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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Oktober 1897
DOI article:
Nr. 227
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0925

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Pfcher Volksblatt

WestelLungen

sür dg-

Berantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

neue Steuerpläne tauchen auf. Wir werden uns da
also nichts vormachen lassen. AllrdingS ist unsere
Finanzlage Dank der Sparsamkeit des Centrums nicht
schlecht; aber wo da Geld stecken soll zur Deckung
der geplanten MarineauSgaben, vermögen wir noch
nicht ausfindig zu machen. Weist doch der Etat für
das laufende Jahr schon wieder eine Anleihe auf.

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingrrstraßr 7.

Deutsches Reich.
* Darmstadt, 2. Okt. Punkt 4 Uhr lief der
kaiserliche russische Sonderzug in die Bahn-
hofshalle der Main. Neckarbahn ein, wo die gesammte
Großh. Familie zum Empfang anwesend war. Die
Kaiserin entstieg zuerst dem Salonwagen und küßte
den Großherzog und die Großherzogiu aufs Herzlichste.
Darauf folgte der Kaiser, der die Großherzoglichen
Herrschaften in gleich herzlicher Weise begrüßte. So-
dann erfolgte d e Begrüßung der übrigen Fürstlichkei-
ten, unter denen sich auch die Prinzessin Aribert von
Anhalt befand. Nachdem das Kaiserpaar die anwe-
senden Hofstaaten, den Prooinzialdirekwr und die
übrigen zum Empfang Erschienenen begrüßt hatte,
bestiegen die Herrschaften die vor dem Fürstenpavillon
haltenden offenen Wagen und fuhren mit je 2 Spitz-
reitern nach dem neuen Palais. In dem ersten Wagen
fuhren die Kaiserin und die Großherzogin, in dem
zweiten der Kaiser in der Uniform seines hessischen
Dragonerregiments und der Gcoßherzog in russischer
Uniform. Im dritten Wagen saßen die Großfürstinnen
Olga und Tatjana und Pcinzessin Elisabeth von Hessen.
Sodann folgten die übrigen Fürstlichkeiten und das
Gefolge. Militärischen Empfang und eine Eskorte
hatte der Kaiser dankend abgelehnt. Das Publikum
bereitete den Herrschaften bei der Fahrt durch die
festlich geschmückten Strauen herzliche Kundgebuagen.
* Darmstadt, 2. Okt. Der Kaiser und die
Kaiserin von Rußland nehmen das Souper mit der
großherzoglichen Familie im neuen Palais ein. Außer-
dem werden die Prinzessin Ludwig von Battenberg
und die Prinzessin Aribert von Anhalt daran Theil
nehmen. DaS Gefolge des Kaiserpaares, bestehend
aus der Hofdame Prinzessin BoriatinSki, den
Generaladjatanten v. Richter und Hesse, Leibarzt Dr.
Hirsch, dem Kammerherrn Echappare und dem
Kammerjunker Mamantoff ist im Palais am Louisen-
platz abgestiegen.
-Z * Kiel, 2. Okt. Abends wurde in der Garni-
sonSknche ein Trauergottesdienst für den verblichenen

IV. Quatral
?Hmen immer noch alle Postämter auf die täglich er-
Meinende Zeitung
-Pfalzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Eonntagt-
sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwivger-
^He 7, entgegen. Die bereits erschienenen Num-
n^n werden nachgeliefrrt.
^kpr-Mon des „Pfälzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7

