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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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März 1897
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Nr. 53
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0213

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Pfcher Volksblatt


Verantwortlicher Redakteur?.
Joseph Huber in Heidelberg.

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Iwingerftraße 7,

Bit Volksschirlfrage in Württemberg.
Die Volksschulfrage — em Zankapfel der Par-
— sonderbar: die Schule sollte doch der Augapfel
d, _°fsen und rechtlich Denkenden sein. DaS Ziel
K Schule: Unterricht und Erziehung, ist dock seit
Astehen derselben das gleiche geblieben. Die Unter-
und Erziehungsmittel sind im Gcundton
W-die gleichen, wenn auch manches Aeußerüche sich
Wandert haben mag, dem „Fortschritt" huldigen mag.
und die Menschen natur ist doch auch die gleiche
Mrben; ebenso die Aufgabe deS Menschen. Volks«
bestehen — selbst im „modernsten" Sinne ge-
dwulen — doch auch schon länger als ein Menschen-
tzUr und nun am Ende unseres Jahrhunderts eine
Mlfrage; das ist einfach unverständlich vom
Endpunkte der gesunden Menschenverstandes aus,
Anändlich, wenn man die Ziele gewisser Parteien
Auge faßt. Eine Schutfrage; als ob man
Wer nicht gewußt hätte, wozu die Schule da ist,
ste ihre Aufgabe zu lösen hat usw. Vollends für
"kn gläubigen Mann kann eS nie eine Schul frage
? Und doch stehen wir in Württemberg mitten
«W in der „Schulfrage." Wer hat denn diese ge°
Mistn? Nicht die Kinder, die der Edelstein und
chotz der Schule sind, nicht die Eltern, nicht die
?kUlejlid^ nicht der Staat, nicht daS öffentliche Wohl;
»A. alle — und sie sind doch sicher die Nächstbe-
Migten an der Schule — reden und sprechen nicht
. "U einer Schul frage. Die Schul frage ist her-
^krufen von der^Politik, von den Parteien^

ILgNch mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Ergkll für MüHrlmI, Fmlml Äellll- Prft'atmiz/igen!"s^mÄres-Mzeigen bedeutende
, °erg monatlich KV L mit Tragerlohn, durch " ' Rabattbewilligung,
ost bezogen viertelj. ^t 1.60 franco. Expedition: Zwingerftraß« 7.

Stotz und Ließe.
Dem Amerikanischen nacherzählt.
Kapitän gab der Bitte nach und brachte den
yg^"sen in «ne halb fitzende Lage. Hastig griff derselbe
? Briefschaften. „Von Mr. Graham," murmelte er
d>j, ltopitän, welcher den Kranken beobachtete, sah,
G? bme Hände zitterten und sein Gesicht eine heftige
K„,Msbeweguna verricth, und ehe er noch Zeit hatte,
ein/» f an sein Ve> sprechen zu erinnern, stieß derselbe
Der "«-kn Schrei aus und fiel in die Kiffen rurück.
Lnf^opitän war erschreckt aufgesprungen und machte sich
daß er durch seine Unvorsichtigkeit dem Kranken
rr i» - ^be. Als er sich aber über denselben beugte, sah
lvoiu freundlich lächelndes Gesicht. Walter mochte
m die Sorge des Kapitäns bemerkt haben.
rvki»"L *ieihen Sie," sagte er leise, „dies Schreiben hat
tvüld- H von einem Alp befreit, der es getödtet haben
-Aber nun ist es voll neuer Hoffnung und Freude-
oaz i<h bin noch recht schwach und muß mich bezwingen.
D u°N "zähle ich Ihnen alles. Wollen Ste nicht die
vOche nur vorlesen — ich kann nicht mehr."
d>eni„ kltwillig willfahrte der Kapitän. Sie enthielt nur
abü^Worte. „Vor sechs Tagen ließ Schreiben an Dich
u '^klüe Empfang an. Graham."
Sen Kranke lächelte glücklich unb hauchte leise: „Mor-
den versank er erschöpft alsbald in einen erquicken-
da« ^?^"mer, während der Kapitän sichtlich erregt an
L-.,iA"uer trat und dort träumend und sinnend in die
kllt--5^°?de Dämmerung hin ausschaute. Morgen also
zu g, n endlich Gewißheit über alles haben und er flehte
i»öge '' kr ihm jchmerzuche Enttäuschungen ersparen
Und dä5^anke erwachte am andern Morgen schon früh
braiiü- "eflch sichtlich g« stärkt. Das erste, was er hervor»
ich so'glücklich den Kapitän erblickte, war: „O, wie bin
der gute Neuigkeiten erhalten?" fragte
Spilan theünehmend.

