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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Februar 1897
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Nr. 37
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0149

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Pfalzer Mksblatt

N.

Verantwortlicher Redakteur:
JofleH h Huber in Heidelberg

Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Hu'berin Heidelberg,
Lwingerftraßr 7.

i«t tSgttch mit «Ausnahme' der Sonn- n. Inserate die 1-spaltige Petitzeile ode^deren Raum
Iterhattugg^^^^^ W'gan für Wülulmi, Frelllkll ä: UkM. Prw^nzeig^
' Expedition: Awingerpratze 7.

An-- ESglich mit sAusnahme' der Sonn- n. _
Unierhaltungsblcrtt „Der Sonntagsbote" sür
t,i°erg monatlich b« L, mit Trägerlohn, durch
Post bezogen viertelj. 1.60 franco. _
s Melders, WsN Len 16. Minnr 1897.

Auf da-
- Pfälzer Bottsblatt"
schon -für den Monat
. März
i. ?"irt werden. Bestellungen nimmt jede Postanstalt
>k unsere Expedition in Heidelberg, Zwivgerstratzr 7,
"'Segen.
i. drobermmmertt werden auf Wunsch g^rne Porto-
^Äedermaun zugesandt.

Der Polizei-Spitzel.
»^"ier diesem Titel bringt die Köln. VolkSztg. ei-
«^ikel, dem wir folgende Stellen entnehmen:
z» „ PolizeiMgmt ist cheut zu Tage wohl der -freieste
soi" Preußen. Wenn er eS recht schlau anstellt,
""" er so ziemlich thun und lassen, was er will.
Morose Normaun Schumann hat die nichtSwür-
Dinge auf dem Gewissen. Er hat in Zeitung-«
Ikcr.t- Kaiser, den Grafen Caprivi, den Staat-
den , Trhrn. n. Marschall aus'- schwerste beleidigt,
Skfährlichsten Klatsch - verbreitet, geschwindelt und
allen Richtungen, zu Gesetzesverletzungen
t« ^brbr:ch?n ««gereizt, seine eigenen Vorgesetzten
kickr herumgeführh; aber er wußte eS so ein-
tzxdaß j^> nie -Lin Haar gekrümmt wurde.
H,""kb ds-r Vertrauensmann der geheimen Polizei,
Sl er in'- Zuchthaus gehörte, und selbst, als
o^^hstem v. Drusch zusammenbrach, gelang eS ihm
PA. sich M Sicherheit M bringen. Agenten der
»öd ? habe« ohne Zweifel eine Anzahl anarchistischer
sj/ k Estischer Strafthate« angezettelt, ohne daß
wurden. Wenn ein Thunichtgut eine« Frei«
H^Kben wU für alle möglichen Handlungen eines
tzr ^Mleman, so kann mau ihm nur rathen, sich in
Hittick der Polizei zu begeben. Die hält ihre
Kot chn bis Lum alleräußersten. So der«
°s dar öffentliche Wohl. Wach 8 53 der Straf-
M »l ?°wng kann die Polizei auch dem Strafrichter
oj>^?skUVft verweigern, .wenn Interessen d«S Reiches
tire« AundeSstaaten eL erfordern. Davon prost >
sßr., erster Lmie die Polizei-Spitzel. In dem
boni LützÄw wurde v. Tausch bekanntlich
^MrichHhgfx airßgeforderf, zum Polizeipräsidenten

