Mäher WlkMlitt
WM», SmtU M 30. Mlli 1897.
Nachdruck
verboten.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
* Berlin, 26. Mai.
Die beantragte Vernehmung des Ministers deS
Innern Frhrn. v. d. Recke wird abgelehnt.
Die Geschworenen verweigern die Annahme eines
an sie gerichteten Schreibens, welches unerösfnet der
Post zurückgestellt wird.
Staatsanwalt Eger betont die Nothwendigkeit, die
Geschworenen in den Stand zu setzen, zu beurtheilen.
Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
1OH, ReklameW Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
Expedition: Zwingerftratze 7.
Er habe die Urkundenfälschung, die von Lützow be-
gangen, nicht angezeigt, da er fürchtete, höhere In«
Kressen zu verletzen. Weiterhin sagt v. Lützow auf
Befragen, er habe einmal 2000 Mark Extrahonorar
bekommen, nicht von der Polizei, sondern von einer
anderen Stelle, die er nicht nennen könne. Im Gan-
zen habe er etwa 20,000 Mark von der Polizei er-
halten. Mindestens 20 Mal habe er auf Geheiß
v. Tauschs fremde Namen unter Quittungen schreiben
müssen.
Auf den Vorhalt des Präsidenten, über diese Ehr-
losigkeit sagt von Lützow, ich wurde leider zuletzt et-
was abgebrüht. Mir wurde immer gesagt, was Sie
thun, liegt im Interesse der Behörde und des Staates.
Wenn ich Alles sagen würde, was ich in den sechs
Jahren habe thun müssen, so müßte man mir glauben,
daß ich nicht in meinem Interesse den Namen Kukutsch
geschrieben habe. Aber ich werde mich erst mit mei-
nem Vertheidiger darüber berathen, ob ich zur Ret-
tung meiner Ehre nunmehr nicht Alles ans Tages-
licht bringen soll. v. Tausch sagt, es sei üblich,
daß die Agenten unter falschem Namen quittirten.
Diese Einrichtung bezwecke die Geheimhaltung inner-
halb der Behörden selbst. Ein Agent soll nichts vom
Andern wissen. Die Quittungen bekomme Niemand
zu sehen. Nachdem klar geworden sei, daß v. Lützow
mit der Kukutsch Quittung eine Fälschung begangen
habe, habe er es für die Aufgabe des KriegsministeriumS
gehalten, den gegen den Minister v. Köller erhobenen
Verdacht zu beseitigen, v. Lützow behauptet, v. Tausch
habe den Minister o. Köller stürzen wollen. Staats-
anwalt Eger hebt hervor, daß v. Tausch in der
früheren Verhandlung eidlich ausgesagt habe, er habe
bis zum letzten Augenblicke an der Schuld v. LützowS
gezweifelt, v. Tausch bemerkt weiterhin, man könne
die Agenten nicht immer anzeigen. Das bringe das
Agentenwesen mit sich. Gerade die guten Agenten seien
die unsaubersten, v. Lützow schildert schließlich aus-
führlich seine Lage bei seinem früheren Prozeß
und wie er zu seinem sogenannten Geständniß ge-
kommen fei.
Olbera monatlich SV L mit Trägerlohn,
Post bezogen Viertels. 1.60 franco.
K. 121 -
Für den Monat
Juni
jktzt schon alle Postämter Bestellungen auf die
Mich erscheinende Zeitung
„Pfälzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Sonntags-
Me",) sowie unsere Expedition Heidelberg
^ivgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfsher VolksblaU".
Heidelberg, Zwirrgerstraße 7.
-int täglich mit Ausnahme der Sonn- u. «M
Organ für Malklmt, Fretlreri L KM
v. Lützow erklärt, er habe v. Tausch wiederholt
versichert, daß von Kukutsch nichts zu erreichen sei.