tigen Geschichtsdarstellungen greifen, um den mit
der Geschichte nicht vertrauten Theil deS Volke-
irre zu führen".
Mit der Wahrheit ist hier übel uwgespruageu;
denn unrichtige Geschichts-Darstellungen spuken ganz
allein in den Köpfen der Macher diese- Beschlüsse-.
Am Königsfest (25. Febr.) tagte in Aalen eine „Pro-
testversammlung"; e- war die Gaulehrerversammlung
des evang. württembergischen Lehrervereins, wobei
dessen Vorstand über „Die fachmännische Schulaufsicht
und die diesbezüglichen Bestrebungen der Ultramon-
tanen" sprach. Die Versammlung nahm folgende Re«
solution au:
„Gegenüber dem Ansturm der Ultramontaneu, der
hauptsächlich gegen die Forderung der fachmänni-
schen Schulaufsicht gerichtet ist, erklären die Gauver«
mmmlung uns die zahlreich anwesenden Theil-
nehmer auS bürgerlichen Kreisen, daß sie an
dem in der Denkschrift und Petition der württem-.
bergischen BoikSschullehrervereins niedergelegten Pro-
gramm und namentlich an der fachmännischen Schul-
aufsicht unentwegt festhalten. Unsere Ueberzeugung
ist und bleibt, daß die Schulbildung unter der Ober-
aufsicht des Staates und unter Mitwirkung der Kirche
wie derjenigen der anderen ErziehungSfactoren durch
einen freien, möglichst hochgebildeten und auskömmlich
besoldeten Lehrerstand, von dessen Mitgliedern vor-
ausgesetzt wird, daß sie religiös-sittliche Charaktere
sind, übermittelt werden muß. Wir legen aber dage-
gen Verwahrung ein, daß die Schul- und Volksbil-
dung in der vom Centrum geplanten Weise zurückge-
drängt werde, und hoffen, daß in dieser Beziehung die
einsichtsvollen und freier denkenden Glieder aller Be-
kenntnisse und Parteien auf unserer Seite stehen, Zn
der württembergischen Staatsregierung haben wir da-
volle Vertrauen, daß sie zu geeigneter Zeit Mittel u,
Wege finden werde, um den Beschlüssen der Kammer
der Abgeordneten gerecht zu werden.
Wem soll wohl diese Resolution imponiren? Ihre
Mängel sind offensichtlich. Der „Ansturm" der Ul-
tramontaneu" ist tatsächlich ein VertheidigungSkampf
gegen den Ansturm. Die Zurückdrängung der Schul-
und Volksbildung durch die „Ultramontanen" ist Ha-
lucination: die „Ultramontanen" wollen aber gerade
eine gediegene Schul- und Volksbildung. Will der
evangelische Lehrerverein die Mitwirkung der Kirche
und anderer Erziehungfaktoren, so wird er doch auch
Borschäge darüber zu machen haben, daß dieses Mitwir-
kungsrecht gesetzlich sestgelegt werde. Der weitern sind wir
recht gespannt, was wohl der evangelische Lehrer«
Und nur erzählte Walter seinem liebevollen Pfleger
dir ganze Geschichte seines Lebens und seiner Familie und
auch die Geschichte seines Herzens, seine Liebe zu Jessie
Graham, welcher er indeß seine Liebe nicht gestehen dürfe
und wolle, so lanae nicht die Unschuld seines Vaters völlig
erwiesen und die Schmach von seinem Namen genommen sei.
Der Kapitän hatte sich so gesetzt, daß der Kranke mcht
in sein Gesicht sehen konnte, ihm also dis Gemüthsbewe-
gungen entgingen, welche sich bei den Schilderungen Wal-
ters auf demselben aussprachen. Manche Tbrä"e haue sich
schon aus dem Auge gestohlen, als aber Walter j-tzt er-
zählte, wie die angebliche Schuld seines Vaters das Hin-
derniß sei, der innigen Neigung seines Herzen- zu folgen,
da vermochte er ein lautes Stöhnen nicht zu unterdrücken.
In seinem Innern aber seufzte der unglückliche Mann:
„Wie lange, mein Gott, muß ich noch leiden?"
Walter war selbst von seinen Erinnerungen zu mäch-
tig ergossen, als daß er das Stöhnen des Kapitäns aus-
fällig bemerkt hätte. Er kam nun zu der Schilderung der
letzten Ereignisse, wie er entschlossen gewesen, seinen Baier
zu suchen. Die Aufregung der seiner Abreise voryergehen-
den Tage, die lange Dauer seiner Herzensqual hätten ihm
die ruhige Uelurlegung geraubt und so sei es gekomm.n,
daß er aus mißverständlichen Andeutungen in einem Schrei-
ben seines väterlichen Freundes Mr- Grahams und aus
einem, wie er Letzt erkenne, heimtückisch ab gefaßten Briefe
seines Vetters Bellenger, der für ihn furchtbare Lhatsache
kombinirt habe, die Geliebte seines Herzens sei die Braut
eben dieses Bellenger, habe sich mit diesem Unwürdigen
verlobt. Das habe ihn tief unglücklich gemacht uno ec sei
so sehr des klaren Denkens beraubt gewesen, daß er eher
an die Untreue Jessies, als an die Möglichkeck eines Miß-
verständnisses geglaubt habe. Und ohne sich Gewißheck zu
verschaffen, sei er, unter Hinterlassung einer kurzen schrift-
lichen Erklärung an Mr. Graham, in fieberhafter Hast ao-
gereist. So sei er denn hierher gekommen und die qual-
volle Aufregung habe ihn aufS Krankenlager geworfen.
Nun aber enthalte das Schreiben Mc. Grahams dis er-
lösende Mittheilung, daß nicht Jessie Graham, sondern
eine Charlotte ReeveS die Verlobte Bellengers sei. (S- f.

