Pfcher Volksblatt
K 56.
AMderg, WtttMltz, dm lO.WSq 1897.
Brobennmmer« werden auf Wunsch gerne Porto
Jedermann zugesandt.
Auf das
»»Pfälzer BoMblatt"
immer noch für de» Monat
März
^orinirt werde». Bestellungen nimmt'jede Postaustalt
unsere Expedition in Heidelberg, Zwivgerstraße 7,
mit versiegelten Befehlen in See gegangen, die Re»
serven von vier Jahrgängen wurden einberufen, ein
Theil der Artillerie von Corfu ist nach Thessalien
beordert worden — diese und andere Maßregeln lassen
darauf schließen, daß die griechische Regierung eS auf
die „Einigkeit- der Mächte ankommen lassen will.
Mit Mühe und Noth war schon die gleichlautende
Note zu Stande gekommen; sollen aber erst die an-
gedrohten Zwangsmaßregeln ausgeführt werden, so
wird die Einigkeit der Mächte auf eine noch härtere
Probe gestellt werden. An der Schwierigkeit der
Lage trägt das britische Cabinet die Hauptschuld, da-
sich dem gemeinsamen Vorgehen der Mächte nur wi-
derwillig angeschlossen hatte und nun vor ZwangS-
waßregeln zurückschreckt, die Ministerien in Paris und
Rom sind bei der.wachsenden griechenfreündlichen
Stimmung in Frankreich und Italien ihrer Kammern
nicht sicher und möchten auch gern daS Aeußerste
Permeiden; auch die russische Regierung schlägt bereits
gegen Griechenland eine mildere Tonart an. Trotzdem
kann sich noch manches ändern. In dem Augenblick
aber, meint die Kreuzzeitung, wo eS zur Gewißheit
geworden sein sollte, daß ein gemeinsamer Handeln
nicht mehr zu erzielen ist, sei auch für Deutschland
der Zeitpunkt gekommen, wo eS in die Geleise seiner
dem Orient gegenüber stets verfolgten Politik zurück-
kehren könne. Man wird nicht fehl gehen, wenn man
diese Meinung für die des Auswärtigen Amts selbst
hält.
denklicher aber ist die in dem Artikel zum Ausdruck
kommende unselige Verquickung von socialer und Ar-
beiter-Frage und gerade darum so bedenklich, weil sie
Anschauungen enspricht, die immer weitere Kreise er-
fassen. '
ES heißt zunächst sehr richtig: „Darum bleibt immer
das alte Recept: Sozialreform." Aber unmittelbar,
mit einer Behendigkeit, die dem erfahrensten Taschen-
spieler alle Ehre machen würde, verschwindet die
sociale Frage von der Bildfläche und —eins, zwei,
drei! Geschwindigkeit ist keine Hexerei! — habe»
wir nur mehr die Arbeiterfrage vor uns.
Freilich, es ist ja bereits soweit gekommen, daß
dar Wort „social" seinen Sinn gänzlich verloren hat.
Sociale Frage bedeutet Arbeiterfrage in den meisten
Köpfen. Dar ist nun ohne Zweifel sehr bequem, aber
eben darum auch sehr gefährlich. Gefährlich weil eS
anscheinend die Sache wesentlich vereinfacht u. der
Denkträgheit Vorschub leistet; gefährlich weil eS
uns von der Bahn ableitet, die allem zum Heile
führen könnte; gefährlich, weil in Mer Zeit, in der,
in welcher wir leben, kerne Fehler mehr begangen
werden dürfen; gefährlich, weil eine BegriffSverwirr-
ung daS schlimmste ist, dar uns in solchen Dingen
passiren kann. Würde man dar liebe Fremdwort
„social" durch das er voll deckende, recht deutsche
Wort „gesellschaftlich" ersetzen, so war dadurch schon
viel erreicht.
