Pfälzer Volksblatt
WeldkU ImmtU dm 29. AM 1897
Verantwortlicher Redakteur:
Joffeph Huber in Heidelberg.
Für Vie Monate
Mai unö Juni
*rhrneu jetzt schon alle Postämter Bestellungen auf
täglich erscheinende Zeitung
..Pfälzer Bottsblatt"
(«it der wöchentlichen Gratisbeilage „Der SormtaW-
^*te",) sowie unsere Expedition Heidelberg
8wivgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfährr Volks blatt".
Heidelberg. Zwiwgerstraße 7.
einfach wie der seines von unS geschiedenen Frcundls,
des ersten Trägers der neuen Kaiserkrone. Frei von
aller Romantik, so schrieben wir schon vor Jahren,
die auf gleitendem Boden wankende Schlösser erbaut,
die sich phantastisch in Zustände hineinträumt, welche
längst entschwunden, die in harten Widerspruch tritt
mit dem Empfinden unserer Zeit, hat unser König es
als erste Pflicht betrachtet, keine andern Bahnen zu
wandeln, als die, welche Geschichte und Gesetz ihm
vorschrsiben. Er weiß, daß die Rechte der Monarchen
geheiligte Rechte sind, er weiß aber auch, daß sie zu
Gunsten des Volkes und in Unterordnung unter jenen
Zweck ausgcübt werden müssen, für den allein der
Lenker des Völkerschicksals einen einzelnen mit Macht
bekleidete. Denn nicht der Staat ist der Diener des
Fürsten, sondern der Fürst hat dem Staate zu dienen.
Unter den Worten, die König Albert gesprochen, strahlt
eines hervor: jener Wunsch, daß man nicht immer
nach oben blicken, nicht immer vom Herrscher Anreg-
ung erwarten, sondern daß man ehrlich und deutlich
seine Meinung aussprechen soll. Dieser Wort ist ge-
rade für unsere Tage bedeutsam, in denen so oft und
nicht von den schlechtesten des Volker die Sorge
ausgesproben wird, daß allzuselten der persönliche
Wille sein Maß finde in dem besonnenen Rathe:
Ehrlich und deutlich seine Meinung zu sagen,
das ist Bürgerpflicht; furchtsam und ängstlich
sich beugen, „immer nach oben blicken, immer
vom Herrscher Anregung erwarten", ist Höflings-
art. DaS Wesen eines Herrschers wirkt zurück auf
sein Volk. Frei und ehrlich wie unser König bekennt
sich ganz Sachsen zum ReichSgedanken. Der Parti-
cularismuS, der, einst viel belächelt und viel verspottet,
dieseits der grünweißen Pfähle dar Feld überwucherte,
ist spurlos verschwunden, Heller als irgendwo, dessen
dürfen wir Sachsen mit Stolz uns rühmen, leuchtet
bei uns der nationale Gedanke. Wer allerdings unter
dem ParticulariSmuS jene echte und gesunde Anschau-
ung versteht, die das eigene Staatswesen mit Be-
wußtsein pflegt zum eigenen Vortheil, wie zum Bor-
theil der Gesammtheit, die sich müht, die Einrichtungen
in Volkswirtschaft und Schule, im Heere und im
Staatshaushalt auszubauen, der wird auch in Sach-
se» noch in seinem Könige die Blüthen der Partim-
lariSmus mit leichter Mühe entdecken. König Albert
tritt in sein siebenzigsteS Lebensjahr. Gleich den an-
dern Vielgeliebten, die am Bau des jungen Reiches
halfen, führt auch ihn die Hand de» Herrn, der auch
über Königen waltet, hinauf in ein gesegneter Alter,
daß er noch lange ein lebendiger Zeuge sei jener
Ein Musterfürst.
. König Albert von Sachsen ist am 23. April
3. in dar 70. Lebensjahr getreten und bei dieser
Alegenheit nicht nur im eigenen Lande, sondern weit
«der dessen Grenzen hinaus mit Recht gefeiert worden.
