Wtzer Volksblatt
iir. 152.
rg,
Zur gefällige« Beachtung!
W Auf das „Pfälzer V-lksblalt" kann
fortwährend hier in unserem ExpeditionS-
M Postvoten abonnrrt werden. IM
W Die bereits erschieneveu Nummern weiden
M oachtzkliefert.
Lokale, auswärts bei allen Postämtern und
Postboten abonnrrt werden.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Druck, Verlag u. Exp
Gebr. Huber in Herd
Lwwgrrftraße 7.
Deutsches Reich.
* Berlin, 7. Juli. Der Staatssekretär der
ReichSpostamts v. PodbielSki ließ sich gestern die
höheren Postbeamten vorstellen. Unter ihnen befand
sich jedoch nicht der Unterstaatssekretär Fischer, der
„Die Hausmiethe steckt längst abgezählt in meinem al-
ten Strumpf und liegt in der Kommode," fertigte meine
grau mich ab, „und es wird s? mancher Thaler unnöthig
ausgegeben, z. B. für Tabak . . "
„Für Tabak! DaS kannst Du mir Vorhalten, Kathrin?
Das Pfeifchen, welches ich bei meiner mühseligen Arbeit
rauche, hälft Du mir vor? Oh, das hätte ich niemals von
Dir gedacht! — Pfui, schäme Dich!"
Meine Frau schien sich wirklich zu schämen, denn sie
sprach von diesem Augenblicke an den ganzen Abend kein
Wort. Oder trotzte sie ? Ebenso wenig sprach ich ein Wort,
denn ich fühlte mich recht gekränkt. So blieben wir den
ganzen Abend stumm wie die Fische. Nicht einmal „Gute
Nacht" sagten wir uns. Das war der erste Gewinn, den
wir von unserm Kölner Dombauloose hatten.
Am andern Morgen sprachen wir zwar wieder mit
einander, aber es war nicht der unbefangene, herzliche Ton
der bis dahin zwischen uns gewaltet hatte. Auch war eS
mir nicht möglich, mein Pfeifchen während der Arbeit zwi-
scheu die Zähne zu nehmen, bis gegen Mittag unser kleiner
Heinrich, unser einziges Kind, mir die gestopfte Pfeife
brachte und in seiner kindlichen Sprache lallte: „Mama
sagt, Papa soll rauchen, Pfeifchen paff paff."
Sie bereut ibr Wort, dachte ich und steckte mir die
Pfeife an. Dabei fiel mir die Geschichte von den Indianern
und ihrer Friedenspfeife ein, und mir ward ss versöhnlich
zu Sinne, daß ich zu meiner Fuau bemerkte:
„Kathrin, Du wolltest Dir ja einen neuen Winterhut
kaufen; ich denke, eS wird Zeit; möchtest Du nicht heute
Nachmittag gehen?"
Da fiel mir Kathrin weinend um den Hals, denn nicht»
rührt das Herz der Frauen so sehr, als ein neuer Hut.
Kathrin hat sich denn auch an jenem Nachmittag einen
schwarzen Sammethut mit rothen Blumen gekauft — und
von dem Kölner Dombauloos war weiter keine Rede.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Lage in Beperrnch.
Wieder einmal liegt in den Blättern die Nachricht
Äs'- daß Minifiei Präsiden Graf Badeni die Absicht
Me, eine Ausgleichskonferrvz noch Prag eirzuberusen.
uri) was an dieser Meldung wahr ist, wird sich
M zeigen. Wir können nur wünschen, daß sie sich
vewahrheittte, und daß die Conferrevz endlich zu einem
«auerrdty Frieden zwischen dem deutschen und dem
schen festzuhalten an ihrem VolkSthum, aber auch in
ehrenvoller Treue an dem Staate, welchem
sie angehöre«, und die P fl i ch t tre ue ist eines der
schönsten Worte unseres Sprachschatzes. Um so be-
trübender ist eS, wenn Männer wie Dr. Funcke u. Dr.
