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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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November 1897
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Nr. 254
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1037

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Mtzer Volksblatt
tSglich mit Ausnahme der Sonn- u. . - Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder de
^n°önter^awnaMM"?Der*^nnta^ Prw'atMzeigen!"sMvse fürJchres-Anzer^en

Gesetz Hohn sprechende Verhalten
der Frage der Wieder besetzung deS

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

liebliche
... __ _ __Ausdruck wech-
sele, je nach dem Gegenstände, den die Unterhaltung gab.
Als man Platz genommen hatte, bemerkte Nette, daß
unten am Tiiche noch ein Gedeck stand und gleich darauf
trat das blasse, blonde Mädchen ein, nahm den Chokolade-
kissel zur Hand und begann die Gesellschaft zu bedienen.
»Ich glaub, daß die Tante vergessen hat, Ihnen unser
Nichtchen vorzustellen!" rief der Junker plötzlich. „Die Da-
men Wolson, Fräulein Hilverda, die rechte Hand meiner
Tante und für mich nicht weniger freundlich besorgt."

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nur Karen die Wende mit Fomilicrportraits bedeckt und
ein norrmkntales Luffet bedeckte fast eine ganze Seile des
Gemaches. Nus dem Tische glänzte Silber, Kihstall und
Porzellan. In geschliffenen Karaffen Perlte der Wein, im
S onnenlichte wie Gold und Rubin er funkelnd; ..kandirte

Pfälzer Bolksblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der TonntagK-
), sowie unsere Expedition Heidelberg, Awinger-
7, entgegen.
Spedition des „PMer Volksblatt".
Heidelberg Zwingerstraße 7

. Nestelrungen
die Monate
November und Dezember
immer noch alle Postämter aus die täglich er-

hZM,Unterhaltunasblatt „Der Sonntagsbote" für
4,erg monatlich S« mit Trägerlohn, durch
^s^dsePost bezogen viertelj. -N 1.60 franco.

kleidet, trat ein, nickte eben mit dem Kopfe und nahm schwei-
gend Hüte und Mäntel in Empfang. Der Junker stand
am Herde, an den breiten Schornsteinmantel gelehnt, und
die zierliche, elastische, von einer schwarzen Sammtjoppe
knapp umschlossene Gestalt zu Miliane herüberbeugend.
„Es freut mich so, Sie einmal hier zu sehen, Fräulein
Wolson, um Ihr Uktheil über meinen Geschmack zu ver-
nehmen. Ich habe so viel gebaut und noch viel mehr ent-
worfen, daß ich für mein ganzes Leben genug daran habe,
wenn es noch fünfzig Jahre dauern sollte," und er lächelte
wie einer, der sich jung und kräftig fühlt und den Tod für
ein Schreckbild hält, womit er in den ersten Dezennien nichts
zu schaffen hat.
„Ja! das Bauen ist seine Manie," sagte Frau Hil-
verda, «Sie werden das gleich einmal sehen, Fräulein,"
instinktmäßig richtete sie ihre Worte an Nette, als wenn sie
hoffte, dort mehr Sympathie zu finden.
„Liebe Tante", versetzte der Junker, „Du wirst einge-
stehen müssen, daß ich Dich nicht damit belästige. An Schön-
burg verändere »ch nichts. So wie mein armer Papa es
hier ließ, ist es mir gut genug, aber „Kaprice", das ist meine
Schöpfung."
„Kaprice — ein origineller Name!"
„Den gab Erich, nicht wahr Leo? Ja, mein Sohn
hat immer solche Einfälle."
„Jawohl Tante! In seiner hohen Weisheit meinte
Erich, daß es wirklich nur eine Laune von mir sei und ich
habe ihm den Gefallen gethan, es so zu nennen. Wir wol-
len uns aber erst erfrischen, Tante? Und dann wollen wir
das Kind der Laune besichtigen."
„Wenn die Damen so gut sein wollen, mir zu folgen!"
sagte Frpu Hilverda, indem sie die Dvppelthüre öffnete, die
zu eenem noch größeren Salon suhlte, wo bei dem freund-
lich brennenden Herde das Frühstück angerichtet war.
Tas Zimmer war gerade so möblirt wie das andere,
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ein monumentales Buffet bedeckte fast eine ganze
Gemaches. Nuf dem Tische glänzte Silber, K " "