Ach die Leipziger „Reuest. Nachr., das Organ der
A'imarckfronde in Sachsen, feiert den König in einem
^tikel, welcher mit dem Satze beginnt: Wenn irgendwo
kritischen Gespräch die Frage gestellt werde, wer
Wer den Herrschern Europas vor allen den schönen
Amen eines Musterfürsteu verdiene, so werde ein-
stimmig das Urtheil fallen: König Albert von Sach-
^n. In Ausführung dieses Gedanken- schreibt dar
Ernannte Blalt u. a.:
. »Wie einst Kaiser Wilhelm der Einzige, so eint er
A seinem Wesen und in seiner Art alle jene Eigen-
lchaften, die der Unterlhav an seinem Herrscher vor
Aem preist und liebt: Bescheidenheit und Würde,
Gerechtigkeit und Mäßigung, Zurückhaltung u. Ent-
schlvfseuheit, rin reifes Verständniß seiner Aufgaben
W seiner Zeit. In dem Berhältniß des sächsischen
Wlkes zu König Albert liegt ein persönlicher Zug,
A Vertrauen, dar nicht dem hohen Amte u. seinem
Gröger allein gilt, sondern auch der überzeugten Hoch-
Mung vor den individuellen menschlichen u. königl.
^genschasten entspricht. DaS Bild der Helden schwankt
W stets unstät und unklar in der Geschichte; das
1°'ld des erlauchten Wettiners, unter dessen mildem
Zepter das Sachsenland seit fast einem Vierteljahr-
Mdert blüht und gedeiht, leuchtet klar und gesichert
Entstellung. Denn der Charakter de» Königs ist
Tage, in denen deutscher Muth und deutsche Treue
die herrlichsten Thaten vollbrachten. Rüstig und in
ungebrochener Kraft steht König Albert vor uns, milde
und ernst blickt sein Auge, freudiger Stolz verklärt
sein Antlitz, wenn aus dem Jubel des Volkes die
Liebe zu ihm spricht. Gebete dringen heute empor,
daß sein Leben sich dehne bis zur Grenze des erste»
Kaisers — möge das Reich, möge vor allem das
Sachsenvolk noch lange das glückliche Bewußtsein
wahren, daß einer der Besten und Treuesten, ein
weiser und milder Mann aus dem Hanse Wettin,
daß König Albert unter ihm weilt, bereit zum Rath
und tüchtig zu fördernder That!"
Wie man sieht, kargt das Leipziger Blatt mit
seiner Anerkennung für König Albert nicht. Der König
ist in der That eine der sympathischsten Fürstenfigu-
ren der Gegenwart: schlicht und pflichttreu, klug und
besonnen, wohlbewährt im Krieg und Frieden. Wenn
auch manche Maßregeln der sächsischen Regierung,
namentlich ihre polizeilich-bureaukratischeBekämpfung der
Sozialdemokratie, mit Recht scharfer Kritik begegnen,
so genießt doch der König persönlich das Vertrauen
der Bevölkerung. Und diese Stellung zu erringen,
war nicht leicht; denn der König ist Katholik
und zwar ein seiner Kirche treuer Katholik,
wie das ganze Haus Wettin. Im Lande Sachsen
macht sich aber das „protestantische Bewußtsein" und
der „Lutherzorn" nicht selten in einer für die Katho-
liken des Königshauses sehr verletzenden Weise geltend.
Man erinnere sich nur all der Taktlosigkeiten u. Ge-
hässigkeiten, welche in Sachsen begangen wurden, als
der Neffe der Königs, Prinz Max, von seinem Recht
der freien Berufswahl Gebrauch machend, in den Prie-
sterstand trat.
Die Leipziger Neuesten Nachrichten selbst liefern
in derselben Nummer, in welcher sie König Albert in
der angeführten Weise feiern, einen neuen Beweis für
die Richtigkeit dieser Betrachtung. Fast unmittelbar
hinter dem Leitartikel, welcher das Lob der katholischen
Königs in vollen Tönen singt, bespricht das Blatt die
Verlobung der Herzogs Ernst Günther von Schlerwig-
Holstein-Augustenburg mit der katholischen Prinzessin
Dorothea von Sachsen-Coburg. Die Neuesten Nach-
richten sind — sehr mit Unrecht — voller Sorge, die
zahlreichen Mischehen in fürstlichen Häuser« würden
dem Katholizismus zu gute kommen und bemerken in
diesem Gedankengange wörtlich u. a.: „In Württem-
berg und Baden drohen die katholischen Linien
in absehbarer Zeit zur Herrschaft zu gelangen."
