Pfalzer Volksblatt
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingrrstraße 7.
einer Stunde, als ick mich allein bei Ihnen Beiden
befand, getödtet. Der Tod Ihres Mannes hat die Qualen
meiner Genossen auf Montjuich gerächt!" ES kostete
der Polizei Mühe, den Mörder in sichere Gewahrsam zu
bringen, denn die Bevölkerung Santa Agueda's wollte
in ihrer Entrüstung denselben lynchen. Der Mörder
heißt, wie bereits gemeldet, Michel Angelo Galli; er
ist 26 Jahre alt und aus Foggia bei Neapel gebür«
tigt. Er ist von mittlerer Statur und trägt, wegen
seiner schwachen Augen, einen Zwicker. Er erklärt,
ein Anarchist der That zu sein. In Nccera (Italien-
würde er bereits als Anarchist zu 18 Monaten Zucht-
haus verurtheilt. Hier in Borcelona ist er bekannt,
denn, nachdem er auS Italien entflohen war und sich
wenige Wochen in Marseille aufgehalten hatte, kam
er hierher und wohnte hier längere Zeit. Hierauf
kehrte er nach Frankreich zurück und bereiste schließ-
lich Belgien und England. In London soll das
Attentat gegen Canovas geplant worden sein, und
Galli wurde mit der Ausführung desselben betraut.
Am 10. Juli traf er in Madrid ein, und am 4. Au-
gust begab er sich nach Santa Agueda, in denselben
Gasthof, wo Herr Canovas wohnte.
Daß die Ermordung dieses Mannes, der in Spa-
nien ein so großes Ansehen genoß, einen unbeschreib-
lichen Eindruck im ganzen Lande hervorgebracht
hat, bedarf wohl keines weiteren Heroorhebens.
Herr Canovas galt hier für den tüchtigsten
Staats m a n n des Reichs. Seine Energie,
sein Stolz waren im Lande sprichwörtlich geworden.
Er hatte viele politische Feinde, aber Niemand leug-
nete seine außerordentliche Begabung als Staatsmann,
seinen geraden biederen Sinn und seine glühende
Vaterlandsliebe. Mit dem Ruf: ,Es lebe Spa-
nieu!" hat er seinen Geist ausgehaucht, und in .
diesem Rufe darf man auch den Ausdruck des ganzen
Strebens und Trachtens seines Lebens erblicken.
Selbst seine erbittertstell Feinde auf politischem Gebiet
bedauern ihn aufrichtig und geben zu, daß sein Plötz-
licheS Verschwinden eine bedenkliche Erschütterung zur
Folge haben dürfte. Die Leiche des Herrn CanovaS
wird nach Madrid geschafft und in der Familiengruft
seiner Frau beigesetzt. Die Regierung hat die prunk-
vollsten Ehrenbezeigungen, die je der Leiche eine-
spanischen Bürgers zu Theil geworden sind, für die
Leichenfeier angeordnet. Ihm soll auch ein großartiges
Grabmal auf Staatskosten errichtet werden. Die
spanische Akademie und viele andere gelehrte Gesell-
schaften, denen Herr Canovas angehörte, werden ihm ,
zu Ehren besondere Leichenfeierlichkeiten veranstalten.
I. heutigen Nummer liegt „Der Sonntags-
Nr. 33 bei.
wie ein Marmorbild, wie in ruhigem Schlummer, um die
farblosen Lippen mit einem Zug wie ein schmertliches Lä-
cheln. Einen Kram von weißen Rosen umgab ihr blondes
Lockenhaupt, die Hände waren auf der Brust gefaltet. Sie
war nie so schön gewesen als sitzt, da die Majestät des
Todes ihren unbeweglichen Zügen den Ausdruck sanfter
Ruhe gegeben hatte.
Martha kniete allein bei der Leiche betend und wei-
nend nieder. Der Arzt hätte Frau Bloemertz und Fritz ei-
nen Schlaftrunk gegeben, um ihren Schmer» aus einige
Stunden »u betäuben. Der Vater, noch stark bei dem herb-
sten Schlage, der sein Herz trüffen konnte, saß eben in fei-
nem Studirzimmer, um die nöthigen Briefe zu schreiben.
