früher sprach man von
der ultramoutanfreisinnigsozialdemokratischen Mehrheit,
„unnational" sind beide. Das ist für die StaatSbür-
gerzeitung die Hauptsache.
Einen Anspruch auf Orginalität kann man eher
der Miltheilung einräumen, daß Fürst Hohenlohe nun
selbst von seiner Unfähigkeit, der Fels im brandenden
Meere zu sein, überzeugt se>. Wer soll denn nun der
kommende Mann sein, Waldersee, Köller, Mquel oder
wer sonst? Ein wahrer Riese unter den Staatsmän-
nern scheint sich der Redaktion der Staatsbürger Ztg.
vorgestellt zu haben, meint das Berliner Tageblatt,
ein größerer noch als Bismarck. Die Berl. VolkSztg.
schreibt:
„WaS uns betrifft, so ist uns jeder kommende
Mann lieb, der möglichst deutlich erkennen läßt, daß
er als Sturmbock gegen die mit den Verhältnissen im
Reiche unzufriedene Mehrheit des deutschen Volkes zu
figuriren gedenkt. Die Opposition braucht so einen
Mann zwar nicht unbedingt, da ihr bereits hinlänglich
in die Hände gearbeitet wird; aber wenn er da ist,
sei »u ihm gesessen, habe ihm zugetrunken, bis Wilhelm
vollständig betrunken geworden und von da nicht mehr ge-
wußt habe, was mit ihm von dort bis den andern Morgen
Wo er wieder zu sich gekommen, vorgefallen sei.
Als er des andern Morgens erwachte, habe er sich in
einer vergitterten Stube befunden, welche mit Stroh belegt
war, auf dem die meisten seiner gestrigen Genossen noch
in betrunkenem Zustande hingestreckt lagen; sein Pack mit
dem Gelde ist verschwunden gewesen, und als er endlich
wüthend über sich selbst und über Andere »u wissen verlangt
habe, wo er denn sei und was man mit ihm vorhabe, er-
hoben die Andern, soweit deren erwacht waren, ein wahr-
haft höllisches Gelächter.
Auf den Lärm sei der Bärtige erschienen nnd habe ibm
den Standpunkt k!c.r g«macht und ihm eröffnet, daß er sich
zum preußischen Militär habe anwerben lassen und nun
keinen eigene» Willen mehr habe. Wilhelm sei vor Zorn
fast sprachlos geworden und habe diese Mittheilurg auf
das Schärfste zurückgewiesen! Der Bärtige habe aber in
seine Tasche gegriffen und ihm ei» Papier vorgezeigt, auf
welchem sein Name unterschrieben war. Die Anderen be-
stätigten, daß er selber seinen Namen unterzeichnet habe
und der Bärtige habe sich dann mit dem Anfüge» entfernt,
Wilhelm's Gkpäck mit Inhalt sei gut ausbewahrt und
werde ihm, sobald er seine Kapitulationsjeit ausgedient
habe, »urückcrstattet werden, im Uebrigen habe er jetzt nur
Ordre zu pariren.
Nachdem der Verwundete eine längere Pause gemacht
und Äthern geschöpft hatte, fuhr er gegen meine Pflege-
mutter fort: „Ich komme nun zu dem traurigsten Abschnitt
meines Lebens- Das Bewußtsein, Anna sträflich verlassen
zu haben und der Gedanke, was aus ihr geworden sei,
peinigten mich auf das Schmerzlichste; ich machte dem Bär-
tigen Vorstellungen, mich nur auf einen Tag »u entlassen,
aber das blieb vergeblich, obgleich ich ihm begreiflich machte»
daß er ja mein garijes Vermögen als Pfand besitze."
„Wüthend über mein Mißgeschick und unfähig, mich
mit Gewalt »u befreien, ergab ich mich endlich, und in der
darauf folgenden Nacht wurden wir in einem gedeckten
Leiterwagen abg esührt und in einer preußischen Festung
A «m 15. vs. beisammen war, yat sich, wie
Post wissen will, nur mit der Erledigung
Re k ""stnden Geschäfte befaßt. Alle Nachrichten,
wirst ü^r die Verhandlungen in der
*Me verbreitet seien, beruhten auf reinen Combi-
^"vnen. Damit vielen auch alle Meldungen von
j^ttsätzeu innerhalb des Ministeriums und die
wieder auftauchenden Gerüchte über eine
j?"L.ktrkrisis. Wie man sieht, weiß auch die Post
Wstichkeit gar nichts.
