Miliane los, mit erhitzten Wangen stand diese ihrer Schwe-
ster gegenüber,
«Ich Wußte nicht, wo Du bliebst, fuhr Nette fort und
nahm, ohne scheinbar zu vcrmuthen, daß ihre Gegenwart
verwünscht wurde, auf der Ruhebank Platz, stellte das
Körbchen auf den Tisch und begann zu stricken.
Hilverda, der noch immer aus der Terrasse stand, kehrte
sich um, uahm seinen Hut von einem der Stühle, machte
eine steife Verbeugung vor Annette und sagte dann, indem
er Miliane die Hand reichte: »Es bleibt also bei der Ab-
sprache, bis morgen!"
»Ich schreibe Ihnen näher," war die halb erstickte
Antwort. Dann verließ Erich die beiden Schwester».
20.;
Nette war mit Gesine in den Garten von Kaprice ge-
kommen und hatte sich mit ihrer Arbeit in eine der Lauben
niedergelassen, als das Mädchen plötzlich frug: »Sollte
Ihre Schwester sich Verirrt haben?"
»Kann man sich hier verirren?"
»Wer weiß? Ich fürchte, daß Rix fortgelaufen ist und
nicht nach ihr hören will. Ich werde Mal sehen." Und sie
lief fort, ohne daß Nette von dem Argwohn des Mädchens
das geringste ahnte. Wenige Minuten später kam Gesine
zurück. Zum ersten Male sah Nette ihren bleichen Teint
mit Glnth übergossen; ihre Augen sprühten Funken, ihre
Hände waren geballt. »Wollen Sie wissen," frug sie athem-
los, ob ich Grund habe ihn zu hasten, so gehen Sie zum
Pavillon und sehen Sie, wie er seinen Blutsverwandten,
seinen Gastherrn verräth, wie er Schande bringt über das
Haus, worin man ihn geduldet hat. Armer Leo! er ahnt
nicht, wem sein Schatz, sein Juwel de» Vorzug gibt. Es
schreit zum Himmel um Rache. Ich habe Ihrer Schwester
nie vertraut, das wissen Sie!"
(Fortsetzung folgt.)
* Kiel, 4. Dez. Das 1. Seebataillon und
ein Detachement Marineartillerie geht Mittwoch nach
Wilhelmshaven, um durch einen Transportdampfer
nach der Kiao-Tschaubucht befördert zu werden. Die
zur Disposition entlassenen Mannschaften werden ein-
gezogen; sie verbleiben hier.
Ausland.
* Paris, 4. Dez. Der Brief des Majors Ester-
hazy an den General de Pellienx hat folgenden War-
lam: »Herr General! Die Folter, die ich unschuldig
seit 14 Tagen auSgestanden habe, ist übermenschlich.
Ich glaube, daß Sie die Beweise der schmählichen
Zettel« besitzen, die zu meinem Verderben ins Werk
gesetzt worden ist. Diese Beweise müssen in einer so
weit wie möglich gehenden gerichtlichen Verhandlung
vorgebracht werden. Es muß volles Licht geschaffen
werden; weder ein Fallenlassen der Untersuchung, noch
eine Einstellung des Verfahrens könnte mir gegenwär.
tig die mir gebührende Rechtfertigung sichern. Als
Offizier, der öffentlich des Hochverraths angeklagt ist,
habe ich das Recht auf ein Kriegsgericht, auf die er-
habenste Form der militärischen Justiz. Nur ein Ur«
theil eines solchen Gerichtes hat die Kraft, durch eine
Freisprechung vor der öffentlichen Meinung, an die
die Feigsten der Verleumder sich zu wenden gewagt
haben, deren Gewebe zu zerstöeen, ich erwarte von
ihrem hohen Gerechtigkeitssinn, vor das Pariser Kriegs«
gericht gestellt zu werden. Esterhazy." Das Schrei-
ben macht offenbar, daß wir es von nun an nicht
mehr mit dem Fall Dreyfus, sondern zunächst mit
dem Falle Esterhazy zu thun haben werden. Es ist
dies eine bedeutsame Wendung.