Schlicker neben dem Abg. Wolf eS für zulässiz fanden,
an dem vor Kurzem in Leipzig abgehaltenen alldeutschen
Verbandstage thülzunehmen und dort im AuSlande den
Angehörigen eines fremden Reiches ihr Leid zu klagen.
Man kann vielleicht noch über die Form der Oppo-
sition, die wir innerhalb der Reichsgrenzen erlebt
haben, verschiedener Meinung sein; aber darin sollten
wohl Alle übereinstimmen, daß das Hinaustragen
innerpolitischer Angelegenheiten vor das Forum des
Auslandes für Oesterreicher dem loyalenStolze
nicht entspricht, von welchem jeder Staatsan-
gehörige den Unterthanen eines fremden Reiches ge-
genüber erfüllt sein soll." Sehr richtig! Unsere
Urteutonen fühlen aber leider die Schmach nicht, die
sie mit ihrem Appell an das Ausland ihrem eigenen
Vaterlande und sich selbst anthun. Aber auch deutsche
ReichStagSabg. wie Zimmermann sind taktlos genug,
nach Böhmen zu reisen, um dort die „Theilnahme
des reichsdeutschen Volkes an den Bedrückungen der
Deutschen in Oesterreich" zum Ausdruck zu bringen.
Abg. Zimmermann ist bekanntlich aus Böhmen aus-
gewiesen worden. Wie verlautet, wird Graf Badeni
auf österreichischem Boden keine Einmischung auswär-
tiger Politiker dulden und wird jeder ohne weiteres
ausgewiesen.
Die Ausweisung des Abg. Zimmermann erfolgte
wegen einer aufreizenden Rede in Reichenberg, worin
er die Regierung des Grafen Badeni in der heftigsten
Weise angriff. Er wollte sich zur Hauptversammlung
des „Bundes der Deutschen in Böhmen" nach Aussig
begeben, um auch dort sein Licht leuchten zu lassen.
Diese Versammlung war außerordentlich stark besucht
und brachte die längst gewohnten Kundgebungen wegen
der Sprachenverordnungen. Zur Kennzeichnung des
Geistes, von dem die Theilnehmer beseelt waren, sei
erwähnt, daß Nachmittags eine „Huldigung" vor dem
Kaiser Josef-Monumeut stattgefunden hat, wobei
Kornblumen. Kränze niedergelegt wurden.
scheint tSgttch mit' Ausnahme der Sonn« u. Inserate die l-spaltige Petitzeile oder deren' Raum
M Prw'awnzägen^svwie für Jahres-Anze^
zurieth, und weil dem Schneider Leisegang seine Frau und
dem Bäcker Knüwckamp seine Schwester ebenfalls ein Loos
genommen haben. Was ist denn Großes daran, wenn man
ein Loos nimmt? Warum sollen wir das viele Geld nicht
ebenso gut gewinnen, wie Hunderte von anderen Leuten?"
„Wie Hunderte von anderen Leuten! Kathrin, da
sprichst Du nun mal wieder unvernünftig," bemerkte ich;
„kaum drei bis vier Menschen beziehen einen ordentlichen
Gewinn aus einer Lotterie, die anderen erhalten kaum ihren
Einsatz zurück, wenn sie nicht ganz mit leeren Händen
ausgehen."
„Nun ja, ich bin eS gewohnt, daß mein Thun und
Lassen, wenn ich es auch noch so treu und herzlich meine,
von Dir unvernünftig gescholten wird," antwortete weinend
meine Frau; „wir armen Geschöpfe, nur zum Arbeiten und
Leiden find wir auf der Welt; aber wenn wir den Haus-
halt durch etwas mehr als Kochen und Schrubben und
Waschen ausbeffern wollen, dann find wir gleich unver-
nünftig! Warum sagst Du nicht auch zu mir, wie Schneider
Leifcgang zu seiner Fra«, daß wir Weiber zwar lange
Haare, aber einen kurzen Verstand hätten? Es klingt so
schön in Eurem Munde, besonders wenn Ihr ein so ge-
scheidtes Gesicht dabei aussktzt, als hättet Ihr unserem
Herrgott schon bei der Erschaffung der Welt mitgeholfen"
„Kathrin," fiel ich meiner Frau in die Rede, „sprich
nicht so, Lu thust mir Unrecht "
„Ja, ich weiß, daß ich Unrecht thue!" kreischte meine
Frau.