Druck, Verlag u. Expeditton
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwtngerstraße 7.

in Baden selbst kennen gelernt und ihre corrumpiren-
den Folgen selbst geschaut haben, um unser Urtheil
über die badische nationalliberale Partei und in ihr
über die Parteiregierung deS Musterstaates voll und
ganz würdigen zu können: an die Stelle der Gerech-
tigkeit und des Gesetzes war die brutalste Parieiwill-
kür getreten, und von Billigkeit, ja nur von politischer
Klugheit fand sich dort ebensowenig eine Spur, wie
von politischem Anstand, und dar hieß man — liberal!
Aus dem nationalliberalen Lager selbst waren schon
seit Jahren warnende Rufe ergangen, aber die Partei
wußte sich im Besitze der Macht und die Regierung
als willenloses Werkzeug in ihrer Hand, und nicht zu-
letzt wußte sie sich mit dem Großherzog Eins, und
so war sie jeder besseren Einsicht unzugänglich, wie
sie es selbst heute noch ist. Weit davon entfernt, sich
selbst und ihrem schroffen und verletzenden Partei-
treiben die Schuld an ihrer Niederlage zuzuschreiben,
suchen sie sich und andere zu belügen. Jammert ja
doch der erwähnte Correspondent, daß 3000 einge-
tragene Wähler in Karlsruhe nicht abgestimmt und
doch nur eine Differenz von 500 Stimmen zwischen
den Ziffern der Sieger und Besiegten vorliege, und
auf die „Reue" dieser 3000 setzt er seine Hoffnung,
daß „Karlsruhe nur einmal verloren war." Wir
wetten Hundert gegen Eins, daß der letzte Mann der
nationalliberalen Heerbannes aufgeboten worden war,
und wenn der Correspondent nur ein Gran Verstand
und Ehrlichkeit hätte, so müßte er selbst finden und
zugeben, daß jene 3000 Wähler eben die Katholiken
waren, denen Wahlenthaltung empfohlen worden war,
da man zum Voraus hoffen konnte, daß die Sozial-
demokraten, Freisinnigen und Demokraten gemeinsam
schon die thönernen Füße des nationalliberalea Co-
losseS in der Haupt- und Residenzstadt vollständig zer-
schmettern würden. Außerhalb jeder Kritik „steht na-
türlich jeder, der die geistige Superiorität der national-
liberalen Wahlkandidaten über die wirklich Gewählten
nicht einsieht und die Karlsruher würden schon selbst
erfahren, daß sie in der Kammer nicht gehörig vertre-
ten sind. Nun, so hieß eS auch von den Mann-
heimern, als das erste dortige Mandat an die So-
zialdemokraten verloren ging, wir haben aber bis
heute nicht erfahren, daß die Interessen der Stadt
Mannheim durch die sozialdemokratische Vertretung
Schaden gelitten hätte, im Gegentheil, hat der erz-
uationalliberale jüdische Bankier Ladenburg dar In-
teresse der von ihm vertretenen Stadt Mannheim ge-
schädigt, indem er — wohl als Geldmann — für
die Karlsruher Hafenanlagen stimmte.
Früchte waren neben substantielleren Speisen aufgetragen;
alles verrieth den feineren Luxus, die Atmosphäre, worin
Miliane sich am liebsten bewegte. Unbewußt nahmen ihre
Augen einen Hellen, sonnigen Ausdruck an, sie sah in ihrem
dunkelrothen, etwas mittelalterlich zugestutzten Sammetkleid
mit den gepufften Aermeln und der breiten Halskrause be-
sonders hübsch aus. Sie sah einem Familienporträt ähnlich,
das aus dem Rahmen niedergeftiegen war und dem eine
gütige Fee Jugend und Schönheit zurückgegeben hatte.
Junker Leo schien nicht unempfindlich für die liebliche
Erscheinung der Künstlerin, deren bewegliches von Sonnen-
gold umfloffenes Köpfchen fortwährend den Ausdruck wech-
lan Platz genommen halte, bemerkte Nette', daß
Tiiche noch ein Gedeck stand und gleich darauf