v. Lützow erklärt ferner, v. Tausch habe dem KriegS-
m N'ster etwas bringen wollen, war die Verfasserschaft
d«S Ministers v. Köller bestätige und ihn (o. Lützow)
veranlaßt, den bekannten anonymen VerSbrief an den
Kriegsminister zu schreiben, welcher lautet: Wollen Sie
twssen, wer gegen Sie putscht, so fragen Sie Eckard
Homann und Kukutsch. Er habe .damals gedacht, eS
handle sich um ein Polizei Manöver v. Tausch. Der
Präsident und der Oberstaatsanwalt bezeichnen die
wiederholte Versicherung, der Kukutsch Bries und der
VerSbrief feien auf Bestellung geschrieben, für gänz-
lich unglaubwürdig, da doch v. Tausch gar kein
Interesse haben konnte, einen unschuldigen Menschen
wie Kukutsch als Sündenbock dem Kriegsministerium zu
präsentiren und eS ganz unsinnig gewesen wäre, wenn
v. Tausch 50 Mk. für eine falsche Nachricht bezahlt
hätte, deren Unrichtigkeit sehr bald hätte nachgewie-
sen weiden können. Der Präsident ermahnte v. Lü-
tzow sehr nachdrücklich, die Wahrheit zu sagen. Der
Oberstaatsanwalt hebt hervor, daß v. Tausch dem
von Lützow gleich gesagt habe, in Sachen der De-
pesche der „Münchener Neuesten Nachrichten" sei eine
Untersuchung eingeleitet und zwar gegen Unbekannt.
Hätte er darauf v. Lützow beauftragt, die Quittung
zu fälschen, so hätte er v. Lützow selbst die Waffen
geliefert, um ihn der Anstiftung der Urkundenfälschung
zu überführen, v. Lützow versichert entschieden, daß
die Quittung von v. Tausch bestellt gewesen sei, gibt
aber nach einigem Zögern zu, daß seine heutige Be-
hauptung, die Quittung und der VerSbrief seien an
demselben Abend hergestellt, falsch ist.
Auf die Bemerkung deS Präsidenten, daß die Per-
son, die nach LützowS früheren Aussagen in seinem
Auftrage die Quittung mit dem Namen Kukutsch un-
terzeichnete, dies bestritten habe, während der Schreib-
sachverständige die Unterzeichnung wahrscheinlich als
v. Lützow herrührend bezeichnete, sagt Lützow aus,
die Schreibgutachten seien ja nicht sehr zuverlässig,
aber man könne wenig dagegen thun. Es ist also
möglich, daß ich die Quittung unterschrieben habe.
Rechtsanwalt Holtz hebt hervor, daß v. Tausch noch
nach d^r QuittungSaffaire 12 Monate mit v. Lützow
verkehrte, v. Lützow bleibt dabei, daß er mit Brief
und Quittung von v. Tausch bestellte Arbeit ver-
richtete. Im weiteren Verhöre über die Kukutsch'sche
Quittung sagt v. Tausch aus, mit der Ausstellung
solcher Quittungen passiren Wunderdinge. Wenn man
da sprechen wollte, könnte man mancherlei erzählen.
Lei-voll und freudvoll.
Novelle von L. v. Neid e g g.
- »Ich habe ein paar ernste Worte mit Ihnen zu spre-
8^-Fräulein Grashvff!" wandte sie sich zu Anna, sobald
Thüre sich hinter Martha geschlossen hatte.
», »Was befehlen Sie, gnädige Gräfin?" fragte diese mit
Müder Stimme.
»Ich bedauere sehr, Ihnen mein Mißfallen ausdrücken
Müssen," antwortete die Gräfin in strengem Tone. „Sie
Mdte» gestern Abend Kopfweh vor, diSpensirtcn sich unter
Vorwande von Ihrer Pflicht, Martha zu über-
Men; dabei aber fühlten Sie sich wohl genug, um einen
Unn auf Ihrem Zimmer zu empfangen, der obendrein
Aussehen eines Vagabunden hatte."
> »Der Vagabund war mein Vater, Frau Gräfin," gab
^»a leise und ttefiraurig zur Antwort.
Das weiche Herz der Gräfin war augenblicklich besänf-
»O, Sie armes Kind!" rief sie mitleidsvoll. Dann
N besann sie sich, daß sie ihrem Manne hatte geloben
Neu, ihres Amtes mit Strenge zu walten, — daß zu-
M noch eine weitere schwere Anklage auf Anna laste. Mit
irühcren strengen Ausdruck fuhr sie fort: „Man hat
aber auch im Park angetroffen, Ihre Land in der des
Ukasen Tiefenbach. Wie rechtfertigen Sie dies?"
