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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Januar 1897
DOI article:
Nr. 22
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0089

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Deutsches Reich.
* Berlin, 26. Jan. Das Staatsministerium
trat heute Nachmittag 2 Uhr unter oem Vorsitz deS
Reichskanzlers zu einer Sitzung zusammen. Der
Kaiser fuhr um 2 Uhr bei dem Staatsministerialge'
bäude vor und wohnte der Sitzung bei.
* Berlin, 26 Jan. Die Budgetkommission strich
von dem PensiovSfondS 1 Mill. ab. Für die Kom
battanten von 1870 71 wurde bei dem Jnvaiidenvsr'
sicheruugsfouds eine Beihilfe von 498,000 Mk. be-
willigt.
* Stuttgart, 26. Jan. In Tübingen starb heute
der Professor des Kirchenrechts von der katholisch-
theologischen Fakultät, von Kober, 75 Jahre alt.

Deutscher Reichstag.
Berlin, 26. Januar.
Am BundeSrathstische Commissare und Staats-
sekretär v. Bötticher.
Präsident v. Buol eröffnet die,Sitzung um 1 Uhr
15 Minuten.
Fortsetzung der ersten Berathung der Novelle zum
Unfallversichrrungsgesetz.
Aba. Paasche (na:l.) führt aus: Vielleicht hätte
ein Zusammenarbeiten sämmtlicher Unfallgesetze in eiu
einziges empfohlen, Jedenfalls sind viele dankens-
werthe Neuerungen in der Novelle, vor allem die Er-
weiterung der Versicherung auf neue Kreise, so auf
das Handwerk. Die sozialdemokratische Vorschläge
in dieser Hinsicht sind nicht ohne weiteres von der
Hand zu weisen. Auch für die Einbeziehung des
svlbstftändischen kleinen Handwerkers ließe sich ein
Modus finden. Wir sind gegen eine Beschränkung
der Rekursinstanz. DaS Reichsversicherungsamt ist
ein Institut, das sich in jeder Beziehung bewährt hat,
und das sich vieler Eympalien bei Arbeitgebern und
Nehmern erfreut. Wir find gern bereit, den Arbeitern
einen größeren Antheil an der Verwaltung der Unfall-
versicherung zuzugestchen.
Avg. Fischbeck (fr. Volksp.): Trotzdem wir seiner
Zeit gegen das Gesetz gestimmt haben, wollen wir
heute gern an der Besserung Mitarbeiten. Wir werden
für die Ausdehnung der Versicherung stimmen. Auch
die Beschränkung der Karrenzzeit und die Ausdehnung
des Rentenbezuges würden wir mit Freuden begrüßen.
Direktor im Reichsversicherungsamt Woedke ver-
weist bezüglich der Erledigung der Einwende gegen
die Vorlage auf den VerwaltungSbericht.