Welche» Maß von Taktlosigkeit gehört doch
Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
ML-S Organ für Wahrheit, Freiheit L KM. W-LWLLL8LLKL.L
Heidelberg monatlich KV H mit Trägerlohn, durch Rabattbewilligung,
die Post bezogen Viertels, 1.60 franco. Expedition: Zwingerftratze 7.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Herdelberg,
Zwtngrrstraße 7.
- »Thörricht genug zu solchen Anschauungen bist Du
VErdings s- rief ibr Vater bdhnisch. „Ich Weitz aber, war
A tbue. Ich schreibe an Deine Cousinen; irgend Jemand
^iner Familie mutz Dich bei sich ausnehwe»."
.«eihalb?" fragte Anna febr ruhig.
W cht°ib er aus- „Dumme Frage l Weil e»
v—«Das vermag ich nicht eivzusihen. Sie haben ja zu-
M kine Ursache, «ich für ganz mittellos zu halten I"
sir hwzu: ein Anklang von Verachtung lag in ihrem
Uw Ex warf ihr eine» finsteren Blick zu. „Was willst
also beginne»? Sus mich rechne nicht. Ich bin vom
LWuck verfolgt; ich wandere unstät hin und her und kann
unmöglich bei mir haben."
»Sei ruhig, Vater; aus Deine Hülfe erhebe ich keinen
Mbluch." Sie sah ihm fest und stolz ins Gesicht. „Ich will
A>r schon durchhelfen. Alles ertrage ich leichter, als von
Errade Anderer abzuhängen."
- .Wenn Du meine Rathschlüge nicht annimmst, so küm-
"ich nicht weiter um Dich; Du kannst sehen, wie
Mn seriig wirst," sagte der Baron mit einer Miene,
rwe e- in seiner Macht, ihr Ehre »nd Ansehen zu
Mchbsfin. „Noch heute reiie ich ab. Prennberg ist mir
.UM.er denn je. Auf den Nachlatz Deiner seligen Mutter
di, keinen Anspruch; nur die» hier" — er ergriff
Uni Emailbüchse, den einzige» Gegenstand von grötze-
Äh, der überhaupt noch im Hause war — „nehme
als Andenken mit. Aller Uebrige magst D» behalten."
H Aidvoll und freudvoll. W?/
Novelle von L- v. Neid e g g.
«.„.-Nun!" fuhr dieser sie an, „waS sagst Du zu dem
'»»bereu Schriftstück? Bewunderst eS Wohl gar?"
, »Ich an Deiner Stelle hätte den Beiter gar nicht um
^rine Aufnahme gebeten," antwortete sie ««»weichend.
-- .»So, Du Ueberkluge!" schrie er sie zornig an. „Darf
fravkn, weshalb?"
. »Weil ich niemals mich entschließen würde, Gnaden-
<slad.ru essen. Mir ist seine Antwort ganz erwünscht."
- »Thörricht genug zu solchen Anschauungen bist Du
Wrding-s- rief ibr Vater bdhnisch. „Ich Weitz aber, war
A ibue. Ich schreibe an Deine Cousinen; irgend Jemand
Zitier Familie mutz Dich bei sich ausnehmeu."
»Weshalb?" fragte Anna sehr ruhig.
ch ^Weshalb?" brauste er aus- „Dumme Frage l Weil e»
Daß er das für die Tochter bestimmte Geld des Vet-
ter» au sich genommen hatte, schien er gänzlich vergesse«
zu haben. Anna erinnerte ihn auch nicht daran. Sie ath-
mete förmlich anf bei dem Gedanke», daß er sie frei zu-
rücklassen würde. Die Heiligkeit ihre» Schmerze» schien ihr
entweiht durch seine Nähe. Noch hatte da» Grab sich kaum
über der Mutter geschlossen, und schon war eS für den
Vater, als habe sie niemals exiftirt.
Der Abschied war kurz «nd kühl. Der Baron war ihr
niemals ein zärtlicher Vater gewesen, und später, al» er
sich sagen mutzte, er habe seine Tochter um ihr Glück be-
trogen, batte seine Gleichgültigkeit gegen sie sich geradezu
in Abneigung verwandelt — ein Gefühl, welche» der letzte
furchtbare Auftritt noch verschärft hatte. Zwei Tage »ach
dem Begräbnitz verließ er Prennberg.