So sehr auch die Arbeiterbewegung in den Vorder-
grund getreten ist, so sehr auch die Arbeiterfragen —
und daS mit vollstem Rechte — die öffentliche Mein-
ung beschäftigest, so ist es denn doch noch nicht so
WM gekommen, daß die Arbeiterklasse allein als die
Gesellschaft äufgefaßt. wird. Gibt es also eine Gesell-
schaft, in der außer den Arbeitern noch andere Füstoren
vorkommen, und ist diese Gesellschaft reformbedürftig,
so ist eS doch klar, daß eiste heilbringende Reform die
ganze Gesellschaft, und nicht nur ein Glied derselben
erfassen muß. Durch die Arbeiterfrage ist die geM
schaftliche Frage akut geworden, durch sie iN'S Be-
wußtsein weiterer Kreise gedrungen ustd er ist auch
darum nicht zu verwundern, wenn eine unheilvolle
Verwechslung dadurch entstanden ist. Aber das ll'ebel
liegt tiefer; darüber sind die denkenden Social-Politi-
ker längst einig. ES liegt in dec Desorganisation' -er
Gesellschaft, in der auflösenden und zersetzenden Wirk-
ung des liberalen Giftes, in dem Bruche, mit der
historischen Entwickelung jeden nationalen Gesellschaft.
Soll dem llrtheil Einhalt geschehen, soll ein ge-
sunder gesellschaftlicher Bau auf fester Grundlage wie-
Gibt'- Krieg?
„ Das ist die Frage, die auf aller Lippen schwebt.
A sieht beinahe so aus, als ob sie bejaht werden
?Me. Auf besonderen Befehl des Sultans wird die
.^«graphische Verbindung zwischen der Hauptstadt u.
^ künftigen Kriegsschauplätze eiligst verbessert. Der
Akgraphrn Direktor wandte sich wegen Lieferung von
^'060 Kilogramm Telegraphendrähte an Siemens u.
Mske. So läßt sich Vie Post aus Constantinopel
Moen. Als Kriegsschauplatz hat man sich wohl
«tacedonien zu denken, das bei dieser Gelegenheit nicht
1 . Zankapfel zwischen der Türkei und Griecheu-
">nd, sondern auch zwischen der Türkei und Serbien
Ad Bulgarien bilden könnte. Entsprechend der ge-
Mchten Bevölkerung Ma cedonienS erheben alle Nach
Astaaten Ansprüche auf dieser Land, oder doch auf
desselben. Bei dem neulichen Besuch des Serben-
«onigz in Sofia soll eS sich um gemeinsame Verab-
.Aungrn für den Kriegsfall gehandelt haben, jedoch
'n vorläufig nicht anzunehmen, daß Serbien u. Bul-
Mien mit Griechenland gemeinsame Sache mache»
Ersten, da ihre Interessen einander entgegengesetzt
W und sich nur in der Abneigung gegen die tür»
^sche Herrschaft in Macedonien berühren, Jndeß für
^ wettere Entwicklung läßt sich nichts Voraussagen,
^hvt die griechische Regierung die Forderungen der
Großmächte ab, so wird jedenfalls die macedonische
mag« brennend werden. Nach allem, was von amt-
«<her Seite aus Athen bekannt wird, scheint man dort
All einem Entgegenkommen gegen die Mächte nichts
Affe» zu wollen und sich auf den äußersten Wider-
einzurichten. Zwei griechische Panzerschiffe find
Ungemach, wohl viele eingebildeten," empsMMik"HMe —
war wie gebrochen, Untecdeß waren Mrs- Bartows und
Jessie hinzugttceten und suchten nach Kräften sie zu trösten
und zu beruhigen. Der Wagen fuhr vor und brachte die
beiden Damen zu Sause. Hier stürzte ihnen, Verzweiflung
in Blick und Stimme, der Vater Charlottens entgegen und
schrie, ohne Schonung und ohne Rücksicht auf die unglück-
liche Braut und die Umgebung, ihr sauberer Verlobter
habe Wechsel auf die Namen „Graham und Marshall-
gefälscht, nicht cm- oder zweimal, sondern sehr ost, bis er
endlich darüber ertappt und eingesperrt worden sei.
„Er wird ins Zuchthaus kommen, Mädchen, — hörst
Du? Ins Zuchthaus! Warum sprichst Du nicht? WaS
siehst Du mich so sonderbar an?"