„Du thust mir Unrecht, Kathrin," fuhr ich um so
ruhiger fort, „wenn Du in diesem Tone mit mir sprichst,
denn noch habe ich Dir kein böses Wort gesagt. Was ich
wissen wollte, ist nur dies, was das Kölner Dombauloos
gekostet hat?"
„Einen Thaler," antwortete meine Frau kleinlaut.
„Einen Thaler für ein LooS auSgeben," bemerkte ich
im sanftesten Tone von der Welt, „ist das nicht zu viel für
unsere Verhältnisse? — Du weißt, Kathrin, Neujahr ist
vor der Thüre und die HauSmiethe ist fällig."
Das große Loos.
Von Theodo r Berthold.
bin zwar nur ein hölzerner Pantoffelmacher,"
wir mein Nachbar, der Verfertiger hölzerner Pau-
Johann Raspel, „aber daß Geld, viel Geld den
da« glücklich macht, wie die weiften Leute glauben,
d°k wachte ich nicht mit meinen drei Kreuzen unterzeichnen,
reiben habe ich leider nicht gelernt, weil ich mitten
«rob. »de aufgewachsen bin, Ich selbst habe einmal das
Taa.« gewonnen und habe er schon nach wenige»
L.W wieder an das katholische Krankenhaus unserer
lle,» berschenkt. Wie das aber gekommen ist, will ich Ihnen
an'« ^zbhlen, wenn Sie nicht verschmähen, sich mit mir
° »ackernde Herdfeuer zu fetzen.
lab» "^h'« Sie, da» war im Jahre 1880, kurz vor Neu-
der weiß es noch wie heute — als mir «eine Frau
lv»s „ndS sagte: „Johann, ich hab' ein Kölner Dombau-
kenomwen, denn ich dachte mir . . ."
ir-N? Kölner Dombauloos haft Du genommen, Kathrin?"
»in n verwundert, denn wir hatten noch niemals irgend
Lau.?- genommen und noch uiem lS von irgend einer
Lv A* gesprochen. Denn ich bin der Meinung, daß eine
einem großen Kessel mit Suppe zu vergleichen ist,
von »sicher drei bis vier Fettaugen schwimmen; Hunderte
sab,,Menschen können mit ihren Löffeln m die Suppe
Wn j ?bne daß sie ein Fettauge herausholen. — Wozu
Panin« ungewisses Spiel, zumal wir an den hölzernen
Leb,hinreichend satt werden, — ich meine an den
dahj« sMeln, die wir uns dafür erstehen. Ich hatte bis
um,"meiner Frau in der schönsten Eintracht gelebt
al» -Awals war ein böses Wort »wischen uns gefallen;
Du uun aber fragte: „Ein Kölner Dombauloos hast
StiinwAtUwen, Kathrin?" da mußte ihr der Klang meiner
reizte^ <Achi gefallen, denn sie entgegnete in äußerst ge-
weil"diA«?ch ein Kölner Dombauloos hab' ich genommen,
vle Buchbindersrau, welche die Loose verkauft, mir
N'lchen Volksstau me führen möge, denn so wie
Mer kann er nicht mehr fortgehen. Immer leiden-
Mstlicher gestaltet sich der Komps der Nationalitäten,
größte FaratiSmuS wacht sich hüben und drüben
""'t, und speziell der Kampf um die Sprachen Ver-
^iiungen dimmt Forvun an, die den fiaatSgesähr-
Mn Charakter kaum mehr erkennen lassen. An dem
?s°wps um die Sprochenverordnungen ist natürlich
Asvgenaunte deutsche (deutschliberale und deutsch-
mrouale) Partei am stärksten betheiligt. Sie be-
mdt diesen Kampf mit allen Mitteln, erlaubten und
Akrloubttn. Was in dieser Beziehung geleistet
Atd, übertrifft all, S bisher dagewesene. Die Veits
-°t>z. Epidemie unter den „Deutschen"
" Oesterreich dauert fort.