* Paris, 4. Dez. General Saussier befahl dem
ersten Pariser Kriegsgericht, die Untersuchung in der
Affaire Esterhazy zu eröffnen.
* Paris, 4. Dez. Der Advokat Tezenas, der
Vertheidiger Esterhazy's, erklärte einem Berichterstatter
des „Matin", daß der Prozeß Esterhazy, falls derselbe
vor das Kriegsgericht käme, geheim durchgeführt würde.
* Wie«, 4. Dez. Graf Badeni ist gestern Abend
nebst Gemahlin zum Besuchs seiner Tochter und seines
Schwiegersohnes nach Warschau abgereist.
* Wie«, 4. Dez. In der gestrigeu Sitzung des
GemeinderatheS erklärte Bürgermeister Dr. Lueger
auf eine Interpellation Klotzbergs, er werde an geeig«
neter Stelle für die volle Amnestie der bei den letzten
Demonstrationen in Wien Verhafteten wirken und be-
züglich des Verhaltens der Polizei bei dem Statthal-
ter vorstellig werden. Der Gemeinderath nahm als-
Deutsches Reich.
* Berlin, 4. Dez. Der nat.-liber. Abgeordnete
Bassermann hat mit Unterstützung seiner Fraktion
folgende Interpellation im Reichstag eingebracht:
„Welche Maßregeln gedenken die Verbündeten Regie-
rungen zu ergreifen, nm den auf Monopolisirung des
deutschen Petroleumhandels gerichteten Bestrebungen
der Standard Oil Compary entgegenzutreten?"
"chmen immer noch alle Postämter auf die täglich er-
scheinende Zeitung
»Pfälzer Bottsblatt"
Ht der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Cormtags-
b»te"), sowie unsere Expedition Heidelberg, ZwiNger-
Kaße 7, entgegen.
Expedition des „Pfsher Volksbtstt".
Heidelberg Zwingerstraße 7
Gestellungen
ör den Monat
von den „reichsfeindlichen" Parteien gefaßt worden;
es haben stets daran auch solche Abgeordnete theil-
genommen, die zu den sogen, „nationalen" Parteien
gehören. Der letzte, mit großer Mehrheit gefaßte
Beschluß, wenigstens den § 2 des Jesuitengesetzes
aufzuheben, ist sogar von conservativer Seite gestellt
worden. Vor mehr als anderthalb Jahren schon
hat der Reichskanzler erklärt, es solle geprüft werden,
ob vielleicht noch „die eine oder die andere" religiöse
Gesellschaft von dem Jesuitengesetze ausgenommen
werden könnte. Nicht ein Mal hierüber hat man
seitdem wieder etwas gehört. Und dabei ist die eine
der beiden noch als „verwandt" mit den Jesuiten
geltenden Gesellschaften sogar eine religiöse Genossen-
schaft von Frauen!
Warum kümmert man sich um die Beschlüsse des
Reichstages nicht? Doch bloß, weil eine Handvoll
Fanatiker dagegen protestirt. Soll denn dauernd daS
Maß der Ruhte und Freiheiten der Katholiken von
diesen Leuten abhängen, die sich sehr bald beruhigen
würden, wenn mcn über ihr Geschrei zur TageS-
Ordnung überginge? Es ist Aberglaube und bewußte
Täuschung, daß daS ganze protestantische Volk hinter
ihnen stehen soll. Dieser Tage noch hat ein nichts
weniger als katholikensreundlicheS Blatt zugegeben,
daß nicht ein Mal all' die donnernden Proteste gegen
die Canisius'Ercyklica im protestantischen Volke einen
nenner.Swerthen Wiederhall finden. Wenn die voll-
tönenden „Weckrufe" nicht ein Mal beachtet werden,
was wird dann das Volk erst danach fragen, ob einige
Dutzend Jesuiten sich wieder im Reiche niederlassen
dürfen?