Es war todtenstill draußen; ein herrlicher, stcrnbesäeter
Himmel wölbte sich über das Haus der Trauer und kein
Geraschel unterbrach die Stille, als hätte die Natur auch
Mitleid mit der Unalücksstätte, auf der nun das Licht, das
ja dreiundzwanrig Jahre so fröhlich geschienen hatte, ver-
schwunden war.
Ein Mann, tief in seinen Mantel gehüllt, ging lang-
sam und wie zögernd am eisernen Gitter entlang, dessen
Eingang nicht verschlossen war. Er blickte zu allen Fenstern
hinauf. Nur an »Wei Stellen brannte Licht, in dem Zim-
mer, wo Bloemertz schrieb, und im Salon- Er ging einige
Schritte zurück und trat in den Schatten des Baumes;
die Thüre öffnete sich.
Ein Diener trat heraus und ließ sie halb ängclehnt
stehen. Da faßte der Lauscher einen raschen Entschluß und
schlüpfte in den Sang hinein. Er schien sich noch zu be-
denken, als er den Griff der Salonthür e schon in der Hand
hielt, doch auf dem Kiespfad knirschten wiederum die Tritte
des Bedienten, und er trat ein.
Martha sprang erschr-Sen auf. „Adelbert, junger Herr !"
Er hieß sie schweigen und näherte sich langsam dem
Paradebett. Das Licht blendete ihn, er fuhr mit der Hand
Uber die Augen und starrte dann, die L'ppen fest auf ein-
ander pressend, die sterbliche Hülle der jungen Frau an.
„Arme Cilla!" rief er endlich aus, und der starke
Man« verlor seine Selbstbeherrschung; er sank auf die
Kniee nieder und barg das Angesicht schluchzend in die
Hände.
Ec wußte nicht, ob es ihm nicht gerade jetzt zum Trost
gereichte, daß sie immer glücklich gewesen war, und zwar
durch seinen Verzicht; daß, wie ihre Eltern es verlangt
hatten, der Schmerz selbst sie nur im Tode berührt hatte
und daß er dazu beigetragen hatte, ihr Leben zu einer
Reihenfolge sonniger Tage zu machen. — Er konnte sich
über seine Empfindungen keine Rechenschaft geben, doch die
Bitterkeit schien geschwunden wie der Groll, den er gegen
seinen Bruder und auch gegen sie im Herzen getragen
hatte. Der Tod, jener große Versöhner, hätte Alles aus-
gerottet, wenigstens für diesen Augenblick, und wäre Fritz
nun eingetreten und hätte seinen trauernden Bruder er-
blickt, so wären sie unzweifelhaft einander in die Arme
gesunken. Die Thränen, um der lieben Tobten willen ver-
gossen, würden jede Erinnerung an frühere Feindschaft ver-
wischt haben. Aber Niemand sah Adelbert's Erschütterung
als allein die alte Martha, die nicht zu begreifen vermochte
wie ihr junger Herr sich so grämen konnte um Eine, die
ihn so unedel behandelt hatte.
Er blieb langejknieen, wie vom Schmerz gebeugt.
„O Martha," sagte er endlich, tief bewegt aufstehend
„ich kann mir nicht vorstellen, daß sie todt ist; ich habe sie
immer gekannt, von der Zeit an, als sie noch in ihrer
Wiege lag. Und sie jetzt so Wiedersehen zu müssen! Fritz
machte sie glücklich, nicht wahr? Und sie war ja zufrieden "
„Ja! — Aber wenn er nicht so eigensinnig gewesen
wäre; es ist heute ihr Geburtstag."
„Ein unglücklicher Tag, auch der Begräbnißtag unserer
Mutter. Darum war ich in die Stadt gekommen. Du weißt,
daß ich jedes Jahr an diesem Tage ihr Grab besuche, und
da mußte ich dieses schreckliche Unglück vernehmen!"
„Ich sage nur, daß es von seinem Eigensinn kommt
der Herr Baron muß immer seinen Willen haben. Die
arme Mutter hat ihn oft genug gewarnt, und ich that eS
auch, aber er folgte immer seinem eigenen Kopf."
(Fortsetzung folgt.)
—-
" Ermordung Canovas drl CaMo's
!ini^° Warin es keine leiren Drohungen, als vor
Wochen in Barcelona an vielen Süllen
Zetteln angeschlagen wurden, auf denen zu lesen
„Unsere gefolterten Brüder auf
r-""tjuich werden demnächst bitter ge-
Ne, werden. Der Henker CanovaS wird
Ti»unter unseren Schlägen fallen!"
