Wtzer Votksblatl
WMlg, Vi»tW, dm 22. Iml 1897.
Verantwortlicher Redakteur
I ost ep h Huber in Heidelbesrg.
^»ruck^Berlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingrräraße 7.
scheint tSalich mit Ausnahme der Sonn- u. . Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
^^Änter?°I^sblatt^^r^S"nnta^b^e"^r trügst fjjt ^Ägsttsttts, ^tttsttts Ä-dlsts» Prw'atanzeigen^owjeMJ^HreSÄ^
8«Iio» j«t«t
nehmen alle Postanstalten und unsere Agenturen
Bestellungen auf das „Pfälzer Volksblatt" für
da- III. Quartal (Juli, August, September) an.
Der Preis ist Mk. 1.60 vom Briefträger frei ins
HauS gebracht.
Dem „Pfälzer Volksblatt" wird jeden Sams-
tag daS 8seitige Unterhaltungsblatt
Der EonutagSbote
beigegeben, welcher besonders für die Familie
bestimmt ist.
Ä Dr. Bödiker.
Wie wir in letzter Nummer mittheilten, genehmigte
der Kaiser das Abschiedsgesuch des Dr. Bödiker,
Präsident des Reichs-VnsicherungSawteS. Wenn
such der Rücktritt Dr. Bödiker'S, soweit erkennbar,
eine politische Bedeutung nicht hat, so wird doch die
Thatsache die öffentliche Meinung lebhaft beschäftigen,
Und zwar wird dieselbe mit allgemeinem Bedauern
ausgenommen werden. Seit Jahren schon ist von der
Eventualität eines Wechsels in der Leitung des Reichs-
Verficht, MgSamteS die Rede g wesen, da eS keinem
Zweifel unterliegen konnte, daß zwischen dem Präsi-
denten dieser Behörde u d dem Staatssekretär des
Reichsamtes des Innern tiefgehende Meinungsver-
schiedenheiten bestanden, welche sich sowohl auf die
staatsrechtliche Stellung deS Präsidenten des Reichs -
BersicherungSamtes als auf die an den Reichs Ver
sicherungsgesetzen vorzunrhmenden Aenderungen be-
zogen. Auch im Reichstage sind diese Dinge wieder-
holt zur Sprache gekommen, Wok ei regelmäßig von
den verschiedensten Seiten der Hoffnung Ausdruck ge-
geben wurde, daß eS gelingen werde, Hrn. Dr. Bödiker
in einer Stellung zu erhalten, die er in so hervor-
s ragender Weise auSgefüllt hat.
Bei Eröffnung des Deutschen Berufs-
g en oss ens chaft S - T ageS, der am 15. Juni
in Berlin stattfand, fehlte Herr Bödiker. Er hatte
sich entschuldigen lassen mit dem Bemerken, daß er eS
Nicht für angemessen halte, an der Berathung von
Gesetzen theizunehmen, die noch den gesetzgebenden
Körperschaften vorlägen. Der Vorsitzende der Ver-
55 Neidvoll rmd freudvoll. W.7/
Novelle von L- v. Neid egg.
(Schluß.)
„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht
»u sorgen," gab der Beamte zur Antwort. .klebrigen» la-
i chen Eie, so viel Eie wollen: «ui der ganz richtige« Fährte
habe ich mich befunden; auf daS Märchen von Kleptomanie
gebe ich nichts. Ich sagte ferner, das Fräulein wisse um
den Diebstahl, und sie wußte um denselben. Hätte »au mir
freie Hand gelosten, nicht mit Redensarten von Diskretion,
Delikateste und sonst, waS mir Fußangel« gelegt, die Per-
len hätten eher den Weg nach EderSburg «iedergefunven.
Mit voruehwen Leute« ist aber selten gut Kirschen essen,"
lehte er ärgerlich Hinz«. „Daß ich hier überflüssig geworden
bin, sehe ich ein, habe also die Ehre, mich zu empfehlen."
Er grüßte und ging. Langsam kehrte der Hofrath in
da» Zimmer zurück, in welchem die Liebenden a» Fenster
standen. Diefenbach halte den Arm um Buna's schlanke Ge-
stalt gelegt, ihr Kopf lehnte an seiner Schulter. Erröthend
»achte ste sich lo- und ging ihrem alten Freunde entgegeu.