Abg. v. Stumm wünscht den Wittwen und Waisen
aller Arbeiter den vollen Rentenbetrag zugesichert zu
sehen. Nichts sei wichtiger als die Erhöhung deS
Rentenbezuges auf 75 pCt. Ferner sei daS Wichtigste,
eine Verletzung schnell event. durch zwangsweise Auf-
nahme in einer Anstalt gründlich zu helfen, und den
Arbeiter wieder voll erwerbsfähig zu machen. Grillen»
berger hat gestern von Renterquetschen gesprochen;
man könnte Grillenberger selbst einen Rentenquetscher
nennen, da er auch da eine lebenslängliche Rente vor-
zuz ehen scheine, wo eine Heilung möglich sei. Die
Beseitigung der Arbeiter bei der Rentenfeststrllung sei
bedenklich. Die Aufhebung der Karrenzzeit sei eine
der größten Lücken des Entwurfes.
Württemb. Bundes? athsbevollmächtiger Schicker
betont, das Reichsversicherungsamt als solches könne
an den Berathungrn nicht theilnehmen. Es könnten
nur Vertreter deS Amtes als Commissare den Ver-
handlungen beiwohnen, und dies sei geschehen.
Abg. Förster (Antisemit) erkennt an, daß bei der
Unfallversicherung nicht von Wohlthaten für die Ar-
beiter, sondern von einem Recht derselben gesprochen
werden muß, und daß iu diesem Sinue selbst der ge-
schmacklose Ausdruck deS Abg. Grillenberger: „Die
Beiträge der Arbeitgeber seien bloß Geschäftsspesen",
seine Berechtigung habe. Redner legt sodann die
Wünsche seiwr Partei bezügl. der Vorlage dar, da-
runter die Sicherstellung der Wittwen und Waisen,
die Einbeziehung der kleinen Brauereien usw.
Graf Kanitz (kons.): Wir wünschen eine Verschmel-
zung der verschiedeuen Bersicherungszwrige, insbe-
sondere der Unfallversicherung und der Alters und
JnvaliditätSvrrsicherung. Diese ist nothwendig wegen
der Mißverhältnisse zwischen de» einzelnen Provinzen.
Wir in den östlichen Provinzen wünschen nichts sehn-
licheres als daß diese ganze Gesetzgebung aus der
Welt geschafft würde. (Große Unruhe.) Wenigstens
aber müssen ihre Lasten gleichmäßig auf das ganze
Land vertheilt werden.
Ministerialdirektor Dr. Wötke weist hin auf die
seiner Zeit im Reichsanzeiger veröffentlichten Mit-
theilungen zur Jnval'ditätsversicheruigsnovelle, in
denen dargelegt werden soll, weßhalb Man noch nicht
der Frage der Zusammenlegung der Versicherungs-
gesetze im großen Stile nahegetreten sei.
Nach längerer Debatte wird dis Vorlage einer
Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen. — Nächste
Sitzung Donnerstag 1 Uhr.


Welderg, DmeM, Im 28. Amr 1897.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Druch Berlag u. Expedition:
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwinarrstraße 7.

Inserate die 1'Waltige Pe^
Krim» für Wahrheit, Freiheit L KeM-
^die Post bezogen viertelj. 1.60 franco.

Gott

SV

Hkni Geburtstagsscste Les Kaisers.
Heidelberg, 27. Jan.
Unser Kaiser Wilhelm feiert H ute seinen
. Geburtstag. Mit ihm feiert diesen Tag seine
siin Königreich Preußen und sein Kaiser-
Deutschland. All überall, in allen deutschen
^uen ertönt der Ruf: „Hoch Kaiser Wilhelm II."
Yvonne und innige Gebete steigen zum Himmel aus
Allerhöchsten: „Gott erhalte, Gott schütze unseren
°>ser und sein Kaiserliches Haust" Mögen dis
sticht der Gläubigen am Throne GotteS Erhörung
. 2sie Regierung deS Kaiser- war eine Zeit frucht-
Thätigkeit, eine Zeit rastlosen Schaffens auf
ev Gebieten und in allen weltbewegenden Fragen,
'»g mit seiuem Namen verknüpft bleiben. Mit
^Ugthuung und der festen Gewißheit den Kern
Nation, Deutschlands Volk, auf seiner
, zu haben, kann Kaiser Wilhelm II. heute auf
Regierungszeit zurückblicken, denn fast alle Maß-
Men, die seiner Initiative entsprungen sind, tra-
den Stempel deS Wohlwollens und de- Gerrch-
."estrsstmz allen seinen Unterthanen gegenüber,
. k Katholiken des deutschen Reiches haben ganz be-
^derz Anlaß am Geburtstage deS Kaisers dankbar
zu gedenken. Die sMn Früchte, welche eine
Gierung zeitigt, die Recht und Gerechtigkeit walten
werden zweifelsohne nicht auSbleiben. In sol-
Gesinnung der Ehrfurcht, Liebe und Treue faßt
„Pfälzer Volksblatt" seine Wünsche zusammen iu
Worte: Gott gebe im neuen Lebensjahre unserm
.Erbten Monarchen viele glückliche Tage.
Ulch erhalte recht lange unfern
Kaiser Wilhelm II.
Und das ganze Kaiserliche HauS!