Von culturkämpferischer Seite wird gern behauptet,
daS Centrum wolle die Aufhebung des Jesuiten-Ge«
setzes im Ernst gar nicht ein Mal, sondern freue sich,
mit ihm bei Gelegenheit seine Anhänger immer wieder
aufregen zu können. Darauf können wir stets nur erwi-
dern : So fange man das Centrum doch in seiner
eigenen Schlinge, indem man durch Aufhebung des
Jesuilen-Gesetzes ihm dies Agitationsmittel entzieht.
MMch mir Ausnahme der Sonn-- n.
.Vertage. mit dem wöchent-
Men Unterhaltungsblatt „Ter Sonntagsbote" für
vttdelberg monatlich 8« H mit Trägerlohn, durch
die Post bezogen vierteln 1.60 franco.
Möge es Sie nimmer gereuen, Fräulein Wolson! Und er
mack le Miene, den Pavillon zu verlassen.
„Erich!" rief sie Plötzlich, wie außer sich.
„Miliane!" und da lag sie in sprachloser Umarmung
an seiner Brust. Seine Lippen berührten ihre Slirne, seine
Arme hielten sie umfaßt- Einen Augenblick blieben sie so
stehen wie der Welt vergessen, doch Plötzlich wachte sie sich
los und das Ang«ficht mit den Händen bedeckend, eilte sie
zu der Terrasse an der Wasserseite. „O Gott! wozu bin
ich gekommen," schluchzte sie, »was habe ich gethan?"
Er stand neben ihr, den Arm um sie geschlagen. »Aber
nun lasse ich Dich nicht mehr, Miliane. Du bist mein, kein
Streit, um Dich zu gewiruun, soll mir zu schwer sein. Nun
darfst Du Lev's Frau nicht mehr werden. Du bist jetzt
meine Verlobte, meine Braut!"
„Ich kann nicht, ich darf nicht!"
„Du mußt die Bande zerreißen, die nur zum Schein
beständen; Du mußt absehen von einer Verbindung, die
Dich, die Künstlerin, moralisch erniediigte; Du mußt dem
Impuls Deiner Liebe folgen. Heuchelei ist nicht mehr mög-
lich. Wir können nicht wehr scheiden, Miliane!" Er schloß
sie nochmals in seine Arme, sie ließ wie kawpfesmüde den
Kops an seine Schulter finken und dielt die Augen geschlossen.
»Du hast cs so gewollt —" flüsterte sie, „alle Verant-
wortung komme aus Dich nieder ... ich kann nicht anders."
„Die Verantwortung werde ich tragen, Miliane! Was
Würde ich Deinetwegen nicht thun ? Doch es muß eine rasche
Entscheidung getroffen werden. Morgen früh reise ich ab
nach England; folge Du mir einige Stunden später mit
Deiner Schwester, Du weißt, schon den folgenden Tag
können wir nach englischem Gesetz heirathen und später
unsere Ehe in Lolland bestätigen lassen. Unmittelbar setzen
Wir Leo davon in Kenntnis» . . ,"
„Und die Selbstvorwürse, Erich, fürchtest Du die nicht?"
»Selbstvorwürfe und Getmffensbifse bestehen nur für
schwache Seelen; wir wissen, daß wir recht handeln, und
das ist uns genug."
„Bist Du hier, Mi?" frug eine wohlbekannte Stimme
an der Thüre- Wie vom Blitze getroffen ließ Hilvrrda
ZKfesats die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Grsan für Kakrlmt, Fmkrit L RM.
' Rabattbewilligung.