tziMk den Humor in den Zwischenpausen deS
"uschen Drama's, das sich in den geheimnißvollen
bjj?" Regionen abspielt, sorgt inzw schen die Staats-
Leitung, der ehemalige Herold Ahlwardt'S. DaS
tssl» stsiche Blatt ist in Berlin das einzige Organ,
bereits über die Vorgänge im gestrigen Kron-
ly.1 unterrichtet ist. Mit „ziemlicher Gewißheit"
brr» Betrachtungen der Blätter über den Ue-
lx-Mg „von der schleichenden zur acuten Regierungs-
als verfehlt und müßig bezeichnet; daS Gut-
beS preußischen Staatsministeriums über die
des obersten Gerichtshofs in Bayern sei der
H^brnste BrrathungSgegenstand im Kronrath gewesen.
A,. Sommer hätten die entscheidenden Beschlüsse des
über die Milltärstrafplozeßreform vertagt
W N Müssen in Folge eines Einspruches von Bayern,
ri» *über habe daS preußische StaatSministerium
Gutachten an den Kaiser erstattet.
ü ^unn kann die Staatsbürgerzeitung den „sensa-
lüsternen" Blättern mittheilen, daß sich gegen-
tatsächlich ein Kanzlerwechsel in der Schwebe
W-daß er aber mit den im Vordergründe
staden politischen Fragen in keinem Zusammenhänge
tiigNch mit Ausnahme der Sonn- u. A^rate IffPaMge Petitzeile oder deren Raum
^.^nter^lEMat^^er^^nntagsb^e^ M A Äkllil» Priv'atanzeigen^smvie sürJchreÄnzeigen bedeutende
Kelberg monatlich Sv H mit Trägerlohn, durch » k Rabattbewllllgung.
^die Bost bezogen Viertels. 1.60 franco. _Expedition: Zwingerstraße 7.
Kaiser-Wichelm-Denkmal-Enthüllung in
Karlsruhe.
Die Feier dePEnthüllung des Kaiser-Denkmals.der
Haupt- u. Residenzstadt Karlsruhe wurde durch ein am
Sonntag Abend im großen Saale der Festhalle abge»
halteneS Festbankett eingeleitet. Die große Halle war
schon lange vor der Beginnzeit deS Banketts bis auf
den letzten Platz besetzt. Kurz nach 8 Uhr erschien der
Großherzog in Begleitung des Erbgroßherzogs u. des
Prinzen Hermann von Sachsen Weimar. Unter den
anwesenden Gästen waren das Gesammtministerium,
die Vertreter der Staats- und städtischen Behörden,
viele Offiziere, Stadträthe, Stadtverordnete usw. Ein-
geleitet wurde daS Fenstbankett durch zwei Vorträge
der Grenadierkapelle und durch den Männerchor von
Gogeur, „Die Krone am Rhein", meisterhaft gesungen
durch die „Liederhalle". Als die letzten Klänge des
gewaltigen Chores verklungen waren, brachte Ober.
angelangt, sofort in den Soldatenrock gesteckt. Was ich da
erduldet habe, will ich verschweigen; ich nahm mir aber
fest vor, bei der ersten Gelegenheit zu drsertiren. Diesen
Entschluß brachte ich aber erst nach der Schlacht bei Kollin
zur Ausführung. Ich wurde einem österreichischen Regiment
»ugetheilt und kam erst nach Jahren in diese Gegend."
„Während des Marsches war uns strengstens verpönt,
den Garmsonsort »u verlassen und namentlich traute man
uns Wenigen nicht, die von den Preußen desertirt waren»
Meine erste Sorge, als wir in E- etrquartirt wurden, war»
mich nach Anna zu erkundigen. Es traf sich glücklich, daß
die Frau, bei welcher ich einquartirt war, Anna kannte und
meine mündlichen und schriftlichen Aufträge ausrichtete."
„An dem Abend, auf welchen mir Anna eine Zusammen-
kunft unterhalb des Gottesackers bewilligt hatte, schlich ich
mich von Haus fort, hinter der Kirche durch und erstieg
die nur mannshohe äußere Umfassungsmauer. Hätte ich
dort mehr Vorsicht beobachtet und mich auf der Mauer
hingebückt oder gestreckt, so hätte mich die Wachs nicht be-
merkt. Unglücklicherweise fiel es mir aber em, mich aufzu-
richten; um sehen zu können, ob keine Wache in der Nähe
stehe und als ich sicher »u sein glaubte, sprang ich von der
Mauer herab; aber in diesem Moment muß mich die
Wache wahrgenommen haben, sie rief mich an und schoß,
da ich keine Antwort zu geben wagte, ihr Gewehr in der
Richtung gegen mich ab. Auf den Ruf „wer da" hatte ich
mich unwillkürlich umgewendet und ich fühlte augenblick-
lich, daß ich getroffen sei."