„ «raichisien haben Wort gehalten, und dem armen
>n ConlvoS ist dasselbe LooL zutheil gewmden,
e Herrn Carnot.
Obgleich unsere Leser daS Wesentlichste über daS
^'schreckliche Anarchistenattentat erfahren haben, so
H eine ausführlichere Schilderung der betr.
n„^unge den Lesern deS „Pfälzer VolkrblatteS" nicht
^erissant erscheinen.
Anfang deS letztveiflrsfenen Monats Juli be-
der Herr Canovas del Castillo, der sich in Folge
Außerordentlichen Anstrengungen, denen er sich
Hot, b des vergangenen Geschäftsjahres unterworfen
wobi' abgespannt fühlte, in Begleitung seiner Ge-
ucch Santa Agueda, einer kleinen Ortschaft
'N Schwefelbad in der Nähe San Sebastians,
jh. ^Ich letzterer Stadt bekanntlich die Königin.Regentin
ter ? ^ommeraufevthalt nimmt, ins Bad. Die Blät-
y. ^richt-ten noch vor Kurzem, dem greisen Staats-
Niein "'komme die Lust der baskischen Berge unge-
lick, und seine Gesundheit habe sich in erstaun-
yh, Maße gebessert. Die Jourualistev, die in Mad
fan» den heißen Sommermonaten nichts anzu-
herv^ wissen, da die Regierung, der Hof und alle
zn"?*sogenden Politiker und Finanzleute alsdann von
Na^t abwesend sind, pflegen sich während der ge-
i Monate ebenfalls in San Sebastian oder
Umgegend aufzuhalten. So kam es denn, daß
bon ^unovas in Santa Agueda täglich den Besuch
Mlrejchen Berichterstattern, in- u. ausländischen,
' ""d sich mit ihnen stundenlang in liebenSwür-
zur 8 über die wichtigen Angelegenheiten, die
i>i,t '» Spanien auf der Tagesordnung sind,
ist 'Welt. Men während einer solchen Unterhaltung
Herr Canovas den Kugeln eines Fanatikers zum
gefallen. Vier Tage vor dem Attentate war
Die einzige Tochter. BL"
Bölik^'lie war gerade an die Stelle gekommen, wo die
bes Hügels steil abfiel. Das Pferd, durch den
l>N<j?onlichen Sattel schon einigermaßen unruhig, scheute
Vm? einem Steinhaufen, der am Wege lag, und
Und Cäcilie, die nicht darauf bedacht gewesen war
sch dem mehr eleganten als zweckmäßigen Sattel nicht
hkr»n?' "ord abgeworfen und stürzte von der steilen Höhe
ki«-zDas Pferd aing durch. Dies Alle- war das Werk
CckinL Anblickes: Niemand als Martha hatte es vom
änd A?us gesehen. Fritz schwang sich ruhig auf s in Pferd
davon; Martha kam jammernd in den Hof ge-
Vih„ ' "der da war er schon zu weit entfernt. Von der
Ottad-- batte man jedoch Alles gesehen- Bloemertz war
Garten, als er das Getrappel des Pferdes und
tztüt«, 'kn Aufschrei seiner Tochter hörte. Er eilte zur
Rnnb, .des Unglücks. DaS Blut quoll Cäcilie aus dem
r vor, ""d sie war blaß wie eine Leiche.
tiach «einen Armen trug der arme Vater seine Tochter
bksabi Mi er legte sie in das Gartenzimmer nieder und
Nir N-Mcumgst einen Arzt. Dieser war zufällig unterwegs
Als- um Frau Bloemertz einen Besuch ahzustatten.
