pfcher Volksblatt
^ie Post bezogen Viertels. -<t 1.60 franco.
Heidelberg, HowMg, bei 3O.GKNerI897
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
, Bestellungen
Monate
November ««- Dezember
jetzt schon alle Postämter auf die täglich er-
^'Neridc Zeitung
, Pfälzer Bolksblatt"
wöchentlichen Gratisbeilage „Der Eountags-
d ^)> sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
bk 7, entgegen.
Expedition des „PMzer Volksblatt".
Heidelberg Zwingerstraße 7
Druck, Verlag u. Expedition
G eb r. Huber in Heidelberg,
Lwingerftraßr 7.
1897 ist der erste Schritt zu seiner Abreise und
Auflösung. Und damit fällt die letzte politische Stütze
des Altkatholizismus in unserm Lande, der allein schon
der Kirche und dem kath. Volke namenlosen und un-
berechenbaren Schaden gebracht, ganz abgesehen von
der Störung des konfessionellen Friedens, den er fort
und fort genährt hat. Durch den Fall des National-
liberalismus aber ist das Schicksal deS AltkatholiziS.
muS besiegelt, welches das gleiche sein wird, welches
mit Recht sein einstiger Vorläufer den längst ver.
scholleuen RongeaniSmuS erreicht hat. Sicher ist auch,
daß dieses Wahlresultat auf den Kurs der Ministerial-
Politik in Karlsruhe wirken wird. Wie und wann ist
noch unbekannt. Möge eS zum Besten der Kirche u.
zum Wohle des Volkes sein. Hievon und über An-
deres aber in einem Rückblicke, wenn das Gesammt-
ergebniß der Wahlen endgültig bekannt ist.
..S-LL « tiiv Malirlieii Fmlmi L KkM.
.Aber Langeweile kann nie genußvoll sein, es ist wie
ein Rost, der das Glück überzieht. Wenn Sie das Nichts-
thun genießen, » ls, douus lrsurs, aber Langeweile . . .!"
„Ja, es mag sein, daß Andere anders darüber denken,
aber das kümmert mich nicht. Gerade, wenn ich die Einzige
sein sollte, die ihren Genuß in der Langeweile findet, so ist
mir das voppelt so viel werth."
„Darin stimme ich schon mit Ihnen überein. Ueber
den Geschmack läßt sich auch nicht streiten. Aber erlauben
Sie mir eine Frage: Was verstehen Sie unter Langeweile?"
Miliane dachte einen Augenblick mit halb geschlossenen
Augen nach. Dann sagte sie, die Augen plötzlich öffnend,
so daß ihr ganzes Gesicht erglänzte: „Nichts zu thun, nichts
zu denken, nichts zu hören oder zu sehen, nichts zu wollen
oder zu wünschen und diesen Zustand mit Bewußtsein zu
verlängern."
„Aber das ist das berühmte äolas kar Wsrrts."
„Uid was nennen Sie Langeweile?"
„Das Alles, aber dazu ein Gefühl des Elendes und
der Machtlosigkeit, aus diesem Zustande heraus zu gerathen."
„Das Gefühl des Elendes gehört also dazu?"
„Natürlich, das ist gerade, was die Langeweile schafft."
Für mich nicht! Ich bin immer beschäftigt und die
Arbeit langweilt mich nie; sie kann mich nie ermüden, ver-
drießen, ungeduldig machen, ober langweilen, nie! Nichts-
thun und Langweile sind für mich gleichbedeutend."
„Die schlimmste Langweile ist die, welche der Arbeit
nicht weichen will."
„O Pfui !" rief Nette, „wie langweilig seid Ihr mit
Euerer Langeweile!"
„Prinz Sektor" ließ sich herab zu lächeln. Miliane
klappte den Fächer zu und blätterte in ihrem Album.
„Vielleicht läßt meine Gesellschaft Sie das unbekannte
Gefühl einmal empfinden, denn daß Sie es eigentlich nicht
kennen, geht aus allen Ihren Beußerungen hervor," sagte
er höflich.