Vermuthlich sprang ich noch einige Schritte vorwärts
und fiel den ftaffelsörmigen Rain hinab und verlor das
Bewußtsein, Wie mir die Soldaten erzählten, die auf den
Schuß herbeigeeilt waren und mich am Fuße des Abhanges,
dort, wo das erste Stationsbild zum Kreuzweg steht.
„Mit mir hat es nun ein Ende; ich habe nun wenig«
ftens noch erreicht, daß Anna erfährt, wie ich schändlicher»
weise um all' mein Lebensglück gebracht worden bin. Er
knirschte Läbei auf den Zähnen."
Fortsetzung folgt.
KMkU Mwch, dm 20. WM 1897.
Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huper in Heidelberg,
Iwisgerstraße 7.
Zur gefälligen Beachtung!
Auf das „Pfälzer Volksblatt- kann
strtwährend hier in unserem Expeditione
Lokale, Zwingerstraße Nr. 7, auswärts bei
"llrn Postämtern und Postboten abonnirt
werden.
Der Kronrath,
am 15. ds. beisammen war, hat sich, wie
nur mit der Erledigung
wird er der Opposition, wie die Dinge nun ein Mal
bei uns liegen, um so mehr nützen, je mehr er ihr zu
schaden gedenkt. Vor seiner alsbaldigen Abnutzung
im eben so furcht- wie fruchtlosen Kampfe gegen die
Opposition ist uns nicht bange. Der „Fels im Meere"
wird voraussichtlich die Rolle eines steinernen GasteS
spielen, dessen Gastspiel rascher endigt, als sich der
gewesene Ahlwardt-Moniteur träumen läßt."
Auf die Erzählungen der Staatsbürger Ztg. über
die Entwickelung der „bayerischen Frage" einzugehen,
verlohnt sich nicht der Mühe, wenn das Blatt ganz
ernsthaft glauben machen will, zwischen dem Kaiser u.
dem Kanzler bestehe wegen der Militärstrasprozeßord-
nung keine Meinungsverschiedenheit. Immerhin ift'S
gut, daß in der leeren, trüben Zeit Blätter vom
Schlage der Staatsbürger Ztg. mit Kennermiene für
etwas politischen Humor sorgen; so läßt sich die Sache
noch einigermaßen ertragen.
Der Mil.-Pol.-Corr, zufolge gibt man sich in
BundeSrathSkreisen wegen der Marinevorlage durchaus
keinem „Sanguinismus" hin. Um so etwas sagen zu
können, braucht man im Grunde auch nichts zu wissen.
Der Reichstag soll dem Berl. Tagebl. zufolge in der
ersten Dec-mberwoche einberufen werden. DaS kann
wahr, aber auch falsch sein. Da in Wahrheit außer den
wirklich Eingeweihten — falls eS solche überhaupt
gibt — niemand etwas weiß, die Eingeweihten aber
schweigen, so thut man am besten, in allen diesen
Dingen sich aufs ruhige Abwarten zu verlegen.
Verantwortlicher Redakteur
Joseph Huber in Heidelberg.
Ein Franenschicksal.
unerhoffte, überaus freundliche Entgegen-
»«sie» e."«genommen, babe Wilhelm dem ehemaligen Ge-
ksiLere schwierige Lage eröffnet, worauf dieser ihm »u-
8ra« iXsur ihn zu sorgen, er wolle nur schnell zu seiner
M und diese unterrichten- Bis zu seiner Rückkehr
hab-beim in einem Wirtbshause warten. Der Freund
dort i» """ durch einen Hof in ein Hintergebäude und
itvanri" b'n großes Zimmer geführt, in welchem sich etwa
besnL°,-versouen, meistens junge Leute in seinem Alter
Oben am Tische ser neben einem gewaltig bärti-
steten ein Mann in mittleren Jahren in einem
glatt-« sl-Wide, wie sein Freund, gesessen, der mit einem
Aizi Ä Süchte und kalten Blicken ihn angesehen und mit
Nur b°irxF"und einige Worte gewechselt, worauf jener
Werm Eg »»genickt habe. Sein Freund habe sich dann
eiu-r Wilhelm noch »»gerufen, daß er spätestens in
stunde »urückkommen werde.
