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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Juni 1897
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Nr. 143
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0589

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Pfälzer Wkstcktt

WMklg, MnlU de« 27. Im! 1897.

Sc. 143.

Verantwortlicher Redakteur c
Joseph Huber in Heidelberg.

Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huber in Heidelberg,
ZwtngerLraße 7.

tSgltch mit ' Ausnahme der Sonn- u.
FMÄ L KeM. ZLLWZMZL
-7.

Einladung znm Abonne-
ment auf das III Quartal.
Unsere geehrten Postabonnenten werden höfl. ge-
beten, die Bestellung auf das „Pfälzer Volksblatt"
««gehend zu erneuern.

Die Kaiser-Reden.in Bielefeld und Köln
werden von einer liebedienerischen oder auch eigen-
süchtigen Presse zu großen Progiammreden gestempelt,
die dos Hereindrechen einer neuen Aera des allge-
meinen GliickeS und Wohlbehagens verkünden sollen.
Auch der Abg. Fihr. v. Zedlitz hat gestern im Ab-
geordnetenhause der „verblendeten Mehrheit" deS
Reichstages die Reden als ein Regierungkprogramm
vorgehalten, das uns endlich aus allen Wirren her-
auSreißen werde.
Wir können beim besten Willen in den Reden
kein neues und wegwe sendes Programm entdecken:
Erhaltung des Friedens, Schutz der deutschen Interessen
im AuSlande, Sickerung der Absatzgebiete für die
Erzeugnisse des deutschen Gewerbeflejßes, Schutz der
nationalen Arbeit, Förderung der Mittelstandes, Be-
kärrpsung des Umsturzes usw., alles das sind Dinge,
die längst im Regierungsprogramm deS Kaisers sie-
hen, die im Grunde genommen im Programm jedes
Monarchen stehen müssen, denn sie verstehen sich von
selbst. ES wird keine Regierung geben, die dies
Programm nicht unterschreiben und erklären würde:
dar haben wir längst. Der Kaiser hat auch mit kei-
nem Worte gesagt, daß dies etwas neues sein solle;
denn sein Streben und Trachten war von jeher auf
diese Dinge gerichtet. Es nimmt sich daher etwas
komisch aus, wenn z. B. die Deutsche BolkSwirthsch.
Corresp. aus den Reden allerlei Schlüsse auf die ge-
genwärtige RegierungSkrisis zieht. Weil Fürst Hohen-
lohe die Kölner Rede angehört habe, werde er das
Programm auch als doS feine adoptiren; demnach werde
er auch nicht amtsmüde sein und rS keine Vicekanzler-
schüft und kein Vicekaiserthum in dem viel erörterten
Sinne geben; Wohl aber würden v. Miquel, v. Posa-
dowsky usw. den Reichskanzler ohne Zweifel in der
5 Blind und -och sehend.
Da entbrannte Rudolf, er strafte ihren Geiz, er verwies
sie aus die heilige Schrift, die keine Todsünde so hart züchtige,
wie diese; er ritz ihr ihre« Heuchelschein der Frömmigkeit von
den eigenen Augen hinweg und zeigte sie in ihrer wahren
Gestalt, als Betrügerin ihres eigenen Bruders; er erschütterte
sie, daß sie stöhnte, aber er bewog sie nicht zur Erfüllung
seines Verlangens. Sie schwor, daß sie es nicht erfüllen könne,
daß sie kaum so viel Geld habe, um ein paar Tage noth-
dürftig zu leben. Entrüstet rief er, sie solle ihm einmal er-
lauben, in ihrem Pulte nachzuseben, er wolle Tausende in
Staatspapieren zum Vorschein bringen, das baare Geld
ungerechnet. Da schlug sie die Hände zusammen und heulte
und schrie. Das trieb seinen Grimm auf'S Höchste und ihren
Arm krampfhaft erfassend, beschwor er den rächende« Schat-
ten ihres tobten Bruders aus dem Grabe und bewirkte
damit — daß sie in fieberhafter Angst aufschrie: „Hilfe!
Hilfe! Räuber! Mörder! — er will mich morden!" —
Da schlug die Horcherin an die Jalousien, Rudolph
stutzte, der Rus des elendes WeibeS erschreckte ibn — er
fühlte, daß er zu weit gegangen, wenigstens für seine in-
nere Würde — ohne weiter ein Wort zu verlieren, stürzte
er aus dem Zimmer, schloß die Hausthüre auf, zog aber
mechanisch femen Schlüssel ab, eilte an der Wartesrau uor-
Kber und schnellen Schrittes die Straße hinauf. Die junge
Frau ging in's Haus zurück.
Rudolf zürnte auf sich selbst: ihm war, als habe er
seinen ganze« Adel verscherzt — ergrimmt schleuderte er
den Schlüssel, ohne besten Besitz es nicht zu dieser Scene
gekommen wäre, weit von sich. Er bemerkte nicht, daß hin-
ter ihm ein Mensch herschlich, der de« fallenden Schlüssel
Uirren hörte, suchte und fand, noch weniger, daß derselbe
mit dem Funde nach dem Hause der Wittwe zurückkehrte
und den Schlüssel geräuschlos probirte, dann aber in eini-
ger Entfernung vom Hause sich aufstellte. Nicht lange dau-
erte es, da trat rin Polizeimann, derselbe, der die beiden
Freunde im Garten der Mutter Brummeisen belauscht
hatte, aus dem schon erwähnten Gäßchen zu dem Finder
des Schlüsse».