s, Ewen großen Trumpf hat die deutschliberale Ob-
1^'tionspartei in der letzten Zeit auSgespult, um
Cabinet Badeni weich zu machen. Den deutschen
Aweinden in Böhmen ist eine juristische Darlegung
»er das Verhältniß der Gemeinden zum übertragenen
Mkungskeis und über ihre Verpflichtung zur Bc-
Wung der Agenden des übertragenen WirkuvgS-
». Aes zugegangen. Nach dieser Darstellung, die aus
Feder des Abg. Dr. Funke stammt, kann die
, ung folgende Agenden des übertragenen Wirk-
z, ,8skrejses. deren Besorgung den Gemeinden weder
ein Reichs-, noch durch ein LaudeSgesetz aufer-
Welvers, MU dm 9. M1897.
legt ist, betreffen: 1. Die Einhebung der direkten
Steuern; 2. die Zustellung der politischen Erledig-
ungen; 3. die Ausfertigung und Zustellung von
Vorladungen für StelluugSpflichtige zum StellungS-
tage; 4. die Einberufung der Reserve und Ersatz-
reserve des stehenden Heeres und der Landwehr;
5. die Evideulhaltung des Wohnorts der dauern-
Beurlaubten, der nicht in aktiver Dienstleistung stehen-
den Off ziere der Mannschaft der Reserve, der See-
wehr und der Landwehr, dann der nicht octiven
Ersatzreservisten; 6. die Eiuhebung und Abfuhr der
Militärtoxen, sowie die Einmahnung und Evident-
haltung der Zahlungssäum'gen; 7. die Amtshand-
lungen in G-werbeangklegerheiten bei allen Fällen,
wo keine gesetzlichen Bestimmungen die Mitwirkung
der Gemeinde in Anspruch nehmen. Mit dieser Dar-
legung sollten die Gemeinden gegen das Cabinet
Badeni mobilisirt werden, und richtig, eS dauerte
gar nicht lange, so kam auch schon die Meldung, daß
eine Gemeinde noch der anderen die fernere Besorg-
ung der Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises
abgelehnt habe. Dieser Gemeindestreik, der bisher
AehnlichcS nicht aufzuweisen hat, greift immer weiter
um sich, und eS ist kein Zweifel, das fast alle deut-
schen Gemeinden in Böhmen, welche ein Glied in
der Kette der deutschliberalen Gemeinden Böhmens
bilden, dem von der Parteileitung proclamirten
Streit beitreten werden. Daß dieser Gemcindestreik
der Regierung Fatalitäten bereitet, bedarf keiner Be-
gründung. Die Regierung ihrerseits will nun zu
Maßregelungen schreiten, so daß nicht abzusehen ist,
welchen Gang diese Sache noch nehmen wird.
Eines der verwerflichsten Mittel im Kampfegegen
die Regierung ist die Mobilistrung deS Auslandes.
Mitte dcS vorigen Monats erschien in dem halbamt-
lichen „Prager Abendblatt" eine ernste Verwarnung
an die deutschliberalen und deutschnationalen Urteu-
tonen. „In der letzten Zeit", schreibt das Blatt,
„ist es leider mehrfach vorgekommen, daß Oesterreicher
deutschen Stammes sich hinreißen ließen, jenseits
der Grenze unseres Kaiserstaates in öffentliche«
Versammlungen Klagen über Bedrückung des deut-
schen Volkes in Oesterreich zu führen. Mit Stolz
darf jeder Deutsche auf die geistigen Bande blicken,
mit welchen Kunst, Wissenschaft und Schriftthum die
Deutschen alle umfassen, die in ihrer Gesammtheit ein
glänzendes Bild der voranleuchtenden deutschen Cul-
tur bieten. Aber diese Einheit deS Geisteslebens be-
dingt keineswegs irgend eine staatsrechtliche Einheit
aller deutschen Stämme. Stets wußten die Deut-
iir. 152.
rg,
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Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Druck, Verlag u. Exp
Gebr. Huber in Herd
Lwwgrrftraße 7.