„Ich will gerne etwas Neues kennen lernen," erwiederte
Miliane, „aber bis jetzt habe ich es noch nicht von Ihnen
gelernt."
gehegt werden, werden von deutscher Seite nicht in
dem Maße getheilt. Ein Bruder der Gräfin Sophie,
Graf Georg, ist Lieutenant im Husaren-Regiment
König Wilhelm I. Nr. 7 und z. Z. commandirt zum
Militär-Institut in Hannover. Er ist übrigens seit
3V- Jahren mit Prinzessin Olga JmjewSkuja, einer
natürlichen Tochter Zar Alexander'- II., vermählt, ein
Umstand, der wohl noch zur Erhöhung der Vorur-
theile des russischen Kaiserhauses gegen die Familie
Merenberg beigetragen hat. Begreiflicher Weise hat
eS von Seiten der hohen Verwandten nicht an Ver-
suchen gefehlt, diese Vorurtheile zu überwinden und
eine Versöhnung zwischen dem Zaren und dem Groß-
fürsten Michael Michaelowitsch herbeizuführen. Man
vermuthet nun, daß auch neuerdings und vielleicht
von Mitgliedern der badischen großherzoglichen
Familie solche Anstrengungen gemacht worden seien,
und daß diese ein persönliches Zerwürfniß im Ge-
folge gehabt haben. Großfürst Michael Nicola-
jewitsch weilt augenblicklich in Berlin und wird einer
ihm zu Ehren vom Kaiser veranstalteten militärischen
Feier beiwohnen. Der Großfürst ist bekanntlich der
letzte noch lebende Sohn der Prinzessin Charlotte von
Preußen, der Schwester Kaiser Wilhelm'S I.
Eine andere Familiengeschichte von einer alten
Verstimmung zwischen dem badischen und dem hessischen
Hose läßt die Frans. Ztg. sich erzählen:
„Die Verstimmung stammt wahrscheinlich aus der
Zeit, wo der badische Erbprinz die Absicht kundgab,
die jetzige Großfürstin Serget, die Schwester der
russischen Kaiserin, zur Frau zu begehren. Der
badische Prinz erhielt die Erlaubniß, an den hessi-
schen Hof zu kommen, er reiste aber aus Darmstadt
ab, ohne daß es im gelungen war, daS Heirathrpcojekt
zu verwirklichen. Dieser Vorfall schuf eine tiefe Ver-
stimmung auf der hessischen wie auf der badischen
Seite. Der Großherzog von Baden wollte durch
eine Einladung an den Zaren offenbar den Weg
zur Beilegung eines alten Zwistes ebnen, während
der Zar durch die Ablehnung der Einladung kund-
gegeben hat, daß er sich mit der Familie seiner Fra«
in dieser Angelegenheit solidaristrt."
Von anderer Seite wird wieder versucht, den Zwi-
schenfall auf den Mißgriff eines Unterbeamten zurück-
zusühren. Ebenso hätte man auch gern, daß auch die
gereizte Darstellung des Vorfalles in der Karlsruher
Ztg. auf untergeordnete Persönlichkeiten zurückgeführt
würde. Der Franks. Ztg. wird aus Darmstadt be-
richtet, der Besuch des Großherzogs sei abgelehnt
worden, weil dadurch die längst festgesetzten Reise-
———
Der „Prinz" machte eine leichte Verbeugung- „Darf
ich das als ein Kompliment auslegen?"
„Wie Sie wollen, obschon es nicht schmeichelhaft für
einen Lehrer ist, wenn seine Schülerin nach einer halben
Stunde noch nichts von dem gemerkt hat, was er sie leh-
ren will."
So plauderte« und scherzten sie, die kleinen spitzen
Pfeile hin und hersendend.
Nette hatte eine Handarbeit hervorgezogen u. lächelte
dann und wann beim Anhören des immer lebhafteren Ge-
spräches. Nach der Landschaft an beiden Seiten warfen
sie keinen Blick. Das erste Thema war schon lange er-
schöpft und in bescheidenem Tone, der ihm nicht sehr mund-
gerecht zu sein schien, erbat „der Prinz" sich die Erlaubniß,
das Album besehen zu dürfen.
„Nein," sagte Miliane lächelnd, „darin liegt das Te-
heimniß eines Jnkognito's."
„Hektor", zog rasch seine Hand zurück. „An das süße
Geheimniß der Psyche werde ich nicht rühren."