„Man darf Ihnen also endlich Glück wünschen, gnä-
dige» Fräulein? Wie ift'S aber?" setzte er mit wehmüthi-
gem Lächeln hinzu, „wir verliere» Sie wohl zugleich aus
unserer Nähe? Sie paffen nicht mehr in diese Umgebung.
„Nein, nein, lieber Hofrath!" rief sie eifrig u»d reichte
ihm mit ihrem lieblichste» Lächeln beide Hände. „Ich bleibe
vorerst noch an diese» Ort, der mir eine Heimath gewor-
den ist durch den langen Aufenthalt »it »einer Mutter.
Nicht al» Lehrerin, aber als Ihre Mietherin w.ll ich hier
unter Ihrem Schutz bleiben, bis die Trauertest vorüber
ist, und Graf Tiefeubach .. . Robert" — lächelnd und er
riithend sah ste zu diese« auf — „mich von hier al» seine
Frau heimführt."
„So sei e» I" erklärte Graf Tufenbach. „Ihnen, de«
bewährten Freunde, vertraue ich mein Kleinod an. Dagegen
rechne ,ch auf Ihr Zureden, daß Anna nicht au» über-
Vermischtes.
-Ueber Charlotte Walt er'S Krankheit
schreibt da» Wiener Vaterland: Bor länger als zwölf
Jahren stellten die Aerzte ein Nervenleiden fest. Die Kranke
litt damals häufig an Schwindelanfällen und Kopfschmerzen;
später stellten sich auch Störungen der Verdauung und
Appetitlosigkeit ein. Bor ungefähr zwei Jahren traten Athem-
beschwerdcn auf, die sich meistens in den Nachtstunden ein-
stellten- Gelegentlich einer Vorstellung von Antonius und
Klcopatra wurde Frau Wolter von einem heftigen Unwohl-
sein befallen, so daß sie nur mit äußerster Anstrengung die
Rolle zu Code spielen konnte. Auf daSdringende Anrathen
der Aerzte nahm sie hierauf einen kurzen Urlaub; nach
kurzer Zeit konnte sie aber wieder auf der Bühne erscheinen.
Den Somruer 18Z6 brachte die Tragödin in ihrer Villa in
Weißenbach am Attersee zu, hatte jedoch daselbst keine Er-
holung gefunden. Als sie iw Herbste ihre Billa in Hietzing
bezog, steigerten sich die Verdauu«s»besch«erd-n, welche
schließlich zu einer hochgradigen Blutleere führten. I»
März trat eine Rippenfellentzündung ein; als diese ge-
hoben war, war der Zustand so gut, daß die Hoffnung
vorhanden war, da» Leben der Künstlerin zu erhalten. Nach
kurzer Zeit jedoch kam e» zu einem Rückfall. Hierbei stellte
sich bei der Kranken die äußerste Erschöpfung ei», welche
durch einen sehr großen Widerwillen gegen jede Nahrung
hervorgerufe» wurde. Die Tragödin nah« in dieser Zeit
al» einzige Nahrung nur drei bl» fünf Auster« täglich und
Champagner, hin und wieder etwas Eismilch und einige
rohe Eidotter zu sich. In den letzten Tagen nahm Char-
lotte Wolter mcht ei« Mal diese Nahrung auf. ES wurden
daher in der Hofapotheke eigene Nährpulver bereitet, welche
ihr Angegeben wurden. Durch diese vollständig unzureichende
Nahrungsaufnahme stieg die Blutleere beständig, und e»
trat ein großer Kräfteverfall ein. In der letzten Woche
sammlung, Commerzienrath Rösike, konnte nicht um-
hin, deS Gerüchtes, daß Herr Bödiker zurücktreteo
wolle, Erwähnung zu thun; er fügte hinzu, daß die
BerufSgenoffenschasten die Bestätigung desselben leb-
haft bedauern würden, denn: „Wir haben uns stets
gern seiner L itung gefügt. Er hatte eS, wie selten
ein anderer, verstanden, sich das Vertrauen und die
Zuneigung der Arbeitgeber und Arbeiter
zu erwerben. Seiner Persönlichkeit ist eS zu danken,
daß da» BersicherungSamt Vertrauen in allen Kreisen
genießt, wie wenig andere Behörden." Bierundwanzig
Stunden später, erhielt Dr. Bödiker aus Lübeck ein
Telegramm ver dort zur elften ordentlichen Genossen-
schaftS Versammlungversammelten See-BerufSgenosieu-
schäft, wodurch „dem bewährten Orgauifator, welcher
di- erhabenen Gedanken der kaiserlichen Botschaft in
die Wirklichkeit zu übertragen verstanden, welcher, dem
inneren Frieden zur Förderung, dem AuS-
lande zur Bewunderung und Nacheiferung, die
sozial politische Gesetzgebung durchführte, daS Ver-
trauen der A r b e it g e b er in gleichem Maße wie der
Arbeiter genießt, und dess-n Rath und Autorität
zur weitern Wirksamkeit auf dem Gebiete der Ar-
beiter-Versicherung den Männern der Praxis nicht
entbehrlich ist," freundlicher Gruß und die Versicher-
ung t euer Anhänglichkeit gewidmet wurde.