____ __ Expedition? Zwi»NSrN§aße 7
der Antrag suf Aufhebung des Jesmten-
gefthe,
'st vorige Woche vom Centrum im Reichstage wieder
Angebracht worden. Das wird am Ende wohl auch
Leute nicht wundern, die mit ihren „Protesten"
"vd „evangelischen Zeugnissen" gegen die CanisiuS-
f-bcyklica die Aufhebung des Gesetzes zu hintertreiben
^chen. Sie werden sich selbst sagen, daß das Centrum
uch durch sie nicht einschüchtern lassen wird, sondern
Unter allen Umständen darauf besteht, daß einer der
üthässigsten Ueberreste aus der CulturkampfSzeit be
stüigt und der Gerechtigkeit Raum gegeben werden
Muß.
Für den Antrag noch etwas zu sagen, erübrigt
sich. Der Reichstag hat, indem er ihn wiederholt
Are große Debatte annahm, bekundet, daß er die
Forderung des Centrums für vollberechtigt und selbst-
^rständlich hält. Es ist traurig, daß er mit seinen
Beschlüssen bet den Regierungen so wenig Entgegen«
Anmen findet. Diese hartnäckige Nichtbeachtung der
Wünsche der Volksvertretung zeigt, daß zwischen
Legierung und Volksvertretung nicht das richtige
^erhältniß herrscht. Die Regierungen würden sehr
^gehalten sein, wenn sie mit Wünschen, die so
seicht zu erfüllen sind, wie dieser, und gar nichts
Men, wieder und wieder abgewiesen würden. Man
M nicht ein Mal die Ausrede, die Beschlüsse seien
MeiiMli ?,SL
Zählung von Melativ Iva. Aus ö»uä: bischen vou
L- v. Heemftede.
„Ich wußte nicht, was Liebe war," flüsterte sie fast un-
A"bar, „ich glaubte Leo genug zu lieben, um ihn glücklich
Zachen zu können."
. „Aber nun weißt Du es, Miliane und da ich Dich lie-
M lehrte, habe ich ein größeres Anrecht an Dich als er,
?Er wn all' seinem Reichihum, seiner Schönheit und Lie-
^«swürdigkeit dies Geiühl nicht in Dir wach zu rufen
Mßte. Damals haft Du Dich schwerer gegen Leo vergangen
W jetzt, und Du darfst die Schuld nicht vermehren, indem
fix mit einem Eide besiegelst."
„ „Gehen Sie, Hilverda! - Erich, gehen Sie l Ich fühle
ks ist schlecht von mir. noch länger Ihren Worten zu
tauschen. Sie spielen die Rolle der verführerischen Schlange,
"as Sie mir rathcn, ist schlecht."
»DaS würde cs sein: schlecht, niedrig, gemein gegen-
Uer Leg nnd Dir selbst, wenn ich Dich nicht liebte und von
Ak geliebt würde. Denn, Miliane, ich reise gleich ab und
Mde nie mehr durch ein Wort oder eine Zeile verrathen,
Ms ich fühle, wenn Deine Lippen die Sprache Deiner
Mgkn Lügen strafen. Stellst Du Leo höher als mich, oder
Mft Du mich lieb, mehr als ibn?" Er sah sie an mit ei-
M durchdringenden Blicke und sie konnte ihn nicht er-
sfagen; fix fand keine Antwort. „Sage Ja oder Nein, Mi-
Uue > Von Deiner Antwort hängt das Schicksal dreier
Menschen ab!"
Sie schwieg und stand da mit gesenktem Haüvt wie
l«e Schuldige.
»Wohlan, dann weiß ich genug. Du fürchtest das glän-
Me Loos zu verlieren, das er Dir bereiten will. Du sürch-
Verachtung, den Tadel der Menschen; er hat
Grlld und die Diamanten, ich besitze Nichts als meine
Deine Liebe, als meinen männlichen Arm, de» ich Dir
U Stütze bieten kann. Du hast uns gegeneinander abge-
Wen und ich ward zu leicht befunden. Du hast das Recht
" freien Wahl Und ich unterwerfe mich Deinem Beschlüsse.
k 280.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
WM» WeM deil 7.KMer 1897._
Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huber in Heidelberg,
Lwingerstraße 7.