„Wer sagt Ihnen, daß es süß ist?" frug Miliane in
einem Tone und mit einem Blicke, die keineswegs vermu-
then ließen, daß es ein bitteres Geheimniß sein werde.
Miliane versteckte sich aber hinter dem Fächer, wie um an-
zudeuten, daß sie dem Gespräche eine andere Richtung zu
geben wünsche.
„Haben Sie die Ufer des Rheines gesehen?" frug er.
„Ja!" lautete die kurze Antwort.
„Und auch die der Themse?"
„Ebenfalls!"
„Und die der Newa?"
„Nein!'
„Und die des Missisippi?"
„Auch noch nicht. Aber Sie wohl?"
„Ja, selbst die des Ohio und des Ganges."
„Dann bedauere ich Sie l"
„He, Mili, Du reisest doch so gerne!" sagte Nette und
in der Eile vergaß sie französisch zu sprechen.
Miliane erröthete vor Aerger.
(Fortsetzung folgt.)
Der Zsr und der Großherzog von Baden.
Ueber die Aufsehen erregende Ablehnung deS badi-
schen Besuches durch den russische» Kaiser finden
sich in der Presse die verschiedenartigsten Combi-
nationen.
Mehrere Blätter sind bemüht, den Zwischenfall
mit Familienverhäitnissen in Verbindung zu bringen.
So schreibt der Hannov. Courier:
„ES besteht bekanntlich eine Verstimmung zwischen
dem Zaren und seinem Großoheim, dem Großfürsten
Michael Nicolajewitsch, dem Schwager des Großher-
zogs von Baden. (Der Großfürst war der Gemahl
der 1891 verstorbenen Prinzessin Cäcilie von Baden.)
Diese Verstimmung ist zum guten Theil zurückzu-
führen auf die vom Zaren Alexander III. aus'S
schärfste gemißbilligte Vermählung des Großfürsten
Michael Michajlowitsch, deS Sohnes des Großfürsten
Michael Nicolajewitsch, mit der Gräfin Sophie Meren-
berg, der Tochter des Prinzen Nicolaus von Nassau,
und dessen morganischer Ehe mit Natalie v. Doubelt,
geb. Pusebkin. Großfürst Michael Michaelowitsch ist
wegen dieser Ehe aus Rußland verbannt; nur ein
Mal, wenn wir nicht irren, war eS ihm gestattet, in
einer dringenden Familien-Angelegenheit die Heimath
auf kurze Zeit zu besuchen. Gräfin Sophie Meren-
berg, ist die richtige Cousine der Erbgroßherzogin
von Baden, geborenen Prinzessin Hilda von Nassau.
Großfürst Michael hat seinen beständigen Wohnsitz in
Wiesbaden. Die Vorurtheile, welche von Seiten des
russischen Herrscherhauses gegen die Gräfin Merenberg
E Die Niederlage der Nationslliberalen
dU am 27. dieses Monats stattgefundenen ba-
Wahlmännerwahlen ist eine vollendete That-
der w Nicht nur auf dem Lande, sondern selbst in
diek iidenz Karlsruhe, sowie in Mannheim ist
Nab» reinigte Opposition siegreich aus dem
IjhImmpse hervorgegangen. Damit ist die national-
Die w ^""mermehrheit im Landtag gebrochen.
tz^-Nationalliberalev bilden von heute an in dieser
die Minderheit. In der Stadt Karls
Und- . dieselben 3, in der Stadt Mannheim 1
Lörrach Land 1 Mandat verloren. Heidelberg -
droht an die Antisemiten überzugehen u. WieS
sitr sie ebenfalls gefährdet. Nach diesen Re-
«rid , stnd auch die „Konservativen" zurückgedrängt
N schwächt. Darnach ist also selbst auch eine
konservative Mehrheit nicht mehr möglich.
i„ ^einzelte nachträgliche Gewinne dieser Parteien
"sie wch^" einzelnen Bezirken vermögen deren Ver-
^Wgen behauptet daS Ceutrum nicht nur alle
bisherigen Sitze, sondern es ist nicht auSgeschlos-
daß ez diesen noch neue hinzu erobert. DaS
ktki,^ Endergebniß kann erst durch die Abgeord-
^vahlen genau erfahren werden.