2. Der OrdenSmann.
Ja, der katholische Ordensmann, die katholische
Ordensfrau sind die reinsten und lieblichsten
Blüthen am großen Baume der Menschheit; sie
bilden den Uebergang aus der Welt des Fleisches
in jene des Geistes, aus der kalten Nebeldäm-
merung der irdischen Atmosphäre in den ewig
heitern, unendlich schönen und makellosen Licht-
glanz, der den Thron des ewigen Gottes umwogt.
Baumstark.
Da ich gute Anlagen und große Liebe zum Lernen ge-
zeigt hatte, kam ich in die Schule des Klosters zu E. Hier
machte ich Fortschritte, ich hatte namentlich meine Freude
an den alten Sprachen. So wuchs ich heran, bis der Zeit-
punkt eintrat, wo ich mich wegen meines künftigen Berufes
zu entscheiden hatte. Ich vermuthete aus vielen Aeußerungen,
daß meine Eltern mich am liebsten den geistlichen Stand
ergreifen sehen würden; es bedurfte aber ihrerseits keiner
Zudringlichkeit, ja nicht einmal eines Wunsches, denn ich
hatte, wie Du ja wohl weißt, zu dem beschaulichen Leben
eines Mönches herzliche Neigung gefaßt und entschloß mich
daher, ganz aus freien Stücken, im Kloster zu bleiben.
L)a meine Eltern und Base Anna in der Nähe wohn-
ten, besuchten sie mich, so ost es zugelassen wurde, bestärk-
ten mich in meinem Vorhaben und priesen mich glücklich,
wenn ich dabei beharrte- ,
An dem Tage, an dem lch zum Priester geweiht wurde
gleichzeitig mit Dir, es war an einem Festtage, schien das
Glück meiner Eltern und meiner Base das höchste Ziel er-
reicht zu haben. Meine Eltern durften an dem Festessen
theil nehmen und selbst Anna war dazu eingeladen, sie
schlug es aber aus, weil sie einer solchen Ehre nicht wür-
dig sei. Sobald sie mich aber allein besuchen durfte, fiel sie
vor mir nieder, bat mich um den priesterlichen Segen, em-
pfahl sich und die Ihrigen meinen Gebeten am Altar und
verabschiedete sich sodann, weil, wie es mir schien, ihr Ge-
müth von Freude überwältigt war und ihr die Sprache
versagte.
(Fortsetzung folgt.)

Ein Marine-Septrnnst
"geistlichen Sinne deS Wortes scheint in der
M geplant zu sein. Aach die „Nordd. Allg. Zig.«
de« "N Gesetzentwurf auSgearbeitet sei, durch
gN die Bewilligungen zu Schiffsbaus n und deren
- "Wendung (Atwirung?) für die Zeit bis 1905
!s?^lkgt werden sollen. Die „Nordd. Allg. Ztg."
neulich doch osficiös inspirirt gewesen, als sie
Septennais-Frage aus'S Tapet brachte. Wie weit
Vorlage die Mitwiikung deS Reichstages
'der alljährlichen Ausstellung deS Schiffs bau-Etats
„geschlossen oder gewahrt wird, ist der „Nd. A. Ztg."
d bekannt. Sie zweifelt aber Wohl selbst nicht
ws daß der Reichstag sich nach dem Tripitz'schen
auf hjx Bewilligung der geforderten 410 bis
w" Millionen ein für alle Mal festlegen soll.
. luiuthljch wird ein Gesetz vorgelegt werden, wonach
z, die Schiffe bis zum Jahre 1905 gebaut wer-
der «dem und dem Kostenbeträge. Dann hat
D7.^"chswg alljährlich am Ende noch das formelle
die 60 Millionen und mehr zu bewilligen,
" alljährlich den Militär.Etat bewilligt, wiewohl
N-»?" btt Harptsurnme in Folge der Festlegung der
^ astnz Stärke siir fünf Jahre gar nicht rütteln kann,
den« Eehren und streichen kann er nicht- mehr,
N " Forderung beruht auf Gesetz. Daß das
sich auf eine solche Vorlage einlossen sollte,

