Wtzer VMsdlatt
UMkig, MN dm K Windei 1897.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber irr Heidelberg.
^hmen immer noch alle Postämter auf die täglich er«
Meinende Zeitung
.Pfälzer Pottsblatt"
At der wöchentlichen Gratisbeilage „Der LonntagK-
n*te"), sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
draße 7, entgegen.
Expedition -es „Pssher Volksblstt".
Heidelberg Zwingerstraße 7
Mesteü'ungen
'ir den Monat
Einige Tage blieb Miliane fast immer in ihrem Atelier
^geschlossen, ohne jedoch viel zu arbeiten.
Nette blieb im Wohnzimmer allein, und selbst wenn
Deutsches Reich.
* München, 8. Dez. Bei der gestrigen Präsi-
dentenwahl in der Kammer der Abgeordneten wurde
der liberale Vizepräsident Clemm mit 81 Stimmen
zum Präsidenten gewählt. Der frühere Präsident
Freiherr v. Walter (Ctr.) erhielt 71 Stimmen.
auch den Stützpunkt für den später» deutschen Einfluß
in derselben Provinz abgeden würde, auf unsere Auf-
fassung der Angelegenheit in keiner Weise einzuwirken,
und noch weniger könnten selbstverständlich die deut-
schen Katholiken damit einverstanden sein, daß die
katholischen Missionen in China zum Ausgangspunkte
einer sogen. Weltpolitik genommen würden, welche
uns in unibsehbare Schwierigkeiten und Verwickel«
ungen zu führen geeignet wäre.
Man kann sagen, daß neuerdings die Stimmung
in dieser Beziehung eine ruhigere geworden ist. Zwar
hat amtlich oder halbamtlich nichts darüber verlautet,
ob das Deutsche Reich aus Kiaotschau wieder heraus-
gehen oder dort festen Fuß fassen werde, etwa wie
die Oesterreicher, Franzosen und Engländer mit Be-
zug auf Bosnien, Tunis und Aegypten. Aber als
feststehend darf heute wohl erachtet werden, daß keine
europäische Macht die Räumung dieser zur Erzwing-
ung einer Genugthuung u. Verhinderung der Wieder-
kehr ähnlicher Vorgänge besetzte Stellung vom Deut-
schen Reiche verlangt hat.
Wenn die Position in Kiaotschau gehalten werden
sollte, werden wohl wnthschafts politische Erwägungen
dafür wesentlich mitbestimmend sein. Und eS läßt sich
leider nicht verkennen, daß die wirthschaftliche Lage
auch im Deutschen Reiche mit jedem Tage schwieriger
wird, nachdem alle europäischen Staaten sich mit
Zollschranken umgeben haben, der armerikanische Markt
immer mehr verschlossen wird und neuerdings auch
England dem Zollvereins-System zuneigt. Da liegt
gewiß der Gedanke nahe, im äußersten Osten unser
Export- und Absatz-Gebiet nach Möglichkeiten zu er-
weitern und zwar nicht einmal in erster Linie im Inte-
resse unserer Capitalisten, sondern vor allem im Interesse
unserer gewaltig zunehmenden Arbeiterbevölkeruug.
In dem weiten chinesischen Reiche suchen sich alle
europäischen Nationen wirthschaftliche» Einfluß zu
sichern; diejenige, welche sich auSschließen ließe, würde,
namentlich wenn Europa noch ein bischen schutzzöll-
nerischer geworden sein wird, als es jetzt ist, ihre
Lebensintereffen gefährden.
Sprechen diese Gesichtspunkte bei der Occupatiou
Kiaotschau'- mit, so wird, wie wir schon bemerkten,
niemand etwas dagegen zu erinnern Haden, vorauSge.
setzt, daß keine politischen und vor allem keine krie-
gerischen Complicationen daraus erwachsen. In dieser
Beziehung darf wohl gegenwärtig als au-gemacht er-
achtet werden, daß Rußland gegen die Festsetzung deS
Deutschen Reiche- in dem chinesischen Hafen nichts zu
erinnern hat, und daß Frankreich die gleiche Stellung
rinnimmt. Für diese beiden Staaten ist selbstverständ-
lich weniger die Rücksicht auf die Interessen des Deut-
schen Reiches, als der Interessengegensatz maßgebend,
in welchem dieselben sich hinsichtlich OstasienS gegen-
über England befinden.