Hat, 8 Resultat befriedigt uns! Fort mit dem
8,!."dEberaliSmuS war unsere Losung in einem
^tikel vor dem Wahlkampf, Der 27. Oktober
- Mklisne. «L
Zahlung von Melativ Iva. Aus dem Holländischen von
L- v. Heemstede-
ihres" Hektor" schien das Fesselnde und Anziehende
esens schon nach den ersten Worten, die er mit ihr
Mi,, E- Empfunden zu haben, denn er nahm einen Klapp
ktlvaz z,d lleß sich neben den Damen nieder. «Ist es nicht
gewöhnliches," sagte er dann, „wenn Sie die
«t r; "le als einen Genuß begrüben, während die ganze
eine Qual der Hölle betrachtet, wodurch die
der zur Verzweiflung gebracht werden und alle Län-
rren, um sich schließlich durch eine Kugel in's
tu befördern."
aberwi^ Menschen," sagte Nette in gutem Französisch,
b>itz unverkennbar holländischem Accent, „haben ge-
Utzten tu thun; wenn sie für ihre Existenz arbeiten
sich r» ' Wurden sie nicht so viele Tollheiten begehen, um
^amüsiren."
Hektor" nahm die Damen mit einem einzigen
Mx EN Blicke von Kopf bis zu den Füßen aus und lä-
bber «Er war zu höflich, um eine Frage zu thun,
dkhgn^svvüte ihm nicht recht einleuchten, daß diese sein
Eie«. U ö^n Fingerchen für ihren Lebensunterhalt acbei-
kiivs Rette, obschon sie ihrer Schwester glich wie
Mchaur !"stde Rose einer zarten Kamelia gleicht, hatte
«ie u>^ "-ES Von einer Putzmacherin oder Ladenjungfer,
dchgtzs r sinen halbe» Kopf größer als Miliane, kräftig
G'°!„" "ner Neigung zur Korpulenz, und hatte frische,
Imndheit strahlende Wangen.
"Der Holländerinen zu sein," dachte der „Prinz."
pichen sollen sie nur französisch hören." — „Und
hg Wird A'E. daß die Arbeit für die Existenz nie langwei-
. . «arf er nachlässig hin.
?»rf, g? wmmt nur daraus an, ob man sich langweilen
Ute di«r>"E," lachte Miliane, „ich für meinen Theil
ü^che» ,,„?A?weile für einen Luxusartikel, nur für die
«it Glückliche» der Erde bestimmt. Die sonst keine
«u haben, finden deßhalb einen Genuß darin."
^ie Post bezogen Viertels. -<t 1.60 franco.
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d ^)> sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
bk 7, entgegen.
Expedition des „PMzer Volksblatt".
Heidelberg Zwingerstraße 7
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Lwingerftraßr 7.
1897 ist der erste Schritt zu seiner Abreise und
Auflösung. Und damit fällt die letzte politische Stütze
des Altkatholizismus in unserm Lande, der allein schon
der Kirche und dem kath. Volke namenlosen und un-
berechenbaren Schaden gebracht, ganz abgesehen von
der Störung des konfessionellen Friedens, den er fort
und fort genährt hat. Durch den Fall des National-
liberalismus aber ist das Schicksal deS AltkatholiziS.
muS besiegelt, welches das gleiche sein wird, welches
mit Recht sein einstiger Vorläufer den längst ver.
scholleuen RongeaniSmuS erreicht hat. Sicher ist auch,
daß dieses Wahlresultat auf den Kurs der Ministerial-
Politik in Karlsruhe wirken wird. Wie und wann ist
noch unbekannt. Möge eS zum Besten der Kirche u.
zum Wohle des Volkes sein. Hievon und über An-
deres aber in einem Rückblicke, wenn das Gesammt-
ergebniß der Wahlen endgültig bekannt ist.
..S-LL « tiiv Malirlieii Fmlmi L KkM.
.Aber Langeweile kann nie genußvoll sein, es ist wie
ein Rost, der das Glück überzieht. Wenn Sie das Nichts-
thun genießen, » ls, douus lrsurs, aber Langeweile . . .!"
„Ja, es mag sein, daß Andere anders darüber denken,
aber das kümmert mich nicht. Gerade, wenn ich die Einzige
sein sollte, die ihren Genuß in der Langeweile findet, so ist
mir das voppelt so viel werth."