Stolz und Liebe. NL
Dem Amerikanischen nacherzählt.
T.„AAdar-n Mrs. Bartows noch immer schwieg, obschon
lick Debby erwartet hatte, ihre Nedselflkeit würde end-
Zunge der alten Dame zu gllichen vertrau-
^'tungm lösen, begann sie zu fragen: „War
in der Stadt geboren? Oder wo sonst war sie
R k?/. Die rothe Narbe an ihrem Kinn erinnert mich
hM^.-biädchen, Patty LoomiS mit Namen, das ich in
Meld. w" gekannt habe. Damals diente ich bei Mrs.
und Patty war Dienstmagd nahe bei unserm
Hrex; Sie war jünger, als ich, aber ich erinnere mich
noch wegen der rothen Narbe und weil sie mit
Epihbuben verwandt war, die John Lose er-
kist-A. hatten und dafür gehängt wurden- Jemand hatte
Lied dafür gemacht, das ich ganz auswendig
D ich habe es vergessen. Ich möchte wohl wissen,
Patty geroorlen ^t. Ich habe nur gehört, eine
Kejb,. mite sie an Kindesstatt zu sich genommen; mehr
nicht von ihr. Aber ein flinkes Mäschen war sie
!ig konnte sieben Kühe melken, ehe ich mit dreien fer>
— Sehen Sie, Madame, La kommen sie, — und
HgizGalopp, natürlich! Ellen wird noch einmal den
Damit trippelte die gute Alte hinaus, das
IL'5 von Patty Loomis und den drei SPitzd ben ver-
h>e ^'rsrotzen Beruhigung der Mrs. Bartows, welche
bat WZlühenden Kohlen geflffen. Nach wenigen Minuten
»Nh ein. Ihr Gesicht glühte von dem scharfen Ritt
ckbn hingen ihr wirr um den Kopf.
>ii ssE"-Großmama!" rflf sie der allen Dame zu. „Wo
Welt kommst Du h^r? Ist es nicht wunderhübsch
lvibi, I'-itzn?" nnd indem sie ihren Reithut abaahm
^ie Kühlung zu. „Großmama, Du bist ja so steif
ei«ed, " ^!öcke," lachte sie heiter, als Tante Debdy nach
Aschen Blick iu die Stube sich wieder entfernt hatte.
A in der That ein recht gewählter Ausdruck.
Neulich hast Du »hn von Mr. Marshall gelernt?"
nicht, Großmama. Ich hörte ihn von William

Belleager, als er hier war, es ist sein Lieblingsausdruck.
Hat er Dir meinen Brief gebracht?'
„Gewiß, und ich bin gekommen, um zu sehen, was
oder wer Dich eigentlich hier fesselt."
„Ei, ist eS denn nicht reizend hier?'
„Reizend? Hier ? Lat man in unseren Tagen wohl je
gehört, daß Jemand ein Bett ins Besuchszimmer stellt?"
und sie warf e neu verächtlichen Blick in die Ecks, wo sich
ein Berg von schneeisen Leinen aufthürmte.
„Gewiß, das ist ziemlich aldmodisch," antwortete Jessie.
„Aber das Laus ist klein, und das Bett wird nur für
solchen hohen Besuch aufgespürt, wie Du einer bist. Die
Leinwand ist alle Tante Debbys Arbeit. Auf ihrem kleinen
hübschen Spmnrad hat sie dieselbe gesponnen. Kannst Du
auch spinnen, Großmama?"
Dis Frage erinnerte Mrs. Bartows an Patty Loomis
und die dr« Spitzbuben, von welchen Tante Debdy soeben
erzählt hatte. Was mochte es doch sein, was die alte Dame
hierüber so sichtlich beunruhigte. Sie schien Jessie's Frage
zu überhören, um so angelegentlicher aber erkundigte sie
sich, wer die Person sei, welche Jessie „Tante Dsbby" ge-
nannt hatte. So erfuhr sie, daß diese die Schwester des
alten Marshall sei und Jessie sang ibr volles Lob. Unter-
deß trafen Walter und dis übrigen Mitglieder der kleinen
Familie ins Zimmer, um die Großmutter ihrer lieben
Lausgenossin aufs herzlichste zu begrüßen. Diese aber blieb
kalt und zurückhaltend, so daß ihre Enkelin davon Pei r
lichst berührt wurde. Mit Walter wechselte Mrs. Bartows
kein Wort; um so schärfer beobachtete sie jede seiner Be-
wegungen und sie konnte sich nicht verhehlen, daß Walter's
Aeußere mit allen Vorzügen ausgestattct war, welche einen
jungen.Mann ausznchnen und einnehmend zu machen ver-
mögen: dabei war sein Austreten ein so bestimmtes und
vornehmes, daß selbst sie, indem sie Vergleiche zwischen
ihm und William ansteüte, ersterem den Vorzug geben
mußte- Das machte sie natürlich nur noch besorgter, daß
Williams Mitthettungen der Wirklichkeit entsprächen- Um so
rascher mußte gehandelt werden und hierzu bot sich sofort
Gelegenheit, als sich in natürlichem Zartgefühl die Haus-