Wenn wir diese Lage der Dinge nüchtern ins
Auge fassen, so braucht der Umstand, daß die katho-
lische Diözese Schavtung den Ausgangspunkt für die
jetzige deutsche Aktion geliefert hat und naturgemäß
sie zusammen waren, wurde das Schweigen nur selten
unterbrochen.
Zum erste» Male in ihrem Leben fand Miliane keine
Sympathie der ihrer Schwester; es war ihr unangenehm,
daß Nette ihr Alles laut zugesügt hatte, was ihr Gewissen
schon lange flüsterte, aber die Stimme der Leidenschaft
sprach zu heftig, als daß sie der Vernunft hätte lauschen
können. Erich war der einzige Gegenstand ihrer Gedanken.
Was Leo empfinden und ihm und ihr vorwerfen würde,
das war ihr Nebensache, und doch fühlte sie sich durchaus
nicht glücklich. „Und ist das nun die Liebe, wovon die
Dichter fingen und wovon ich so oft träumte? Wird dieses
Gefühl mich nun immer beseelen, so lange ich an Erich's
Seite lebe ? Ist es Schmerz oder Freude, Genuß oder Pein?
Vielleicht fühle ich jetzt Gewissensbisse gegenüber Leo; wenn
jenes Band zerrissen ist, werde ich ohne Zweifel das volle
Maß des Glückes kennen!" Und dann rief sie sich alle
Worte und Liebesbeweise Erich's ins Gedächtnis und jedes-
mal durchzuckte cs sie mit Wonne und Schauder; sie ver-
langte nach seiner Gegenwart und fürchtete sich vor feiner
Wiederkehr. War das nun Liebe? Und in solchen Gedanken
verbrachte sie halb träumend und halb wachend ihre Tage
und gerieth in eine fortwährend sich steigernde Erregung
hinein. Es wurde ihr zu eng im Atelier, sie konnte nicht
mehr arbeiten, ihr Kopf war wirr; die Entscheidung nahte
und Miliane wurde immer unruhiger, doch wohin sollte
sie gehen? Mit Nette konnte sie nicht sprechen, weil sie
wußte, daß die ehrliche Seele das ganze Verhältniß miß-
billigte; auch wollte sie um keinen Preis ihre Unruhe zei-
gen. So saß Miliane vor ihrer Staffelei, den Kopf in die
Hände gestützt und mit ihren Gedanken in weiter Ferne.
Wohl dachte sie daran, ihr Herz vor Gott im Gebete auS-
schütten, aber was sollte sie beten? Daß Gott ihre Liebe
segnen möge? Aber die "iebe war sündig, auf Berrath und
Selbstsucht gebaut, wie Nette gesagt hatte, und wen» Mi-
liane es auch nicht bekennen wollte, so fühlte sie doch, daß
es wahr war und daß solch' ein Gebet eine Profimation
sein würde. Daß Leo die Dinge ruhig hinnehmen möchte?
War rS kein niedriger, schändlicher Egoismus, so zu fragen?
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 7. Dez.
Am BundeSrathStische Kriegkminister von Soßler,
Staatssekretär v. Posadowsky, die Staatssekretäre
Thielmann, Tirpitz, Reichskanzler Fürst Hohenlohe,
Staatssekretär v. Bülow.
Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20
Minuten. Fortsetzung der gestrigen Berathung der
Marinevorlage.
Abg. Richter (Freis. VolkSp.): Im Weißen Saale
wurde er als Pflicht des Reichstag- bezeichnet, das
zu schirmen und zu wahren, was Kaiser Wilhelm I.
geschaffen. Dem hat sich der Reichstag niemals ent-
zogen ; nicht nur das Heer, sondern auch die Mariue,
die „heißgeliebte- Flotte, ist bedeutend gesteigert
worden. Ich will die chinesische Frage nicht hinein-
ziehen, aber unsere Machtentfaltung in Ostafien ist
so bedeutend wie nie zuvor. Die Regierung muß
doch die Marine dieser Aufgabe für gewachsen halten.
Und läuft nicht ohnehin ein Schiff nach dem andern
vom Stapel? Als seiner Zeit vier Panzer gefordert
wurden, stellte man ein langsameres Tempo in Aus-
sicht. Dies ist seitdem längst anders geworden.
Hätten wir alle Forderungen der Regierung, besonders
sür die Marine, bewilligt, so hätten wir heute 100
Millionen neuer Steuern, die jetzt entbehrlich sind.