Nied^A^m habe Man einem wenig besetzten Tische
svglii» und als er sich in der Gesellschaft umgesehe»,
WNllen »»behaglich gefühlt, denn die meisten der
-!,7ö»te seien schwer betrunken gewesen, und aus
idrü^Wren Umständen, ihren Gesichtern und ihrem Ge-
Abe er erkannt, daß Alle sich in verzweifelten Ver-
^rathen rwd er in die schlimmste Gesellschaft
ihn >hn nun geahnt, daß sein angeblicher Freund
°ber Az. h? aus Rache in diese Patsche geführt, er wollte
Anrath voreilig handeln und abwarten, und habe auf
heg Fremden seine düstere Stimmung zu verscheu-
Wem r. Nachdem weit üb«.r eine Stunde verflossen,
Freund sich entfernt hatte, ohne daß er »urück-
Mselk>°» ,'bm Zorn erwacht und erhübe angesangen, über
2- ??öuziehen, darauf sei der Bärtige, der neben
ihm 2 Gesichte gesessen, zu ihm gekommen, habe
sei ti» .„^rochen noch mehr »u warten, denn sein Freund
tNMrn»°» lässiger Man», daß es Niemanden einsalle, ihm
»uen, daß er sein Versprechen nicht halte; der Fremde
„In der Frage der Militärstrafprozeßreform und
der Flottenvermehrung herrscht zwischen dem Kaiser
und dem Kanzler keine Meinungsverschiedenheit, wohl
aber verschließt man sich an beiden Stellen der Wahr-
nehmung nicht, daß bei der immer stärker werdenden
demokratischen nnd partikularistischen Strömung ein
Leiter der ReichSgeschäfte nothwendig ist, der gleich
dem ersten Kanzler in der Lage ist, an seinem Platze
im Reichstage den Kampf mit der unnationalen Mehr-
heit aufzunehmen, wie ein Fels im brandenden Meere
die Regierungspolitik zu vertreten und dem Einheits-
gedanken zum Siege zu verhelfen. Dieser Einsicht
verscyließt sich weder der Kaiser noch sein Kanzler,
und es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß wir noch
vor dem Zusammentritte des Reichstages einen allsei
tigen Wünschen entsprechenden Kanzlerwechsel haben
werden, der aber keine Krisis, sondern eine Stärkung
der Regierung zur Folge haben würde."
Man beachte: Im Anfänge wird die acute Krisis
geleugnet, einige Zeilen weiter befindet sich der Kavz-
lerwechsel in der Schwebe, und am Schlüsse gibtS
trotz Kanzlerwechsel keine Krisis sondern eine Stärkung
der Regierung. Die Staatsbürgerzeitung ist bekannt-
lich ein „ernstes" Blatt, allem „Sensationellen" ab-
hold, empfindet aber in der stoffarmen Zeit Mitleid
mit den „sensationslüsternen" Blättern, die nichts In-
teressantes zn bringen wissen, und sorgt daher, gut-
müthig wie sie nun einmal ist, für den begehrten Stoff.
Gegen die demokratische und particularistische Ström-
ung soll es also loSgehen. Früher sprach man von
der ultramoutanfreisinnigsozialdemokratischen Mehrheit,
„unnational" sind beide. Das ist für die StaatSbür-
gerzeitung die Hauptsache.
Einen Anspruch auf Orginalität kann man eher
der Miltheilung einräumen, daß Fürst Hohenlohe nun
selbst von seiner Unfähigkeit, der Fels im brandenden
Meere zu sein, überzeugt se>. Wer soll denn nun der
kommende Mann sein, Waldersee, Köller, Mquel oder
wer sonst? Ein wahrer Riese unter den Staatsmän-
nern scheint sich der Redaktion der Staatsbürger Ztg.
vorgestellt zu haben, meint das Berliner Tageblatt,
ein größerer noch als Bismarck. Die Berl. VolkSztg.
schreibt:
„WaS uns betrifft, so ist uns jeder kommende
Mann lieb, der möglichst deutlich erkennen läßt, daß
er als Sturmbock gegen die mit den Verhältnissen im
Reiche unzufriedene Mehrheit des deutschen Volkes zu
figuriren gedenkt. Die Opposition braucht so einen
Mann zwar nicht unbedingt, da ihr bereits hinlänglich
in die Hände gearbeitet wird; aber wenn er da ist,
sei »u ihm gesessen, habe ihm zugetrunken, bis Wilhelm
vollständig betrunken geworden und von da nicht mehr ge-
wußt habe, was mit ihm von dort bis den andern Morgen
Wo er wieder zu sich gekommen, vorgefallen sei.
