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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Juli 1897
DOI article:
Nr. 154
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0633

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pfcher Wksblatt

Auf das „Pfalzer Volks blatt" kann
fortwährend hier in unserem Expedition--
Lokale, auswärts bei allen Postämtern und
Postboten abonnirt werden.
Die bereits erschienenen Nummern werden

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in'Heidelberg.


. Der heutigen Nummer liegt „Der Sonntags-
d-te- Nr. 88 bei.

titgttch mit Ausnahme der Sonn- u. T«ke»^e die 1-spalttgePetitzeile oder deren Raum
Craan für Rakckech Freckesi L KeM.
deidelbera monatlich SV L mit Trägerlohn, durch » r ' Rabattbewrllrgung.
die Post bezogen viertelj. FS 1.60 franco. Expeditto»: Zwingerftratze 7.

^Kathrin," sagte ich mit der liebreichsten Stimme von
der Welt, „komm, leg' Dich zur Ruhe! Morgen ist auch
noch ein Tag und wenn Du dann ruhig zu Werke gehst,
findest Du das Loos um s- sicherer."
Da ließ sich die Frau wie ein willenloses Wesen führe«
und in das Bett legen. Ich löschte das Licht und schickte
ein inbrünstiges Gebet zum Himmel empor, daß er Alle-
zu unserem Besten lenken wöge, — dab er uns das viele
Geld nicht zukommen lasten möge, wenn cs nicht zu unferm
Heile gereichen sollte.
Vom Liebfraucntburm hörte ich es noch zwei Uhr schla-
ge», dann schlief ich e!n.
Es war zwar ein tiefer und gesunder Schlaf, der mich
umfing, aber plötzlich wachte ich auf. — Wahrscheinlich
hatte mich das lebhafte Geräusch geweckt, das von unten,
aus der Küche, herauflönte. Es rasselte, klapperte, klirrte
nämlich, als wenn Porzellan- und Älechgeschirre durchein-
ander gewoifen würcen. 34 war nicht lange in Zweifel,
wer dieses Geräusch verursachte- Richtig, das Bett meines
Weibes war leer, wie ich mich durch Tasten mit der Hand
überzeugte.
„Das unglückliche Weib," seufzte ich, „da bat sie nun
kein« Ruhe auf ihrem Lager gesunden; sie sucht in der
Küche nach dem Lose " Vom Liebsrauenthurm schlug es
vier Uhr. „Schon vier Uhr! Ach Gott, das ist eine fried-
lose Nacht!" Ich war in Zweifel, ob ich meine Frau zu-
rückrusen oder gewähren lassen sollte. Da klirrte Plötzlich
gewiß ein halbes Dutzend Teller auf die Steinfliesen der
Küche, daß das Geräusch der rollenden Scherben das ganze
Haus dmchtönte. 3» demselben Augenblick erwachte der
kleine Heinrich in seinem Bettchen und fing an zu weinen.
34 sprang aus dem Bette, kleidete mich abermals noth-
dürftig a», nahm den 3ungen, nachdem ich ihn in die Decke
gewickelt, auf den Arm und schritt vorsichtig die Treppe
hinab. Von unten schimmerte mir Licht entgegen. Als ich
di« fitzten Treppenstufen betrat, zeigte sich meinen Blicken
ein gräuliches Bild der Verwüstung. Kein Geschirr war
an seinem rechten Platze, alle Gestelle und Fächer waren
geräumt, die Thüren drS KüchenschrankS standen sperrangel-
weit offen, zerbrrchenes Porzellan bedeckte den Fußboden