Die deutsche Flotte ist aus den Forderungen deS
Jahres 1848 erwachsen. Wir brauchen eine Flotte
nur zum Schutze der HandelSinteressen im Auslände
und zum Schutze der Nord- und Ostsee. Auch über
die Zahl der auswärtigen Stationen bestehe nirgends
eine Meinungsverschiedenheit, aber es sei falsch, die
Nein! sie fühlte sich verlassen von Gott und den Menschen.
Käme nur ein Briefchen von Erich, dem Einzigen, der ihr
zur Seite stand, der ihre Kämpfe und Zweifel verstand,
der die Verantwortlichkeit für Alles auf sich genommen
hatte. Mit ihm, dessen war sie sich bewußt, vermochte sie
Alles, war sie stark selbst der Stimme ihres Gewissens
gegenüber; ohne ihn aber stand sie schwach und wehrlos
selbst vor ihrer Schwester da. Welche Mühe sie sich auch
gab. sie konnte sich kein Glück an seiner Seite denken ohne
tiefen Schatten, der Alles überdeckte.
Es wurde geschellt. Eine scharfe Stimme frug unten
im Gange: „Sind die Damen zu Hanse?" und auf die
bejahende Antwort trat die Besucheri« ins Haus.
„Frau öilverda I" rief Nette erstaunt, denn es war
Abend und stürmisches, regnerisches Wetter.
„Wo ist Mimi? O Gott! ich begreife nichts davon. ES
ist gewiß ein schreckliches Unglück; ich bin gleich hierher
gefahren. Da ist das Telegramm! Lesen Sie nur, was
muß ich beginnen?" Und die alte Dame ließ sich außer
Athem und tief aufseufzend in einen Sessel fallen, während
sie Nette ein Stück Papier überreichte.
„Was ist geschehen?" und Miliane, todtenbleich, mit
verwirrten Locken, ein Bild der Angst und deS Schreckens,
stand hinter ihrer Schwester.
Nette las laut und mit zitternder Stimme: „Ernstliche
Gefahr. Hilverda besser. Alkeraede kerbend. Doktor Schön."
„O Gott! sie haben sich einander ermordet! für mich !
mit dem herzzerreißenden Schrei warf Miliane sich nieder.
„Ermordet? Ermordet! Warum sollten sie einander
ermordet haben?" frug Frau Hilverda. das schreckliche
Wort dreimal wiederholend ohne zu bemerken, wie Miliane
jcdeSmal jammernd zusammenfuhr. „ES ist schrecklich Mr
Sie, natürlich," fuhr sie unbarmherzig fort, „aber für mich
ist eS wenigstens eine Beruhigung, daß mein Sohn besser
zu werden scheint. Es ist gewiß ein Telegramm verloren
gegangen- Was denken Sie davon, Annette?"
(Fortsetzung folgt.)
tLulich (mit Ausnahme der Sonn- fu. . Suserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Rau»
Olagti für ?8ilfiksieis, Fllilikls äi Äklhf-
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
LwtngerSraßr 7.
Die Vorgänge in Mafien.
Es läßt sich uicht leugnen, daß die Besetzung deS
Hafens von K ootschau und die daran sich anschließen >
weitern Maßregeln in D-utschlavd eine gewiss«
Beunruhigung erregt hatten und zwar auch in solchen
Preise«, welche die deutsche auswärtige Politik keines-
mit Mißtrauen oder gar Uebelwolleu verfolgen.
Acht nur in der CentrumSpresse, welcher niemand
Voreingenommenheit gegen das Auswärtige Amt
wird vorwerfeu können, sondern auch in rechts-
Menden national liberalen Blätter» konnte man
dem Ausdrucke dieser kritischen und besorgten Stim-
mung begegne».
„ Wir haben unsere Stellung zu dem ostafiatischen
Zwischenfall schon vor längerer Zeit kurz dahin gekenn-
Aichnet: Für die Ermordung der Missionare muß von
^hina Genugthuung verlavgt u. erlangt werden; je mehr
^urch die Art der Genugthuung der Wiederkehr ähn-
«cher Fälle vorgebcugt werden kann, um so besser;
wenn darüber hinaus deutsche handelspolitische Zwecke
sich bei dieser Gelegenheit ohne Gefährdung wichtigerer
Interessen fördern lassen, so wird niemand in Deutsch-
land etwas dagegen eivzuwenden haben. Die Be-
lorgniß, welche angesichts der ostafiatischen Vorgänge
sich geltend machte, war lediglich durch die Frage
Adingt, ob unser Vorgehen in Kiaotschau uns nicht
Verwickelungen und Streit mit fremden Mächten auf
"kn Hals laden würde.