Auf das
-Pfälzer BoMvlatt"
immer noch für den Monat
März
^vnirt werden. Bestellungen nimmt jede Postanstalt
Were Expedition in Heidelberg, Zwivgerstraße 7,
Wegen.
, , Probeu»««er» werden auf Wunsch gerne Porto-
jedermann zugesandt.

Welberg, Samstag, den 6. Miy 1897.
Deshalb sind auch die Ziele in dem Schulkampfe
parteipolitische Ziele; man will „Volksparteiliche",
„nationalliberale", sozialdemokratische" Kinder heran-
ziehen; weshalb wir sagen: die Schul frage hat
geschaffen der Liberalismus in jeder Form; trage
er nun die Etikette: Nationalliberal, Volkspartei, So-
zialdemokratie. Aber auch der politische Liberalismus
ist nur Etikette, „Prügelknabe", die Puppe, die auf
dem Theater aufmarschirt; hinter ihm steht die Frei-
maurerei, welche wie bei anderen Fragen so auch hier,
die ihr gefügigen Parteien ins Treffen send t und
selbst hinter den Coulssen vergnügt die Hände reibt,
daß die Arbeit so vortrefflich gelingt. So dreht sich
in Württemberg die „Schu'frage" zunächst um die
Einführung der „Fachaufsicht", welcher Abschaffung
der geistlichen BezirkSschulaussicht vorauSgehen würde.
Wir sagen zunächst; denn dieses ist „daS Mini
-mum der Forderungen", welche die BolkSpartei stellt,
wie sich einer ihrer Führer ausdrückte. Deßhalb müs-
sen wir an die Worte DiesterwegS erinnern, versagte:
„Die einzelnen Stadien im Schulkampfe werden sein:
Geistliche Schulaufsicht — Fachaufsicht — Simultan-
schule — Religionslose Schule". Wer sich nun ein«
Mal auf die abschüssige Bahn begibt, wird immer weiter
hinabgeriffen; das ist eine alte Erfahrung. Wie nun
schon bekannt, wird in Württemberg jeden Sonntag
in BolkSvereinSversammlungen die Schulfrage behan-
delt, den Ulmer Resolutionen des CentrumSauSschuffeS
zugestimmt und Petitionen an daS Cultusministeriurn
gesandt, in welchen um Beibehaltung der jetzigen
Schulzustände gebeten wird. Dieses alles hat nun
im gesammten liberalen Lager höchst unangenehm be-
rührt, was übrigens ein Beweis dafür ist, daß die
Bewegung zur rechten Zeit gekommen ist. Zunächst
hat der evangelische Bezirkslehrerverein Stuttgart in
seiner letzten Monatsversammlung folgenden Beschluß
gefaßt:
an den Ausschuß des protestantischen BolkSschul-
lehrerverernS „die Bitte zu richten, er möge gegen-
über dem Ansturm der Ultramontanen, der Haupt-
sächlich gegen die Forderung der fachmännischen
Schulaufsicht gerichtet ist, für eine gründliche Be-
lehrung des Volkes über die Schulfrage durch Wort