Charlotte starrte ihren Vater sprachlos mit thränen-
leeren Augen an: dann sank sie ohnmächtig zu seinen
Füßen nieder. Man brachte sie auf ihr Zimmer und über-
gab sie der Pflege ihrer Zofe. Allmählich kehrte das Be-
wußtsein zurück- Nicht, als ob Charlotte William so sehr
! geliebt hätte; vielmehr war es ihr Stolz, der verwundet
worden war, und sie weinte und stöhnte. Und wo sollte sie
Trost finden? Bei ihrem Vater hatte sie nie ein wärmeres
Gefühl entdeckt, und ihre Großmutter übertönte ihren
Jammer so vollständig, daß sie erleichtert aufathmete, wenn
sich dieselbe wieder entfernte; bei Gott Trost zu suchen,
daran -achte sie nicht einmal, das hatte man sie nicht ge-
lehrt; ihre Erziehung war nicht darnach gewesen. So fand
sie nirgendwo Halt und es blieb eine Oede und Leere in
.ihrem Herzen zurück, welche sie der Verzweiflung nahe
brachten.
In ihrem edlen Herzen und bei ihrem eigenen Kum-
mer fand Jessie doppeltes Bedürfniß, ihrer hart geprüften
Freundin nach besten Kräften Trost zu bringen und sie
wußte ihre Großmutter zu bestimmen, sie am andern Tage
in das Haus der Mrs. Reeves zu begleiten. Das war der
erste Besuch, welcher wahre Teilnahme bewies, und als
Jessie ihre Freundin Charlotte verließ, war diese wesentlich
gefaßter, MrS. Reeves fiel sogar der Mrs. Bartows um
den Hals, küßte sie leidenschaftlich und flüsterte„Wir
l Verantwortlicher Redakteurs:
j JosephHuber in Heidel berg.
Sociale Frage und Arbeiterfrage.
Unter der UebersLrist „Die Ausrottung der Social-
demokratie" finde» sich in Nr. 51 der „Postztg." sehr
bemerkeuiwelthe Erörterungen Über die bekannte
Bankettrede Kaiser Wilhelms II. Ganz einverstanden
kann man sich mit den Ausführungen bezüglich der
internationale» Charakters des SorialiSmus erklären,
aber schwere Bedenken erwecken die Schlußsätze über
Socialreform.
Ob Organisation-- und CoalitionSfreiheit der Ar-
beiter der Socialdemokratie die Bahn hemmen können,
wollen wir unerörtert lassen. Nur die Bewertung können
wir uns nicht versagen, daß bisher von einem solchen Re-
sultate nicht- verspürt worden ist. Es gibt Lander, in
denen die Arbeiter diese Freiheiten im vollsten Maße ge-
nießen, z., B- in den Vereinigten Staaten, in England, ja
xauch in Belgien, aber daß man dort die Erfahrung
gemacht hätte, dadurch der Sozialdemokratie Einhalt
geboten zu haben, ist unS nicht bekannt. Weit be-
Gebr. Huber in Herdelberg,
Zwingerftraße 7,
. Stotz «nd Liebe.
Dem Amerikanische» nacherzählt.
i,. Während William Bellenger seinem Ziele so nahe zu
M Klaubte und sein Glück für so gesichert hielt, daß er
Sorgen der Vergangenheit gehoben und alle Gewissens-
" Zur Ruhe verwiesen meinte, da brach plötzlich die
,?wstrvphe über ihn herein, in einem Augenblicke, da er
i„ W wenigsten erwartet hatte. In seinem Leichtsinn und
,".^ner Geldnoth war er aar vor Wechselfälschungen nicht
Mlckgeschreckt, in der Hoffnung, daß er die mit falschen
Umschriften in Umlauf gesetzten Papiere vor dem Fällig-
»lermin unter der Hand werde einlösen können. Sei e»
r'A daß er einen solchen Termin in seinem Glücke über-
W2- sei es, daß irgendwo ein Verdacht bezüglich der
eMMert der Unterschrift laut geworden, kurz, die Wechsel-
Wchung wurde entdeckt, und William Bellenger war ver-
Mrt worden. Sein Vater hatte in größter Noth und
8. ^Eiflung Mr. Graham gebeten, in geeigneter Weise
^Verlobte seines Sohnes und Mrs. ReeveS von diesem
'chen Ereigniß in Kenntniß zu setzen. Diesem Auf-
Wk kam er nach, als er sich jetzt mit MrS, ReeveS in
'"em anstoßenden Zimmer befand.