Am Tage nach der Abreise de» Baron» trat Hofrath
Rotz bei Anna ein. Umsonst hatte seine Frau ihr entschie-
dene» Beto gegen den Besuch eingelegt.
„Du bist dazu zu gut. Dich den Angezogenheiten de»
hochgeborenen Lumpen auszusetzen," eiferte sie. „Hast Du
denn noch nicht genug daran, wie er un» neulich zu be-
handeln geruhte?"
Der Hofrath lächelte. „Auch ich habe meinen Stolz,
Fanny! Der besteht darin, datz ich mich diesem Manne so
unendl ch überlegen fühle, datz seine Grobheit Wohl mein
verächtlicher Mitleid erweckt, niemals meinen Zorn."
p" „Dennoch solltest Du fern bleiben!" entschied sie.
„Ueberbaupt mit diese» Adeligen ist eS nicht». So lause
sie in Roth find, lassen sie sich zu uns herab; leben sie
aber in guten Verhältnissen, so sehen sie uns über die
Achsel au."
„Du vergissest, daß Graf Kalttdorff, dessen Verhält-
nisse die denkbar günstigsten waren, wir bis zu seinem
Tode ei» wirklicher Freund geblieben ist," bemerkte der
Hofrath trocken. „Darin hast Du übrigen» ganz Recht,
datz man am klügsten thut, seine Freunde in der gleichen
Sphäre, zu suchen," Frau v. Neudingen und Anna find
indessen in unsere Sphäre gerückt worden, und ,Anna, ich
bi« dessen aewitz, wird uns dankbar bleiben, wie immer
auch ihre Verhältnisse sich gestalten."
Die Hofräthin widersprach nicht mehr r sie schüttelte
nur zweifelad den Kopf.
„Also, Fanny, wir «ollen da» der Zukunft getrost an-
heimüklleu. Ich sehe e» al» weine Pflicht an, de» verwais-
ten Mädchens mich anzunehmen. Wenn irgend möglich,
mutz verhindert «erden, datz der Vater sie ausbentet. Sie
bat etwas eigenes Vermögen; ich fürchte, er nimmt sie mit
sich «nd läßt sich von ihr ernähren, so linge bi» auch da»
Letzte durchgcbracht ist."
„Nun, so geh'. Geh' und hole Dir eine neue Abweisung
al» Lohn Deiner Gutmüthigknt."
Anna empfing den Hosrath mit freudiger Dankbarkeit.
Sie war sehr bleich, ihre Lider waren geschwollen uad
vom Weine« geröthet. Doch hatte sie ihre Fassung wieder-
gefunden. Aus ihren Augen sprach der Entschluß, jetzt, da
sie aus sich selbst gestellt war, die ihr auferlegte Bürde
ohne Murren zu trage«.
„Sie komme« mir zuvor. Sie gütiger Freund I" sagte
sie gerührt. „Eben wollte ich Sie asfsuchen, um mir Ihre»
Rath zu erbitte«. Mein Vater ist abgereist." Unwillkür-
lich erröthete sie, als ihr da» Wort entschlüpft war, das
ein Grständnitz von des Vater» niedriger Handlungsweise
enthielt. „Geschäfte rufen ihn ab," redete sie hastig weiter.
„Sie müssen mir nun rathen und helfe«, wie ich unsere"—
ihre Stimme zitterte, al» sie, sich verbessernd, fortfuhr —
„meine kleinen Habseligkeiten veräußern kann. Wollen Sie
mir auch bchülflich sein, die Wohnung hier in andere Hände
zu bringen, noch bevor da» Ziel abgrlaufen ist?"
„So verlassen Sie u«S also, gnädiges Fräulein?"
sagte der Hofrath traurig. „Begebe« Sie sich etwa zu de»
Verwandten Ihrer Fra« Mutter?"
„Nein! o nein! Abermals ergoß sich eine Gluthwelle
über ihr Gesicht, als sie an den Brief de» Vetters zurück-
dachte. Sie verstummte eine« Augenhlick: daun sah sie auf
und blickte treuherzig de« Hofrath in's Gesicht: „Warum
sollte ich Ihnen die Wahrheit verschweigen? Die Verwand-
ten habe« mich nicht aufgesordert, zu ihnen zu ziehen. Wir
find ihnen seit langen Jahren entfremdet, und sie haben
sich stets fernaehalte». Wer möchte es ihnen auch verübeln?