Der Wahlaussall in Baden
liberalen Blättern natürlich stark in'S Geblüt
hat ja aber auch die nationalliberale Muster-
liite» 'm Musterstaat Baden eine Niederlage er-
. welche ihrer nach Jahrzehnten zählenden
tchtt glichen Herrschaft ein Ende mit Schrecken
nehmen es deßhalb den liberalen Blättern
h,jMen und im Reiche gar nicht übel, wenn sie
Hx Sieger schimpfen; aber Wundern
iv'r unS über ihre Blindheit, da sie weder die
Ursache dieser so wohlverdienten Niederlage,
tz s deren Folge begreifen wollen. Recht erbaulich
dieser Beziehung eine Correspondenz aus Karls-
vom 28. Oktober in den „Münchener Neuesten".
Ist ^tadt Karlsruhe, deren drei bisher den National-
Urii) D ^hörende Mandate an die Sozialdemokraten
Hiev mokraten übergegangen sind, habe den von ver-
M°bnen Seiten auf die gesetzten Erwartungen nicht
hstkn cherr und eine Parlaments-Mehrheit beseitigen
N 4 allzeit willig mit der Regierung gearbeitet
tz.!, » r auch allezeit gerne auf die Wünsche des
gehört hat." In der That, die nationalliberale
r^ dwentsMehrheit Hot allezeit willig mit der Regie-
» gearbeitet, nur käme der Karlsruher Correspon-
4" Wahrheit näher, wenn er sagte, sie habe
hat d' RtMrung gearbeitet, denn in Wirklichkeit
Regierung seit vierzig Jahren nur nach den
. Meliane.
khlung von Melativ Iva. Aus dem Holländischen von
- L- v. H cmstcde.
rn«? H"us war im Styl des vorigen Jahrhunderts
tcho °^em Backstein erbaut, cs hatte eine stattliche Frei-
Kürm Wappen im Giebel und einen kleinen Glocken-
Aak „«Ar Wagen fuhr über den mit Kieseln belegten
bleit vor der Treppe still, die Tbüre wurde ge-
«en Junker Leo sprang die Stufen hinunter, um
„ beim Aussteigen zu helfen.
N Irr? M ich Ihnen danken, daß Sie doch gekommen
, 'N der Kälte!" rief er herrlich.
die h°f7^.lnüssen Ihnen vielleicht mehr dankbar sein für
einen N Fahrt," entgegnete Miliane, „wir sind durch
.MUbergarten gefahren."
lbt wahr? Ich bin den ganzen Morgen im Walde
H die Göttin des Winters Hochzeit feiert. Darf
wartet"-, ^rangehen zum Salon, wo meine Tante Sie
bildet Salon befand sich links von dem breiten mit Gips-
Mr» ^Werten Gange; die Tbüren standen vor und
fiil geschnitzt, alterthümlich aber solide, und für
dar ^..verschwindendes Geschlecht berechnet. Der Saal
^öbel nÄ?ia und mit verblaßten Gobelins tapeziert; die
Mre. die massive plumpe Form der letzten fünfzig
trugen noch ihre unzerstörbare Bekleidung von
W Wollensammet. Den Schornstein, der weit in
ikbhM'lner vorsprang, überragte ein Gemälde mit sehr
y»e„ «arben, während der lustig brennende offene Herd
. strm, Mnden Eindruck machte.
verda's Worte jedoch waren nicht von den
Mtrn Ws" anderer Damen verschieden; sie sprach vom
eben l von der langen Fahrt und daß man eigent-
dd der Bahn nach Hocnbrccht fahren könne
vilier Mbtchr» mehr. Die Damen möchten nur dicht beim
Her tz nehme»: ein Ofen gäbe eigentlich mehr Wärme,
„ Ein e so gerne ein offenes Feuer und so weiter.
^Hte <Nt""^?,MädLcn, höchstens sechzehn oder siebzehn
E, mrt hellblondem Haare und sehr einfach ange-

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
r OkHW Prw'atmzägen^^
h « ' Rabattbewilligung.,
Expedition: Zwingerstratze 7.