zu gehen und sich die Erlaubniß zur Nennung des
Gewährsmannes zu holen, der ihm gesagt habe, daß
ein Artikel der Köln. Ztg. von einer bestimmten Per-
son stamme. Der Polizei-Präsident verweigerte die
Erlaubuiß. Erst al» Herr v. Tausch ganz in die
Rolle des Angeklagten gerathen war, wurde er er-
mächtigt zur Aussage, und da ergab sich denn, daß
Hr. Gingold Stärk derjenige war, dessen Nennung die
i Interessen dkS Reiche- oder der Bundesstaaten hätte
gefährden können.
Mit Recht nannte Abg. Rickert heute im Abgeord-
netenhaus« eine derartige Ausdeutung deS § 135 einen
Mißbrauch. Minister von der Recke lehnte jedoch
! «ine Aeußerung darüber, wie eS sich mit dieser Jn-
! schutznahme deS Gingold-Stärk deS nähern verhalte,
; ab, erklärte aber, die Nennung der Polizei Agenten
! werde stets verweigert; den» sonst würde man ja
i schließlich keine Agenten mehr finden. Diese Erklär-
i ung, die übrigen- nahe lag, wird für die Polizei-
spitzel herzerquickend sein. Welch' beruhigendes Ge-
fühl, sie können die größten Schurkereien begehen,
! aber die Polizei nimmt sie in Schutze Die Berräther
werden nicht verrathen. Ohne Zweifel wird ihnen
; da- bei ihrer „Anstellung" sofort gesagt, aber jetzt
haben sie eS auch öffentlich aus dem Munde ihres
obersten Chefs. Und wenn sie ein Mal „außeramt-
lich" eine Unthat begangen haben, so sieht man ihnen
wohl auch manches durch die Finger, damit sie die
Polizei nicht durch „Enthüllungen" bloßstellen.
Möglich, daß die politische Polizei ohne die
„Agenten" nicht aurkommen kann; aber wer schützt
den Bürger gegen die Schurkereien dieser Lime?
Man kann durch einen Spitzel aller möglichen Ver-
brechen angeklagt werden; dieser liefert vielleicht das
schönste „Bewe-S Material", aber der Angeklagte wird
! seinem Ankläger nicht gegenüberstellt, die Polizei nennt
i ihre „Agenten" nicht. Das sind doch Dinge, die gerade
-dazu gemeingefährlich sind. Es soll ja auch schon wieder-
r holt vorgekommen sein, daß bei HochverrathS-Prccessen
der provocirende Spitzel mit auf die Anklagebank
? gerieth, aber die Polizei that alles, um ihn loszu-
eisen.
Nachdem die politische Polizei so gründlich bloß-
gestellt ist, soll sie reformirt werden. Anscheinend
weiß man nur nicht recht, wie mau das machen soll.
Herr von der Recke wußte vorläufig nur mitzuiheilen,
daß er die Polizei-Beamten aufgefordert hat, scharfe
Controls über die ihnen zugehenden Nachrichten und
über ihre Auskunft-Personen zu üben. Das wird
was helfen! Die Nichtgentlrmen erhalten, wie Frhr.

v. Marschall in dem Prozeß Lecke t-Lützow zutreffend
sagte, Aufgaben, zu deren Lösung sie ihrer Natur nach
gar nicht im Staude sind. Anderseits weiden sie für
ihr Geld auch was leisten wollen, und daher werden
sie lügen oder selbst Verbrechen anstiften.
Wir zweifeln gar nicht, daß Herr von der Recke
den besten Willen hat, die im Prozeß Leckert-Lützow
zu Tage getretenen Mißstände gründlich zu beseitigen.
Er und die offizielle Polizei werden natürlich auch
nicht die Unthaten der Agenten billigen oder in Schutz
nehmen wollen. Ein Treiben, wie eS v. Tausch seinen
Leuten gestattet hat, wird man fortan bewußt sicher
nicht mehr hingehen lassen. Aber der Fehler liegt im
System, und dies soll bleiben. Da werden wohl auch
schlimme Mißstände bleibe«. Daß gerade die bedenk-
lichsten Subjekte von der Polizei in besonderen Schutz
genommen werden müssen, um dieses Systems auf-
recht erhalten zu können, ist ein Hohn auf den R-chtS»
staat, in dem wir leben sollen. Polizei-Spitzel sind
sicher vor Verrath durch die Polzei, aber kein Bürger
ist sicher vor ihrer lügnerischen Verrätherei.
'2SS—. —-
Deutsches Reich.
* Berlin, 13. Febr. Dem Reichsanzeiger zufolge
begab sich der Kaiser heute Vormittag 10 Ühr in dar
Reichskanzler Palais und nahm den Vortrag deS
Reichskanzlers entgegen.
* Berlin, 13. Februar. Hier wurde gestern der
flüchtige Brauereidirektor Leopold Oberländer aus
Frankfurt a. M. verhaftet, welcher 60,000 M. unter-
schlagen hat. 200 M. sind bei demselben vorgefunden
worden.
* Berlin, 14. Febr. Der Entwurf wegen Ver-
wendung überschüssiger Reichs-Einnahmen auS dem
Etatjahre 1897/98 zur Schuldentilgung ist heute dem
Reichstag nebst Begründung zugegargeu. Die Hälfte
des Überschusses der pro 1897/98 den Bundesstaaten
zustehenden Uederweisungen aus den Zollerträgen usw.
über die aufzubringenden Malricular-Beiträge soll
zur Reichs-Schuldentilgung zurückgehalten werden
Uebersteigen im Etatsja hre 1899/1900 die Matricular
Beiträge das Etats-Soll der Uederweisungen zuzüglich
der des Überschusses der rechnungsmäßigen lieber-
Weisungen über die Matricular-Beiträge im Jahre
1897/98, so bleibt der Mehrbetrag in so weit uner-
hoben, als auf Grund der vorstehenden Bestimmung
Mittel zur Schuldentilgung verfügbar geworden sind.
Die hiernach zur Herstellung deS Gleichgewichts am
ordentlichen Etat erforderliche Deckung erfolgt zu

