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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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April 1897
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Nr. 87
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0363

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Wtzer Volksblatt

Heidelberg monatlich KV H mit Trägerlohn,
>^die Post bezogen viertelj. 1.60 franco.

Welderg, ZMU, dm 18. AM 1897.


Verantwortlicher Redakteur:
JosePH Huber in Heidelberg.

Gebr. Huber in Herdelberg,
Lwiigergraße 7.

chetnt tSgttch mit Ausnahme , der Sonn- u. ^fiserate ^spawge Petitzeile oder deren
M^nterhaVuWM ÄlllllÜkll, ÄklÜI- Priv'atauzeigen"s°wiefurJahresÄnzeigenbedeutend
" rg. monatlich KV F mit Trägerlohn, durch » k Rabattbcwrlligung.
' Expedition: Iwingerftratze 7.


Für das Weite Huartal 1897
^huieu voch immer alle Postämter Bestellungen auf
täglich erscheinende Leitung
„Pfalzer Bottsblatt"
(«it der wöchentlichen Gratisbeilage „Der LonntagK-
b»te-,) sowie unsere Expedition Heidelberg
8tvivgerstraße 7 entgegen.

Expedition des „PM-r VotksdtsU".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.


Ars hl. Osterfestes wegen erscheint am Montag kein
Ascher Volksblatt. Die nächste Nummer wird am
Dienstag Mittag ausgegeben._

Astern!
Fest der Auferstehung! Fest der Auf-
erstehung der Begründers unseres hl.
Glaubens vom marte r volle n Kr euz e S-
lode! Tag siegesfroher Hoffnungen!
strahlende« Wahrzeichen der Allmacht
Und der Liebe unseres Schöpfers und
Erlösers! — Aber trotz dem! Haben wir Ur-
Kchr, uns so recht fröhlicher Osterstimmung hinzu-
Aber,? Wenn wir uns umscbaueu, so erblicken wir
rwgSum wenig Erfreuliches: in allen unteren Stän-
l>r» pocht mehr oder minder die Noch an die Thüren,
dle Unzufriedenheit nimmt überhand, der Geist der
Genußsucht und Ungebundenheit verdoppelt vielfach
oas Elend, die Eutchristlichung macht reißende Fort-
'Dritte. Man täusche sich über unsere thatsächliche
^ge am Ende des 19. Jahrhunderts nicht wie
^an sich m der zweiten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts getäuscht! Wir stehen vor einer Umwälz-
uug großen Stieles, sie läßt sich nicht hinlauhalten,
Us der einen oder anderen Form wird sie ganz be-

stimmt kommen. Mit der Klage über die Maßlosig-
keit der Ansprüche ist nichts gethan, man muß nach
Heilmitteln suchen, man muß die Gerechtigkeit auf
die Fahne schreiben und mittelst dieses Prinzips die
Auferstehung der Gesellschaft herbeiführen, man muß
eine andere Generation erziehen, die Wahrheit
mußwied.erin die Herzen der Jugend
und der Erwachsenen! Und wo i st diese
Wahrheit? Sie liegt nicht weit, sie liegt so
vor aller Augen, daß es schon einer vollständigen
Blindheit bedarf, um sie nicht zu sehen. Sie hängt
a m Kreuze und erficht ihren Sieg in der
Auferstehung des Gottmenschen. „Liebe
Gott über alle- und deinen Nächsten wie
dich selbst!" an diesen beiden Geboten hängt daS
ganze Gesetz und die Propheten, einen andern Grund
kann Niemand legen, al» den, welchen Christus ge-
legt hat. Nicht derjenige, welcher sagt: „Herr, Herr!"
wird selig werden, sondern wer den Willen Gottes
thut, und dieser Wille ist die Erfüllung des Gebotes
der Liebe. Die Liebe zu den Menschen führte den
Heiland aus diese armselige Welt, sie ließ ihn 33
Jahre die Armuth tragen, sie öffnete seinen Mund
zur Verkündigung der Heilslehren, sie trieb ihm den
Blutschweiß im Oesgartrn aus den Poren seines Ant-
litzes, sie veranlaßte ihn, den bittern Kreuzgang zu
gehen und unter unsäglichen Schmerzen am Holze
der Schande zu sterben. Aber diese Liebe trug ihre
Früchte: „Es ist vollbracht!" — Dies große
Erlösungswort sand seine Besieglung in der glor-
reichen Aufeistkhung, nach dem Charfreitag folgt
Ostern, in dem Moment, wo die Welt sich anschickte,
den Triumph deS Hasses über die unendliche Liebe zu
feiern, erhob sich der Herr siegprangend aus dem
Grabe, bestürzt mußte der Haß 'zurückweicheu, eine
neue Zeit brach an, das Zeitalter der Menschenliebe,
wie eS sich im Christenthum verkörpert -für und für.
Je nach dem Grade, wie sich diese Menschenliebe, ent-
sprungen ouS der GotteSliebe, Anerkennung, Geltung
und Wirkung zu verschaffen weiß — und das liegt
in der Hand der Menschen selber, — ist der soziale