..»Bor acht Jahren ist Graf Tiefenbach mein verlobter
^utigam gewesen," lautete die beinahe geflüsterte Antwort
Die Gräfin war betroffen und blieb einen Augenblick
"MM- „Können Sie sagen, daß er jetzt Ihr Bräutigam ist ?"
»Nein!" antwortete Anna, und mit ihren ehrlichen
UW sah sie der Gräfin voll ins Gesicht. „Nein, Frau
,safw. Aber ..." — ihr bleiches Gesicht röthete sich —
bat Worte zu mir gesprochen, die mich schließen lassen,
De > - daß er an die Vergangenheit anknüpfen will.
i.At ich habe ihn aufgesucht, Frau Gräfin," fuhr sie eifrig
war eS, der, während ich in dem Menschenhaufen
? Martha suchte, mich zurückhieü und eine Unterredung
»Ä Mir herbeiführen wollte. Diese wurde unterbrochen,
» versprach, mich von sich hören zu lassen. Dessen
Proreß Tausch- v. Lützow.
* Berlin, 25. Mai.
e Nach der Mittagspause erfolgte die Vernehmung
b« Angeklagten v. Tausch über die bekannte Depesche
b* »Münchener Neuesten Nachrichten" über eine Sitz-
78 des preußischen Staatsministeriums in SachiN
Militär-Strafpozeßordnung und darauf die Ver-
Mung über die Angelegenheit Kuketsch. v. Tausch
Me dabei aus, Oberstlieutevant Gaede vom Kriegs-
Merium habe ihm gegenüber geäußert, auf den
Knister v Köller könnte die Depesche der „M. N. N."
"kLckzuführen sein. Als v. Lützow ihm den Jour-
husten Kukutsch vom ministeriellen literarischen
Mau als denjenigen bezeichnete, der den Verfasser
Depesche kennen könnte, der aber 50 Mark ver-
M, habe er v. Lützow mit 60 Mark gespickt und
Lützow eine Quittung über 50 Mark, unterzeichnet
Kukutsch", erhalten. Die Unterschrift sei ihm gleich
Mächtig vorgekommen, was er auch v. Lützow
Mnüber sofort erklärt habe. v. Lützow erklärt, v.
Wsch theilte ihm mit, daß man im KriegSmini-
Mium gegen Minister v. Köller den Verdacht hatte,
7» er Jndis cretion en begangen habe. Auch Fürst
Uenlohe und Frhr. v. Marschall hatten es als
Mich erklärt, daß er (v. Köller) diese Depesche
Mrirt habe. Als v. Lützow ausführlich schilderte,
M er sich bemüht habe, an Kukutsch yeranzukommeu
M durch den Mitarbeiter der „Hann. Kurier" etwas
A erfahren, bezeichnete der Präsident diese Geschichte
widersinnig und läppisch, v. Lützow habe viel-
M nach Ansicht der Anklage durch Vorspiegelung
Mcher Thatsachen von ».Tausch Geld herausschlagen
Men.
Gegenwart Ihrer Cousine hätte ich auch nicht wohl mein
Herz vor Ihnen bloßlegen können- Meine Worte zu lesen,
das können, das dürfen Sie aber nicht verweigern; Sie
werden — der Blick Ihrer Augen hat es mir gestern ver-
rathen — den Weg zu Ihrem Herzen finden, und dann
wird das Leben noch Freude bringen für uns Beide. An
dieser Erwartung lassen Sie mich festhalten.
„Als ich damals von Ihnen ging, hatte ich erklärt,
vor meinen Vater hintreten und die Einwilligung zu un-
serer Heirath erbitten, erzwingen zu wollen. Auf harten
Widerstand seinerseits waren wir ja Beide gefaßt- Wir
wußten, daß die Freundschaft, die in seiner Jugend zwischen
ihm und Ihrem Vater bestanden hatte, längst in Haß um-
geschlagen war. Ich erwartete aber, er würde zu edel sein,
um die Tochter die Fehler des Vaters entgelten zu lasse»;
ich rechnete auf seine Nachgiebigkeit. Ich fühlte mich daher
wie niedergeschmettert, als er mir erklärte, nie und unter
keiner Bedingung würde er jemals in eine Verbindung mit
Ihnen willigen, denn Ihr Vater habe seinen Stand ent-
ehrt; mir, dem Unmündigen, verbiete er geradezu, diese
Heirath einzugehen; er erwarte aber vsn mir, daß ich auch
später seinem ausgesprochenen Befehle nicht zuwiderhandeln
würde.