10. Kapitel.
i Aiit n.nL Eine Enthüllung-
A'Ächast Interesse vernahm die New-Aorker feine
Bellenger habe sich im besten Stadtthetl
ex °:HNuft, dar sie mit Walter Marshall bewohne,
"stens der Haupterbe seiner Großmutter sein

LH Stotz und Liebe.
Dem Amerikanischen nacherzählt.
Arhatte Mrs. Bellenger William stets mißtraut
M, Tatsache, daß «x die Liebe einer so reinen We-
Ellen Howland, so jämmerlich mißbraucht und
Mila«» tte, löschte den letzten Funken von natürlicher
Uch-Wk zu ihrem Enkel. Am meisten empörte sie die
Mei«??-- hinter welche William sich geflüchtet, als sei
M dyAahGn ihm vorr Jugend auf versprochen. ES schnitt
AeichA^die Seele, als das leidende Mädchen mit engel-
Ucht lngAlde ihrer Mittheilur-g hinzufügte: .Es hat
Kere sewj Ich habe ihn aufgegeben, weil Jessie
Uep .,Wwche an ihn hat. Ich kann nicht lange mehr
!4 ihr ^Aessie ist stets so gut gegen mich gewesen, daß
M rum Danke etwas bingeben muß. William ist
Mhx». - Ivos ich habe. Es schmerzt mich zwar, ihn auf
?.»lh nicke es müßte geschehen, wenn Jesffe Graham
i'e ivjird-»-'s, Ware. Seine Eltern gleichen Ihnen nicht;
^4 lhn lehren, mich zu verachten, und da will ich
» Nirs sterben."
ff» zn wandte sich zur Seite, um ihre Thrä-
V köm>?» "gen. Hätte William in diesem Augenblick
MM -was in ihrem Herzen vorging, — hätte er
NIchl>L, w>e leicht Ellens welke Hand ihm die Summen
Milax " konnte, deren er bedurfte, — da- stolze Haus
"»e Weite sewiß nicht getrauert haben über
ArivrL rwei - Wochen schied MrS. Bellenger mit dem
M!!»?.,»' °nld wiederzukommen. Sie kehrte nach New-
st° bald ein Gerücht erreichte, das die
sckon seit längerer Zeit beschäftigte, und
Hstobte hA jBellenger und die schöne Jessie Graham als