Bestürzung der alten lame war eine »«beschreib-
welche in der Verlobung ihrer Enkelin mit ei-
un? Drosselt deS Hauses Bellenger ihr höchstes Glück
größten Stolz erblickte, sah nun ihre Familie
UMvMt, gedemüthigt und in Verbindung mit einem ge-
Muetk Verbrecher gebracht, sah sich, statt von Bewun-
ulid Neid, nur noch von schadenfrohen, hämischen
Ltas günstigsten Falle, mitleidigen Blicken umgeben.
„iV, ^Kären die ersten Gedanken, welche sich der eitlen
5 Vorne aufdrängten und ihr jede Fassung raubten;
Unglück ihrer Enkelin dachte sie erst in zweiter
dara.E.'r so daß Mr. Graham sich sogar genöthigt sah, sie
d>n^'t?^Eksam zu machen. Unter irgend einem Vor-
^wurde Charlotte Herbeigernfen und ihr in schoncNd-
von dem traurigen Borgange Mittheilung ge-
Das zunge Mädchen, welches das Wort Unglück
nur vom Hörensagen kannte, niemals ein wirklich größeres
wolle« Vie Vergangenheit begraben- den» die Gegenwart
' hat uns genug Prüfung und Schande gebracht."
Williams Freunde waren zwar durch das Ereigniß
sämmtlich ergriffen worden; die Mehrzahl derselben jedoch
hatte einen derartigen Ausgang schon seit langer Zeit ge-
fürchtet. Selbst Mr. Bellenger bemitleidete seinen Sohn
wegen der Schande nicht, sondern sagte zu Mr. Graham:
„Wie man sich bettet, so liegt man. Ec hat sich das Bett
gemacht und mag er nun sehen, wie er darin liegen kann."
Mrs. Bellenger hatte kaum eine Andeutung von dem
traurigen Ereignisse erhalten, als sie sofort nach N-wIork
zurückketzrte. Aber weder ihr Geld noch ihr Einfluß ver-
mochten die Schuld von dem jungen Manne zu nehmen,
der in einem an Verzweiflung grenzenden Zustande da-
Urtheil der Richter erwartete.
Nur einmal redete er von Charlotte, und zwar an
dem Tage, der sein Hochzeitstag hatte werden sollen. Da
sprach er freimüthig mit Mr. Graham, welcher den Ver-
lassenen zu trösten gekommen war, und fragte denselben,
welchen Eindruck sein Verbrechen auf sie gemacht habe. Er
wurde augenscheinlich bewegt, als er hörte, sie fei heftig
erkrankt und wolle außer Jessie keine ihrer Freundinnen
um sich sehen.
„Gott segne Jessie!" sagte er bewegt. „Ach, wie schmerzt
es «ich, daß ich all daS unsägliche Elend über die arme
Charlotte gebracht habe. Ich verdiene mein hartes Geschick
hundertfach, obfchon eS mein fester Vorsatz war, nach der
Heirath ein besserer Mensch zu werden."
Der Plötzlich tiefe Fall, die Einsamkeit und Verlassen-
heit der Gefangenschaft hatten William Bellenger Zeit ge-
gehen, in sich zu gehen und ernstlich über sein verflossene-
Leben nachzudenken. Ganz entsetzliche Oualen waren eS,
welche seine Seele bei dem Andenken an Ellen Howland,
an das so schmachvoll von ihm betrogene Mädchen, peinig-
ten. In dieser Stimmung war es ihm eine Erleichterung,
sein schuldbeladenes Herz Mr. Graham gegenüber auszu-
schütten und ein reumüthigcs Bekenn niß abzulegen-
(Fortsetzung folgt.)