Ausführung des Programms kraftvoll unterstützen
u. s w.
Auf die Ausführung wird es eben ankommen. Mit
Recht hebt die Nat.-Ztg. hervor, daß der eine ganz an-
dere Mittel u. Wege zur Verwirklichung deS Programms
für nothwendig halte als der andere. Was die eine Partei
oder Jnteressentengruppe als schädlich für die nationale
Arbeit ansieht, hält vielleicht die andere für eine Be-
günstigung der nationalen Arbeit; die einen find für
Handelsverträge, die andere für den Antrag Kanitz, die
eineu für Börfengesetz, Margarinegesetz, Handwerker-
Organisation usw. Sie alle behaupten, sie hätte nur
das allgemeine Wohl im Auge. Haben nun die
Conservativen irgendwie angedeutet, wie das Programm
auSgeführt werden soll? Hat man sonst irgendeinen
Anhaltspunkt dafür, daß ein neues klares und festes
Regierung--Programm auSgeorbeitet fti, nack dem
fortan der Curs gesteuert werden solle? Wir haben
nichts davon bemerkt. Wir sehen nur, daß einzelne
Leute die Worte des Kaisers aufgreifen, um herauS-
zulesen, was sie wünschen. Die Flottenschwärmer
fühlen sich durch die Gürzenich-Rede zu stärkerer
Agitation aufgemuntert; die Sozial-Politiker ä, la
Stumm begrüßen die Bielefelder Rede als Anregung
zu lauterer Forderung von Polizeimaßregeln. Wie
aber die Regierung die Reden auffaßt, was sie zu
thun gedenkt, darüber wissen wir gar nichts. Wir
wissen nicht ein Mal, wer über acht Tage Regierung
sein wird.
Also unterlasse man eS, den Kaiser-Rcden eine
Bedeutung zu geben, die sie nicht haben können und
sollen. Lin RegierungS-Programm ist auch noch nicht
damit durchgeführt, daß einige Leute eS stürmisch be-
grüßcn. Selbst also, wenn die Reden die Bedeutung
hätten, die man ihnen untrrzulegen bemüht ist, käme
es immer noch darauf an, wie die Volksvertretung
sich dazu stellt. Im allgemeinen hat das Volk ein
fehr richtiges Gefühl für das, was ihm dienlich ist,
und demgemäß wählt es seine Vertretung. Cs wird
dem Programm des Kaiser- auch im allgemeinen
ohne weitere- beistimmen; aber sehr fraglich ist uns
doch, ob es z. B. der Regierung beistimmen würde,
wenn diese das Programm dahin avslegen wollte, daß
wir eine Flotte ersten Ranges oder ein Bereinsgesetz
L In Recke haben müßten. Darum thut es das
starke und feste Programm und die „Zielbewußtheit"