Als er des andern Morgens erwachte, habe er sich in
einer vergitterten Stube befunden, welche mit Stroh belegt
war, auf dem die meisten seiner gestrigen Genossen noch
in betrunkenem Zustande hingestreckt lagen; sein Pack mit
dem Gelde ist verschwunden gewesen, und als er endlich
wüthend über sich selbst und über Andere »u wissen verlangt
habe, wo er denn sei und was man mit ihm vorhabe, er-
hoben die Andern, soweit deren erwacht waren, ein wahr-
haft höllisches Gelächter.
Auf den Lärm sei der Bärtige erschienen nnd habe ibm
den Standpunkt k!c.r g«macht und ihm eröffnet, daß er sich
zum preußischen Militär habe anwerben lassen und nun
keinen eigene» Willen mehr habe. Wilhelm sei vor Zorn
fast sprachlos geworden und habe diese Mittheilurg auf
das Schärfste zurückgewiesen! Der Bärtige habe aber in
seine Tasche gegriffen und ihm ei» Papier vorgezeigt, auf
welchem sein Name unterschrieben war. Die Anderen be-
stätigten, daß er selber seinen Namen unterzeichnet habe
und der Bärtige habe sich dann mit dem Anfüge» entfernt,
Wilhelm's Gkpäck mit Inhalt sei gut ausbewahrt und
werde ihm, sobald er seine Kapitulationsjeit ausgedient
habe, »urückcrstattet werden, im Uebrigen habe er jetzt nur
Ordre zu pariren.
Nachdem der Verwundete eine längere Pause gemacht
und Äthern geschöpft hatte, fuhr er gegen meine Pflege-
mutter fort: „Ich komme nun zu dem traurigsten Abschnitt
meines Lebens- Das Bewußtsein, Anna sträflich verlassen
zu haben und der Gedanke, was aus ihr geworden sei,
peinigten mich auf das Schmerzlichste; ich machte dem Bär-
tigen Vorstellungen, mich nur auf einen Tag »u entlassen,
aber das blieb vergeblich, obgleich ich ihm begreiflich machte»
daß er ja mein garijes Vermögen als Pfand besitze."
„Wüthend über mein Mißgeschick und unfähig, mich
mit Gewalt »u befreien, ergab ich mich endlich, und in der
darauf folgenden Nacht wurden wir in einem gedeckten
Leiterwagen abg esührt und in einer preußischen Festung
A «m 15. vs. beisammen war, yat sich, wie
Post wissen will, nur mit der Erledigung
Re k ""stnden Geschäfte befaßt. Alle Nachrichten,
wirst ü^r die Verhandlungen in der
*Me verbreitet seien, beruhten auf reinen Combi-
^"vnen. Damit vielen auch alle Meldungen von
j^ttsätzeu innerhalb des Ministeriums und die
wieder auftauchenden Gerüchte über eine
j?"L.ktrkrisis. Wie man sieht, weiß auch die Post
Wstichkeit gar nichts.
tziMk den Humor in den Zwischenpausen deS
"uschen Drama's, das sich in den geheimnißvollen
bjj?" Regionen abspielt, sorgt inzw schen die Staats-
Leitung, der ehemalige Herold Ahlwardt'S. DaS
tssl» stsiche Blatt ist in Berlin das einzige Organ,
bereits über die Vorgänge im gestrigen Kron-
ly.1 unterrichtet ist. Mit „ziemlicher Gewißheit"
brr» Betrachtungen der Blätter über den Ue-
lx-Mg „von der schleichenden zur acuten Regierungs-
als verfehlt und müßig bezeichnet; daS Gut-
beS preußischen Staatsministeriums über die
des obersten Gerichtshofs in Bayern sei der
H^brnste BrrathungSgegenstand im Kronrath gewesen.
A,. Sommer hätten die entscheidenden Beschlüsse des
über die Milltärstrafplozeßreform vertagt
W N Müssen in Folge eines Einspruches von Bayern,
ri» *über habe daS preußische StaatSministerium
Gutachten an den Kaiser erstattet.