Ai»t täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
OrnM für MaliMt, FMÄ L KM.
^erg monatlich SV H mit Trägerlohn, durch rr « - Rabattbewilligung.
Rost bezogen vierteln 1.60 franco.,Expedition: Zwivgerstraße 7.
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März
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mit versiegelten Befehlen in See gegangen, die Re»
serven von vier Jahrgängen wurden einberufen, ein
Theil der Artillerie von Corfu ist nach Thessalien
beordert worden — diese und andere Maßregeln lassen
darauf schließen, daß die griechische Regierung eS auf
die „Einigkeit- der Mächte ankommen lassen will.
Mit Mühe und Noth war schon die gleichlautende
Note zu Stande gekommen; sollen aber erst die an-
gedrohten Zwangsmaßregeln ausgeführt werden, so
wird die Einigkeit der Mächte auf eine noch härtere
Probe gestellt werden. An der Schwierigkeit der
Lage trägt das britische Cabinet die Hauptschuld, da-
sich dem gemeinsamen Vorgehen der Mächte nur wi-
derwillig angeschlossen hatte und nun vor ZwangS-
waßregeln zurückschreckt, die Ministerien in Paris und
Rom sind bei der.wachsenden griechenfreündlichen
Stimmung in Frankreich und Italien ihrer Kammern
nicht sicher und möchten auch gern daS Aeußerste
Permeiden; auch die russische Regierung schlägt bereits
gegen Griechenland eine mildere Tonart an. Trotzdem
kann sich noch manches ändern. In dem Augenblick
aber, meint die Kreuzzeitung, wo eS zur Gewißheit
geworden sein sollte, daß ein gemeinsamer Handeln
nicht mehr zu erzielen ist, sei auch für Deutschland
der Zeitpunkt gekommen, wo eS in die Geleise seiner
dem Orient gegenüber stets verfolgten Politik zurück-
kehren könne. Man wird nicht fehl gehen, wenn man
diese Meinung für die des Auswärtigen Amts selbst
hält.
denklicher aber ist die in dem Artikel zum Ausdruck
kommende unselige Verquickung von socialer und Ar-
beiter-Frage und gerade darum so bedenklich, weil sie
Anschauungen enspricht, die immer weitere Kreise er-
fassen. '
ES heißt zunächst sehr richtig: „Darum bleibt immer
das alte Recept: Sozialreform." Aber unmittelbar,
mit einer Behendigkeit, die dem erfahrensten Taschen-
spieler alle Ehre machen würde, verschwindet die
sociale Frage von der Bildfläche und —eins, zwei,
drei! Geschwindigkeit ist keine Hexerei! — habe»
wir nur mehr die Arbeiterfrage vor uns.
Freilich, es ist ja bereits soweit gekommen, daß
dar Wort „social" seinen Sinn gänzlich verloren hat.
Sociale Frage bedeutet Arbeiterfrage in den meisten
Köpfen. Dar ist nun ohne Zweifel sehr bequem, aber
eben darum auch sehr gefährlich. Gefährlich weil eS
anscheinend die Sache wesentlich vereinfacht u. der
Denkträgheit Vorschub leistet; gefährlich weil eS
uns von der Bahn ableitet, die allem zum Heile
führen könnte; gefährlich, weil in Mer Zeit, in der,
in welcher wir leben, kerne Fehler mehr begangen
werden dürfen; gefährlich, weil eine BegriffSverwirr-
ung daS schlimmste ist, dar uns in solchen Dingen
passiren kann. Würde man dar liebe Fremdwort
„social" durch das er voll deckende, recht deutsche
Wort „gesellschaftlich" ersetzen, so war dadurch schon
viel erreicht.