Melisne. »7/
Erzählung von Melativ Iva. A s em ö- a bischen von
L- v. Hcemstede.
, »Früh oder spät wirst Du an unserem Glück theil-
Uehwkn, Nette!"
,, „An dem Glück auf den Ruinen eines Anderen? Ein
schwaches Fundament, Schwester! Es ist eine üble Sache,
an erster Stelle fein eigenes Glück zu suche», das verspricht
"ichls Gutes."
, Sie sprachen nicht weiter, sondern gingen schweiaend
A das Haus hinein; Nette schrieb ein paar Worte an Frau
Wvcrda, die ihr Mittagsschläfchen hielt, um ihr mitzu-
Milen, daß Miliane in Geschäften zur Stadt müsse und daß
ne daher unmittelbar zur nächsten Station gehen wollten.
Zu Hause angelangt, zog Miliane sich auf ihr Atelier
zurück; gegen Abend gab sie einen Brief für Hilverda zur
Kost, und schon am folgenden Morgen beim Frühstück hatte
P eine Antwort - „Meine Herzensbraut! Ich achte Deine
Aewifsensbedenken. Ja, erst mußt Du frei sein, um ohne
Kkrupel die Meine werden zu können. Ich habe jedoch alle
Verantwortlichkeit auf mich genommen! io muß ich allein
-je Folgen unseres Entschlusses tragen. Wenn Du diese
Zeile» empfängst, bin ich schon nach Italien abgereist, wo
A ihm persönlich Alles mittheilen und Deinen Brief zu-
«llen werde. Leb' wohl auf Wiedersehen, um nimmermehr
fit scheiden, meine Miliane! Ich bin voll Muth. Dein bi»
w den Tod getreuer Erich"
. Und daneben lag ein Brief von Leo, den Miliane
wcht anrührte.
„ „Reisest Du beute nach England ab?" frug Nette, als
sie den Brief gelesen hatte.
„Noch nicht!" war die eben so kurze Antwort.
UMkig, MN dm K Windei 1897.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber irr Heidelberg.
^hmen immer noch alle Postämter auf die täglich er«
Meinende Zeitung
.Pfälzer Pottsblatt"
At der wöchentlichen Gratisbeilage „Der LonntagK-
n*te"), sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
draße 7, entgegen.
Expedition -es „Pssher Volksblstt".
Heidelberg Zwingerstraße 7
Mesteü'ungen
'ir den Monat
Einige Tage blieb Miliane fast immer in ihrem Atelier
^geschlossen, ohne jedoch viel zu arbeiten.
Nette blieb im Wohnzimmer allein, und selbst wenn
Deutsches Reich.
* München, 8. Dez. Bei der gestrigen Präsi-
dentenwahl in der Kammer der Abgeordneten wurde
der liberale Vizepräsident Clemm mit 81 Stimmen
zum Präsidenten gewählt. Der frühere Präsident
Freiherr v. Walter (Ctr.) erhielt 71 Stimmen.
auch den Stützpunkt für den später» deutschen Einfluß
in derselben Provinz abgeden würde, auf unsere Auf-
fassung der Angelegenheit in keiner Weise einzuwirken,
und noch weniger könnten selbstverständlich die deut-
schen Katholiken damit einverstanden sein, daß die
katholischen Missionen in China zum Ausgangspunkte
einer sogen. Weltpolitik genommen würden, welche
uns in unibsehbare Schwierigkeiten und Verwickel«
ungen zu führen geeignet wäre.
Man kann sagen, daß neuerdings die Stimmung
in dieser Beziehung eine ruhigere geworden ist. Zwar
hat amtlich oder halbamtlich nichts darüber verlautet,
ob das Deutsche Reich aus Kiaotschau wieder heraus-
gehen oder dort festen Fuß fassen werde, etwa wie
die Oesterreicher, Franzosen und Engländer mit Be-
zug auf Bosnien, Tunis und Aegypten. Aber als
feststehend darf heute wohl erachtet werden, daß keine
europäische Macht die Räumung dieser zur Erzwing-
ung einer Genugthuung u. Verhinderung der Wieder-
kehr ähnlicher Vorgänge besetzte Stellung vom Deut-
schen Reiche verlangt hat.