Ein Frsuenschickssl.
diedk?-^ ich einmal a egen meinen Vater, der ein sehr braver
gendiÄ' ?dcr ziemlich armer Mann war, in meiner ju-
Bali- w " Unerfahrenheit mich dahin äußerte, daß meine
h>ür«„ Segen meine Mutter so demüthig und unter-
er während sie doch viel reicher sei als wir, gab
blich I verstehen, es »erde mir nicht schaden, wenn ich
butter e" Base so benehme, wie diese gegen meine
Win N?" I"gie nämlich offen, daß meine Base das Geld
ei» der schönen Kapelle geliefert, und daß sie dennoch
arm-Ns Vermögen besitze und die Armen, besonders
ivvbm» "wen und Waisen, reichlich unterstützte. Anna be-
vkleok«-»w eigenes, nicht weit auf einem kleinen Hügel
losen «A emstöckigeS Häuschen, mit zwei alten vermögens-
«Men, ,hre tzüter bebauten.
ipruck « nahm für ihre Person nur ein Zimmer in An-
dre Knn n ."em aus man durch die Lücken der Bäume auf
'alter Ansehen konnte und welches, ganz ihrem Cha-
Und -in?!" Benehmen entsprechend, so recht zur Andacht
An beschaulichen Leben eingerichtet war.
einew Wand, zunächst der Thüre, stand ihr Bett mit
ilvisck°n> en Vortang; auf der entgegengesetzten Seite
VM-"sdknzwei Kreuzstöcken, hing eine betreue itopie des
Genabt. Anna, drrselben Größe wie in der Kapelle.
.MlWfbuber der Thüre war ein schönes Kruzifix und
'stur-n-k »,'^Uben ein Kranz, wie man sie auf die Grab-
Lbstken Wat mit dem Buchstaben W. IN der Mitte. Die
Lottes ^E>le der Wände waren mit Bildern der Mutter
schmückt. Anna, des hl. Joseph und Joachim
de«, ^eräthschLstep bestanden aus einem Betstuhl unter
M eini».^- einem Kleid«schrank, einem kleinen Tisch
stabeÄ >En Stühlen. AIS ich einmal fragte, waS der Buch-
. «ranze bedeute, wich mir Anna mit der Be-
, dar wirst Du später erfahren.
stch «dem Häutchen lag ein kleiner Galten, iu welchem
esit .-«cs'"'"bpand befand und bereits nur Blumen aller
"Wauzt wurden, welche von Anna dazu verwendet

Mchetnt täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Rau«
Gram für Malirlmt, Fmlmt L KM.
vetdelberg monatlich SO L mit Trägerlohn, durch Nr ' Rabattbewilligung.
----die Poft bezogen Viertels. 1.60 franco. Expedition: Zwingerstraße 7.