Der lieben Mutter ist es nie in den Sinn gekommen, de»
WeldkU ImmtU dm 29. AM 1897
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Expedition des „Pfährr Volks blatt".
Heidelberg. Zwiwgerstraße 7.
einfach wie der seines von unS geschiedenen Frcundls,
des ersten Trägers der neuen Kaiserkrone. Frei von
aller Romantik, so schrieben wir schon vor Jahren,
die auf gleitendem Boden wankende Schlösser erbaut,
die sich phantastisch in Zustände hineinträumt, welche
längst entschwunden, die in harten Widerspruch tritt
mit dem Empfinden unserer Zeit, hat unser König es
als erste Pflicht betrachtet, keine andern Bahnen zu
wandeln, als die, welche Geschichte und Gesetz ihm
vorschrsiben. Er weiß, daß die Rechte der Monarchen
geheiligte Rechte sind, er weiß aber auch, daß sie zu
Gunsten des Volkes und in Unterordnung unter jenen
Zweck ausgcübt werden müssen, für den allein der
Lenker des Völkerschicksals einen einzelnen mit Macht
bekleidete. Denn nicht der Staat ist der Diener des
Fürsten, sondern der Fürst hat dem Staate zu dienen.
Unter den Worten, die König Albert gesprochen, strahlt
eines hervor: jener Wunsch, daß man nicht immer
nach oben blicken, nicht immer vom Herrscher Anreg-
ung erwarten, sondern daß man ehrlich und deutlich
seine Meinung aussprechen soll. Dieser Wort ist ge-
rade für unsere Tage bedeutsam, in denen so oft und
nicht von den schlechtesten des Volker die Sorge
ausgesproben wird, daß allzuselten der persönliche
Wille sein Maß finde in dem besonnenen Rathe:
Ehrlich und deutlich seine Meinung zu sagen,
das ist Bürgerpflicht; furchtsam und ängstlich
sich beugen, „immer nach oben blicken, immer
vom Herrscher Anregung erwarten", ist Höflings-
art. DaS Wesen eines Herrschers wirkt zurück auf
sein Volk. Frei und ehrlich wie unser König bekennt
sich ganz Sachsen zum ReichSgedanken. Der Parti-
cularismuS, der, einst viel belächelt und viel verspottet,
dieseits der grünweißen Pfähle dar Feld überwucherte,
ist spurlos verschwunden, Heller als irgendwo, dessen
dürfen wir Sachsen mit Stolz uns rühmen, leuchtet
bei uns der nationale Gedanke. Wer allerdings unter
dem ParticulariSmuS jene echte und gesunde Anschau-
ung versteht, die das eigene Staatswesen mit Be-
wußtsein pflegt zum eigenen Vortheil, wie zum Bor-
theil der Gesammtheit, die sich müht, die Einrichtungen
in Volkswirtschaft und Schule, im Heere und im
Staatshaushalt auszubauen, der wird auch in Sach-
se» noch in seinem Könige die Blüthen der Partim-
lariSmus mit leichter Mühe entdecken. König Albert
tritt in sein siebenzigsteS Lebensjahr. Gleich den an-
dern Vielgeliebten, die am Bau des jungen Reiches
halfen, führt auch ihn die Hand de» Herrn, der auch
über Königen waltet, hinauf in ein gesegneter Alter,
daß er noch lange ein lebendiger Zeuge sei jener
Ein Musterfürst.
. König Albert von Sachsen ist am 23. April
3. in dar 70. Lebensjahr getreten und bei dieser
Alegenheit nicht nur im eigenen Lande, sondern weit
«der dessen Grenzen hinaus mit Recht gefeiert worden.