Wenn die Position in Kiaotschau gehalten werden
sollte, werden wohl wnthschafts politische Erwägungen
dafür wesentlich mitbestimmend sein. Und eS läßt sich
leider nicht verkennen, daß die wirthschaftliche Lage
auch im Deutschen Reiche mit jedem Tage schwieriger
wird, nachdem alle europäischen Staaten sich mit
Zollschranken umgeben haben, der armerikanische Markt
immer mehr verschlossen wird und neuerdings auch
England dem Zollvereins-System zuneigt. Da liegt
gewiß der Gedanke nahe, im äußersten Osten unser
Export- und Absatz-Gebiet nach Möglichkeiten zu er-
weitern und zwar nicht einmal in erster Linie im Inte-
resse unserer Capitalisten, sondern vor allem im Interesse
unserer gewaltig zunehmenden Arbeiterbevölkeruug.
In dem weiten chinesischen Reiche suchen sich alle
europäischen Nationen wirthschaftliche» Einfluß zu
sichern; diejenige, welche sich auSschließen ließe, würde,
namentlich wenn Europa noch ein bischen schutzzöll-
nerischer geworden sein wird, als es jetzt ist, ihre
Lebensintereffen gefährden.
Sprechen diese Gesichtspunkte bei der Occupatiou
Kiaotschau'- mit, so wird, wie wir schon bemerkten,
niemand etwas dagegen zu erinnern Haden, vorauSge.
setzt, daß keine politischen und vor allem keine krie-
gerischen Complicationen daraus erwachsen. In dieser
Beziehung darf wohl gegenwärtig als au-gemacht er-
achtet werden, daß Rußland gegen die Festsetzung deS
Deutschen Reiche- in dem chinesischen Hafen nichts zu
erinnern hat, und daß Frankreich die gleiche Stellung
rinnimmt. Für diese beiden Staaten ist selbstverständ-
lich weniger die Rücksicht auf die Interessen des Deut-
schen Reiches, als der Interessengegensatz maßgebend,
in welchem dieselben sich hinsichtlich OstasienS gegen-
über England befinden.
Wenn wir diese Lage der Dinge nüchtern ins
Auge fassen, so braucht der Umstand, daß die katho-
lische Diözese Schavtung den Ausgangspunkt für die
jetzige deutsche Aktion geliefert hat und naturgemäß
sie zusammen waren, wurde das Schweigen nur selten
unterbrochen.
Zum erste» Male in ihrem Leben fand Miliane keine
Sympathie der ihrer Schwester; es war ihr unangenehm,
daß Nette ihr Alles laut zugesügt hatte, was ihr Gewissen
schon lange flüsterte, aber die Stimme der Leidenschaft
sprach zu heftig, als daß sie der Vernunft hätte lauschen
können. Erich war der einzige Gegenstand ihrer Gedanken.
Was Leo empfinden und ihm und ihr vorwerfen würde,
das war ihr Nebensache, und doch fühlte sie sich durchaus
nicht glücklich. „Und ist das nun die Liebe, wovon die
Dichter fingen und wovon ich so oft träumte? Wird dieses
Gefühl mich nun immer beseelen, so lange ich an Erich's
Seite lebe ? Ist es Schmerz oder Freude, Genuß oder Pein?
Vielleicht fühle ich jetzt Gewissensbisse gegenüber Leo; wenn
jenes Band zerrissen ist, werde ich ohne Zweifel das volle
Maß des Glückes kennen!" Und dann rief sie sich alle
Worte und Liebesbeweise Erich's ins Gedächtnis und jedes-
mal durchzuckte cs sie mit Wonne und Schauder; sie ver-
langte nach seiner Gegenwart und fürchtete sich vor feiner
Wiederkehr. War das nun Liebe? Und in solchen Gedanken
verbrachte sie halb träumend und halb wachend ihre Tage
und gerieth in eine fortwährend sich steigernde Erregung
hinein. Es wurde ihr zu eng im Atelier, sie konnte nicht
mehr arbeiten, ihr Kopf war wirr; die Entscheidung nahte
und Miliane wurde immer unruhiger, doch wohin sollte
sie gehen? Mit Nette konnte sie nicht sprechen, weil sie
wußte, daß die ehrliche Seele das ganze Verhältniß miß-
billigte; auch wollte sie um keinen Preis ihre Unruhe zei-
gen. So saß Miliane vor ihrer Staffelei, den Kopf in die
Hände gestützt und mit ihren Gedanken in weiter Ferne.