1. Mg.
ster gegenüber,
«Ich Wußte nicht, wo Du bliebst, fuhr Nette fort und
nahm, ohne scheinbar zu vcrmuthen, daß ihre Gegenwart
verwünscht wurde, auf der Ruhebank Platz, stellte das
Körbchen auf den Tisch und begann zu stricken.
Hilverda, der noch immer aus der Terrasse stand, kehrte
sich um, uahm seinen Hut von einem der Stühle, machte
eine steife Verbeugung vor Annette und sagte dann, indem
er Miliane die Hand reichte: »Es bleibt also bei der Ab-
sprache, bis morgen!"
»Ich schreibe Ihnen näher," war die halb erstickte
Antwort. Dann verließ Erich die beiden Schwester».
20.;
Nette war mit Gesine in den Garten von Kaprice ge-
kommen und hatte sich mit ihrer Arbeit in eine der Lauben
niedergelassen, als das Mädchen plötzlich frug: »Sollte
Ihre Schwester sich Verirrt haben?"
»Kann man sich hier verirren?"
»Wer weiß? Ich fürchte, daß Rix fortgelaufen ist und
nicht nach ihr hören will. Ich werde Mal sehen." Und sie
lief fort, ohne daß Nette von dem Argwohn des Mädchens
das geringste ahnte. Wenige Minuten später kam Gesine
zurück. Zum ersten Male sah Nette ihren bleichen Teint
mit Glnth übergossen; ihre Augen sprühten Funken, ihre
Hände waren geballt. »Wollen Sie wissen," frug sie athem-
los, ob ich Grund habe ihn zu hasten, so gehen Sie zum
Pavillon und sehen Sie, wie er seinen Blutsverwandten,
seinen Gastherrn verräth, wie er Schande bringt über das
Haus, worin man ihn geduldet hat. Armer Leo! er ahnt
nicht, wem sein Schatz, sein Juwel de» Vorzug gibt. Es
schreit zum Himmel um Rache. Ich habe Ihrer Schwester
nie vertraut, das wissen Sie!"
(Fortsetzung folgt.)
* Kiel, 4. Dez. Das 1. Seebataillon und
ein Detachement Marineartillerie geht Mittwoch nach
Wilhelmshaven, um durch einen Transportdampfer
nach der Kiao-Tschaubucht befördert zu werden. Die
zur Disposition entlassenen Mannschaften werden ein-
gezogen; sie verbleiben hier.
Ausland.
* Paris, 4. Dez. Der Brief des Majors Ester-
hazy an den General de Pellienx hat folgenden War-
lam: »Herr General! Die Folter, die ich unschuldig
seit 14 Tagen auSgestanden habe, ist übermenschlich.
Ich glaube, daß Sie die Beweise der schmählichen
Zettel« besitzen, die zu meinem Verderben ins Werk
gesetzt worden ist. Diese Beweise müssen in einer so
weit wie möglich gehenden gerichtlichen Verhandlung
vorgebracht werden. Es muß volles Licht geschaffen
werden; weder ein Fallenlassen der Untersuchung, noch
eine Einstellung des Verfahrens könnte mir gegenwär.
tig die mir gebührende Rechtfertigung sichern. Als
Offizier, der öffentlich des Hochverraths angeklagt ist,
habe ich das Recht auf ein Kriegsgericht, auf die er-
habenste Form der militärischen Justiz. Nur ein Ur«
theil eines solchen Gerichtes hat die Kraft, durch eine
Freisprechung vor der öffentlichen Meinung, an die
die Feigsten der Verleumder sich zu wenden gewagt
haben, deren Gewebe zu zerstöeen, ich erwarte von
ihrem hohen Gerechtigkeitssinn, vor das Pariser Kriegs«
gericht gestellt zu werden. Esterhazy." Das Schrei-
ben macht offenbar, daß wir es von nun an nicht
mehr mit dem Fall Dreyfus, sondern zunächst mit
dem Falle Esterhazy zu thun haben werden. Es ist
dies eine bedeutsame Wendung.