Deutsches Reich.
* Berlin, 7. Juli. Der Staatssekretär der
ReichSpostamts v. PodbielSki ließ sich gestern die
höheren Postbeamten vorstellen. Unter ihnen befand
sich jedoch nicht der Unterstaatssekretär Fischer, der
„Die Hausmiethe steckt längst abgezählt in meinem al-
ten Strumpf und liegt in der Kommode," fertigte meine
grau mich ab, „und es wird s? mancher Thaler unnöthig
ausgegeben, z. B. für Tabak . . "
„Für Tabak! DaS kannst Du mir Vorhalten, Kathrin?
Das Pfeifchen, welches ich bei meiner mühseligen Arbeit
rauche, hälft Du mir vor? Oh, das hätte ich niemals von
Dir gedacht! — Pfui, schäme Dich!"
Meine Frau schien sich wirklich zu schämen, denn sie
sprach von diesem Augenblicke an den ganzen Abend kein
Wort. Oder trotzte sie ? Ebenso wenig sprach ich ein Wort,
denn ich fühlte mich recht gekränkt. So blieben wir den
ganzen Abend stumm wie die Fische. Nicht einmal „Gute
Nacht" sagten wir uns. Das war der erste Gewinn, den
wir von unserm Kölner Dombauloose hatten.
Am andern Morgen sprachen wir zwar wieder mit
einander, aber es war nicht der unbefangene, herzliche Ton
der bis dahin zwischen uns gewaltet hatte. Auch war eS
mir nicht möglich, mein Pfeifchen während der Arbeit zwi-
scheu die Zähne zu nehmen, bis gegen Mittag unser kleiner
Heinrich, unser einziges Kind, mir die gestopfte Pfeife
brachte und in seiner kindlichen Sprache lallte: „Mama
sagt, Papa soll rauchen, Pfeifchen paff paff."
Sie bereut ibr Wort, dachte ich und steckte mir die
Pfeife an. Dabei fiel mir die Geschichte von den Indianern
und ihrer Friedenspfeife ein, und mir ward ss versöhnlich
zu Sinne, daß ich zu meiner Fuau bemerkte:
„Kathrin, Du wolltest Dir ja einen neuen Winterhut
kaufen; ich denke, eS wird Zeit; möchtest Du nicht heute
Nachmittag gehen?"
Da fiel mir Kathrin weinend um den Hals, denn nicht»
rührt das Herz der Frauen so sehr, als ein neuer Hut.
Kathrin hat sich denn auch an jenem Nachmittag einen
schwarzen Sammethut mit rothen Blumen gekauft — und
von dem Kölner Dombauloos war weiter keine Rede.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Lage in Beperrnch.
Wieder einmal liegt in den Blättern die Nachricht
Äs'- daß Minifiei Präsiden Graf Badeni die Absicht
Me, eine Ausgleichskonferrvz noch Prag eirzuberusen.
uri) was an dieser Meldung wahr ist, wird sich
M zeigen. Wir können nur wünschen, daß sie sich
vewahrheittte, und daß die Conferrevz endlich zu einem
«auerrdty Frieden zwischen dem deutschen und dem
schen festzuhalten an ihrem VolkSthum, aber auch in
ehrenvoller Treue an dem Staate, welchem
sie angehöre«, und die P fl i ch t tre ue ist eines der
schönsten Worte unseres Sprachschatzes. Um so be-
trübender ist eS, wenn Männer wie Dr. Funcke u. Dr.
Schlicker neben dem Abg. Wolf eS für zulässiz fanden,
an dem vor Kurzem in Leipzig abgehaltenen alldeutschen
Verbandstage thülzunehmen und dort im AuSlande den
Angehörigen eines fremden Reiches ihr Leid zu klagen.