Wohl dachte sie daran, ihr Herz vor Gott im Gebete auS-
schütten, aber was sollte sie beten? Daß Gott ihre Liebe
segnen möge? Aber die "iebe war sündig, auf Berrath und
Selbstsucht gebaut, wie Nette gesagt hatte, und wen» Mi-
liane es auch nicht bekennen wollte, so fühlte sie doch, daß
es wahr war und daß solch' ein Gebet eine Profimation
sein würde. Daß Leo die Dinge ruhig hinnehmen möchte?
War rS kein niedriger, schändlicher Egoismus, so zu fragen?
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 7. Dez.
Am BundeSrathStische Kriegkminister von Soßler,
Staatssekretär v. Posadowsky, die Staatssekretäre
Thielmann, Tirpitz, Reichskanzler Fürst Hohenlohe,
Staatssekretär v. Bülow.
Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20
Minuten. Fortsetzung der gestrigen Berathung der
Marinevorlage.
Abg. Richter (Freis. VolkSp.): Im Weißen Saale
wurde er als Pflicht des Reichstag- bezeichnet, das
zu schirmen und zu wahren, was Kaiser Wilhelm I.
geschaffen. Dem hat sich der Reichstag niemals ent-
zogen ; nicht nur das Heer, sondern auch die Mariue,
die „heißgeliebte- Flotte, ist bedeutend gesteigert
worden. Ich will die chinesische Frage nicht hinein-
ziehen, aber unsere Machtentfaltung in Ostafien ist
so bedeutend wie nie zuvor. Die Regierung muß
doch die Marine dieser Aufgabe für gewachsen halten.
Und läuft nicht ohnehin ein Schiff nach dem andern
vom Stapel? Als seiner Zeit vier Panzer gefordert
wurden, stellte man ein langsameres Tempo in Aus-
sicht. Dies ist seitdem längst anders geworden.
Hätten wir alle Forderungen der Regierung, besonders
sür die Marine, bewilligt, so hätten wir heute 100
Millionen neuer Steuern, die jetzt entbehrlich sind.
Die deutsche Flotte ist aus den Forderungen deS
Jahres 1848 erwachsen. Wir brauchen eine Flotte
nur zum Schutze der HandelSinteressen im Auslände
und zum Schutze der Nord- und Ostsee. Auch über
die Zahl der auswärtigen Stationen bestehe nirgends
eine Meinungsverschiedenheit, aber es sei falsch, die
Nein! sie fühlte sich verlassen von Gott und den Menschen.
Käme nur ein Briefchen von Erich, dem Einzigen, der ihr
zur Seite stand, der ihre Kämpfe und Zweifel verstand,
der die Verantwortlichkeit für Alles auf sich genommen
hatte. Mit ihm, dessen war sie sich bewußt, vermochte sie
Alles, war sie stark selbst der Stimme ihres Gewissens
gegenüber; ohne ihn aber stand sie schwach und wehrlos
selbst vor ihrer Schwester da. Welche Mühe sie sich auch
gab. sie konnte sich kein Glück an seiner Seite denken ohne
tiefen Schatten, der Alles überdeckte.
Es wurde geschellt. Eine scharfe Stimme frug unten
im Gange: „Sind die Damen zu Hanse?" und auf die
bejahende Antwort trat die Besucheri« ins Haus.
„Frau öilverda I" rief Nette erstaunt, denn es war
Abend und stürmisches, regnerisches Wetter.
„Wo ist Mimi? O Gott! ich begreife nichts davon. ES
ist gewiß ein schreckliches Unglück; ich bin gleich hierher
gefahren. Da ist das Telegramm! Lesen Sie nur, was
muß ich beginnen?" Und die alte Dame ließ sich außer
Athem und tief aufseufzend in einen Sessel fallen, während
sie Nette ein Stück Papier überreichte.
„Was ist geschehen?" und Miliane, todtenbleich, mit
verwirrten Locken, ein Bild der Angst und deS Schreckens,
stand hinter ihrer Schwester.
Nette las laut und mit zitternder Stimme: „Ernstliche
Gefahr. Hilverda besser. Alkeraede kerbend. Doktor Schön."
„O Gott! sie haben sich einander ermordet! für mich !
mit dem herzzerreißenden Schrei warf Miliane sich nieder.