und inmitten der Verwüstung stand meine Frau in leichtem
Nachtgewande, mit aufgelösten Haaren, hob den Deckel von
einer Keffeekanne und blickte hinein. MS sie nichts
darin entdeckte, stieß sie ein heiseres «achen aus, daß es mir
durch Mark und Bein ging. Dann schleuderte sie wüthend
die Kanne auf die Steinfliesen des Bodenbelags, warf den
Kopf in den Nacken und fragte mich in herausforderndem
Tone, was ich wolle.
„Kathrin " sagte ich sanft, der 3unge schreit nach Dir,
komm, trag' ihn wieder in fern Bettchen und decke ihn zu."
„Ach was," entgegnete Kathrin zornig, „der Junge und
immer der Junge! Es ist ein rechter Quälgeist. Ich habe
jetzt etwas Wichtigeres zu thun, wie Du siehst, als mich um
das Kind zu bekümmern. Ehe ich das Loos nicht wieder
habe, finde ich keine Ruhe."
„Kathrin," sagte ich nun in strengem, befehlendem
Tone, „ich dulde es nicht länger, daß Du zur Nachtzeit im
Hause herumrumorst. Der Platz einer Mutter ist zur Nacht
an der Sette ihres Kindes. Sott wird Dich strafen, wenn
Du um des schnöden Mammon willen Dein armes, gutes
Kind vernachlässigst." Damit nahm ich das Licht und be-
fahl: „Geh'voran nach oben!"
Mochte Kathrin nun von meinen Worten getroffen sein,
oder mochte sie sich von der Fruchtlosigkeit ihres Suchens
in der Küche überzeugt haben, genug, sie wankte mir voraus,
die Treppe hinauf. Obe« legten wir unser» Heinrich in
sein Bettchen und die Mutter deckte ihn wirklich ru, aber
nicht mit der srüheren Herzlichkeit und Sorge. Dann be-
gaben wir uns schweigend zur Ruhe- Ach es war keine
Ruhe für mich! Der Verdruß über die Aufregung und
Unordnung, welche und das große Loos ins Haus gebracht
bat, ließ mich nicht schlafen, und immer und immer wieder
kamen mir, so daß ich mich fast matt und krank davon im
Kopfe fühlte, die Verse in den Sinn, die ich früher bei
meiner Arbeit zu fingen Pflegte:
„Was frag' ich viel nach Geld und Gut,
Wenn ich zusrieden bin.
Gibt Gott mir nur gesundes Blut,
So hab' ich frohen Sinn-
(Fortsetzung folgt.)


Reformen im Postwrfen.
Der General-Lieutenant v. P 0 dbielSki hat die
Geschäfte als Staatssekretär des Reicht Postamts über-
Krumen. Wir haben nicht zu denen gehört, welche
7>e Berufung v. Podbielski'S schlankweg tadeln. Wir
Asstn zwar nicht, woher er die Befähigung für die
Leitung eines Beamten Vereins oder einer exotischen
Ausstellung mit Klimbim oder hervorragende Leist-
ungen auf dem Turf nicht als Befähigungs-Nachweis
Erkennen, wollen aber doch obwarten. Manchmal
8'bt Gott demjenigen, dem er ein Amt gibt, ja auch
u«n Verstand, dessen sich bei ihm niemand versehen
Ai. Mißtrauisch macht uns nur die Zugehörigkeit
AS Herrn v. PodbielSki zur konservativen, allen
Reformen im Postwesen abholden Partei und die
Achricht, Herr v. Miquel rechne auf den neuen
Staatssekretär für die Durchführung feiner fiskalischen
Mer».
Die ZeitungSmeldung, Herr v. PodbielSki habe
AS ersten Gedanken in seinem neuen Amte ein Aenderung
Unismm der Postbeamten ». die Verleihung
„.'"es Säbels an die Landbriefträger zu
sAge gefördert, möchten wir vorläufig für einen
Wechten Scherz halten. Sie wäre sonst ungemein
Kennzeichnet für den General-Staatssekretär. Größeres
Anken muß der Eifer errege», mit welcher dem
Aüungs-Geheimerath der Post, der oft M quel'jche
bedanken hat, und die Kreuzzeitung, daS leitende
Atalt der Partei deS Herrn v. PodbielSki ihm gute
^Abschläge für Reformen geben, wobei sie merk-
Erdiger weise beide auf dasselbe hinauskommen. Wir
z' " .
Dss große Loos.
Bon Theodor Berthold.
ohnmächtig vor Anstrengung, Aufregung und
„,'Mung ließ Kathrin die Arme finken, starrte mit Ver-
ba» n Blicken ins Leere und sagte tonlos: „Dann steckt
n» Los oben im Kleiderschranke."
«n»"H^hnn", sagie jch, .du wachst dich krank, wenn du
b»,?'»vger in der kalten Wintcrnacht außer dem Bette
MoA'lff und dich mit Suchen abwühst- Laß das Los bis
dm ? mcken, wo es steckt, und komm mit mir nach oben,
° unser kleiner Heinrich uns erwartet!"
Was," entgegnete Kathrin, „der 3unge läuft uns
itdk-'Ueg, aber das Los, das Los muß ich haben und sollte
Nacht darnach suchen." —
schüttelte den Krpf und verwünschte in meinem
.abermals das Loos, weil um des toben Mammon
Do«" "ne Mutter ihr Kind, ihr einziges Kind hintansetzte.
di°UL "ahm ich die träufelnde Talkkerze und wir stiege»
aber bin auf nach unserer Schlaskommer. Hinter uns
der Wohnstube, blieben die ausgezogenen Som-
"Maden und der tollste Wirrwar zurück. —
in '4 mich überzeugt, daß Heinrich noch ruhig
«ni,MM Bettchen schlief, entkleidete ich mich und kroch
die Federbett. Meine Frau aber hatte sofort, als sie
da« »AMkommer betreten, ohne auch nur einen Blick auf
Cchuk., Gesichtchen ihres Kindes zu werfen, die untere
dlr "Es klciderschrankeS her auSgerissen und darin
"°ch dem verlegten Loose von Neuem begonnen.
die^Mwen, Kinderstrümpfchen und Windeln flogen durch
Katb?i»A' "brr das Loos »ar nicht zu sehe». Da riß
Ewfin Thüre des Kleiderschronkes auf und Röcke,
"«ier D'""lieher, Kleider, Mäntel, mit denen, weil das
sichtia „"""iagsftaat war, tue Frau sonst immer so vor-
deut "^Mangen war, wurden auf den Boten geschleu-
»Mdem m keiner Tasche das Loo« gefunden wurde-
furch«,»», brach Kathrin halb ohnmächtig zwischen dem
g«t, Men Wirrwar zusammen und stieß einen Seufzer
»br«r <E,«.""ch Grauen überlief. Ich war sofort an
'»me und hob die Aermfte auf.