In diesen Kundgebungen wird die Bedeutung Dr.
Bödiker'S trefflich gekennzeichnet. Mit der Schaffung
der großen deutschen Arbeiter-Versicherungsgesetze ist
sein Name untrennbar verbunden. An der Ausar-
beitung wie an der parlamentarischen Vertretung und
Einführung derselben in's L-ben hatte -r gleich hervor-
ragenden Antheil. Diese Gesetze sind vorbildlich ge-
worden für die in gleicher Richtung sich bewegenden
Bestrebungen der andern Länder; auf verschiedenen
internationalen Congressen wußte Dr. Bödiker daS
Verftändniß und daS Interesse dafür in immer weitere
Kreise zu tragen. Am 11. Juli 1884 wurde er zum
Präsidenten deS ReichsversicherungsamtS ernannt, wel-
che- er ganz mit seinem Geiste erfüllt hat. Ihm vor
allem ist eS zu danken, daß die Wirksamkeit des Am-
tes einer so allgemeinen Anerkennung sich erfreute.
Die Rechtsprechung desselben hielt sich frei von engherzi-
ger, formalistischer u. bureaukratischer Auffassung; sie
war getragen von den großen versöhnlichen Gedanken,
welche die kaiserliche Botschaft am 17. November
1881 eingaben. Es ist der schönste Erfolg
der Thätigkeit Bödiker'S, daß in einer Zeit, wo
fast alle öffentlichen Einrichtungen mit dem Miß
tricbenem Zartgefühl die Trauerzeit zu weit ausdehne.
Lange, viel zu lange habe ich suchen und entbehren müssen.
Ich sehne mich danach, zu meinem Glück zu gelangen, zu
unferm Glück!"
trauen der Arbeiierbevölke.ung zu kämpfen haben,
dem ReichSversicherungSamte das Vertrauen auch der
Arbeiter in immer steigendem Maße entgegengebracht
wurde.
Dr. Bödiker steht noch in der Vollkraft der Jahre;
er hat erst vor einigen Tagen sein vierundfünfzig.
steS Lebensjahr vollendet. Die beste Vorschule für
feine spätere segensreiche Wirksamkeit hat er in der Rhein-
provinz durchgemacht als Landrath des gewrrbereichen
Kreises M. Gladbach. Von dort wurde er als Vor-
tragender Rath ins Reichsamt des Innern berufen.
An Auszeichnungen Aller Art hat eS ihm während
seiner amtlichen Laufbahn nicht gefehlt. Anläßlich
seines Ausscheiders auS dem Staatsdienste wurde ihm
der WilhelmSorden verliehen, die für Verdienste auf
sozialpolitischem Gebiete besonders gestiftete Aus-
zeichnung.