iWt, wm, stand Fritz gerade vor dem Gitter still; er
d»g , "°ch ebenso wenig als die Mutter. Jndcß bald ge-
lich-,. Beide das Unglück in seinem ganzen schreck-
sagl-j^U'sang. Der Doktor schüttelte den Kopf und rieth,
"itzt einem Geistlichen zu schicken- Cäcilie kam aber
stll»z?Ar znm Bewußtsein zurück; ehe man es ahnte, war
sich °*dei. Die junge, fröhliche, lebenslustige grau, die
Farbkn Stunde das Leben noch in den reizendsten
Men u^^malt hätte, lag kalt und regungslos da, um-
Mb wÄ?r!bren trostlosen Eltern und ihrem vor Schmerz
UVnnlgen Mann-
te«tewcht war gekommen. Im Salon der Billa Flo-
?b»»vni>?l§?k..einer weißen Bahre die sterbliche Hülle der
ichtz>n,w Cäcilie von Doornburg. Die Wände waren mit
»silbern, n "lor, worauf Eilberthränen glänzten, behangen;
«ariden Luchter, a s denen große Wachskerzen brannten,
« an beiden Seiten der Bahre. Cilla lag da, weiß
N^eint tSgttch mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
^.^nterMtu^ OkHW A Prw'atanzeigen^swvie für Jahres-Anznsien^be^ut^
^Sera monatlich 5» L mit Trägerlohn, durch- » l Rabattbewilligung.
^»^Q Pvst bezogen viertel). -E 1,60 franco. Expedition: Zwingerftraße 7
Melbers, MMg, bei 15. AuM 1897^
in demselben Gasthof, wo Herr Co novaS wohnte, ein
Isolierer abgestiegen, der sich im Fremdenbuch unter
dem Namen Michel Angelo Rivaldi, Correspondent
eines neapolitanischen BlutteS eingeschrieben hatte.
Derselbe war anständig gekleidet, beratm sich über-
Haupt fein und ordentlich und flößte Niemandem den
geringsten Verdacht ein.
Gestern nun, gegen Mittag, als Herr CanovaS
mit seiner Frau im Garten deS Gasthofs spazieren
ging, näherte sich der Italiener dem Minister und
redete ihn an. Herr Canovas unterhielt sich einen
Augenblick mit ihm, bis ihn seine Gemahlin daran er-
innerte, daß verschiedene Journalisten eine Unterred-
ung mit ihm wünschten. Herr Canovas verabschiedete
sich freundlich von dem Fremdling und näherte sich
den spanischen Journalisten, während seine Gemahlin
sich in ihre Gemächer zurückzog. Einige Minuten spä-
ter drängte sich der Italiener zwischen den spanischen
Journalisten hindurch zu Herrn CanovaS heran, lä-
chelte ihm zu, zog dann plötzlich einen Revolver aus
seiner richten Hosentasche und feuerte drei Schüsse auf
den greisen Minister ab. Eine Kugel durchbohrte dem
unglücklichen Staatsmann den Hiruschädel, die zwei
anderen Geschosse drangen ihm in die Brust. Herr
CanovaS brach zusammen, indem er auSrief: „Ich
bin todt! Es lebe Spanien!" Hieraus glaubt
man schlnßen zu dürfen, daß er meinte, von der
Hand eines kubanischen Insurgenten umgebracht wor-
in« zu sein. Blutüberströmt wurde der Verwundete
auf sein Zimmer gebracht und der Badearzt Sr. Duste,
wusch und verband die Wunden. Diese waren tödt-
lich. Herr CanovaS kam nicht wieder zur Besinnung
und gab um 1 Uhr 35 Minuten seinen Geist auf,
nachdem ihm P. Argüelles, der Dorfpfarrer, die letzte
Oelung gereicht hatte. Als die Schüsse, die auf Herrn
Canovas abgegeben wurden, knallten, kam seine Frau,
dir BöseS ahnte, die Treppe heruntergestürmt, und
sie war die erste, die auf den mit noch rauchender
Waffe dastehenden Mörder stürzte. Ein Redakteur
der Madrider „Correipondencia" und ein Artillerie-
kapitän nahmen sodann den letzteren fest und über-
lieferten ihn den herbeieilenden Polizisten. Im er-
sten Augenblick war die Bestürzung und der Schrecken
so groß, daß Jedermann wie gelähmt dastand und der
Mörder leicht hätte entkommen können. Dieser aber
dachte gar nicht daran und überlieferte sich ohne Wi-
derstand. Zu Frau Canovas, die ihn „feiger Meu-
chelmörder" hieß, und mit ihrem Sonnenschirm auf
ihn schlug, sagte er gelassen: „AuS Rücksicht für Sie,
Madame, habe ich Herrn Canovas nicht schon vor
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingrrstraße 7.