So sehr auch die Arbeiterbewegung in den Vorder-
grund getreten ist, so sehr auch die Arbeiterfragen —
und daS mit vollstem Rechte — die öffentliche Mein-
ung beschäftigest, so ist es denn doch noch nicht so
WM gekommen, daß die Arbeiterklasse allein als die
Gesellschaft äufgefaßt. wird. Gibt es also eine Gesell-
schaft, in der außer den Arbeitern noch andere Füstoren
vorkommen, und ist diese Gesellschaft reformbedürftig,
so ist eS doch klar, daß eiste heilbringende Reform die
ganze Gesellschaft, und nicht nur ein Glied derselben
erfassen muß. Durch die Arbeiterfrage ist die geM
schaftliche Frage akut geworden, durch sie iN'S Be-
wußtsein weiterer Kreise gedrungen ustd er ist auch
darum nicht zu verwundern, wenn eine unheilvolle
Verwechslung dadurch entstanden ist. Aber das ll'ebel
liegt tiefer; darüber sind die denkenden Social-Politi-
ker längst einig. ES liegt in dec Desorganisation' -er
Gesellschaft, in der auflösenden und zersetzenden Wirk-
ung des liberalen Giftes, in dem Bruche, mit der
historischen Entwickelung jeden nationalen Gesellschaft.
Soll dem llrtheil Einhalt geschehen, soll ein ge-
sunder gesellschaftlicher Bau auf fester Grundlage wie-
Gibt'- Krieg?
„ Das ist die Frage, die auf aller Lippen schwebt.
A sieht beinahe so aus, als ob sie bejaht werden
?Me. Auf besonderen Befehl des Sultans wird die
.^«graphische Verbindung zwischen der Hauptstadt u.
^ künftigen Kriegsschauplätze eiligst verbessert. Der
Akgraphrn Direktor wandte sich wegen Lieferung von
^'060 Kilogramm Telegraphendrähte an Siemens u.
Mske. So läßt sich Vie Post aus Constantinopel
Moen. Als Kriegsschauplatz hat man sich wohl
«tacedonien zu denken, das bei dieser Gelegenheit nicht
1 . Zankapfel zwischen der Türkei und Griecheu-
">nd, sondern auch zwischen der Türkei und Serbien
Ad Bulgarien bilden könnte. Entsprechend der ge-
Mchten Bevölkerung Ma cedonienS erheben alle Nach
Astaaten Ansprüche auf dieser Land, oder doch auf
desselben. Bei dem neulichen Besuch des Serben-
«onigz in Sofia soll eS sich um gemeinsame Verab-
.Aungrn für den Kriegsfall gehandelt haben, jedoch
'n vorläufig nicht anzunehmen, daß Serbien u. Bul-
Mien mit Griechenland gemeinsame Sache mache»
Ersten, da ihre Interessen einander entgegengesetzt
W und sich nur in der Abneigung gegen die tür»
^sche Herrschaft in Macedonien berühren, Jndeß für
^ wettere Entwicklung läßt sich nichts Voraussagen,
^hvt die griechische Regierung die Forderungen der
Großmächte ab, so wird jedenfalls die macedonische
mag« brennend werden. Nach allem, was von amt-
«<her Seite aus Athen bekannt wird, scheint man dort
All einem Entgegenkommen gegen die Mächte nichts
Affe» zu wollen und sich auf den äußersten Wider-
einzurichten. Zwei griechische Panzerschiffe find
Ungemach, wohl viele eingebildeten," empsMMik"HMe —
war wie gebrochen, Untecdeß waren Mrs- Bartows und
Jessie hinzugttceten und suchten nach Kräften sie zu trösten
und zu beruhigen. Der Wagen fuhr vor und brachte die
beiden Damen zu Sause. Hier stürzte ihnen, Verzweiflung
in Blick und Stimme, der Vater Charlottens entgegen und
schrie, ohne Schonung und ohne Rücksicht auf die unglück-
liche Braut und die Umgebung, ihr sauberer Verlobter
habe Wechsel auf die Namen „Graham und Marshall-
gefälscht, nicht cm- oder zweimal, sondern sehr ost, bis er
endlich darüber ertappt und eingesperrt worden sei.
„Er wird ins Zuchthaus kommen, Mädchen, — hörst
Du? Ins Zuchthaus! Warum sprichst Du nicht? WaS
siehst Du mich so sonderbar an?"