„Ich weigerte mich, meiner Liebe zu entsagen, da brauste
er auf und erklärte, so müsse er zu energischen Mitteln grei-
fen, mich zwingen; bis jetzt habe er aus Schonung für
Ihre Mutter sowohl wie für Sie und Ihren Bruder es
vermieden, von denselben Gebrauch zu machen; vom Augen-
blick aber, wo ich seinem Willen entgsgenträte, fiele für ihn
jeder Grund zur Rücksichtnahme fort. Und nun kam eS
heraus, das Schreckliche: Herr v. Neudingen hatte die
Unterschrift meines Vaters, mit dem er seit langen Jahren
in Geschäftsverbindung stand, — gefälscht- Vor aller Welt
wollte mein Vater ihn brandmarken, ließe ich nicht ab von
Ihnen und gäbe ich nicht mein Ehrenwort, Sie nicht Wieder-
zusehen, nicht mehr mit Ihnen zu verkehren; träte ich hin-
gegen zurück, dann wolle er Sorge tragen, daß die Ange-
legenheit vertuscht würde.
(Fortsetzung folgt.)
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingerftraße 7.
aber seien Sie versichert, Frau Gräfin: zu bloßem »Spiele
gebe ich mich niemals her!"
Ihre Erklärung wirkte überzeugend: jeder Zweifel an
Anna's Schuld wurde von der Gräfin aufgegeben, und
schon lagen freundliche, theilnehmsnde Worte ihr auf den
Lippen; aber sie hatte ja versprochen, sich nicht umgarnen
zu lassen. Deshalb wich sie dem vertrauensvollen Blicke
aus, den Anna auf sie heftete, und antwortete kühl: „Es
ist gut! Vorläufig wollen wir die Sache auf sich kn ruhen
lassen- Sie werden jedoch so freundlich sein, mich vom fer-
neren Verlauf der Angelegenheit zu unterrichten."
Enttäuscht blickte Anna die sonst so gütige, nun so
fremd und kühl gewordene Frau an. Diese wandte sich zum
Gehen; aber — ihr Gefühl war stärker als sie — ein freund-
licher Blick aus ihren Augen streifte die Erzieherin. Dann
eilte sie, wie beschämt über die eigene Schwachheit, aus
dem Zimmer. Seufzend sah Anna ihr nach.
Sollte auch diese Stütze im Hause ihr verloren gehen?
„Kopf oben!" ermunterte sie sich. „Warum verzagen, wo
ich doch keine Schuld trage? Ruhig, mein Herz!" Und als
Martha wiederkam, bemühte sie sich, ihre Stunden weiter
zu geben, als sei inzwischen nichts vorgefallen, als lebe sie
nicht in zitternder Erwartung dessen, was ihrem Leben
eine andere Wendung geben mußte.
Die Qual des Mittagessens unter einem Kreuzfeuer
von theils feindlichen, theils neugierigen Blicken war vor-
über. Anna war mit Martha in da? Schulzimmer zurück-
gekehrt- Da erschien ein Diener und brachte ihr einen Brief,
der eben für sie gekommen. Augenblicklich erkannte sie die
Schrift, und ihr Herz klopfte so gewaltig, daß die Stimme
mit welcher sie dem Ueberbrtnger dankte, kaum vernehmlich
war. Zitternd riß sie den Umschlag auf und las folgende
Worte:
«Hand in Hand, wie vor acht Jahren, standen wir
gestern, Anna; und wenn aus Ihren Worten auch Unver-
söhnlichkeit sprach — in Ihren treuen Augen lag derselbe
Ausdruck, wie in jener Zeit; Ihre liebe Hand ruhte ver-
trauensvoll in der meinen, wie damals bei unserem Abschied.
Was ich Ihnen zu sagen hatte, gestern vermochte ich es
nicht auszuprechen. Sie wollten mich nicht hören. In
WM», SmtU M 30. Mlli 1897.