einer Stunde, als ick mich allein bei Ihnen Beiden
befand, getödtet. Der Tod Ihres Mannes hat die Qualen
meiner Genossen auf Montjuich gerächt!" ES kostete
der Polizei Mühe, den Mörder in sichere Gewahrsam zu
bringen, denn die Bevölkerung Santa Agueda's wollte
in ihrer Entrüstung denselben lynchen. Der Mörder
heißt, wie bereits gemeldet, Michel Angelo Galli; er
ist 26 Jahre alt und aus Foggia bei Neapel gebür«
tigt. Er ist von mittlerer Statur und trägt, wegen
seiner schwachen Augen, einen Zwicker. Er erklärt,
ein Anarchist der That zu sein. In Nccera (Italien-
würde er bereits als Anarchist zu 18 Monaten Zucht-
haus verurtheilt. Hier in Borcelona ist er bekannt,
denn, nachdem er auS Italien entflohen war und sich
wenige Wochen in Marseille aufgehalten hatte, kam
er hierher und wohnte hier längere Zeit. Hierauf
kehrte er nach Frankreich zurück und bereiste schließ-
lich Belgien und England. In London soll das
Attentat gegen Canovas geplant worden sein, und
Galli wurde mit der Ausführung desselben betraut.
Am 10. Juli traf er in Madrid ein, und am 4. Au-
gust begab er sich nach Santa Agueda, in denselben
Gasthof, wo Herr Canovas wohnte.
Daß die Ermordung dieses Mannes, der in Spa-
nien ein so großes Ansehen genoß, einen unbeschreib-
lichen Eindruck im ganzen Lande hervorgebracht
hat, bedarf wohl keines weiteren Heroorhebens.
Herr Canovas galt hier für den tüchtigsten
Staats m a n n des Reichs. Seine Energie,
sein Stolz waren im Lande sprichwörtlich geworden.
Er hatte viele politische Feinde, aber Niemand leug-
nete seine außerordentliche Begabung als Staatsmann,
seinen geraden biederen Sinn und seine glühende
Vaterlandsliebe. Mit dem Ruf: ,Es lebe Spa-
nieu!" hat er seinen Geist ausgehaucht, und in .
diesem Rufe darf man auch den Ausdruck des ganzen
Strebens und Trachtens seines Lebens erblicken.
Selbst seine erbittertstell Feinde auf politischem Gebiet
bedauern ihn aufrichtig und geben zu, daß sein Plötz-
licheS Verschwinden eine bedenkliche Erschütterung zur
Folge haben dürfte. Die Leiche des Herrn CanovaS
wird nach Madrid geschafft und in der Familiengruft
seiner Frau beigesetzt. Die Regierung hat die prunk-
vollsten Ehrenbezeigungen, die je der Leiche eine-
spanischen Bürgers zu Theil geworden sind, für die
Leichenfeier angeordnet. Ihm soll auch ein großartiges
Grabmal auf Staatskosten errichtet werden. Die
spanische Akademie und viele andere gelehrte Gesell-
schaften, denen Herr Canovas angehörte, werden ihm ,
zu Ehren besondere Leichenfeierlichkeiten veranstalten.
I. heutigen Nummer liegt „Der Sonntags-
Nr. 33 bei.
wie ein Marmorbild, wie in ruhigem Schlummer, um die
farblosen Lippen mit einem Zug wie ein schmertliches Lä-
cheln. Einen Kram von weißen Rosen umgab ihr blondes
Lockenhaupt, die Hände waren auf der Brust gefaltet. Sie
war nie so schön gewesen als sitzt, da die Majestät des
Todes ihren unbeweglichen Zügen den Ausdruck sanfter
Ruhe gegeben hatte.
Martha kniete allein bei der Leiche betend und wei-
nend nieder. Der Arzt hätte Frau Bloemertz und Fritz ei-
nen Schlaftrunk gegeben, um ihren Schmer» aus einige
Stunden »u betäuben. Der Vater, noch stark bei dem herb-
sten Schlage, der sein Herz trüffen konnte, saß eben in fei-
nem Studirzimmer, um die nöthigen Briefe zu schreiben.