* Paris, 4. Dez. General Saussier befahl dem
ersten Pariser Kriegsgericht, die Untersuchung in der
Affaire Esterhazy zu eröffnen.
* Paris, 4. Dez. Der Advokat Tezenas, der
Vertheidiger Esterhazy's, erklärte einem Berichterstatter
des „Matin", daß der Prozeß Esterhazy, falls derselbe
vor das Kriegsgericht käme, geheim durchgeführt würde.
* Wie«, 4. Dez. Graf Badeni ist gestern Abend
nebst Gemahlin zum Besuchs seiner Tochter und seines
Schwiegersohnes nach Warschau abgereist.
* Wie«, 4. Dez. In der gestrigeu Sitzung des
GemeinderatheS erklärte Bürgermeister Dr. Lueger
auf eine Interpellation Klotzbergs, er werde an geeig«
neter Stelle für die volle Amnestie der bei den letzten
Demonstrationen in Wien Verhafteten wirken und be-
züglich des Verhaltens der Polizei bei dem Statthal-
ter vorstellig werden. Der Gemeinderath nahm als-
Deutsches Reich.
* Berlin, 4. Dez. Der nat.-liber. Abgeordnete
Bassermann hat mit Unterstützung seiner Fraktion
folgende Interpellation im Reichstag eingebracht:
„Welche Maßregeln gedenken die Verbündeten Regie-
rungen zu ergreifen, nm den auf Monopolisirung des
deutschen Petroleumhandels gerichteten Bestrebungen
der Standard Oil Compary entgegenzutreten?"
"chmen immer noch alle Postämter auf die täglich er-
scheinende Zeitung
»Pfälzer Bottsblatt"
Ht der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Cormtags-
b»te"), sowie unsere Expedition Heidelberg, ZwiNger-
Kaße 7, entgegen.
Expedition des „Pfsher Volksbtstt".
Heidelberg Zwingerstraße 7
Gestellungen
ör den Monat
von den „reichsfeindlichen" Parteien gefaßt worden;
es haben stets daran auch solche Abgeordnete theil-
genommen, die zu den sogen, „nationalen" Parteien
gehören. Der letzte, mit großer Mehrheit gefaßte
Beschluß, wenigstens den § 2 des Jesuitengesetzes
aufzuheben, ist sogar von conservativer Seite gestellt
worden. Vor mehr als anderthalb Jahren schon
hat der Reichskanzler erklärt, es solle geprüft werden,
ob vielleicht noch „die eine oder die andere" religiöse
Gesellschaft von dem Jesuitengesetze ausgenommen
werden könnte. Nicht ein Mal hierüber hat man
seitdem wieder etwas gehört. Und dabei ist die eine
der beiden noch als „verwandt" mit den Jesuiten
geltenden Gesellschaften sogar eine religiöse Genossen-
schaft von Frauen!
Warum kümmert man sich um die Beschlüsse des
Reichstages nicht? Doch bloß, weil eine Handvoll
Fanatiker dagegen protestirt. Soll denn dauernd daS
Maß der Ruhte und Freiheiten der Katholiken von
diesen Leuten abhängen, die sich sehr bald beruhigen
würden, wenn mcn über ihr Geschrei zur TageS-
Ordnung überginge? Es ist Aberglaube und bewußte
Täuschung, daß daS ganze protestantische Volk hinter
ihnen stehen soll. Dieser Tage noch hat ein nichts
weniger als katholikensreundlicheS Blatt zugegeben,
daß nicht ein Mal all' die donnernden Proteste gegen
die Canisius'Ercyklica im protestantischen Volke einen
nenner.Swerthen Wiederhall finden. Wenn die voll-
tönenden „Weckrufe" nicht ein Mal beachtet werden,
was wird dann das Volk erst danach fragen, ob einige
Dutzend Jesuiten sich wieder im Reiche niederlassen
dürfen?