Nachdruck
verboten.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
* Berlin, 26. Mai.
Die beantragte Vernehmung des Ministers deS
Innern Frhrn. v. d. Recke wird abgelehnt.
Die Geschworenen verweigern die Annahme eines
an sie gerichteten Schreibens, welches unerösfnet der
Post zurückgestellt wird.
Staatsanwalt Eger betont die Nothwendigkeit, die
Geschworenen in den Stand zu setzen, zu beurtheilen.
Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
1OH, ReklameW Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
Expedition: Zwingerftratze 7.
Er habe die Urkundenfälschung, die von Lützow be-
gangen, nicht angezeigt, da er fürchtete, höhere In«
Kressen zu verletzen. Weiterhin sagt v. Lützow auf
Befragen, er habe einmal 2000 Mark Extrahonorar
bekommen, nicht von der Polizei, sondern von einer
anderen Stelle, die er nicht nennen könne. Im Gan-
zen habe er etwa 20,000 Mark von der Polizei er-
halten. Mindestens 20 Mal habe er auf Geheiß
v. Tauschs fremde Namen unter Quittungen schreiben
müssen.
Auf den Vorhalt des Präsidenten, über diese Ehr-
losigkeit sagt von Lützow, ich wurde leider zuletzt et-
was abgebrüht. Mir wurde immer gesagt, was Sie
thun, liegt im Interesse der Behörde und des Staates.
Wenn ich Alles sagen würde, was ich in den sechs
Jahren habe thun müssen, so müßte man mir glauben,
daß ich nicht in meinem Interesse den Namen Kukutsch
geschrieben habe. Aber ich werde mich erst mit mei-
nem Vertheidiger darüber berathen, ob ich zur Ret-
tung meiner Ehre nunmehr nicht Alles ans Tages-
licht bringen soll. v. Tausch sagt, es sei üblich,
daß die Agenten unter falschem Namen quittirten.
Diese Einrichtung bezwecke die Geheimhaltung inner-
halb der Behörden selbst. Ein Agent soll nichts vom
Andern wissen. Die Quittungen bekomme Niemand
zu sehen. Nachdem klar geworden sei, daß v. Lützow
mit der Kukutsch Quittung eine Fälschung begangen
habe, habe er es für die Aufgabe des KriegsministeriumS
gehalten, den gegen den Minister v. Köller erhobenen
Verdacht zu beseitigen, v. Lützow behauptet, v. Tausch
habe den Minister o. Köller stürzen wollen. Staats-
anwalt Eger hebt hervor, daß v. Tausch in der
früheren Verhandlung eidlich ausgesagt habe, er habe
bis zum letzten Augenblicke an der Schuld v. LützowS
gezweifelt, v. Tausch bemerkt weiterhin, man könne
die Agenten nicht immer anzeigen. Das bringe das
Agentenwesen mit sich. Gerade die guten Agenten seien
die unsaubersten, v. Lützow schildert schließlich aus-
führlich seine Lage bei seinem früheren Prozeß
und wie er zu seinem sogenannten Geständniß ge-
kommen fei.
Olbera monatlich SV L mit Trägerlohn,
Post bezogen Viertels. 1.60 franco.
K. 121 -
Für den Monat
Juni
jktzt schon alle Postämter Bestellungen auf die
Mich erscheinende Zeitung
„Pfälzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Sonntags-
Me",) sowie unsere Expedition Heidelberg
^ivgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfsher VolksblaU".
Heidelberg, Zwirrgerstraße 7.
-int täglich mit Ausnahme der Sonn- u. «M
Organ für Malklmt, Fretlreri L KM
v. Lützow erklärt, er habe v. Tausch wiederholt
versichert, daß von Kukutsch nichts zu erreichen sei.