genossen bald entfernten und Großmutter und Enkelin
allein zurückließen.
Jessie hatte nach diesem Augenblicke des Alleinseins
nicht verlangt: denn sie schien aus dem Stirnrunzeln der
Großmutter zu schließen, daß ein Sturm im Anzüge sei.
„Ich habe ein ernstes Wort mit Dir zu reden." leitete
Mrs. Bartows ein. „Ich bin gekommen, Dich ungesäumt
heimzuholen: hoffentlich komme ich noch nicht zu spät, um
ein Bsrhältmß zu lösen, welches unsere Familie in Schande
stürzen würde. Wie kannst Du Dich so weit verirren,
Jessie, Deinen Namen und Deinen Stand vergeßen, um
es zu dulden, daß ein Bursche, wie Walter Marshall Dir
von Liebe sprechen durfte I Weißt Du auch, wer Walter
ist, wer seine Eltern waren ?"
Einen solchen Ueberfall hatte Jessie nicht erwartet.
Sie erblaßte und ihr Herz pochte hörbar; iudeß erregten
sie weniger die harten Worts ihrer Großmutter, als viel-
mehr die Heimtücke Bellengers, welche sie mit Recht da-
hinter vermuthete. Sie wollte, ihrem Temperaments fol-
gend, aufbrauien, aber sie beherrschte sich und versuchte
ruhig zu erwidern: „Großmutter, vor allem interessirt es
mrch, zu wissen, wer bei Dir den Berichterstatter über
Dinge gemacht, die gar nicht existiren, und Dich so un-
Mhig aus Deiner Ruhs aufgeschreckc hat- Walter hat
niemals zu mir von Liebe gesprochen" — fuhr das Mäd-
chen erröthend fort — „er achtet mich und ich ihn und er
ist mir.ein überaus theurer Freund und mein Lebensretter.
Daher werde <ch es nie dulden, daß in Keiner Gegenwart
verächtlich von ihm geredet wird, wie Du es leider soeben
gethan- Er trägt schwer genug an dem trüben Geschick
seiner unglücklichen Eltern und wo und wann ich's ver-
mag, werde ich es ihm erleichtern Ich kenne das Schick-
sal seiner Eltern in allen seinen Einzelheiten und bin von
der Unschuld seines Vaters vollauf überzeugt. Uevrigens
hält mein Vater große Stücke auf Walter und ist, wie
Du weißt, gewillt, denselben in nächster Zeit schon in sein
Geschäft aufzunchmen. Auch daraus magst Du erk-nnen,
daß ein Verkehr mit Walter Marshall weit entfernt ist
von Schande, ein sehr böses Wort übrigens, welches Deine
 
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