der Regierung noch lange nicht. Die Regierung muß
sich auch m Uebereinstimmung mit dem Wünschen u.
Wollen deS Volkes setzen. Und selbst wenn ihr dies
gelänge, so können wir doch leider noch nicht das
„Nun wie steht's? Hast Du etwas Verdächtiges be-
merkt ?" fragte der Sergeant.
„Ja. Vater — vor einer Weile, wie ich nur eben erst
meinen Posten unter dem Thorweg dort eingenommen hatte,
sab ich ein Frauenzimmer an einer der Jalousien lehnen,
als ob sie horchte; der Gestalt nach war's unsere Stuben-
nachbarin, die Fritschin; gleich darauf hörte ich ein Ge-
schrei; die Frau pochte an die Jalousien, dann wurde die
Thür aufgerissen und ein Mensch stürzte heraus und auf
und davon. Wahrscheinlich war's der Doktor. Die Fritschin,
denn sie war's wirklich, wie ich an der Stimme hörte,
wurde nun von der Alten eingelassen"
„Gut, laß uns einmal horchen i" sagte der Sergeant.
Die Beiden gingen an das Haus der Wittwe und
stellten sich an eine der Jalousien.
„O Gott! wie ich noch immer zittere" — hörten sie die
Alte reden — „es ist wie ich dir sage: er trachtet mir nach
dem Leben — ein Glück, daß du noch nicht fort warst,
sonst wäre es um mich geschehen. Ach, es soll dein Schaden
nicht sein, ich will es dir in meinem Testament gedenken."
Den Gedanken, daß Rudolf der Alten nach dem Leben
trachte, suchte die junge Frau ihr zwar auszureden, aber
es gelang ihr nicht, und sie drang heftiger als zuerst in
sie, die Nacht bei ihr zu bleiben. Sie versprach dies, so
bald sie von ihrem Kinde fort könne.
„Nun komm, Vater," sagte der Begleiter des Sergean-
ten, als die Stubenthür aufging, „die Fritschin geht jetzt,
wir haben nun schon ein Stündchen Zeit, unfern Abschied
zu feiern. Die Andern find schon lange beisammen."
Die Beiden entfernten sich. Die Fritschin verließ das
Haus der Wittwe und ging nach ihrer Wohnung.
Inzwischen suchte Rudolf seinen Freund auf. Nach ver-
geblicher Nachfrage in dessen Wohnung stieß er auf ihn
vor seiner eigenen. Der wackere Freund begrüßte ihn mit
stürmischer Freude. „Bruder, Alles gut — der Engländer
hat bezahlt — zweihundert Louis — hrer find zwanzig für
dich; die Mutter Brummeise» ist befriedigt und du hast
absoluten Kredit bei ihr. Morgen früh mit dem erste«
Zuge reise ich nach Berlin und kehre nur als glücklicher
Gatte heim."