Charlotte starrte ihren Vater sprachlos mit thränen-
leeren Augen an: dann sank sie ohnmächtig zu seinen
Füßen nieder. Man brachte sie auf ihr Zimmer und über-
gab sie der Pflege ihrer Zofe. Allmählich kehrte das Be-
wußtsein zurück- Nicht, als ob Charlotte William so sehr
! geliebt hätte; vielmehr war es ihr Stolz, der verwundet
worden war, und sie weinte und stöhnte. Und wo sollte sie
Trost finden? Bei ihrem Vater hatte sie nie ein wärmeres
Gefühl entdeckt, und ihre Großmutter übertönte ihren
Jammer so vollständig, daß sie erleichtert aufathmete, wenn
sich dieselbe wieder entfernte; bei Gott Trost zu suchen,
daran -achte sie nicht einmal, das hatte man sie nicht ge-
lehrt; ihre Erziehung war nicht darnach gewesen. So fand
sie nirgendwo Halt und es blieb eine Oede und Leere in
.ihrem Herzen zurück, welche sie der Verzweiflung nahe
brachten.
In ihrem edlen Herzen und bei ihrem eigenen Kum-
mer fand Jessie doppeltes Bedürfniß, ihrer hart geprüften
Freundin nach besten Kräften Trost zu bringen und sie
wußte ihre Großmutter zu bestimmen, sie am andern Tage
in das Haus der Mrs. Reeves zu begleiten. Das war der
erste Besuch, welcher wahre Teilnahme bewies, und als
Jessie ihre Freundin Charlotte verließ, war diese wesentlich
gefaßter, MrS. Reeves fiel sogar der Mrs. Bartows um
den Hals, küßte sie leidenschaftlich und flüsterte„Wir
l Verantwortlicher Redakteurs:
j JosephHuber in Heidel berg.
Sociale Frage und Arbeiterfrage.
Unter der UebersLrist „Die Ausrottung der Social-
demokratie" finde» sich in Nr. 51 der „Postztg." sehr
bemerkeuiwelthe Erörterungen Über die bekannte
Bankettrede Kaiser Wilhelms II. Ganz einverstanden
kann man sich mit den Ausführungen bezüglich der
internationale» Charakters des SorialiSmus erklären,
aber schwere Bedenken erwecken die Schlußsätze über
Socialreform.
Ob Organisation-- und CoalitionSfreiheit der Ar-
beiter der Socialdemokratie die Bahn hemmen können,
wollen wir unerörtert lassen. Nur die Bewertung können
wir uns nicht versagen, daß bisher von einem solchen Re-
sultate nicht- verspürt worden ist. Es gibt Lander, in
denen die Arbeiter diese Freiheiten im vollsten Maße ge-
nießen, z., B- in den Vereinigten Staaten, in England, ja
xauch in Belgien, aber daß man dort die Erfahrung
gemacht hätte, dadurch der Sozialdemokratie Einhalt
geboten zu haben, ist unS nicht bekannt. Weit be-
Gebr. Huber in Herdelberg,
Zwingerftraße 7,
. Stotz «nd Liebe.
Dem Amerikanische» nacherzählt.
i,. Während William Bellenger seinem Ziele so nahe zu
M Klaubte und sein Glück für so gesichert hielt, daß er
Sorgen der Vergangenheit gehoben und alle Gewissens-
" Zur Ruhe verwiesen meinte, da brach plötzlich die
,?wstrvphe über ihn herein, in einem Augenblicke, da er
i„ W wenigsten erwartet hatte. In seinem Leichtsinn und
,".^ner Geldnoth war er aar vor Wechselfälschungen nicht
Mlckgeschreckt, in der Hoffnung, daß er die mit falschen
Umschriften in Umlauf gesetzten Papiere vor dem Fällig-
»lermin unter der Hand werde einlösen können. Sei e»
r'A daß er einen solchen Termin in seinem Glücke über-
W2- sei es, daß irgendwo ein Verdacht bezüglich der
eMMert der Unterschrift laut geworden, kurz, die Wechsel-
Wchung wurde entdeckt, und William Bellenger war ver-
Mrt worden. Sein Vater hatte in größter Noth und
8. ^Eiflung Mr. Graham gebeten, in geeigneter Weise
^Verlobte seines Sohnes und Mrs. ReeveS von diesem
'chen Ereigniß in Kenntniß zu setzen. Diesem Auf-
Wk kam er nach, als er sich jetzt mit MrS, ReeveS in
'"em anstoßenden Zimmer befand.