ü ^unn kann die Staatsbürgerzeitung den „sensa-
lüsternen" Blättern mittheilen, daß sich gegen-
tatsächlich ein Kanzlerwechsel in der Schwebe
W-daß er aber mit den im Vordergründe
staden politischen Fragen in keinem Zusammenhänge
tiigNch mit Ausnahme der Sonn- u. A^rate IffPaMge Petitzeile oder deren Raum
^.^nter^lEMat^^er^^nntagsb^e^ M A Äkllil» Priv'atanzeigen^smvie sürJchreÄnzeigen bedeutende
Kelberg monatlich Sv H mit Trägerlohn, durch » k Rabattbewllllgung.
^die Bost bezogen Viertels. 1.60 franco. _Expedition: Zwingerstraße 7.
Kaiser-Wichelm-Denkmal-Enthüllung in
Karlsruhe.
Die Feier dePEnthüllung des Kaiser-Denkmals.der
Haupt- u. Residenzstadt Karlsruhe wurde durch ein am
Sonntag Abend im großen Saale der Festhalle abge»
halteneS Festbankett eingeleitet. Die große Halle war
schon lange vor der Beginnzeit deS Banketts bis auf
den letzten Platz besetzt. Kurz nach 8 Uhr erschien der
Großherzog in Begleitung des Erbgroßherzogs u. des
Prinzen Hermann von Sachsen Weimar. Unter den
anwesenden Gästen waren das Gesammtministerium,
die Vertreter der Staats- und städtischen Behörden,
viele Offiziere, Stadträthe, Stadtverordnete usw. Ein-
geleitet wurde daS Fenstbankett durch zwei Vorträge
der Grenadierkapelle und durch den Männerchor von
Gogeur, „Die Krone am Rhein", meisterhaft gesungen
durch die „Liederhalle". Als die letzten Klänge des
gewaltigen Chores verklungen waren, brachte Ober.
angelangt, sofort in den Soldatenrock gesteckt. Was ich da
erduldet habe, will ich verschweigen; ich nahm mir aber
fest vor, bei der ersten Gelegenheit zu drsertiren. Diesen
Entschluß brachte ich aber erst nach der Schlacht bei Kollin
zur Ausführung. Ich wurde einem österreichischen Regiment
»ugetheilt und kam erst nach Jahren in diese Gegend."
„Während des Marsches war uns strengstens verpönt,
den Garmsonsort »u verlassen und namentlich traute man
uns Wenigen nicht, die von den Preußen desertirt waren»
Meine erste Sorge, als wir in E- etrquartirt wurden, war»
mich nach Anna zu erkundigen. Es traf sich glücklich, daß
die Frau, bei welcher ich einquartirt war, Anna kannte und
meine mündlichen und schriftlichen Aufträge ausrichtete."
„An dem Abend, auf welchen mir Anna eine Zusammen-
kunft unterhalb des Gottesackers bewilligt hatte, schlich ich
mich von Haus fort, hinter der Kirche durch und erstieg
die nur mannshohe äußere Umfassungsmauer. Hätte ich
dort mehr Vorsicht beobachtet und mich auf der Mauer
hingebückt oder gestreckt, so hätte mich die Wachs nicht be-
merkt. Unglücklicherweise fiel es mir aber em, mich aufzu-
richten; um sehen zu können, ob keine Wache in der Nähe
stehe und als ich sicher »u sein glaubte, sprang ich von der
Mauer herab; aber in diesem Moment muß mich die
Wache wahrgenommen haben, sie rief mich an und schoß,
da ich keine Antwort zu geben wagte, ihr Gewehr in der
Richtung gegen mich ab. Auf den Ruf „wer da" hatte ich
mich unwillkürlich umgewendet und ich fühlte augenblick-
lich, daß ich getroffen sei."
Vermuthlich sprang ich noch einige Schritte vorwärts
und fiel den ftaffelsörmigen Rain hinab und verlor das
Bewußtsein, Wie mir die Soldaten erzählten, die auf den
Schuß herbeigeeilt waren und mich am Fuße des Abhanges,
dort, wo das erste Stationsbild zum Kreuzweg steht.
„Mit mir hat es nun ein Ende; ich habe nun wenig«
ftens noch erreicht, daß Anna erfährt, wie ich schändlicher»
weise um all' mein Lebensglück gebracht worden bin. Er
knirschte Läbei auf den Zähnen."
Fortsetzung folgt.