Es war todtenstill draußen; ein herrlicher, stcrnbesäeter
Himmel wölbte sich über das Haus der Trauer und kein
Geraschel unterbrach die Stille, als hätte die Natur auch
Mitleid mit der Unalücksstätte, auf der nun das Licht, das
ja dreiundzwanrig Jahre so fröhlich geschienen hatte, ver-
schwunden war.
Ein Mann, tief in seinen Mantel gehüllt, ging lang-
sam und wie zögernd am eisernen Gitter entlang, dessen
Eingang nicht verschlossen war. Er blickte zu allen Fenstern
hinauf. Nur an »Wei Stellen brannte Licht, in dem Zim-
mer, wo Bloemertz schrieb, und im Salon- Er ging einige
Schritte zurück und trat in den Schatten des Baumes;
die Thüre öffnete sich.
Ein Diener trat heraus und ließ sie halb ängclehnt
stehen. Da faßte der Lauscher einen raschen Entschluß und
schlüpfte in den Sang hinein. Er schien sich noch zu be-
denken, als er den Griff der Salonthür e schon in der Hand
hielt, doch auf dem Kiespfad knirschten wiederum die Tritte
des Bedienten, und er trat ein.
Martha sprang erschr-Sen auf. „Adelbert, junger Herr !"
Er hieß sie schweigen und näherte sich langsam dem
Paradebett. Das Licht blendete ihn, er fuhr mit der Hand
Uber die Augen und starrte dann, die L'ppen fest auf ein-
ander pressend, die sterbliche Hülle der jungen Frau an.
„Arme Cilla!" rief er endlich aus, und der starke
Man« verlor seine Selbstbeherrschung; er sank auf die
Kniee nieder und barg das Angesicht schluchzend in die
Hände.
Ec wußte nicht, ob es ihm nicht gerade jetzt zum Trost
gereichte, daß sie immer glücklich gewesen war, und zwar
durch seinen Verzicht; daß, wie ihre Eltern es verlangt
hatten, der Schmerz selbst sie nur im Tode berührt hatte
und daß er dazu beigetragen hatte, ihr Leben zu einer
Reihenfolge sonniger Tage zu machen. — Er konnte sich
über seine Empfindungen keine Rechenschaft geben, doch die
Bitterkeit schien geschwunden wie der Groll, den er gegen
seinen Bruder und auch gegen sie im Herzen getragen
hatte. Der Tod, jener große Versöhner, hätte Alles aus-
gerottet, wenigstens für diesen Augenblick, und wäre Fritz
nun eingetreten und hätte seinen trauernden Bruder er-
blickt, so wären sie unzweifelhaft einander in die Arme
gesunken. Die Thränen, um der lieben Tobten willen ver-
gossen, würden jede Erinnerung an frühere Feindschaft ver-
wischt haben. Aber Niemand sah Adelbert's Erschütterung
als allein die alte Martha, die nicht zu begreifen vermochte
wie ihr junger Herr sich so grämen konnte um Eine, die
ihn so unedel behandelt hatte.
Er blieb langejknieen, wie vom Schmerz gebeugt.
„O Martha," sagte er endlich, tief bewegt aufstehend
„ich kann mir nicht vorstellen, daß sie todt ist; ich habe sie
immer gekannt, von der Zeit an, als sie noch in ihrer
Wiege lag. Und sie jetzt so Wiedersehen zu müssen! Fritz
machte sie glücklich, nicht wahr? Und sie war ja zufrieden "
„Ja! — Aber wenn er nicht so eigensinnig gewesen
wäre; es ist heute ihr Geburtstag."
„Ein unglücklicher Tag, auch der Begräbnißtag unserer
Mutter. Darum war ich in die Stadt gekommen. Du weißt,
daß ich jedes Jahr an diesem Tage ihr Grab besuche, und
da mußte ich dieses schreckliche Unglück vernehmen!"
„Ich sage nur, daß es von seinem Eigensinn kommt
der Herr Baron muß immer seinen Willen haben. Die
arme Mutter hat ihn oft genug gewarnt, und ich that eS
auch, aber er folgte immer seinem eigenen Kopf."
(Fortsetzung folgt.)
—-
" Ermordung Canovas drl CaMo's
!ini^° Warin es keine leiren Drohungen, als vor
Wochen in Barcelona an vielen Süllen
Zetteln angeschlagen wurden, auf denen zu lesen
„Unsere gefolterten Brüder auf
r-""tjuich werden demnächst bitter ge-
Ne, werden. Der Henker CanovaS wird
Ti»unter unseren Schlägen fallen!"