Als sein Nachfolger wird der bisherige Direktor
im ReichSversich rungSamte, Geheimrath Gaebel, be-
zeichnet. Wie man hört, hatte Dr. Bödiker den Ge-
heimrath Sarrazin vorgeschlagen. ES wird nicht
leicht sein, die Lücke auszufüllen, welche dar Aus-
scheiden dieses ausgezeichneten Manner läßt. Man
kann nur dringend wünschen, daß die Traditi-
onen Dr. Bödiker'S in dem ReichSverstcherungS-
amte fortleben, daß dasselbe auf der von ihm ge»
schaffenen Grundlage fortarbeite. Davon wird e»
abhängen, od die deutschen ArbeiterverstcherungSgesetze
die Aufgabe werkthätiger Sozialpolitik zu erfüllen
vermögen, für welche sie in'S Leben gerufen wurden.
Die Blätter der verschiedensten Richtungen widmen
dem auSscheidenden Präsidenten ehrenoe Nachrufe.
Deutsches Reich.
* Köln, 19. Juni. Bei dem Pcunkmahl im
Gürzenich sprach Oberbürgermeister Becker in seinem
Trinkspruch auf das Kaiserpaar den Dank der Stadt
Köln für den kaiserlichen Besuch sowie die Gefühle
der Treue und innigen Liebe aus, welche die Bevöl-
kerung unwandelbar beseelen und die am heutigen Tage,
der dem Gedenken deS ersten deutschen Kaisers, der
ruhmreichen Schöpfers unserer deutschen Einheit ge-
weiht sei, in besonderem Maße hervortreten. Der
Bürgermeister gab der Hoffnung Ausdruck, daß das
Kaiserpaar auch bei der demnächst stattfindenden Ent-
hüllung der Denkmäler der Kaiserin Augusta und
Kaiser Friedrich die Stadt besuchen werde, und schloß
mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser, den Hüter
deS Friedens, den Förderer der Wohlfahrt, des An-
hatte sich zu ihren Leiden noch eine Herzbeutel-Entzündung
gesellt, als eine Folge de» Nierenleidens. Samstag Nach-
mittag gegen 5 Uhr verfiel Frau Wolter plötzlich in Be-
wußtlofigkeit. Ja Folge einer theilweisen Gehirnblutung
war eine recht-seitige Lähmung eingetreten. Der Pfarrer
von Hietzing wurde schleunigst gerufen, welcher der Kranken
die letzte O-lung ertheilte. Gegen 6 Uhr Abend» kehrte da»
Bewußtsein langsam zurück; später verfiel die Kranke wie-
der in Bewußtlosigkeit und blieb mit kurzen Unterbrechungen
in diesem Zustande bis zum Tode. Um ihre Schmerzen zu
lindern, verabreichten ihr die Aerzte einige Morphium-
Jnjectionen. Sonntag Abend entrang sich der Brust der
Sterbenden der letzte Seufzer. Einige Minuten nachher fuhr
Hofrath Pros. Nothnagel vor; er fand Frau Wolter schon
todt. Die Leiche blieb die Nacht über im Sterbegemache.
Zwei Klosterfrauen beteten bei der Tobten. Das hinter-
laflenc Vermögen beträgt eine halbe Million.
— Paris, 18. Juni. Ein Chclon, der MendS in
der Pariser Vorstadt Asnieres und der Umgegend nieder-
ging, richtete große Verbeerungen an. Auf dem Haupt-
platz von Asnieres, wo Jahrmarkt ftcltfand, wurden alle
Buden umgcworfen, mehr als 200 Bäume entwurzelt und
mehrere Wagen umgestürzt. In einer Fabrik wurde das
Dach abgerissen und der Schornstein» umgeworfen. Der
Kessel platzte. Man spricht von 15 Verwundeten und
mehreren Tobten. Auf der „Liaos Ls Voltairs" wurde
ein Cafe zerstört. Auch hier soll es Todte und zahlreiche
Verwundete gegeben haben. Ueberaü wurden Dächer ab-
gerissen u«d Wohnungen durchgebrochen. Der Bahnhof
von Bois ColombeS wurde so beschädigt, daß der Eisen-
bahnverkehr unterbrochen werden mußte. Ebenda wurden
die Werkstätten der Westlahn umgeworfen. Bisher zählt
man 20 Verwundete in Ärmeres und 40 in Bois-Colombes.
Cyclon zog in der Form von einer Rauchwolke von Süd-
osten nach Nordosten und dauerte 10 Sek. Die Pariser
Polizeipräftekt leitet die Räumungsarbeiten. Es wurde
Militär zur Hilfeleistung kommandirt.