Vertrauen Haden, daß wir dann gründlich aus allen
Wirren heraus wären und das Staatrschiff ruhig
und sicher auf klarer See seine Bahn zöge. Wir
müßten jeden Augenblick gewärtig sein, daß da-
Steuer plötzlich umgelegr würde.
Deutsches Reich.
* Berlin, 25. Juni. Der Kaiser wird in
Kiel am nächsten Sonntag, 27. ds., ein Festmahl
zu Ehren des 60jährigen Jubiläums der Königin
von England veranstalten. Der engl. Botschafter
Sir Frank LaScelleS wird sich mit den Mitgliedern
der hiesigen Botschaft nach Kiel begeben, um an diesem
Feste theilzunehmen. Auch Reichskanzler Fürst Ho-
henlohe hat zu dieser Feier eine Einladung er-
halten.
* Berlin, 25. Juni. Der Botschafter v. Bülow
ist gestern Abend von Rom eingetroffen. Derselbe
stattete dem Reichskanzler einen längeren Besuch
ab. Er begibt sich morgen in das kaiserliche Hoflager
nach Kiel. (v. Bülow scheint als Nachfolger für
Herrn v. Marschall bestimmt zu sein. D. R.)

Deutscher Reichstag.
Berlin, 25. Juni.
Am BundeSrathstisch die Staatssekretäre v. Po-
sadowsky und v. Boetticher, Kriegs Minister v. Goß-
ler und Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe.
Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung um 12
Uhr 20 Mi«.
Auf der Tagesordnung steht die brüte Berathung
deS Nachtragsetats für 1897 98 mit Ausnahme der
bereits erledigten BesoldungSverbess-rungen in Verbind-
ung mit dem 2. und 3. Nachtragsetat und dem An-
leihegesetz.
Ohne Debatte werden die einzelnen Positionen
erledigt, ebenso die zugehörigen Petitionen.
Präsident von Buol giebt hierauf einen lieber-
blick über die Geschäfte des Hauses in der verflossenen
Session.
Abg. v. Levetzow (kons.) dankt dem Präsidenten
für seine Amtsführung. (Die Abgeordneten erheben
sich von den Plätzen.)
Präsident v. Buol spricht hierfür seinen Dank
aus. Die Anerkennung fei ihm ein reicher Ersatz
für seine Mühe. Er gedenkt der Vizepräsidenten,
Schriftführer und Quästoren.
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe verliest hierauf
eine kaiserliche Botschaft, durch welche die Session ge-
Rudolf nahm das dargebotene Geld. „Zum Einlöse«
der Instrumente ist es heute zu spät, aber morgen soll es
mein erstes Geschäft sein, und dann geht's ftrack's in's
Gefängniß! Aber, du Guter — wie soll ich dir danken, wie
werde ich dir vergelten, wann auch nur dein Darlehen zu-
rückzahlen können?
„Laß das jetzt," erwiderte Adolf, „vollende nur deine
Operation, die wird dich schnell berühmt machen; dann ist
dir eine glänzende Praxis gesichert, und vielleicht finde ich
deine holde Patientin gar als dein Bräutchen wieder."
Rudolf erröthete. Nun lud ihn Adolf ein, mit zur
Mutter Brummeisen zu gehen, wo sie bei einer kleinen
Bowle den Abend froh verplaudern und dann auf baldiges
Wiedersehen scheiden wollten.
Als die Beiden sich dem Kaffeehause an der Schiffer-
allee näherten, scholl ihnen lärmenver Jubel entgegen. „Da
geht's lustig zu," bemerkte Rudolf beim Eintritt in das
Haus. „Hoffentlich bleiben wir für uns."
„Wir gehen in's Privatstübchen der Mutter Brumm-
eifen, wenn schon ich mich bisweilen unter dergleichen Ge-
sellschaft zu mischen Pflege, um Gesichter zu studiren," ent-
gegnete Adolf; „aber es muß hier heute etwas Besonderes
los fein!"
Im Stübchen der Wirthin angekommen, erfuhren sie,
es fei eine kleine Gesellschaft Auswanderer nach Amerika,
die morgen früh abzusegeln gedenke, mit ihren Freunden
hier zusammen gekommen, um ein Bbschiedsgelage zu hal-
ten. Die eigentliche Seele davon sei der Sohn des Polizei-
sergeanten Huker.
„Ein schöner Patron," bemerkte Adolf, „an dem das
Vaterland wahrlich nichts verliert. Ein Gauner, der sicher
dem Zuchthaufe nicht entgangen wäre, wenn ihn fein Vater
nicht über das Wasser spedirte."
(Fortsetzung folgt.)
 
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