WMerg, WMg den b.Noomber 1897.
Wünschen dieser Parlamentsmehrheit gefragt, und sie
mußte eS thun, weil sie — ein nationalliberaler Fest-
redner verflieg sich sogar zur Behauptung, auch der
Großherzog — mit der vationalliberalen Partei sich
identisch erklärte und fühlte. Darum entblödete sich
diese Musterregierung auch nicht, sc wohl bei den
Reichstags- als auch bei den Landtags-Wahlen ihren
ganzm Beamlenapparat zu Gunsten dieser Partei
mobil zu machen und sich — sie sollte ja über den
Parteien stehen — solche Blößen zu geben, daß, wie
erinnerlich, sogar der Reichstag das ungesetzliche und
ekelerregende Eingreifen eines Oberamtmanns bei der
Ersatzwahl im Reichstagswahlkreis Triberg Donau-
eschingen öffentlich brandmarkte. Ganz zu schweigen
von dem in der Geschichte einzig dastehenden Cultur-
kampf in dem fast zu drei Viertheilen katholischen
Lande, brauchen wir nur auf das jedem Rechte und
sogar einem Staatsgesetz Hohn sprechende Verhalten
der Regierung in der Frage der Wiederbesetzung des
erzbischöflichen Stuhles von Freiburg hinzuweiscn, um
zu zngen, wie weit die Reg elung des Musterstaates
sich den kulturkämpferischen Gelüsten der National-
liberalen zur Verfügung stellte, und wenn wir noch
die allen journalistischen Anstandes und aller politi-
schen Klugheit bare Beschimpfung der katholischen
Kirche, ihrer Einrichtungen, ihrer Diener und ihrer
Bekenner durch die offizielle AmtSverkündiger-Preß-
meute anführen, so wird jeder vernünftig und gerecht
urtheilende Mann einsehen, mit welchem Rechte das
badische Volk einer solchen Regierung als der Hand-
langerin und Dienerin einer solchen Partei seinen
Ekel und Abscheu über ihre Mißwirtschaft endlich zu
fühlen gab.
Welche Summe von Unzufriedenheit mußte sich
angehäust haben, da das Volk trotz einem veralteten
Wahlgesetz und trotz einer zu Gunsten der herrschen-
den Partei mit schreiendster Ungerechtigkeit festgesetzten
WahlkreiSeintheilung, sowie trotz dem Eingreifen deS
ganzen Regierungsapparats für die Nationalliberaleu
die schmachvollen Fesseln zu brechen vermochte, die es
so lange, lange Jahre zähneknirschend hatte tragen
müssen. Endlich leuchtet dem badischen Volke, so-
weit eS nicht zu den verblendeten Anhängern der Na-
tionalliberalen gehört, ein Hoffnungsstern, der tyran-
nischen Herrschaft einer Partei ist ein Ende mit Schre-
cken bereitet, einer Partei, die, seit vier Jahrzehnten
im Besitze der Macht, diese durch die Regierung als
ihr williges Werkzeug mit rücksichtslosem Cynirmus
gegen Alle handhabte, die es wagten, eine eigene und
andere Meinung zu haben. Man muß die Zustände

Tante vergessen hat. Ihnen unser
rief der Junker plötzlich. „Die Da-

mich nicht weniger fre._
Die drei Damen verbeugten sich; das Mädchen blieb
eben kalt und gleichgiltia und Frau Hilverda sagte halb-
laut zu Nette: „Man denkt nicht gleich daran, es ist noch
ein Kind, aber Leo will sie als eins junge Dame behandelt
wissen."
Das Gespräch vertheilte sich naturgemäß von selbst;
Junker Leo und Miliane sprachen eifrig und mit Feuer
über die Kunst, Frau Hilverda und Nstte interessirten sich
nicht weniger über die Preise der Wintervorräthe und
Erstere klagte über das theuere Fleisch und über die Last
das Nöthige für ein Diner in Hoendrecht zu bekommen,
denn Leo mußte alles Mögliche haben und nach dem Preis»
srug er nie.
Fräulein Hilverda gab mehr aus die Unterhaltung der
Ersteren Acht, so selbst, daß ihre Tante einen Augenblick
ihr Gespräch abbrach, um der Nichte zuzurufen: „Aber
Kind, schenke die Taffen doch voll, oder ist den Damen
vielleicht ein Glas Wein gefällig?"
(Fortsetzung folgt.)
 
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