Ach die Leipziger „Reuest. Nachr., das Organ der
A'imarckfronde in Sachsen, feiert den König in einem
^tikel, welcher mit dem Satze beginnt: Wenn irgendwo
kritischen Gespräch die Frage gestellt werde, wer
Wer den Herrschern Europas vor allen den schönen
Amen eines Musterfürsteu verdiene, so werde ein-
stimmig das Urtheil fallen: König Albert von Sach-
^n. In Ausführung dieses Gedanken- schreibt dar
Ernannte Blalt u. a.:
. »Wie einst Kaiser Wilhelm der Einzige, so eint er
A seinem Wesen und in seiner Art alle jene Eigen-
lchaften, die der Unterlhav an seinem Herrscher vor
Aem preist und liebt: Bescheidenheit und Würde,
Gerechtigkeit und Mäßigung, Zurückhaltung u. Ent-
schlvfseuheit, rin reifes Verständniß seiner Aufgaben
W seiner Zeit. In dem Berhältniß des sächsischen
Wlkes zu König Albert liegt ein persönlicher Zug,
A Vertrauen, dar nicht dem hohen Amte u. seinem
Gröger allein gilt, sondern auch der überzeugten Hoch-
Mung vor den individuellen menschlichen u. königl.
^genschasten entspricht. DaS Bild der Helden schwankt
W stets unstät und unklar in der Geschichte; das
1°'ld des erlauchten Wettiners, unter dessen mildem
Zepter das Sachsenland seit fast einem Vierteljahr-
Mdert blüht und gedeiht, leuchtet klar und gesichert
Entstellung. Denn der Charakter de» Königs ist
Tage, in denen deutscher Muth und deutsche Treue
die herrlichsten Thaten vollbrachten. Rüstig und in
ungebrochener Kraft steht König Albert vor uns, milde
und ernst blickt sein Auge, freudiger Stolz verklärt
sein Antlitz, wenn aus dem Jubel des Volkes die
Liebe zu ihm spricht. Gebete dringen heute empor,
daß sein Leben sich dehne bis zur Grenze des erste»
Kaisers — möge das Reich, möge vor allem das
Sachsenvolk noch lange das glückliche Bewußtsein
wahren, daß einer der Besten und Treuesten, ein
weiser und milder Mann aus dem Hanse Wettin,
daß König Albert unter ihm weilt, bereit zum Rath
und tüchtig zu fördernder That!"
Wie man sieht, kargt das Leipziger Blatt mit
seiner Anerkennung für König Albert nicht. Der König
ist in der That eine der sympathischsten Fürstenfigu-
ren der Gegenwart: schlicht und pflichttreu, klug und
besonnen, wohlbewährt im Krieg und Frieden. Wenn
auch manche Maßregeln der sächsischen Regierung,
namentlich ihre polizeilich-bureaukratischeBekämpfung der
Sozialdemokratie, mit Recht scharfer Kritik begegnen,
so genießt doch der König persönlich das Vertrauen
der Bevölkerung. Und diese Stellung zu erringen,
war nicht leicht; denn der König ist Katholik
und zwar ein seiner Kirche treuer Katholik,
wie das ganze Haus Wettin. Im Lande Sachsen
macht sich aber das „protestantische Bewußtsein" und
der „Lutherzorn" nicht selten in einer für die Katho-
liken des Königshauses sehr verletzenden Weise geltend.
Man erinnere sich nur all der Taktlosigkeiten u. Ge-
hässigkeiten, welche in Sachsen begangen wurden, als
der Neffe der Königs, Prinz Max, von seinem Recht
der freien Berufswahl Gebrauch machend, in den Prie-
sterstand trat.
Die Leipziger Neuesten Nachrichten selbst liefern
in derselben Nummer, in welcher sie König Albert in
der angeführten Weise feiern, einen neuen Beweis für
die Richtigkeit dieser Betrachtung. Fast unmittelbar
hinter dem Leitartikel, welcher das Lob der katholischen
Königs in vollen Tönen singt, bespricht das Blatt die
Verlobung der Herzogs Ernst Günther von Schlerwig-
Holstein-Augustenburg mit der katholischen Prinzessin
Dorothea von Sachsen-Coburg. Die Neuesten Nach-
richten sind — sehr mit Unrecht — voller Sorge, die
zahlreichen Mischehen in fürstlichen Häuser« würden
dem Katholizismus zu gute kommen und bemerken in
diesem Gedankengange wörtlich u. a.: „In Württem-
berg und Baden drohen die katholischen Linien
in absehbarer Zeit zur Herrschaft zu gelangen."
Welche» Maß von Taktlosigkeit gehört doch
Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
ML-S Organ für Wahrheit, Freiheit L KM. W-LWLLL8LLKL.L
Heidelberg monatlich KV H mit Trägerlohn, durch Rabattbewilligung,
die Post bezogen Viertels, 1.60 franco. Expedition: Zwingerftratze 7.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Herdelberg,
Zwtngrrstraße 7.