v. Lützow erklärt ferner, v. Tausch habe dem KriegS-
m N'ster etwas bringen wollen, war die Verfasserschaft
d«S Ministers v. Köller bestätige und ihn (o. Lützow)
veranlaßt, den bekannten anonymen VerSbrief an den
Kriegsminister zu schreiben, welcher lautet: Wollen Sie
twssen, wer gegen Sie putscht, so fragen Sie Eckard
Homann und Kukutsch. Er habe .damals gedacht, eS
handle sich um ein Polizei Manöver v. Tausch. Der
Präsident und der Oberstaatsanwalt bezeichnen die
wiederholte Versicherung, der Kukutsch Bries und der
VerSbrief feien auf Bestellung geschrieben, für gänz-
lich unglaubwürdig, da doch v. Tausch gar kein
Interesse haben konnte, einen unschuldigen Menschen
wie Kukutsch als Sündenbock dem Kriegsministerium zu
präsentiren und eS ganz unsinnig gewesen wäre, wenn
v. Tausch 50 Mk. für eine falsche Nachricht bezahlt
hätte, deren Unrichtigkeit sehr bald hätte nachgewie-
sen weiden können. Der Präsident ermahnte v. Lü-
tzow sehr nachdrücklich, die Wahrheit zu sagen. Der
Oberstaatsanwalt hebt hervor, daß v. Tausch dem
von Lützow gleich gesagt habe, in Sachen der De-
pesche der „Münchener Neuesten Nachrichten" sei eine
Untersuchung eingeleitet und zwar gegen Unbekannt.
Hätte er darauf v. Lützow beauftragt, die Quittung
zu fälschen, so hätte er v. Lützow selbst die Waffen
geliefert, um ihn der Anstiftung der Urkundenfälschung
zu überführen, v. Lützow versichert entschieden, daß
die Quittung von v. Tausch bestellt gewesen sei, gibt
aber nach einigem Zögern zu, daß seine heutige Be-
hauptung, die Quittung und der VerSbrief seien an
demselben Abend hergestellt, falsch ist.
Auf die Bemerkung deS Präsidenten, daß die Per-
son, die nach LützowS früheren Aussagen in seinem
Auftrage die Quittung mit dem Namen Kukutsch un-
terzeichnete, dies bestritten habe, während der Schreib-
sachverständige die Unterzeichnung wahrscheinlich als
v. Lützow herrührend bezeichnete, sagt Lützow aus,
die Schreibgutachten seien ja nicht sehr zuverlässig,
aber man könne wenig dagegen thun. Es ist also
möglich, daß ich die Quittung unterschrieben habe.
Rechtsanwalt Holtz hebt hervor, daß v. Tausch noch
nach d^r QuittungSaffaire 12 Monate mit v. Lützow
verkehrte, v. Lützow bleibt dabei, daß er mit Brief
und Quittung von v. Tausch bestellte Arbeit ver-
richtete. Im weiteren Verhöre über die Kukutsch'sche
Quittung sagt v. Tausch aus, mit der Ausstellung
solcher Quittungen passiren Wunderdinge. Wenn man
da sprechen wollte, könnte man mancherlei erzählen.
Lei-voll und freudvoll.
Novelle von L. v. Neid e g g.
- »Ich habe ein paar ernste Worte mit Ihnen zu spre-
8^-Fräulein Grashvff!" wandte sie sich zu Anna, sobald
Thüre sich hinter Martha geschlossen hatte.
», »Was befehlen Sie, gnädige Gräfin?" fragte diese mit
Müder Stimme.
»Ich bedauere sehr, Ihnen mein Mißfallen ausdrücken
Müssen," antwortete die Gräfin in strengem Tone. „Sie
Mdte» gestern Abend Kopfweh vor, diSpensirtcn sich unter
Vorwande von Ihrer Pflicht, Martha zu über-
Men; dabei aber fühlten Sie sich wohl genug, um einen
Unn auf Ihrem Zimmer zu empfangen, der obendrein
Aussehen eines Vagabunden hatte."
> »Der Vagabund war mein Vater, Frau Gräfin," gab
^»a leise und ttefiraurig zur Antwort.
Das weiche Herz der Gräfin war augenblicklich besänf-
»O, Sie armes Kind!" rief sie mitleidsvoll. Dann
N besann sie sich, daß sie ihrem Manne hatte geloben
Neu, ihres Amtes mit Strenge zu walten, — daß zu-
M noch eine weitere schwere Anklage auf Anna laste. Mit
irühcren strengen Ausdruck fuhr sie fort: „Man hat
aber auch im Park angetroffen, Ihre Land in der des
Ukasen Tiefenbach. Wie rechtfertigen Sie dies?"