WMlg, Vi»tW, dm 22. Iml 1897.
Verantwortlicher Redakteur
I ost ep h Huber in Heidelbesrg.
^»ruck^Berlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingrräraße 7.
scheint tSalich mit Ausnahme der Sonn- u. . Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
^^Änter?°I^sblatt^^r^S"nnta^b^e"^r trügst fjjt ^Ägsttsttts, ^tttsttts Ä-dlsts» Prw'atanzeigen^owjeMJ^HreSÄ^
8«Iio» j«t«t
nehmen alle Postanstalten und unsere Agenturen
Bestellungen auf das „Pfälzer Volksblatt" für
da- III. Quartal (Juli, August, September) an.
Der Preis ist Mk. 1.60 vom Briefträger frei ins
HauS gebracht.
Dem „Pfälzer Volksblatt" wird jeden Sams-
tag daS 8seitige Unterhaltungsblatt
Der EonutagSbote
beigegeben, welcher besonders für die Familie
bestimmt ist.
Ä Dr. Bödiker.
Wie wir in letzter Nummer mittheilten, genehmigte
der Kaiser das Abschiedsgesuch des Dr. Bödiker,
Präsident des Reichs-VnsicherungSawteS. Wenn
such der Rücktritt Dr. Bödiker'S, soweit erkennbar,
eine politische Bedeutung nicht hat, so wird doch die
Thatsache die öffentliche Meinung lebhaft beschäftigen,
Und zwar wird dieselbe mit allgemeinem Bedauern
ausgenommen werden. Seit Jahren schon ist von der
Eventualität eines Wechsels in der Leitung des Reichs-
Verficht, MgSamteS die Rede g wesen, da eS keinem
Zweifel unterliegen konnte, daß zwischen dem Präsi-
denten dieser Behörde u d dem Staatssekretär des
Reichsamtes des Innern tiefgehende Meinungsver-
schiedenheiten bestanden, welche sich sowohl auf die
staatsrechtliche Stellung deS Präsidenten des Reichs -
BersicherungSamtes als auf die an den Reichs Ver
sicherungsgesetzen vorzunrhmenden Aenderungen be-
zogen. Auch im Reichstage sind diese Dinge wieder-
holt zur Sprache gekommen, Wok ei regelmäßig von
den verschiedensten Seiten der Hoffnung Ausdruck ge-
geben wurde, daß eS gelingen werde, Hrn. Dr. Bödiker
in einer Stellung zu erhalten, die er in so hervor-
s ragender Weise auSgefüllt hat.
Bei Eröffnung des Deutschen Berufs-
g en oss ens chaft S - T ageS, der am 15. Juni
in Berlin stattfand, fehlte Herr Bödiker. Er hatte
sich entschuldigen lassen mit dem Bemerken, daß er eS
Nicht für angemessen halte, an der Berathung von
Gesetzen theizunehmen, die noch den gesetzgebenden
Körperschaften vorlägen. Der Vorsitzende der Ver-
55 Neidvoll rmd freudvoll. W.7/
Novelle von L- v. Neid egg.
(Schluß.)
„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht
»u sorgen," gab der Beamte zur Antwort. .klebrigen» la-
i chen Eie, so viel Eie wollen: «ui der ganz richtige« Fährte
habe ich mich befunden; auf daS Märchen von Kleptomanie
gebe ich nichts. Ich sagte ferner, das Fräulein wisse um
den Diebstahl, und sie wußte um denselben. Hätte »au mir
freie Hand gelosten, nicht mit Redensarten von Diskretion,
Delikateste und sonst, waS mir Fußangel« gelegt, die Per-
len hätten eher den Weg nach EderSburg «iedergefunven.
Mit voruehwen Leute« ist aber selten gut Kirschen essen,"
lehte er ärgerlich Hinz«. „Daß ich hier überflüssig geworden
bin, sehe ich ein, habe also die Ehre, mich zu empfehlen."
Er grüßte und ging. Langsam kehrte der Hofrath in
da» Zimmer zurück, in welchem die Liebenden a» Fenster
standen. Diefenbach halte den Arm um Buna's schlanke Ge-
stalt gelegt, ihr Kopf lehnte an seiner Schulter. Erröthend
»achte ste sich lo- und ging ihrem alten Freunde entgegeu.