- »Thörricht genug zu solchen Anschauungen bist Du
VErdings s- rief ibr Vater bdhnisch. „Ich Weitz aber, war
A tbue. Ich schreibe an Deine Cousinen; irgend Jemand
^iner Familie mutz Dich bei sich ausnehwe»."
.«eihalb?" fragte Anna febr ruhig.
W cht°ib er aus- „Dumme Frage l Weil e»
v—«Das vermag ich nicht eivzusihen. Sie haben ja zu-
M kine Ursache, «ich für ganz mittellos zu halten I"
sir hwzu: ein Anklang von Verachtung lag in ihrem
Uw Ex warf ihr eine» finsteren Blick zu. „Was willst
also beginne»? Sus mich rechne nicht. Ich bin vom
LWuck verfolgt; ich wandere unstät hin und her und kann
unmöglich bei mir haben."
»Sei ruhig, Vater; aus Deine Hülfe erhebe ich keinen
Mbluch." Sie sah ihm fest und stolz ins Gesicht. „Ich will
A>r schon durchhelfen. Alles ertrage ich leichter, als von
Errade Anderer abzuhängen."
- .Wenn Du meine Rathschlüge nicht annimmst, so küm-
"ich nicht weiter um Dich; Du kannst sehen, wie
Mn seriig wirst," sagte der Baron mit einer Miene,
rwe e- in seiner Macht, ihr Ehre »nd Ansehen zu
Mchbsfin. „Noch heute reiie ich ab. Prennberg ist mir
.UM.er denn je. Auf den Nachlatz Deiner seligen Mutter
di, keinen Anspruch; nur die» hier" — er ergriff
Uni Emailbüchse, den einzige» Gegenstand von grötze-
Äh, der überhaupt noch im Hause war — „nehme
als Andenken mit. Aller Uebrige magst D» behalten."
H Aidvoll und freudvoll. W?/
Novelle von L- v. Neid e g g.
«.„.-Nun!" fuhr dieser sie an, „waS sagst Du zu dem
'»»bereu Schriftstück? Bewunderst eS Wohl gar?"
, »Ich an Deiner Stelle hätte den Beiter gar nicht um
^rine Aufnahme gebeten," antwortete sie ««»weichend.
-- .»So, Du Ueberkluge!" schrie er sie zornig an. „Darf
fravkn, weshalb?"
. »Weil ich niemals mich entschließen würde, Gnaden-
<slad.ru essen. Mir ist seine Antwort ganz erwünscht."
- »Thörricht genug zu solchen Anschauungen bist Du
Wrding-s- rief ibr Vater bdhnisch. „Ich Weitz aber, war
A ibue. Ich schreibe an Deine Cousinen; irgend Jemand
Zitier Familie mutz Dich bei sich ausnehmeu."
»Weshalb?" fragte Anna sehr ruhig.
ch ^Weshalb?" brauste er aus- „Dumme Frage l Weil e»
Daß er das für die Tochter bestimmte Geld des Vet-
ter» au sich genommen hatte, schien er gänzlich vergesse«
zu haben. Anna erinnerte ihn auch nicht daran. Sie ath-
mete förmlich anf bei dem Gedanke», daß er sie frei zu-
rücklassen würde. Die Heiligkeit ihre» Schmerze» schien ihr
entweiht durch seine Nähe. Noch hatte da» Grab sich kaum
über der Mutter geschlossen, und schon war eS für den
Vater, als habe sie niemals exiftirt.
Der Abschied war kurz «nd kühl. Der Baron war ihr
niemals ein zärtlicher Vater gewesen, und später, al» er
sich sagen mutzte, er habe seine Tochter um ihr Glück be-
trogen, batte seine Gleichgültigkeit gegen sie sich geradezu
in Abneigung verwandelt — ein Gefühl, welche» der letzte
furchtbare Auftritt noch verschärft hatte. Zwei Tage »ach
dem Begräbnitz verließ er Prennberg.
Am Tage nach der Abreise de» Baron» trat Hofrath
Rotz bei Anna ein. Umsonst hatte seine Frau ihr entschie-
dene» Beto gegen den Besuch eingelegt.