werde, war Angesichts der offenbaren Bevorzugung, die sie
ihm William gegenüber angedeihen ließ, für Jedermann
zweifellos.
Namentlich Mrs. Reeves gab ihm mannigfache Be-
weise ihrer Gewogenheit, und sie sagt- es Jedem, der es
hören wollte, daß er ihr in allen Beziehungen eben so
lieb sei, wie Mr. Bellenger, Sie hoffte ihn für ihre Enke-
lin Charlotte an sich zu ziehen, besonders seit sie bemerkt
hatte, daß William in der letzten Zeit der unzertrennliche
Begleiter und offenkundige Verehrer Jessie Grahams sei.
Die beiden Enkelinnen und ihre Bewerber waren aber
der unausgesetzte Gegenstand der Eifersucht und die Ur-
sache kleiner gegenseitiger Bosheiten zwischen den beiden
Großmüttern MrS. Bartows und Mrs. Reeves.
An dem qualvollen Seelenzustand Walters hatte die
außerordentliche Veränderung in seinen äußeren Verhält-
mss-n nichts zu ändern vermocht. Sein gezwungenes Ver-
halten gegenüber Jessie war eher noch schwieriger als er-
träglicher geworden, weil bei seiner jetzigen bevorzugten
gesellschaftlichen Stellung Jessie seine Zurückhaltung noch
weniger als seither zu deuten vermochte. Sie legte als
Gleichgültigkeit aus, was ihm die größte HerzenSqual be-
reitete. Unterdeß suchte William diese für ihn günstige Si-
tuation zu benutzen; je weniger Walter sich blicken ließ,
um so mehr machte er sich um Jessie zu schaffen und über-
schüttete sie mit Liebenswürdigkeiten. Walter fühlte sich
durch ein solches Verhalten um so mehr gekränkt, als er
niemals ernstlich befürchtet hatte, William könne ihm Jes-
sie's Liebe entreißen. Eines Tages, als ihm das Herz wie-
der übervoll war, sprach er mit seiner Großmutter darüber,
welche die gleiche Bemerkung ebenfalls schon gemacht hatte,
und ihm nun, so zart wie möglich, teilweise wiederholte,
was von Ellen ihr war anvertraut worden. In gerechter
Entrüstung über solche Schurkerei rief Walter: „Der
Elende! Er hat mit Ellens Herz nur gespielt; denn nie-
mals dachte er daran, sie zu heirathen. Und einen solchen
Menschen zieht Jessie allen anderen vor."
„Du urtheilst in der Erregung und darum zu vor-
eilig. Wer sagt denn, daß Jessie William bevorzugt? Hat
Jessie nicht viel mehr Ursache, über Vernachlässigung Dei-

nerseits zu klagen? Warum näherst Du Dich nicht.ihr,
warum tauscht Ihr Euch nicht aus?"
„Großmutter," erwiderte Walter und eine Thräne
zitterte in seinem Auge, „ich habe versprochen, nicht eher
zu Jessie Graham von meiner Liebe zu sprechen, bis der
Flecken ausgetilgt ist, den das Unglück meiner Vaters auf
meinen Namen gelegt hat. Wie es scheint, wird da- nie
geschehen, und deshalb muß ich schweigen und sie einem
Andern überlassen. Ich würde mein Schicksal jedoch leichter
ertragen können, wenn nicht gerade William der Bevor-
zugte wäre; denn ich wünsche Jessie glücklich zu sehen, ec
aber ist ein Schurke. Lieber sähe ich Jessie todt, als an
der Seite dieses Menschen."
Tief erregt begab sich Walter auf sein Zimmer und
überließ sich seinem Schmerze. Dann begab er sich tns
Freie, um sich zu zerstreuen. Doch kaum hatte er die
Straße betreten, als er auf Jessie in Gesellschaft Williams
stieß. Sie schienen in angelegentlicher Unterhaltung und
bemerkten ihn erst, als er dicht an ihnen vorbctschreiten
wollte. Walter gerieth in die peinlichste Stimmung. Jessie
bot ihm unbefangen die Hand, die er kühl empfing: es
wurden einige Redensarten gewechselt; dann ging Walter
weiter, große Eile vorschüuend. Seine Verstimmung war
so auffällig, daß sie auch William nicht entging, und da
er niemals eine Gelegenheit vorü. ergehen ließ, ohne eine
kleine Verdächtigung seines Cousins bei Jessie anzubringen,
so fragte er höhnend, ob sie auch bemerkt habe, wie hoch-
mütbig und aufgeblasen Walter geworden sei, seit seine
Großmutter ihn bei sich ausgenommen habe. „Alle Welt
lacht darüber," fuhr er fort, „aber so machen es die Leute
von seinem Herkommen. Sie können nicht vertragen, daß
es ihnen gut geht."
„Dazu ist Walter zu vernünftig," entgegnete Jessie.
„Es fällt ihm nicht ein, sich durch die Aufmerksamkeiten
von Leuten schmeicheln zu lasten, die ihn früher über die
Achsel ansahen. Ec weiß recht wohl, daß das nur des-
wegen geschieht, weil Mrs. Bellenger ihn protegirt. Wie
macht es z. B. Mrs. Reeves? Es ist lächerlich, wenn man
sie von ihrem „lieben Mr. Marshall" sprechen hört, wäh-
rend sie ihn früher nur als den „armen, jungen Mann in
 
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