„Man darf Ihnen also endlich Glück wünschen, gnä-
dige» Fräulein? Wie ift'S aber?" setzte er mit wehmüthi-
gem Lächeln hinzu, „wir verliere» Sie wohl zugleich aus
unserer Nähe? Sie paffen nicht mehr in diese Umgebung.
„Nein, nein, lieber Hofrath!" rief sie eifrig u»d reichte
ihm mit ihrem lieblichste» Lächeln beide Hände. „Ich bleibe
vorerst noch an diese» Ort, der mir eine Heimath gewor-
den ist durch den langen Aufenthalt »it »einer Mutter.
Nicht al» Lehrerin, aber als Ihre Mietherin w.ll ich hier
unter Ihrem Schutz bleiben, bis die Trauertest vorüber
ist, und Graf Tiefeubach .. . Robert" — lächelnd und er
riithend sah ste zu diese« auf — „mich von hier al» seine
Frau heimführt."
„So sei e» I" erklärte Graf Tufenbach. „Ihnen, de«
bewährten Freunde, vertraue ich mein Kleinod an. Dagegen
rechne ,ch auf Ihr Zureden, daß Anna nicht au» über-
Vermischtes.
-Ueber Charlotte Walt er'S Krankheit
schreibt da» Wiener Vaterland: Bor länger als zwölf
Jahren stellten die Aerzte ein Nervenleiden fest. Die Kranke
litt damals häufig an Schwindelanfällen und Kopfschmerzen;
später stellten sich auch Störungen der Verdauung und
Appetitlosigkeit ein. Bor ungefähr zwei Jahren traten Athem-
beschwerdcn auf, die sich meistens in den Nachtstunden ein-
stellten- Gelegentlich einer Vorstellung von Antonius und
Klcopatra wurde Frau Wolter von einem heftigen Unwohl-
sein befallen, so daß sie nur mit äußerster Anstrengung die
Rolle zu Code spielen konnte. Auf daSdringende Anrathen
der Aerzte nahm sie hierauf einen kurzen Urlaub; nach
kurzer Zeit konnte sie aber wieder auf der Bühne erscheinen.
Den Somruer 18Z6 brachte die Tragödin in ihrer Villa in
Weißenbach am Attersee zu, hatte jedoch daselbst keine Er-
holung gefunden. Als sie iw Herbste ihre Billa in Hietzing
bezog, steigerten sich die Verdauu«s»besch«erd-n, welche
schließlich zu einer hochgradigen Blutleere führten. I»
März trat eine Rippenfellentzündung ein; als diese ge-
hoben war, war der Zustand so gut, daß die Hoffnung
vorhanden war, da» Leben der Künstlerin zu erhalten. Nach
kurzer Zeit jedoch kam e» zu einem Rückfall. Hierbei stellte
sich bei der Kranken die äußerste Erschöpfung ei», welche
durch einen sehr großen Widerwillen gegen jede Nahrung
hervorgerufe» wurde. Die Tragödin nah« in dieser Zeit
al» einzige Nahrung nur drei bl» fünf Auster« täglich und
Champagner, hin und wieder etwas Eismilch und einige
rohe Eidotter zu sich. In den letzten Tagen nahm Char-
lotte Wolter mcht ei« Mal diese Nahrung auf. ES wurden
daher in der Hofapotheke eigene Nährpulver bereitet, welche
ihr Angegeben wurden. Durch diese vollständig unzureichende
Nahrungsaufnahme stieg die Blutleere beständig, und e»
trat ein großer Kräfteverfall ein. In der letzten Woche
sammlung, Commerzienrath Rösike, konnte nicht um-
hin, deS Gerüchtes, daß Herr Bödiker zurücktreteo
wolle, Erwähnung zu thun; er fügte hinzu, daß die
BerufSgenoffenschasten die Bestätigung desselben leb-
haft bedauern würden, denn: „Wir haben uns stets
gern seiner L itung gefügt. Er hatte eS, wie selten
ein anderer, verstanden, sich das Vertrauen und die
Zuneigung der Arbeitgeber und Arbeiter
zu erwerben. Seiner Persönlichkeit ist eS zu danken,
daß da» BersicherungSamt Vertrauen in allen Kreisen
genießt, wie wenig andere Behörden." Bierundwanzig
Stunden später, erhielt Dr. Bödiker aus Lübeck ein
Telegramm ver dort zur elften ordentlichen Genossen-
schaftS Versammlungversammelten See-BerufSgenosieu-
schäft, wodurch „dem bewährten Orgauifator, welcher
di- erhabenen Gedanken der kaiserlichen Botschaft in
die Wirklichkeit zu übertragen verstanden, welcher, dem
inneren Frieden zur Förderung, dem AuS-
lande zur Bewunderung und Nacheiferung, die
sozial politische Gesetzgebung durchführte, daS Ver-
trauen der A r b e it g e b er in gleichem Maße wie der
Arbeiter genießt, und dess-n Rath und Autorität
zur weitern Wirksamkeit auf dem Gebiete der Ar-
beiter-Versicherung den Männern der Praxis nicht
entbehrlich ist," freundlicher Gruß und die Versicher-
ung t euer Anhänglichkeit gewidmet wurde.