„ «raichisien haben Wort gehalten, und dem armen
>n ConlvoS ist dasselbe LooL zutheil gewmden,
e Herrn Carnot.
Obgleich unsere Leser daS Wesentlichste über daS
^'schreckliche Anarchistenattentat erfahren haben, so
H eine ausführlichere Schilderung der betr.
n„^unge den Lesern deS „Pfälzer VolkrblatteS" nicht
^erissant erscheinen.
Anfang deS letztveiflrsfenen Monats Juli be-
der Herr Canovas del Castillo, der sich in Folge
Außerordentlichen Anstrengungen, denen er sich
Hot, b des vergangenen Geschäftsjahres unterworfen
wobi' abgespannt fühlte, in Begleitung seiner Ge-
ucch Santa Agueda, einer kleinen Ortschaft
'N Schwefelbad in der Nähe San Sebastians,
jh. ^Ich letzterer Stadt bekanntlich die Königin.Regentin
ter ? ^ommeraufevthalt nimmt, ins Bad. Die Blät-
y. ^richt-ten noch vor Kurzem, dem greisen Staats-
Niein "'komme die Lust der baskischen Berge unge-
lick, und seine Gesundheit habe sich in erstaun-
yh, Maße gebessert. Die Jourualistev, die in Mad
fan» den heißen Sommermonaten nichts anzu-
herv^ wissen, da die Regierung, der Hof und alle
zn"?*sogenden Politiker und Finanzleute alsdann von
Na^t abwesend sind, pflegen sich während der ge-
i Monate ebenfalls in San Sebastian oder
Umgegend aufzuhalten. So kam es denn, daß
bon ^unovas in Santa Agueda täglich den Besuch
Mlrejchen Berichterstattern, in- u. ausländischen,
' ""d sich mit ihnen stundenlang in liebenSwür-
zur 8 über die wichtigen Angelegenheiten, die
i>i,t '» Spanien auf der Tagesordnung sind,
ist 'Welt. Men während einer solchen Unterhaltung
Herr Canovas den Kugeln eines Fanatikers zum
gefallen. Vier Tage vor dem Attentate war
Die einzige Tochter. BL"
Bölik^'lie war gerade an die Stelle gekommen, wo die
bes Hügels steil abfiel. Das Pferd, durch den
l>N<j?onlichen Sattel schon einigermaßen unruhig, scheute
Vm? einem Steinhaufen, der am Wege lag, und
Und Cäcilie, die nicht darauf bedacht gewesen war
sch dem mehr eleganten als zweckmäßigen Sattel nicht
hkr»n?' "ord abgeworfen und stürzte von der steilen Höhe
ki«-zDas Pferd aing durch. Dies Alle- war das Werk
CckinL Anblickes: Niemand als Martha hatte es vom
änd A?us gesehen. Fritz schwang sich ruhig auf s in Pferd
davon; Martha kam jammernd in den Hof ge-
Vih„ ' "der da war er schon zu weit entfernt. Von der
Ottad-- batte man jedoch Alles gesehen- Bloemertz war
Garten, als er das Getrappel des Pferdes und
tztüt«, 'kn Aufschrei seiner Tochter hörte. Er eilte zur
Rnnb, .des Unglücks. DaS Blut quoll Cäcilie aus dem
r vor, ""d sie war blaß wie eine Leiche.
tiach «einen Armen trug der arme Vater seine Tochter
bksabi Mi er legte sie in das Gartenzimmer nieder und
Nir N-Mcumgst einen Arzt. Dieser war zufällig unterwegs
Als- um Frau Bloemertz einen Besuch ahzustatten.