..»Bor acht Jahren ist Graf Tiefenbach mein verlobter
^utigam gewesen," lautete die beinahe geflüsterte Antwort
Die Gräfin war betroffen und blieb einen Augenblick
"MM- „Können Sie sagen, daß er jetzt Ihr Bräutigam ist ?"
»Nein!" antwortete Anna, und mit ihren ehrlichen
UW sah sie der Gräfin voll ins Gesicht. „Nein, Frau
,safw. Aber ..." — ihr bleiches Gesicht röthete sich —
bat Worte zu mir gesprochen, die mich schließen lassen,
De > - daß er an die Vergangenheit anknüpfen will.
i.At ich habe ihn aufgesucht, Frau Gräfin," fuhr sie eifrig
war eS, der, während ich in dem Menschenhaufen
? Martha suchte, mich zurückhieü und eine Unterredung
»Ä Mir herbeiführen wollte. Diese wurde unterbrochen,
» versprach, mich von sich hören zu lassen. Dessen
Proreß Tausch- v. Lützow.
* Berlin, 25. Mai.
e Nach der Mittagspause erfolgte die Vernehmung
b« Angeklagten v. Tausch über die bekannte Depesche
b* »Münchener Neuesten Nachrichten" über eine Sitz-
78 des preußischen Staatsministeriums in SachiN
Militär-Strafpozeßordnung und darauf die Ver-
Mung über die Angelegenheit Kuketsch. v. Tausch
Me dabei aus, Oberstlieutevant Gaede vom Kriegs-
Merium habe ihm gegenüber geäußert, auf den
Knister v Köller könnte die Depesche der „M. N. N."
"kLckzuführen sein. Als v. Lützow ihm den Jour-
husten Kukutsch vom ministeriellen literarischen
Mau als denjenigen bezeichnete, der den Verfasser
Depesche kennen könnte, der aber 50 Mark ver-
M, habe er v. Lützow mit 60 Mark gespickt und
Lützow eine Quittung über 50 Mark, unterzeichnet
Kukutsch", erhalten. Die Unterschrift sei ihm gleich
Mächtig vorgekommen, was er auch v. Lützow
Mnüber sofort erklärt habe. v. Lützow erklärt, v.
Wsch theilte ihm mit, daß man im KriegSmini-
Mium gegen Minister v. Köller den Verdacht hatte,
7» er Jndis cretion en begangen habe. Auch Fürst
Uenlohe und Frhr. v. Marschall hatten es als
Mich erklärt, daß er (v. Köller) diese Depesche
Mrirt habe. Als v. Lützow ausführlich schilderte,
M er sich bemüht habe, an Kukutsch yeranzukommeu
M durch den Mitarbeiter der „Hann. Kurier" etwas
A erfahren, bezeichnete der Präsident diese Geschichte
widersinnig und läppisch, v. Lützow habe viel-
M nach Ansicht der Anklage durch Vorspiegelung
Mcher Thatsachen von ».Tausch Geld herausschlagen
Men.
Gegenwart Ihrer Cousine hätte ich auch nicht wohl mein
Herz vor Ihnen bloßlegen können- Meine Worte zu lesen,
das können, das dürfen Sie aber nicht verweigern; Sie
werden — der Blick Ihrer Augen hat es mir gestern ver-
rathen — den Weg zu Ihrem Herzen finden, und dann
wird das Leben noch Freude bringen für uns Beide. An
dieser Erwartung lassen Sie mich festhalten.
„Als ich damals von Ihnen ging, hatte ich erklärt,
vor meinen Vater hintreten und die Einwilligung zu un-
serer Heirath erbitten, erzwingen zu wollen. Auf harten
Widerstand seinerseits waren wir ja Beide gefaßt- Wir
wußten, daß die Freundschaft, die in seiner Jugend zwischen
ihm und Ihrem Vater bestanden hatte, längst in Haß um-
geschlagen war. Ich erwartete aber, er würde zu edel sein,
um die Tochter die Fehler des Vaters entgelten zu lasse»;
ich rechnete auf seine Nachgiebigkeit. Ich fühlte mich daher
wie niedergeschmettert, als er mir erklärte, nie und unter
keiner Bedingung würde er jemals in eine Verbindung mit
Ihnen willigen, denn Ihr Vater habe seinen Stand ent-
ehrt; mir, dem Unmündigen, verbiete er geradezu, diese
Heirath einzugehen; er erwarte aber vsn mir, daß ich auch
später seinem ausgesprochenen Befehle nicht zuwiderhandeln
würde.