WMlg, MstU bei 5. UMr 1897.
halten wir für völlig ausgeschlossen. Auch die Na-
tionalliberalen dürfen nicht daraus eingrhen, wenigstens
nicht in ihrer Gesamwthcit, wenn anders die „Nat.-
Ztg." ihre Stimmung richtig wiedergibt. Ein solches
Septennat wäre ein etatsrechtlicher Unicum, trotz des
Militär-SeptennatS und QuirquennatS. Für die
einmalige» Ausgaben auf sieben Jahre hinaus ein
Pauschquantum bewilligen, heiße den Reichstag an der
wichtigsten Stelle um das Budgetrecht kürzen. Denn
wenn er streichen und sparen will, so kann er das im
Wesentlichen nur an den einmaligen Ausgaben thun.
Das Septennat würde auch ein sehr einseitiger Ver-
trag sein; der Reichstag könnte nicht zurück, aber die
Regierung wäre nicht gehindert, nach rin paar Jahren
schon wieder mit neuen Forderungen zu kommen.
Die Technik deS Schiffbaues macht ja noch fortgesetzt
Fortschritte; nach kurzer Zeit wären vielleicht die
Schiffe, die wir für daS Jahr 1900 bewilligt hätten,
schon wieder veraltet; eS käme ein neuer Typ u. ein
neuer Kostenanschlag. Die „Begründung," daß die
Marine.Behörden wissen müßten, woran sie seien, um
freudig wirken zn können, oder daß für die Werften
und die übrige Schiffsbau Industrie die „Continuität"
aufrecht erhalten werden müsse, kann nicht verfangen.
Es genügt vollkommen, wenn alljährlich bewilligt
wird, was nöthig und financiell möglich ist. Den
Freunden deS Tirbitz'scherr Planes gefällt es nicht,
wenn dieser Plan als weit über den Hollmaun'schen
hinausgehend bezeichnkt wird. Daß jener 410
Millionen, dieser nur 276 Millionen erforderte, will
man nicht gelten lassen; Hollmann würde ja über
1901 hinaus auch noch Schiffs Neubauten ver-
langt haben, also müsse man zu seinen Forderungen
noch hinzurechnen, was später noch gekommen wäre.
Aber die Flotte, die Hollmann wollte, war doch mit
d«n Neuforderungen bis 1901 und den Nachraten
fertig; was später kommen konnte, waren Ersatzbauten.
Tirpitz ist aber erst 1905 fertig und verlangt dann
gleichfalls noch Ersatzbauten. Man wird keinem Ein-
sichtigen wegdiSputiren, daß die Rechnung des Herrn
Tirpitz bedeutend größer ist, als die seines Vorgän-
gers. Woher soll nun das Geld für diese neuen
Pläne kommen? Die „Nordd. Allg. Ztg." versichert
stolz, wir brauchten gar keine neuen Steuern. Die
Marinepläne ließen sich bei unserer jetzigen guten Fi-
nanzlage verwirklichtn ohne irgend welche Steuermaß-
nahmen. Wenn die Militär- und Marineverwaltung
mit Forderungen kommen, heißt es immer: eS ist Geld
genug da. Sind aber die Forderungen bewilligt,
dann wird die Finanzlage grau in grau gemalt, und
Wurden, um das Innere der Kapelle zu schmücken. Das
Ganze bildete ein so stilles, freundliches Anwesen, daß man
sich ohne Weiteres sogleich recht behaglich und gemüthlich
gestimmt fühlen mußte. Wenn Du Dir dann noch dazu
denkst, daß ich bei jedem Besuch mit Butter- und Honig-
brod und Obst reichlich bewirthet wurde, so kannst Du Dir
leicht Vorsteven, daß ich »eine Mutier herzlich gern in die-
ses Häuschen begleitete.
Als ich einige Jahre älter geworden und etwas lesen
rechnen und schreiben gelernt hatte, erhielt ich zudem bei
jedtm Besuche, wenn ich Proben meiner Fortschritte ab-
gelegt hatte, noch ein oder zwei gemalte Bilder, um micht
noch mehr anzueifern. Ganz glücklich fühlte sich Anna, so-
bald ich ihr einmal Stellen aus einem Gebetbuch oder aus
einer Legende recht deutlich vorlesen konnte.
Ja, als einmal der Pfarrer und Lehrer meiner Base
Anna rühmten, ich sei der erste Scküler, durfte ich zur
Belohnung mit meiner Mutter und Base Anna nach Trie-
berg zur Mutter Gottes-Gnadenkopelle wallfahren. Das
waren für mich läge des Entzückens, obgleich wir ziem-
lich starke Tagmärsche machten, in der Regel Nachts auf
Stroh lagerten und höchst einfach von Mehlspeisen uns
nährten, welche die Frauen mit sich nahmen. Bei solchen
Bittgängen und Wallfahrten wurde ich oft auf die
tiefe Andacht meiner Base aufmerksam, welche die Golt
geweihten Orte nie anders als baarsüßig betrat und die
Gnadenorte nie verließ, ohne unter die Armen reichliche
Almosen gespendet und Geld zum Lesen mehrerer heiligen
Messen zurückgelassen zu haben-
Es fiel wir auf, Laß Anna, nachdem sie die anwesen-
den Pilger ersucht hatte, für ihre Eltern zu beten, sie dann
die weitere dringende Bitte um ein gemeinschaftliches Ge-
bet für einen uvbußfertig Gestorbenen beifügte. Ich wagte
jedoch nicht zu fragen, wer dieser Gestorbene sei, denn ich
begriff, daß »an mir dieses zu verhehlen suchte.
Im Gm»an hielt ich damals meine Base Anna für
die glücklichste Person, wie sehr ich mich darin grtäus cht
hatte, wirst du nu« erfahren.
 
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