Friede auf Erden heimisch, schwindet aber in demselben
Maße, wie die unverbrüchlichen Gesetze des Christen-
thumS verlassen und mißachtet werden. Die Auf-
erstehung der Völker ist bedingt durch die Befolgung
des Prinzips des Christenthums, sie wird auch in
unfern Tagen nur durch dasselbe möglich sein und
um so eher in die Erscheinung treten, jemehr das
Gesetz der Liebe, welches mit dem Gesetze der Ge-
rechtigkeit identisch ist, zur aufrichtigen Befolgung
gelangt. In dem großen Kampfe zwischen Arbeitgeber
und Arbeiter ist nur auf diesem Boden ein Ausgleich
zu suchen und zu finden, die rohe Gewalt auf beiden
Seiten, der Kampf um Sein oder Nichtsein, wird
keine von beiden Parteien zum Erfolge führen; kommt
es zum endgültigen Zusammenstoß, so ist eS gar nicht
fraglich, daß die letztere Partei momentan ihres Sie-
ges nicht froh werden kann, indem sie sich auS einem
Elend in das andere, noch allgemeinere und größere
stürzt. Ein Kampf, in dem beide Theile fallen, hat
für Niemanden Nutzen, die Kräfte, welche im Kampfe
aufgerieben und verbraucht werden, sind unproduktiv
verloren, nur der Friede, der Ausgleich kann den
wahren Erfolg sichern, und dieser Friede ist für un-
sere Zeit einzig u. allein durch das Christenthum
zu erreich en.
Wird er kommen? Wir wissen eS nicht, aber e»
hängt von den Menschen selbst ab. Sie können sich
ihre Ostern schaffen, indem sie die Vorschrift de»
Christenthums „Liebe Gott über Alles und
deinen Nächsten wie dich selb st" zur Wahr-
heit werden lassen, und nur dann. Die Menschheit
muß sich entschließen, ihr eigenes Interesse hängt da-
von ab. Noch haben wir ein Vertrauen, noch brauchen
wir nicht zu verzweifeln, vielleicht ist dem trüben Char-
freitag dar beglückende Osterfest nahe. Möge er bald
kommen, möge bald der christliche Geist die Stände
und Völker wieder mit seinem belebenden Hauche er-
wärmen und zu wahren Früchten der christlichen Liebe
befähigen, dann schwindet der Unfriede, dann klingt
allenthalben ein siegesfrohes
Alleluja!