In diesen Kundgebungen wird die Bedeutung Dr.
Bödiker'S trefflich gekennzeichnet. Mit der Schaffung
der großen deutschen Arbeiter-Versicherungsgesetze ist
sein Name untrennbar verbunden. An der Ausar-
beitung wie an der parlamentarischen Vertretung und
Einführung derselben in's L-ben hatte -r gleich hervor-
ragenden Antheil. Diese Gesetze sind vorbildlich ge-
worden für die in gleicher Richtung sich bewegenden
Bestrebungen der andern Länder; auf verschiedenen
internationalen Congressen wußte Dr. Bödiker daS
Verftändniß und daS Interesse dafür in immer weitere
Kreise zu tragen. Am 11. Juli 1884 wurde er zum
Präsidenten deS ReichsversicherungsamtS ernannt, wel-
che- er ganz mit seinem Geiste erfüllt hat. Ihm vor
allem ist eS zu danken, daß die Wirksamkeit des Am-
tes einer so allgemeinen Anerkennung sich erfreute.
Die Rechtsprechung desselben hielt sich frei von engherzi-
ger, formalistischer u. bureaukratischer Auffassung; sie
war getragen von den großen versöhnlichen Gedanken,
welche die kaiserliche Botschaft am 17. November
1881 eingaben. Es ist der schönste Erfolg
der Thätigkeit Bödiker'S, daß in einer Zeit, wo
fast alle öffentlichen Einrichtungen mit dem Miß
tricbenem Zartgefühl die Trauerzeit zu weit ausdehne.
Lange, viel zu lange habe ich suchen und entbehren müssen.
Ich sehne mich danach, zu meinem Glück zu gelangen, zu
unferm Glück!"
trauen der Arbeiierbevölke.ung zu kämpfen haben,
dem ReichSversicherungSamte das Vertrauen auch der
Arbeiter in immer steigendem Maße entgegengebracht
wurde.
Dr. Bödiker steht noch in der Vollkraft der Jahre;
er hat erst vor einigen Tagen sein vierundfünfzig.
steS Lebensjahr vollendet. Die beste Vorschule für
feine spätere segensreiche Wirksamkeit hat er in der Rhein-
provinz durchgemacht als Landrath des gewrrbereichen
Kreises M. Gladbach. Von dort wurde er als Vor-
tragender Rath ins Reichsamt des Innern berufen.
An Auszeichnungen Aller Art hat eS ihm während
seiner amtlichen Laufbahn nicht gefehlt. Anläßlich
seines Ausscheiders auS dem Staatsdienste wurde ihm
der WilhelmSorden verliehen, die für Verdienste auf
sozialpolitischem Gebiete besonders gestiftete Aus-
zeichnung.