iWt, wm, stand Fritz gerade vor dem Gitter still; er
d»g , "°ch ebenso wenig als die Mutter. Jndcß bald ge-
lich-,. Beide das Unglück in seinem ganzen schreck-
sagl-j^U'sang. Der Doktor schüttelte den Kopf und rieth,
"itzt einem Geistlichen zu schicken- Cäcilie kam aber
stll»z?Ar znm Bewußtsein zurück; ehe man es ahnte, war
sich °*dei. Die junge, fröhliche, lebenslustige grau, die
Farbkn Stunde das Leben noch in den reizendsten
Men u^^malt hätte, lag kalt und regungslos da, um-
Mb wÄ?r!bren trostlosen Eltern und ihrem vor Schmerz
UVnnlgen Mann-
te«tewcht war gekommen. Im Salon der Billa Flo-
?b»»vni>?l§?k..einer weißen Bahre die sterbliche Hülle der
ichtz>n,w Cäcilie von Doornburg. Die Wände waren mit
»silbern, n "lor, worauf Eilberthränen glänzten, behangen;
«ariden Luchter, a s denen große Wachskerzen brannten,
« an beiden Seiten der Bahre. Cilla lag da, weiß
N^eint tSgttch mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
^.^nterMtu^ OkHW A Prw'atanzeigen^swvie für Jahres-Anznsien^be^ut^
^Sera monatlich 5» L mit Trägerlohn, durch- » l Rabattbewilligung.
^»^Q Pvst bezogen viertel). -E 1,60 franco. Expedition: Zwingerftraße 7
Melbers, MMg, bei 15. AuM 1897^
in demselben Gasthof, wo Herr Co novaS wohnte, ein
Isolierer abgestiegen, der sich im Fremdenbuch unter
dem Namen Michel Angelo Rivaldi, Correspondent
eines neapolitanischen BlutteS eingeschrieben hatte.
Derselbe war anständig gekleidet, beratm sich über-
Haupt fein und ordentlich und flößte Niemandem den
geringsten Verdacht ein.
Gestern nun, gegen Mittag, als Herr CanovaS
mit seiner Frau im Garten deS Gasthofs spazieren
ging, näherte sich der Italiener dem Minister und
redete ihn an. Herr Canovas unterhielt sich einen
Augenblick mit ihm, bis ihn seine Gemahlin daran er-
innerte, daß verschiedene Journalisten eine Unterred-
ung mit ihm wünschten. Herr Canovas verabschiedete
sich freundlich von dem Fremdling und näherte sich
den spanischen Journalisten, während seine Gemahlin
sich in ihre Gemächer zurückzog. Einige Minuten spä-
ter drängte sich der Italiener zwischen den spanischen
Journalisten hindurch zu Herrn CanovaS heran, lä-
chelte ihm zu, zog dann plötzlich einen Revolver aus
seiner richten Hosentasche und feuerte drei Schüsse auf
den greisen Minister ab. Eine Kugel durchbohrte dem
unglücklichen Staatsmann den Hiruschädel, die zwei
anderen Geschosse drangen ihm in die Brust. Herr
CanovaS brach zusammen, indem er auSrief: „Ich
bin todt! Es lebe Spanien!" Hieraus glaubt
man schlnßen zu dürfen, daß er meinte, von der
Hand eines kubanischen Insurgenten umgebracht wor-
in« zu sein. Blutüberströmt wurde der Verwundete
auf sein Zimmer gebracht und der Badearzt Sr. Duste,
wusch und verband die Wunden. Diese waren tödt-
lich. Herr CanovaS kam nicht wieder zur Besinnung
und gab um 1 Uhr 35 Minuten seinen Geist auf,
nachdem ihm P. Argüelles, der Dorfpfarrer, die letzte
Oelung gereicht hatte. Als die Schüsse, die auf Herrn
Canovas abgegeben wurden, knallten, kam seine Frau,
dir BöseS ahnte, die Treppe heruntergestürmt, und
sie war die erste, die auf den mit noch rauchender
Waffe dastehenden Mörder stürzte. Ein Redakteur
der Madrider „Correipondencia" und ein Artillerie-
kapitän nahmen sodann den letzteren fest und über-
lieferten ihn den herbeieilenden Polizisten. Im er-
sten Augenblick war die Bestürzung und der Schrecken
so groß, daß Jedermann wie gelähmt dastand und der
Mörder leicht hätte entkommen können. Dieser aber
dachte gar nicht daran und überlieferte sich ohne Wi-
derstand. Zu Frau Canovas, die ihn „feiger Meu-
chelmörder" hieß, und mit ihrem Sonnenschirm auf
ihn schlug, sagte er gelassen: „AuS Rücksicht für Sie,
Madame, habe ich Herrn Canovas nicht schon vor