„Ich weigerte mich, meiner Liebe zu entsagen, da brauste
er auf und erklärte, so müsse er zu energischen Mitteln grei-
fen, mich zwingen; bis jetzt habe er aus Schonung für
Ihre Mutter sowohl wie für Sie und Ihren Bruder es
vermieden, von denselben Gebrauch zu machen; vom Augen-
blick aber, wo ich seinem Willen entgsgenträte, fiele für ihn
jeder Grund zur Rücksichtnahme fort. Und nun kam eS
heraus, das Schreckliche: Herr v. Neudingen hatte die
Unterschrift meines Vaters, mit dem er seit langen Jahren
in Geschäftsverbindung stand, — gefälscht- Vor aller Welt
wollte mein Vater ihn brandmarken, ließe ich nicht ab von
Ihnen und gäbe ich nicht mein Ehrenwort, Sie nicht Wieder-
zusehen, nicht mehr mit Ihnen zu verkehren; träte ich hin-
gegen zurück, dann wolle er Sorge tragen, daß die Ange-
legenheit vertuscht würde.
(Fortsetzung folgt.)
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingerftraße 7.
aber seien Sie versichert, Frau Gräfin: zu bloßem »Spiele
gebe ich mich niemals her!"
Ihre Erklärung wirkte überzeugend: jeder Zweifel an
Anna's Schuld wurde von der Gräfin aufgegeben, und
schon lagen freundliche, theilnehmsnde Worte ihr auf den
Lippen; aber sie hatte ja versprochen, sich nicht umgarnen
zu lassen. Deshalb wich sie dem vertrauensvollen Blicke
aus, den Anna auf sie heftete, und antwortete kühl: „Es
ist gut! Vorläufig wollen wir die Sache auf sich kn ruhen
lassen- Sie werden jedoch so freundlich sein, mich vom fer-
neren Verlauf der Angelegenheit zu unterrichten."
Enttäuscht blickte Anna die sonst so gütige, nun so
fremd und kühl gewordene Frau an. Diese wandte sich zum
Gehen; aber — ihr Gefühl war stärker als sie — ein freund-
licher Blick aus ihren Augen streifte die Erzieherin. Dann
eilte sie, wie beschämt über die eigene Schwachheit, aus
dem Zimmer. Seufzend sah Anna ihr nach.
Sollte auch diese Stütze im Hause ihr verloren gehen?
„Kopf oben!" ermunterte sie sich. „Warum verzagen, wo
ich doch keine Schuld trage? Ruhig, mein Herz!" Und als
Martha wiederkam, bemühte sie sich, ihre Stunden weiter
zu geben, als sei inzwischen nichts vorgefallen, als lebe sie
nicht in zitternder Erwartung dessen, was ihrem Leben
eine andere Wendung geben mußte.
Die Qual des Mittagessens unter einem Kreuzfeuer
von theils feindlichen, theils neugierigen Blicken war vor-
über. Anna war mit Martha in da? Schulzimmer zurück-
gekehrt- Da erschien ein Diener und brachte ihr einen Brief,
der eben für sie gekommen. Augenblicklich erkannte sie die
Schrift, und ihr Herz klopfte so gewaltig, daß die Stimme
mit welcher sie dem Ueberbrtnger dankte, kaum vernehmlich
war. Zitternd riß sie den Umschlag auf und las folgende
Worte:
«Hand in Hand, wie vor acht Jahren, standen wir
gestern, Anna; und wenn aus Ihren Worten auch Unver-
söhnlichkeit sprach — in Ihren treuen Augen lag derselbe
Ausdruck, wie in jener Zeit; Ihre liebe Hand ruhte ver-
trauensvoll in der meinen, wie damals bei unserem Abschied.
Was ich Ihnen zu sagen hatte, gestern vermochte ich es
nicht auszuprechen. Sie wollten mich nicht hören. In