Man kann vielleicht noch über die Form der Oppo-
sition, die wir innerhalb der Reichsgrenzen erlebt
haben, verschiedener Meinung sein; aber darin sollten
wohl Alle übereinstimmen, daß das Hinaustragen
innerpolitischer Angelegenheiten vor das Forum des
Auslandes für Oesterreicher dem loyalenStolze
nicht entspricht, von welchem jeder Staatsan-
gehörige den Unterthanen eines fremden Reiches ge-
genüber erfüllt sein soll." Sehr richtig! Unsere
Urteutonen fühlen aber leider die Schmach nicht, die
sie mit ihrem Appell an das Ausland ihrem eigenen
Vaterlande und sich selbst anthun. Aber auch deutsche
ReichStagSabg. wie Zimmermann sind taktlos genug,
nach Böhmen zu reisen, um dort die „Theilnahme
des reichsdeutschen Volkes an den Bedrückungen der
Deutschen in Oesterreich" zum Ausdruck zu bringen.
Abg. Zimmermann ist bekanntlich aus Böhmen aus-
gewiesen worden. Wie verlautet, wird Graf Badeni
auf österreichischem Boden keine Einmischung auswär-
tiger Politiker dulden und wird jeder ohne weiteres
ausgewiesen.
Die Ausweisung des Abg. Zimmermann erfolgte
wegen einer aufreizenden Rede in Reichenberg, worin
er die Regierung des Grafen Badeni in der heftigsten
Weise angriff. Er wollte sich zur Hauptversammlung
des „Bundes der Deutschen in Böhmen" nach Aussig
begeben, um auch dort sein Licht leuchten zu lassen.
Diese Versammlung war außerordentlich stark besucht
und brachte die längst gewohnten Kundgebungen wegen
der Sprachenverordnungen. Zur Kennzeichnung des
Geistes, von dem die Theilnehmer beseelt waren, sei
erwähnt, daß Nachmittags eine „Huldigung" vor dem
Kaiser Josef-Monumeut stattgefunden hat, wobei
Kornblumen. Kränze niedergelegt wurden.
scheint tSgttch mit' Ausnahme der Sonn« u. Inserate die l-spaltige Petitzeile oder deren' Raum
M Prw'awnzägen^svwie für Jahres-Anze^
zurieth, und weil dem Schneider Leisegang seine Frau und
dem Bäcker Knüwckamp seine Schwester ebenfalls ein Loos
genommen haben. Was ist denn Großes daran, wenn man
ein Loos nimmt? Warum sollen wir das viele Geld nicht
ebenso gut gewinnen, wie Hunderte von anderen Leuten?"
„Wie Hunderte von anderen Leuten! Kathrin, da
sprichst Du nun mal wieder unvernünftig," bemerkte ich;
„kaum drei bis vier Menschen beziehen einen ordentlichen
Gewinn aus einer Lotterie, die anderen erhalten kaum ihren
Einsatz zurück, wenn sie nicht ganz mit leeren Händen
ausgehen."
„Nun ja, ich bin eS gewohnt, daß mein Thun und
Lassen, wenn ich es auch noch so treu und herzlich meine,
von Dir unvernünftig gescholten wird," antwortete weinend
meine Frau; „wir armen Geschöpfe, nur zum Arbeiten und
Leiden find wir auf der Welt; aber wenn wir den Haus-
halt durch etwas mehr als Kochen und Schrubben und
Waschen ausbeffern wollen, dann find wir gleich unver-
nünftig! Warum sagst Du nicht auch zu mir, wie Schneider
Leifcgang zu seiner Fra«, daß wir Weiber zwar lange
Haare, aber einen kurzen Verstand hätten? Es klingt so
schön in Eurem Munde, besonders wenn Ihr ein so ge-
scheidtes Gesicht dabei aussktzt, als hättet Ihr unserem
Herrgott schon bei der Erschaffung der Welt mitgeholfen"
„Kathrin," fiel ich meiner Frau in die Rede, „sprich
nicht so, Lu thust mir Unrecht "
„Ja, ich weiß, daß ich Unrecht thue!" kreischte meine
Frau.