Bestürzung der alten lame war eine »«beschreib-
welche in der Verlobung ihrer Enkelin mit ei-
un? Drosselt deS Hauses Bellenger ihr höchstes Glück
größten Stolz erblickte, sah nun ihre Familie
UMvMt, gedemüthigt und in Verbindung mit einem ge-
Muetk Verbrecher gebracht, sah sich, statt von Bewun-
ulid Neid, nur noch von schadenfrohen, hämischen
Ltas günstigsten Falle, mitleidigen Blicken umgeben.
„iV, ^Kären die ersten Gedanken, welche sich der eitlen
5 Vorne aufdrängten und ihr jede Fassung raubten;
Unglück ihrer Enkelin dachte sie erst in zweiter
dara.E.'r so daß Mr. Graham sich sogar genöthigt sah, sie
d>n^'t?^Eksam zu machen. Unter irgend einem Vor-
^wurde Charlotte Herbeigernfen und ihr in schoncNd-
von dem traurigen Borgange Mittheilung ge-
Das zunge Mädchen, welches das Wort Unglück
nur vom Hörensagen kannte, niemals ein wirklich größeres
wolle« Vie Vergangenheit begraben- den» die Gegenwart
' hat uns genug Prüfung und Schande gebracht."
Williams Freunde waren zwar durch das Ereigniß
sämmtlich ergriffen worden; die Mehrzahl derselben jedoch
hatte einen derartigen Ausgang schon seit langer Zeit ge-
fürchtet. Selbst Mr. Bellenger bemitleidete seinen Sohn
wegen der Schande nicht, sondern sagte zu Mr. Graham:
„Wie man sich bettet, so liegt man. Ec hat sich das Bett
gemacht und mag er nun sehen, wie er darin liegen kann."
Mrs. Bellenger hatte kaum eine Andeutung von dem
traurigen Ereignisse erhalten, als sie sofort nach N-wIork
zurückketzrte. Aber weder ihr Geld noch ihr Einfluß ver-
mochten die Schuld von dem jungen Manne zu nehmen,
der in einem an Verzweiflung grenzenden Zustande da-
Urtheil der Richter erwartete.
Nur einmal redete er von Charlotte, und zwar an
dem Tage, der sein Hochzeitstag hatte werden sollen. Da
sprach er freimüthig mit Mr. Graham, welcher den Ver-
lassenen zu trösten gekommen war, und fragte denselben,
welchen Eindruck sein Verbrechen auf sie gemacht habe. Er
wurde augenscheinlich bewegt, als er hörte, sie fei heftig
erkrankt und wolle außer Jessie keine ihrer Freundinnen
um sich sehen.
„Gott segne Jessie!" sagte er bewegt. „Ach, wie schmerzt
es «ich, daß ich all daS unsägliche Elend über die arme
Charlotte gebracht habe. Ich verdiene mein hartes Geschick
hundertfach, obfchon eS mein fester Vorsatz war, nach der
Heirath ein besserer Mensch zu werden."
Der Plötzlich tiefe Fall, die Einsamkeit und Verlassen-
heit der Gefangenschaft hatten William Bellenger Zeit ge-
gehen, in sich zu gehen und ernstlich über sein verflossene-
Leben nachzudenken. Ganz entsetzliche Oualen waren eS,
welche seine Seele bei dem Andenken an Ellen Howland,
an das so schmachvoll von ihm betrogene Mädchen, peinig-
ten. In dieser Stimmung war es ihm eine Erleichterung,
sein schuldbeladenes Herz Mr. Graham gegenüber auszu-
schütten und ein reumüthigcs Bekenn niß abzulegen-
(Fortsetzung folgt.)
Ai»t täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
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