„Du bist dazu zu gut. Dich den Angezogenheiten de»
hochgeborenen Lumpen auszusetzen," eiferte sie. „Hast Du
denn noch nicht genug daran, wie er un» neulich zu be-
handeln geruhte?"
Der Hofrath lächelte. „Auch ich habe meinen Stolz,
Fanny! Der besteht darin, datz ich mich diesem Manne so
unendl ch überlegen fühle, datz seine Grobheit Wohl mein
verächtlicher Mitleid erweckt, niemals meinen Zorn."
p" „Dennoch solltest Du fern bleiben!" entschied sie.
„Ueberbaupt mit diese» Adeligen ist eS nicht». So lause
sie in Roth find, lassen sie sich zu uns herab; leben sie
aber in guten Verhältnissen, so sehen sie uns über die
Achsel au."
„Du vergissest, daß Graf Kalttdorff, dessen Verhält-
nisse die denkbar günstigsten waren, wir bis zu seinem
Tode ei» wirklicher Freund geblieben ist," bemerkte der
Hofrath trocken. „Darin hast Du übrigen» ganz Recht,
datz man am klügsten thut, seine Freunde in der gleichen
Sphäre, zu suchen," Frau v. Neudingen und Anna find
indessen in unsere Sphäre gerückt worden, und ,Anna, ich
bi« dessen aewitz, wird uns dankbar bleiben, wie immer
auch ihre Verhältnisse sich gestalten."
Die Hofräthin widersprach nicht mehr r sie schüttelte
nur zweifelad den Kopf.
„Also, Fanny, wir «ollen da» der Zukunft getrost an-
heimüklleu. Ich sehe e» al» weine Pflicht an, de» verwais-
ten Mädchens mich anzunehmen. Wenn irgend möglich,
mutz verhindert «erden, datz der Vater sie ausbentet. Sie
bat etwas eigenes Vermögen; ich fürchte, er nimmt sie mit
sich «nd läßt sich von ihr ernähren, so linge bi» auch da»
Letzte durchgcbracht ist."
„Nun, so geh'. Geh' und hole Dir eine neue Abweisung
al» Lohn Deiner Gutmüthigknt."
Anna empfing den Hosrath mit freudiger Dankbarkeit.
Sie war sehr bleich, ihre Lider waren geschwollen uad
vom Weine« geröthet. Doch hatte sie ihre Fassung wieder-
gefunden. Aus ihren Augen sprach der Entschluß, jetzt, da
sie aus sich selbst gestellt war, die ihr auferlegte Bürde
ohne Murren zu trage«.
„Sie komme« mir zuvor. Sie gütiger Freund I" sagte
sie gerührt. „Eben wollte ich Sie asfsuchen, um mir Ihre»
Rath zu erbitte«. Mein Vater ist abgereist." Unwillkür-
lich erröthete sie, als ihr da» Wort entschlüpft war, das
ein Grständnitz von des Vater» niedriger Handlungsweise
enthielt. „Geschäfte rufen ihn ab," redete sie hastig weiter.
„Sie müssen mir nun rathen und helfe«, wie ich unsere"—
ihre Stimme zitterte, al» sie, sich verbessernd, fortfuhr —
„meine kleinen Habseligkeiten veräußern kann. Wollen Sie
mir auch bchülflich sein, die Wohnung hier in andere Hände
zu bringen, noch bevor da» Ziel abgrlaufen ist?"
„So verlassen Sie u«S also, gnädiges Fräulein?"
sagte der Hofrath traurig. „Begebe« Sie sich etwa zu de»
Verwandten Ihrer Fra« Mutter?"
„Nein! o nein! Abermals ergoß sich eine Gluthwelle
über ihr Gesicht, als sie an den Brief de» Vetters zurück-
dachte. Sie verstummte eine« Augenhlick: daun sah sie auf
und blickte treuherzig de« Hofrath in's Gesicht: „Warum
sollte ich Ihnen die Wahrheit verschweigen? Die Verwand-
ten habe« mich nicht aufgesordert, zu ihnen zu ziehen. Wir
find ihnen seit langen Jahren entfremdet, und sie haben
sich stets fernaehalte». Wer möchte es ihnen auch verübeln?
Der lieben Mutter ist es nie in den Sinn gekommen, de»