„Du thust mir Unrecht, Kathrin," fuhr ich um so
ruhiger fort, „wenn Du in diesem Tone mit mir sprichst,
denn noch habe ich Dir kein böses Wort gesagt. Was ich
wissen wollte, ist nur dies, was das Kölner Dombauloos
gekostet hat?"
„Einen Thaler," antwortete meine Frau kleinlaut.
„Einen Thaler für ein LooS auSgeben," bemerkte ich
im sanftesten Tone von der Welt, „ist das nicht zu viel für
unsere Verhältnisse? — Du weißt, Kathrin, Neujahr ist
vor der Thüre und die HauSmiethe ist fällig."
Das große Loos.
Von Theodo r Berthold.
bin zwar nur ein hölzerner Pantoffelmacher,"
wir mein Nachbar, der Verfertiger hölzerner Pau-
Johann Raspel, „aber daß Geld, viel Geld den
da« glücklich macht, wie die weiften Leute glauben,
d°k wachte ich nicht mit meinen drei Kreuzen unterzeichnen,
reiben habe ich leider nicht gelernt, weil ich mitten
«rob. »de aufgewachsen bin, Ich selbst habe einmal das
Taa.« gewonnen und habe er schon nach wenige»
L.W wieder an das katholische Krankenhaus unserer
lle,» berschenkt. Wie das aber gekommen ist, will ich Ihnen
an'« ^zbhlen, wenn Sie nicht verschmähen, sich mit mir
° »ackernde Herdfeuer zu fetzen.
lab» "^h'« Sie, da» war im Jahre 1880, kurz vor Neu-
der weiß es noch wie heute — als mir «eine Frau
lv»s „ndS sagte: „Johann, ich hab' ein Kölner Dombau-
kenomwen, denn ich dachte mir . . ."
ir-N? Kölner Dombauloos haft Du genommen, Kathrin?"
»in n verwundert, denn wir hatten noch niemals irgend
Lau.?- genommen und noch uiem lS von irgend einer
Lv A* gesprochen. Denn ich bin der Meinung, daß eine
einem großen Kessel mit Suppe zu vergleichen ist,
von »sicher drei bis vier Fettaugen schwimmen; Hunderte
sab,,Menschen können mit ihren Löffeln m die Suppe
Wn j ?bne daß sie ein Fettauge herausholen. — Wozu
Panin« ungewisses Spiel, zumal wir an den hölzernen
Leb,hinreichend satt werden, — ich meine an den
dahj« sMeln, die wir uns dafür erstehen. Ich hatte bis
um,"meiner Frau in der schönsten Eintracht gelebt
al» -Awals war ein böses Wort »wischen uns gefallen;
Du uun aber fragte: „Ein Kölner Dombauloos hast
StiinwAtUwen, Kathrin?" da mußte ihr der Klang meiner
reizte^ <Achi gefallen, denn sie entgegnete in äußerst ge-
weil"diA«?ch ein Kölner Dombauloos hab' ich genommen,
vle Buchbindersrau, welche die Loose verkauft, mir
N'lchen Volksstau me führen möge, denn so wie
Mer kann er nicht mehr fortgehen. Immer leiden-
Mstlicher gestaltet sich der Komps der Nationalitäten,
größte FaratiSmuS wacht sich hüben und drüben
""'t, und speziell der Kampf um die Sprachen Ver-
^iiungen dimmt Forvun an, die den fiaatSgesähr-
Mn Charakter kaum mehr erkennen lassen. An dem
?s°wps um die Sprochenverordnungen ist natürlich
Asvgenaunte deutsche (deutschliberale und deutsch-
mrouale) Partei am stärksten betheiligt. Sie be-
mdt diesen Kampf mit allen Mitteln, erlaubten und
Akrloubttn. Was in dieser Beziehung geleistet
Atd, übertrifft all, S bisher dagewesene. Die Veits
-°t>z. Epidemie unter den „Deutschen"
" Oesterreich dauert fort.