„Ermordet? Ermordet! Warum sollten sie einander
ermordet haben?" frug Frau Hilverda. das schreckliche
Wort dreimal wiederholend ohne zu bemerken, wie Miliane
jcdeSmal jammernd zusammenfuhr. „ES ist schrecklich Mr
Sie, natürlich," fuhr sie unbarmherzig fort, „aber für mich
ist eS wenigstens eine Beruhigung, daß mein Sohn besser
zu werden scheint. Es ist gewiß ein Telegramm verloren
gegangen- Was denken Sie davon, Annette?"
(Fortsetzung folgt.)
tLulich (mit Ausnahme der Sonn- fu. . Suserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Rau»
Olagti für ?8ilfiksieis, Fllilikls äi Äklhf-
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
LwtngerSraßr 7.
Die Vorgänge in Mafien.
Es läßt sich uicht leugnen, daß die Besetzung deS
Hafens von K ootschau und die daran sich anschließen >
weitern Maßregeln in D-utschlavd eine gewiss«
Beunruhigung erregt hatten und zwar auch in solchen
Preise«, welche die deutsche auswärtige Politik keines-
mit Mißtrauen oder gar Uebelwolleu verfolgen.
Acht nur in der CentrumSpresse, welcher niemand
Voreingenommenheit gegen das Auswärtige Amt
wird vorwerfeu können, sondern auch in rechts-
Menden national liberalen Blätter» konnte man
dem Ausdrucke dieser kritischen und besorgten Stim-
mung begegne».
„ Wir haben unsere Stellung zu dem ostafiatischen
Zwischenfall schon vor längerer Zeit kurz dahin gekenn-
Aichnet: Für die Ermordung der Missionare muß von
^hina Genugthuung verlavgt u. erlangt werden; je mehr
^urch die Art der Genugthuung der Wiederkehr ähn-
«cher Fälle vorgebcugt werden kann, um so besser;
wenn darüber hinaus deutsche handelspolitische Zwecke
sich bei dieser Gelegenheit ohne Gefährdung wichtigerer
Interessen fördern lassen, so wird niemand in Deutsch-
land etwas dagegen eivzuwenden haben. Die Be-
lorgniß, welche angesichts der ostafiatischen Vorgänge
sich geltend machte, war lediglich durch die Frage
Adingt, ob unser Vorgehen in Kiaotschau uns nicht
Verwickelungen und Streit mit fremden Mächten auf
"kn Hals laden würde.
Melisne. »7/
Erzählung von Melativ Iva. A s em ö- a bischen von
L- v. Hcemstede.
, »Früh oder spät wirst Du an unserem Glück theil-
Uehwkn, Nette!"
,, „An dem Glück auf den Ruinen eines Anderen? Ein
schwaches Fundament, Schwester! Es ist eine üble Sache,
an erster Stelle fein eigenes Glück zu suche», das verspricht
"ichls Gutes."
, Sie sprachen nicht weiter, sondern gingen schweiaend
A das Haus hinein; Nette schrieb ein paar Worte an Frau
Wvcrda, die ihr Mittagsschläfchen hielt, um ihr mitzu-
Milen, daß Miliane in Geschäften zur Stadt müsse und daß
ne daher unmittelbar zur nächsten Station gehen wollten.
Zu Hause angelangt, zog Miliane sich auf ihr Atelier
zurück; gegen Abend gab sie einen Brief für Hilverda zur
Kost, und schon am folgenden Morgen beim Frühstück hatte
P eine Antwort - „Meine Herzensbraut! Ich achte Deine
Aewifsensbedenken. Ja, erst mußt Du frei sein, um ohne
Kkrupel die Meine werden zu können. Ich habe jedoch alle
Verantwortlichkeit auf mich genommen! io muß ich allein
-je Folgen unseres Entschlusses tragen. Wenn Du diese
Zeile» empfängst, bin ich schon nach Italien abgereist, wo
A ihm persönlich Alles mittheilen und Deinen Brief zu-
«llen werde. Leb' wohl auf Wiedersehen, um nimmermehr
fit scheiden, meine Miliane! Ich bin voll Muth. Dein bi»
w den Tod getreuer Erich"
. Und daneben lag ein Brief von Leo, den Miliane
wcht anrührte.
„ „Reisest Du beute nach England ab?" frug Nette, als
sie den Brief gelesen hatte.
„Noch nicht!" war die eben so kurze Antwort.