Höhungen empfiehlt. In Bezug auf die Nothwendigkeit
einer Reform der Zeitangs-Tarifs kann man ihr
beistimmen. Dabei wollen wir eS weiter nicht urgiren,
daß sie hieraus wohl auch für sich selbst zu profitiren
hofft, denn rS sollen ja nur die billigen und minder«
werthigen Zeitungen mit dem Massenpapier theuerer
versandt werden und zu diesen rechnet dar Blatt
selbst sich nicht. Dann verlangt die Kreuzzeitung
eine Reform deS Fünfziqpfennig Tarifs für Packete.
Es ist wahr, daß dieser Tarif von den großen Waaren«
Versandtgeschäften auSgenützt wird zum Schaden
vieler kleiner Kaufleute in kleinern Orten. Aber er
kommt doch auch der ganzen Bevölkerung und den
armen Leuten zu gute. Wir glauben nicht, daß die
Bevölkerung ihn abgeschafft wünschte. Gegen den
Mißbrauch ließen sich wohl wirksame Vorkehrungen
treffen. Nach den Reform-Ideen der Kreuzzeitung
soll ferner der Tarif für Eil-Depeschm erhöht werden,
weil davon im wesentlichen nur Börse und Großhandel
profilirten; ebenso empfiehlt sie Erhöhung der Fern-
sprech-Gebühren. Daß auch die Zeitungen an beiden
sehr interessirt sind, kümmert die Kreuzzeitung nicht,
denn als Berliner Blatt erhält sie höchst selten Eil-
Depeschen und Fernsprech-Meldungen.
Endlich befürwortet die Kreuzztg. gleich dem Zei-
tungs-Geheimrath der Post Ersparnisse durch Vermin-
derung des höher vorgebildeten Personals. Nachtigall,
ick hör' dir laufen! Leiter der Reichs-Postamts ist
jetzt ein General a. D. Die Beamtenstellen sollen
vorzugsweise mit Militär-Anwärtern und verabschie»
beten Offizieren besetzt werden. Darauf kommt'-
hinaus. Die Militär-Anwärter im Postdienst sind
thatsächlich wegen des neuen StaatSsecretairS denn
auch voll der schönsten Hoffnungen. Damit hängt eS
wohl auch zusammen, daß die Kreuzztg. nicht noch
für die Minderung des Personals eintritt, denn je
mehr Beamte verwendet werden, um so mehr Milj-
tair-Anwärter und Offiziere finden bei der Post
Unterkommen.
Die „Reformen" der Kreuzztg. gehen, wie man
sieht, so ziemlich überall auf das Gegentheil von dem,
was sonst gefordert wird. Eine Erhöhung deS Brief-
porto'- scheint sich ganz vergessen zu haben. Oder
war ihr das auf ein Mal zu viel der „Reformen."
Herr v. PodbielSki würde ohne Zweifel, wenn er auf
die „Ideen" derartiger Rathgeber einginge, die Post
noch herrlichen Tagen entgegen führen.