s, Ewen großen Trumpf hat die deutschliberale Ob-
1^'tionspartei in der letzten Zeit auSgespult, um
Cabinet Badeni weich zu machen. Den deutschen
Aweinden in Böhmen ist eine juristische Darlegung
»er das Verhältniß der Gemeinden zum übertragenen
Mkungskeis und über ihre Verpflichtung zur Bc-
Wung der Agenden des übertragenen WirkuvgS-
». Aes zugegangen. Nach dieser Darstellung, die aus
Feder des Abg. Dr. Funke stammt, kann die
, ung folgende Agenden des übertragenen Wirk-
z, ,8skrejses. deren Besorgung den Gemeinden weder
ein Reichs-, noch durch ein LaudeSgesetz aufer-
Welvers, MU dm 9. M1897.
legt ist, betreffen: 1. Die Einhebung der direkten
Steuern; 2. die Zustellung der politischen Erledig-
ungen; 3. die Ausfertigung und Zustellung von
Vorladungen für StelluugSpflichtige zum StellungS-
tage; 4. die Einberufung der Reserve und Ersatz-
reserve des stehenden Heeres und der Landwehr;
5. die Evideulhaltung des Wohnorts der dauern-
Beurlaubten, der nicht in aktiver Dienstleistung stehen-
den Off ziere der Mannschaft der Reserve, der See-
wehr und der Landwehr, dann der nicht octiven
Ersatzreservisten; 6. die Eiuhebung und Abfuhr der
Militärtoxen, sowie die Einmahnung und Evident-
haltung der Zahlungssäum'gen; 7. die Amtshand-
lungen in G-werbeangklegerheiten bei allen Fällen,
wo keine gesetzlichen Bestimmungen die Mitwirkung
der Gemeinde in Anspruch nehmen. Mit dieser Dar-
legung sollten die Gemeinden gegen das Cabinet
Badeni mobilisirt werden, und richtig, eS dauerte
gar nicht lange, so kam auch schon die Meldung, daß
eine Gemeinde noch der anderen die fernere Besorg-
ung der Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises
abgelehnt habe. Dieser Gemeindestreik, der bisher
AehnlichcS nicht aufzuweisen hat, greift immer weiter
um sich, und eS ist kein Zweifel, das fast alle deut-
schen Gemeinden in Böhmen, welche ein Glied in
der Kette der deutschliberalen Gemeinden Böhmens
bilden, dem von der Parteileitung proclamirten
Streit beitreten werden. Daß dieser Gemcindestreik
der Regierung Fatalitäten bereitet, bedarf keiner Be-
gründung. Die Regierung ihrerseits will nun zu
Maßregelungen schreiten, so daß nicht abzusehen ist,
welchen Gang diese Sache noch nehmen wird.
Eines der verwerflichsten Mittel im Kampfegegen
die Regierung ist die Mobilistrung deS Auslandes.
Mitte dcS vorigen Monats erschien in dem halbamt-
lichen „Prager Abendblatt" eine ernste Verwarnung
an die deutschliberalen und deutschnationalen Urteu-
tonen. „In der letzten Zeit", schreibt das Blatt,
„ist es leider mehrfach vorgekommen, daß Oesterreicher
deutschen Stammes sich hinreißen ließen, jenseits
der Grenze unseres Kaiserstaates in öffentliche«
Versammlungen Klagen über Bedrückung des deut-
schen Volkes in Oesterreich zu führen. Mit Stolz
darf jeder Deutsche auf die geistigen Bande blicken,
mit welchen Kunst, Wissenschaft und Schriftthum die
Deutschen alle umfassen, die in ihrer Gesammtheit ein
glänzendes Bild der voranleuchtenden deutschen Cul-
tur bieten. Aber diese Einheit deS Geisteslebens be-
dingt keineswegs irgend eine staatsrechtliche Einheit
aller deutschen Stämme. Stets wußten die Deut-