Arzt urd sah den Hofrath bedeutsam an.
tin« »ickte beistimmend. „Dahin eben soll an
*"ung gehen. Aber jetzt mutz ich eilen, zu
un^wgen zu komme«, sonst ist der Baron vor i
«Nd werft »ix die Thüre."
N Ter Losrath erschrack,
A"rchn Tage hatten gern

»mer ganz gemeinen That, die man ihm damals hätte
Ar Last legen können. Das jedoch ist unverbürgt; nur
steht fest, daß er schon Jahre vorhtt se ne Frau über-
kh°tte, mit ihrem Vermögen für ihn zu bürgen. Da-
N Wurde auch sie mittellos. Zum Glück batte Anna von
Tante kleines Vermögen geerbt, von dessen Ver-
M'una der Vater ausgeschlossen war. Davon leben nun
Wiutter und Tochter."
z, nn ihr daS Bischen nur erhalten bleibt," meinte
* ur d sah den Hofrath bedeutsam an.
XNeier „<<* *«- beistimmend. „Dahin eben soll »eine heu-
. r Frau v.
mir dort
*no weist mir die Thüre?
Rr- Ter Hosrath erschrack, als er die Baronin wiedersah.
Attjehn Tage hatten genügt, um eine traurige Verände-
b,.,? 'hrem Aussehen hervorzubringeu. Sie war noch
i,U^' noch durchsichtiger geworden. Ihre Augen, die bis
di-M Feuer behalten hatten, als concentrire sich in ihnen
lAkrii kraft des Kranken, blickten müde und umflort.
bewillkommnete Herrn Roß mit dem alten freund-
> schein. Nach wenigen Minuten aber fühlte sie sich
Unterhaltung zu sehr erschöpft, um das Gespräch
Ln-" irrhren zu können. Als nach em paar Minuten der
»irath aufstand, um seinen Besuch zu beenden, machte sie

ffeidvoll und freudvoll.
Novelle von L- v- Neid egg.
»n Sie äußerte wohl nie eine Klage; selbst als ihr
Mrin längst als der Lump, der er ist, anerkannt war,
W»e sie ihn vor ihrer Familie noch zu entschuldigen —
M der Zufriedenheit war es vorbei. Dazu kam Unglück
Mr Art. Von rhren vielen Kindern starben alle bis auf
t^""en Sohn und Anna, cs war ja ein Glück unter
UHen Umständen, für das Mutterherz aber eine schwere
Wmng. Auch begnügte sich der Baron nicht damit, zu
Wchwenden, er wurde auch seiner Frau untreu und ge-
lohnte sich das Trinken an. Ein Gut nach dem andern
«urr>e verkauft; endlich — Anna war gerade achtzehn
u? -- kam der große Krach. Es gehen dunkele Gerüchte
Llner ganz ge,
legen können, revvrn unv
steht fest, daß er schon Jahre vorhtt se
r bet hatte, mit ihrem Vermögen für ihn zu

gegen ihre sonstige Weise keinen Versuch, ihn zurückzuhalten.
Anna folgte ihm. Ihr war der Eindruck nicht ent-
gangen, den das Aussehen der Mutter auf den Freund
hervorgebracht hatte; und so sehr sie sich auch bemühte,
standhaft zu erscheine«, ihre Lippen bebte», ihre Augen
standen voll Thränen.
Draußen ergriff der Hosrath ihre Hand. .Anna ! Gnä-
diges Fräulein!" sagte er- .Wie könnte ich ein paar Worte
mit Ihnen sprechen, ohne daß Ihre Mutter es ahnt, ohne
daß Ihr Vater uns etwa überrascht?"
Sie sah sich um und deutete endlich nach der Küche.
Dort also ist des Freifräuleins v. Neudingen Boudoir,
dachte der Hosrath wehmüthig, als er ihr dahin folgte-
Sie blieb stehen und sah ihn fragend an.
.Werden Sie mich auch nicht für ausdringlich halten,
Fräulein Anna, wenn ich unaufgefordert Ihnen einen
Rath gebe?" sagte der alte Mann herzlich.
Ein unendlich lieblicher Ausdruck lag in ihren Augen,
als sie erklärte: „Wie undankbar müßte ich sein, vermöchte
ich in Ihren Worten etwas Anderes zu sehen, als den
Ausfluß der besten, aufrichtigsten Freundschaft. Bitte, reden
Sie."
„Darf ich mir ein paar Fragen erlauben, Fräulein
Anna?"
Sie nickte: „So viele Sie wollen. Sie gehören ja
nicht zu denen, die au» müßiger Neugier fragen."
„Ihre Frau Mutter bat mir einmal mitgetheilt. Sie
hätten unumschränkte Verfügung über ein kleines Kapital.
Ist dem so?'
„Ganz richtig," erwiderte sie.
„Erlauben Sie mir noch eine Frage: sind Sie mündig ?"
„Gewiß vor Kurzem bin ich's geworden."
„Liebes Fräulein," begann er zögernd, „nehmen Sie
meine Einmischung nicht übel; hören Sie auf den Rath
eines erfahrenen Mannes. - . Jemand könnte Ihnen ein-
mal ein Papier zur Unterschrift vorlegen . . .'
Rasch blickte sie zu ihm auf. „Ah I" ries sie aus, wie
einem Plötzlichen Gedanken antwoitend, der in ihr aufge-
sticgen war, und sah dann, tief aufathmend, wieder vor
sich hin. „Was soll ich in einem solchen Falle thun?"