Von culturkämpferischer Seite wird gern behauptet,
daS Centrum wolle die Aufhebung des Jesuiten-Ge«
setzes im Ernst gar nicht ein Mal, sondern freue sich,
mit ihm bei Gelegenheit seine Anhänger immer wieder
aufregen zu können. Darauf können wir stets nur erwi-
dern : So fange man das Centrum doch in seiner
eigenen Schlinge, indem man durch Aufhebung des
Jesuilen-Gesetzes ihm dies Agitationsmittel entzieht.
MMch mir Ausnahme der Sonn-- n.
.Vertage. mit dem wöchent-
Men Unterhaltungsblatt „Ter Sonntagsbote" für
vttdelberg monatlich 8« H mit Trägerlohn, durch
die Post bezogen vierteln 1.60 franco.
Möge es Sie nimmer gereuen, Fräulein Wolson! Und er
mack le Miene, den Pavillon zu verlassen.
„Erich!" rief sie Plötzlich, wie außer sich.
„Miliane!" und da lag sie in sprachloser Umarmung
an seiner Brust. Seine Lippen berührten ihre Slirne, seine
Arme hielten sie umfaßt- Einen Augenblick blieben sie so
stehen wie der Welt vergessen, doch Plötzlich wachte sie sich
los und das Ang«ficht mit den Händen bedeckend, eilte sie
zu der Terrasse an der Wasserseite. „O Gott! wozu bin
ich gekommen," schluchzte sie, »was habe ich gethan?"
Er stand neben ihr, den Arm um sie geschlagen. »Aber
nun lasse ich Dich nicht mehr, Miliane. Du bist mein, kein
Streit, um Dich zu gewiruun, soll mir zu schwer sein. Nun
darfst Du Lev's Frau nicht mehr werden. Du bist jetzt
meine Verlobte, meine Braut!"
„Ich kann nicht, ich darf nicht!"
„Du mußt die Bande zerreißen, die nur zum Schein
beständen; Du mußt absehen von einer Verbindung, die
Dich, die Künstlerin, moralisch erniediigte; Du mußt dem
Impuls Deiner Liebe folgen. Heuchelei ist nicht mehr mög-
lich. Wir können nicht wehr scheiden, Miliane!" Er schloß
sie nochmals in seine Arme, sie ließ wie kawpfesmüde den
Kops an seine Schulter finken und dielt die Augen geschlossen.
»Du hast cs so gewollt —" flüsterte sie, „alle Verant-
wortung komme aus Dich nieder ... ich kann nicht anders."
„Die Verantwortung werde ich tragen, Miliane! Was
Würde ich Deinetwegen nicht thun ? Doch es muß eine rasche
Entscheidung getroffen werden. Morgen früh reise ich ab
nach England; folge Du mir einige Stunden später mit
Deiner Schwester, Du weißt, schon den folgenden Tag
können wir nach englischem Gesetz heirathen und später
unsere Ehe in Lolland bestätigen lassen. Unmittelbar setzen
Wir Leo davon in Kenntnis» . . ,"
„Und die Selbstvorwürse, Erich, fürchtest Du die nicht?"
»Selbstvorwürfe und Getmffensbifse bestehen nur für
schwache Seelen; wir wissen, daß wir recht handeln, und
das ist uns genug."
„Bist Du hier, Mi?" frug eine wohlbekannte Stimme
an der Thüre- Wie vom Blitze getroffen ließ Hilvrrda
ZKfesats die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Grsan für Kakrlmt, Fmkrit L RM.
' Rabattbewilligung.