und Schrift sorgen. Der BezirkSlehrerverein erkennt
in den Ulmer Resolutionen des württembergischen
Centrums nichts anderes als das Bestreben, dem
Staate daS uneingeschränkte Hoheitsrecht über die
Schule abzusprechen und die Volksbildung planmä-
ßig herabzudrücken. ES wurde scharf verurtheilt,
daß die ultramontanen Wortführer selbst zu »mich-
„Sehr gute," antwortete Walter. „Sie wären eS Werth,
durch eine schwere Krankheit erkauft zu sein. Ich glaube,
daß ich heute stark genug bin, Ihnen alles mitzutheilen —
es wird mir gut thun, mein Herz einmal zu erleichtern.
Und obschon ich Sie nicht kenre, so beweisen mir doch Ihre
große Güte und Opferwilligkeit, daß Sie ein theilnchmen-
des Herz haben. Aber vorerst möchte ich noch einige Fra-
gen stellen Sogen Sie mir gütigst, Herr Kapitän, habe
ich in meinen Fieberphantafien von Jessie Graham ge-
sprochen ?"
„Ja," antwortete er, „Sie sagten, sie sei verheirathet."
„Aber sie ist es nicht," unftrbrach Walter ihn. „Es
war eineLüge, die der elende William Bellenger erfunden hat."
„Auch von ihm haben Sie gesprochen," sagte der Kapi-
tän, „und ich vcrmuthe, daß er Ihr Cousin ist. Sie sehen,
ich weiß ziemlich Bescheid in Ihren Verhältn ssen."
Betroffen blickie Walter auf; aber das gütige Lächeln,
daS die Worte des Kapitäns begleiteten, benahmen ihm
alle Furckt, als ob derselbe sein Vertrauen mißbrauchen
werde. „Was haben Sie sonst noch erfahren?'
„Je nun, eine unangenehme Geschichte, die Ihren
Bater betrifft. Er hat eine Bank bestohlen, nicht wahr?"
Der Kapitän schlug den Blick zu Boden und erwartete mit
fieberhafter Spannung die Antwort.
Befremdet schaute Walter den Sprecher an. „Hätte ich
das in meinen Phantasten gesagt? Nein, nein, es ist nicht
wahr!" rief Walter mit einer Energie, die seine bleichen
Wangen röthete, „Er hat cs nie und nimmer gcthan!"
„Ist ferne Unschuld denn bewiesen?" Bei dieser Frage
zitterte die Stimme des Kapitäns.
„Vor der Welt ist sie nicht bewiesen! Aber ich bedarf
gar kernes Beweises," erwiderte Walter. „Ich habe ihn
niemals auch nur einen Augenblick für schuldig gehalten
und ich will den Beweis feiner Unschuld auch der Welt
erbringen."
Nach einer Pause fügte er hinzu: „Wie ich erfahre,
habe ich, ohne es zu wissen, manches aus der Gischichte
meiner Familie ausgrpiaudert, und damit Sie keinen ver-
kehrten Eindruck davon erdalten, ziehe ich vor. Ihnen das
Ganze zu erzählen. Bitte, setzen Sie sich recht nahe zu mir."
 
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