Zur gefälligen Beachtung! M
E
R

WellMg, ZmntU, kl 11. Mi 1897.
haben die Vorschläge der Post schon jüngst erwähnt,
die Kreuzztg. verarbeitet sie nur etwas weiter. Man
begegnet den Einwürfen gegen Herrn v. PodbielSki gern
mit dem Worte deS Kaiser-: „Unsere Zeit steht
im Zeichen deS Verkehrs," und glaubt, das biete
Gewähr gegen alle Rückwärts - Reformen. Diese
Gewähr können wir nun gerade nicht darin finden,
zumal nachdem schon einige Jahre verflossen lind,
seitdem das Wort gesprochen wurde. WaS die
unveroniwörtlichen Rathgeber in den Blättern dem
Staatssekretär empfehlen, sind jedenfalls zunächst keine
Reformen.
Zu-rst Ist da wieder die Klage, daß die Post die
Eisenbahnen für ihre Leistungen nicht ausreichend
entschädige, also Ueberschiisse auf fremde Kosten mache;
eS sei daher eine strenge finanzielle Auseinandersetz-
ung zwischen beiden nöthig. Erst wenn die Post von
ihrem eigenen Gelde leben könne, dürfe man au die
Erörterung von Erleichterungen und Verbilligungen
gehen. Da hört man den Herrn v. Miquel reden,
dem die von ihm beherrschten Eisenbahnen noch immer
nicht Überschüsse genug in die Kasse liefern. Ec
will dem Reiche auch noch die paar Millionen weg-
uehmeu, die eS aus der Postverwaltung hat, und
wenn diese als „Entschädigung" nicht auSreichen, soll
die Post ihren Tarif erhöhen. Mau muß den er-
findungsreichen Finanzminister aber immer wieder dar-
auf Hinweisen, daß die Verpflichtung zur Beförderung
der Post auf den Privatbahnen schon lag, als der
Staat sie erwarb. Dem entsprechend hat der Staat
weniger für dre Bahnen bezahlt, Wenn Herr v.
Miquel rin Gut erwirbt, auf dem eine dauernde Rente
lastet, so vermindert sich der Reinertrag deS Gutes
um diese Rente, und dementsprecher d wird er weniger
für das Gut zahlen. So hat eS der Staat auch ge-
macht, und eS liegt gar kein Grund vor, nun auf
einmal dem Staate eine Einnahme zuzuwenden, auf
dir er gar keinen Anspruch hat. Die „reinliche
Scheidung der Finanzen" ist ein Miquel'scher Kunst-
griff, den wir schon anderweitig kennen. ES ist aus-
reichend geschieden.
Die allgemeine Klage in den letzten Jahren war,
daß Hr. v. Stephan sich zu gar keinen Tarif Herab-
setzungen mehr verstehen wollte, sondern ganz entgegen
feiner vielfachen Erfahrung mit dem Einwurf kam,
das bringe so und so viel Einnahmen weniger. Die
Conservativen stimmten ihm bei, vorwiegend au-
Abneigung gegen den HandelSstand, dem die Ver-
billigungen in erster Reihe zu gute kommen würden.
Kein Wunder also, daß die Kreuzzeitung Tarif-Er»

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
LwtngerSraße 7.
 
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