____ __ Expedition? Zwi»NSrN§aße 7
der Antrag suf Aufhebung des Jesmten-
gefthe,
'st vorige Woche vom Centrum im Reichstage wieder
Angebracht worden. Das wird am Ende wohl auch
Leute nicht wundern, die mit ihren „Protesten"
"vd „evangelischen Zeugnissen" gegen die CanisiuS-
f-bcyklica die Aufhebung des Gesetzes zu hintertreiben
^chen. Sie werden sich selbst sagen, daß das Centrum
uch durch sie nicht einschüchtern lassen wird, sondern
Unter allen Umständen darauf besteht, daß einer der
üthässigsten Ueberreste aus der CulturkampfSzeit be
stüigt und der Gerechtigkeit Raum gegeben werden
Muß.
Für den Antrag noch etwas zu sagen, erübrigt
sich. Der Reichstag hat, indem er ihn wiederholt
Are große Debatte annahm, bekundet, daß er die
Forderung des Centrums für vollberechtigt und selbst-
^rständlich hält. Es ist traurig, daß er mit seinen
Beschlüssen bet den Regierungen so wenig Entgegen«
Anmen findet. Diese hartnäckige Nichtbeachtung der
Wünsche der Volksvertretung zeigt, daß zwischen
Legierung und Volksvertretung nicht das richtige
^erhältniß herrscht. Die Regierungen würden sehr
^gehalten sein, wenn sie mit Wünschen, die so
seicht zu erfüllen sind, wie dieser, und gar nichts
Men, wieder und wieder abgewiesen würden. Man
M nicht ein Mal die Ausrede, die Beschlüsse seien
MeiiMli ?,SL
Zählung von Melativ Iva. Aus ö»uä: bischen vou
L- v. Heemftede.
„Ich wußte nicht, was Liebe war," flüsterte sie fast un-
A"bar, „ich glaubte Leo genug zu lieben, um ihn glücklich
Zachen zu können."
. „Aber nun weißt Du es, Miliane und da ich Dich lie-
M lehrte, habe ich ein größeres Anrecht an Dich als er,
?Er wn all' seinem Reichihum, seiner Schönheit und Lie-
^«swürdigkeit dies Geiühl nicht in Dir wach zu rufen
Mßte. Damals haft Du Dich schwerer gegen Leo vergangen
W jetzt, und Du darfst die Schuld nicht vermehren, indem
fix mit einem Eide besiegelst."
„ „Gehen Sie, Hilverda! - Erich, gehen Sie l Ich fühle
ks ist schlecht von mir. noch länger Ihren Worten zu
tauschen. Sie spielen die Rolle der verführerischen Schlange,
"as Sie mir rathcn, ist schlecht."
»DaS würde cs sein: schlecht, niedrig, gemein gegen-
Uer Leg nnd Dir selbst, wenn ich Dich nicht liebte und von
Ak geliebt würde. Denn, Miliane, ich reise gleich ab und
Mde nie mehr durch ein Wort oder eine Zeile verrathen,
Ms ich fühle, wenn Deine Lippen die Sprache Deiner
Mgkn Lügen strafen. Stellst Du Leo höher als mich, oder
Mft Du mich lieb, mehr als ibn?" Er sah sie an mit ei-
M durchdringenden Blicke und sie konnte ihn nicht er-
sfagen; fix fand keine Antwort. „Sage Ja oder Nein, Mi-
Uue > Von Deiner Antwort hängt das Schicksal dreier
Menschen ab!"
Sie schwieg und stand da mit gesenktem Haüvt wie
l«e Schuldige.
»Wohlan, dann weiß ich genug. Du fürchtest das glän-
Me Loos zu verlieren, das er Dir bereiten will. Du sürch-
Verachtung, den Tadel der Menschen; er hat
Grlld und die Diamanten, ich besitze Nichts als meine
Deine Liebe, als meinen männlichen Arm, de» ich Dir
U Stütze bieten kann. Du hast uns gegeneinander abge-
Wen und ich ward zu leicht befunden. Du hast das Recht
" freien Wahl Und ich unterwerfe mich Deinem Beschlüsse.
k 280.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
WM» WeM deil 7.KMer 1897._
Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huber in Heidelberg,
Lwingerstraße 7.
1. Mg.