.Unterfertigen Sie nichts, ehe Sie nicht den Inhalt
genau angesehen und — darum bitte ich dringend — ehe
Sie nicht bei mir sich Raths erholt haben."
„Ich verstehe Sie vollkommen! . . . Ihre Worte ma-
chen mir manches klar, worüber ich bis jetzt vergeblich
nachsann. Gewiß werde ich Ihren Rath befolgen, mit tie-
fer Dankbarkeit für den besorgten Freund, der so hingebend
auf mein und der Mutter Wohl bedacht ist!' erwiderte
sie mit erstickter Stimme, indem sie ihm die Hand reichte.
Abgearbeitet und rauh war die kleine Hand, welche er
in die seine nahm- Schon oft, wenn er dies bemerkt hatte,
war Erbitterung gegen den unnatürlichen Vater in ihm
aufgestiegen, durch dessen Verschulden die Tochter jetzt
Magddienste verrichten mußte. Niemals aber war dar Ge-
fühl so lebhaft gewesen, wie an diesem Tage. Er drückte
unwillkürlich die Hand an seine Lippen und empfahl sich.
Zur rechten Zeit hatte er sich entfernt; vor der Haus-
thüre begegnete ihm der Baron. Höflich, wie immer, grüßte
der Hosrath — mit kühler Grandezza der verkommene
Edelmann.
3.
Am Tage nach dem Besuche de» Lofraths brachte die
Post für Herrn v. Neudingen einen Brief, dessen Inhalt
ihn aus'S Höchste aufregte. Enge Wohnungen erschweren
es, heftige Gemüthsbewegungen vor den Mitbewohnern zu
verheimlichen; die dünnen Wände werden zu Verräthern.
Der Baron, dem Selbstbeherrschung von jeher fremd war,
dachte auch gar nicht daran, seinen Angehörigen seine Er-
regung zu verbergen. Rastlos ging er mit schweren Schrit-
ten in seinem Zimmer auf und ab, unverständliche Worte
vor sich binmurmelnd. Die Aufwärterin mußte ihm außer-
gewöhnliche Quantitäten Bier besorgen. Als er bei Tische
erschien, redete er gar nichts und sah mürrisch vor sich hin.
In sein Zimmer zurückgekehrt, setzte er sein Auf- und
Nbwandern fort. Auf einmal wurde es still. Die Baronin,
die wie immer auf dem Ruhebette im Wohnzimmer lag,
verfiel in einen leichten Schlummer. Anna, die bei ihr ge-
sessen hatte, entfernte sich leise, um sich ihren häuslichen
Pflichten zu unterziehen. Als sie auf den Hausgang trat,
hörte sie, wie der Vater vorsichtig seine Zimmerthür öffnete
 
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