Als sein Nachfolger wird der bisherige Direktor
im ReichSversich rungSamte, Geheimrath Gaebel, be-
zeichnet. Wie man hört, hatte Dr. Bödiker den Ge-
heimrath Sarrazin vorgeschlagen. ES wird nicht
leicht sein, die Lücke auszufüllen, welche dar Aus-
scheiden dieses ausgezeichneten Manner läßt. Man
kann nur dringend wünschen, daß die Traditi-
onen Dr. Bödiker'S in dem ReichSverstcherungS-
amte fortleben, daß dasselbe auf der von ihm ge»
schaffenen Grundlage fortarbeite. Davon wird e»
abhängen, od die deutschen ArbeiterverstcherungSgesetze
die Aufgabe werkthätiger Sozialpolitik zu erfüllen
vermögen, für welche sie in'S Leben gerufen wurden.
Die Blätter der verschiedensten Richtungen widmen
dem auSscheidenden Präsidenten ehrenoe Nachrufe.
Deutsches Reich.
* Köln, 19. Juni. Bei dem Pcunkmahl im
Gürzenich sprach Oberbürgermeister Becker in seinem
Trinkspruch auf das Kaiserpaar den Dank der Stadt
Köln für den kaiserlichen Besuch sowie die Gefühle
der Treue und innigen Liebe aus, welche die Bevöl-
kerung unwandelbar beseelen und die am heutigen Tage,
der dem Gedenken deS ersten deutschen Kaisers, der
ruhmreichen Schöpfers unserer deutschen Einheit ge-
weiht sei, in besonderem Maße hervortreten. Der
Bürgermeister gab der Hoffnung Ausdruck, daß das
Kaiserpaar auch bei der demnächst stattfindenden Ent-
hüllung der Denkmäler der Kaiserin Augusta und
Kaiser Friedrich die Stadt besuchen werde, und schloß
mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser, den Hüter
deS Friedens, den Förderer der Wohlfahrt, des An-
hatte sich zu ihren Leiden noch eine Herzbeutel-Entzündung
gesellt, als eine Folge de» Nierenleidens. Samstag Nach-
mittag gegen 5 Uhr verfiel Frau Wolter plötzlich in Be-
wußtlofigkeit. Ja Folge einer theilweisen Gehirnblutung
war eine recht-seitige Lähmung eingetreten. Der Pfarrer
von Hietzing wurde schleunigst gerufen, welcher der Kranken
die letzte O-lung ertheilte. Gegen 6 Uhr Abend» kehrte da»
Bewußtsein langsam zurück; später verfiel die Kranke wie-
der in Bewußtlosigkeit und blieb mit kurzen Unterbrechungen
in diesem Zustande bis zum Tode. Um ihre Schmerzen zu
lindern, verabreichten ihr die Aerzte einige Morphium-
Jnjectionen. Sonntag Abend entrang sich der Brust der
Sterbenden der letzte Seufzer. Einige Minuten nachher fuhr
Hofrath Pros. Nothnagel vor; er fand Frau Wolter schon
todt. Die Leiche blieb die Nacht über im Sterbegemache.
Zwei Klosterfrauen beteten bei der Tobten. Das hinter-
laflenc Vermögen beträgt eine halbe Million.
— Paris, 18. Juni. Ein Chclon, der MendS in
der Pariser Vorstadt Asnieres und der Umgegend nieder-
ging, richtete große Verbeerungen an. Auf dem Haupt-
platz von Asnieres, wo Jahrmarkt ftcltfand, wurden alle
Buden umgcworfen, mehr als 200 Bäume entwurzelt und
mehrere Wagen umgestürzt. In einer Fabrik wurde das
Dach abgerissen und der Schornstein» umgeworfen. Der
Kessel platzte. Man spricht von 15 Verwundeten und
mehreren Tobten. Auf der „Liaos Ls Voltairs" wurde
ein Cafe zerstört. Auch hier soll es Todte und zahlreiche
Verwundete gegeben haben. Ueberaü wurden Dächer ab-
gerissen u«d Wohnungen durchgebrochen. Der Bahnhof
von Bois ColombeS wurde so beschädigt, daß der Eisen-
bahnverkehr unterbrochen werden mußte. Ebenda wurden
die Werkstätten der Westlahn umgeworfen. Bisher zählt
man 20 Verwundete in Ärmeres und 40 in Bois-Colombes.
Cyclon zog in der Form von einer Rauchwolke von Süd-
osten nach Nordosten und dauerte 10 Sek. Die Pariser
Polizeipräftekt leitet die Räumungsarbeiten. Es wurde
Militär zur Hilfeleistung kommandirt.