„Darin stimme ich schon mit Ihnen überein. Ueber
den Geschmack läßt sich auch nicht streiten. Aber erlauben
Sie mir eine Frage: Was verstehen Sie unter Langeweile?"
Miliane dachte einen Augenblick mit halb geschlossenen
Augen nach. Dann sagte sie, die Augen plötzlich öffnend,
so daß ihr ganzes Gesicht erglänzte: „Nichts zu thun, nichts
zu denken, nichts zu hören oder zu sehen, nichts zu wollen
oder zu wünschen und diesen Zustand mit Bewußtsein zu
verlängern."
„Aber das ist das berühmte äolas kar Wsrrts."
„Uid was nennen Sie Langeweile?"
„Das Alles, aber dazu ein Gefühl des Elendes und
der Machtlosigkeit, aus diesem Zustande heraus zu gerathen."
„Das Gefühl des Elendes gehört also dazu?"
„Natürlich, das ist gerade, was die Langeweile schafft."
Für mich nicht! Ich bin immer beschäftigt und die
Arbeit langweilt mich nie; sie kann mich nie ermüden, ver-
drießen, ungeduldig machen, ober langweilen, nie! Nichts-
thun und Langweile sind für mich gleichbedeutend."
„Die schlimmste Langweile ist die, welche der Arbeit
nicht weichen will."
„O Pfui !" rief Nette, „wie langweilig seid Ihr mit
Euerer Langeweile!"
„Prinz Sektor" ließ sich herab zu lächeln. Miliane
klappte den Fächer zu und blätterte in ihrem Album.
„Vielleicht läßt meine Gesellschaft Sie das unbekannte
Gefühl einmal empfinden, denn daß Sie es eigentlich nicht
kennen, geht aus allen Ihren Beußerungen hervor," sagte
er höflich.
„Ich will gerne etwas Neues kennen lernen," erwiederte
Miliane, „aber bis jetzt habe ich es noch nicht von Ihnen
gelernt."
gehegt werden, werden von deutscher Seite nicht in
dem Maße getheilt. Ein Bruder der Gräfin Sophie,
Graf Georg, ist Lieutenant im Husaren-Regiment
König Wilhelm I. Nr. 7 und z. Z. commandirt zum
Militär-Institut in Hannover. Er ist übrigens seit
3V- Jahren mit Prinzessin Olga JmjewSkuja, einer
natürlichen Tochter Zar Alexander'- II., vermählt, ein
Umstand, der wohl noch zur Erhöhung der Vorur-
theile des russischen Kaiserhauses gegen die Familie
Merenberg beigetragen hat. Begreiflicher Weise hat
eS von Seiten der hohen Verwandten nicht an Ver-
suchen gefehlt, diese Vorurtheile zu überwinden und
eine Versöhnung zwischen dem Zaren und dem Groß-
fürsten Michael Michaelowitsch herbeizuführen. Man
vermuthet nun, daß auch neuerdings und vielleicht
von Mitgliedern der badischen großherzoglichen
Familie solche Anstrengungen gemacht worden seien,
und daß diese ein persönliches Zerwürfniß im Ge-
folge gehabt haben. Großfürst Michael Nicola-
jewitsch weilt augenblicklich in Berlin und wird einer
ihm zu Ehren vom Kaiser veranstalteten militärischen
Feier beiwohnen. Der Großfürst ist bekanntlich der
letzte noch lebende Sohn der Prinzessin Charlotte von
Preußen, der Schwester Kaiser Wilhelm'S I.
Eine andere Familiengeschichte von einer alten
Verstimmung zwischen dem badischen und dem hessischen
Hose läßt die Frans. Ztg. sich erzählen:
„Die Verstimmung stammt wahrscheinlich aus der
Zeit, wo der badische Erbprinz die Absicht kundgab,
die jetzige Großfürstin Serget, die Schwester der
russischen Kaiserin, zur Frau zu begehren. Der
badische Prinz erhielt die Erlaubniß, an den hessi-
schen Hof zu kommen, er reiste aber aus Darmstadt
ab, ohne daß es im gelungen war, daS Heirathrpcojekt
zu verwirklichen. Dieser Vorfall schuf eine tiefe Ver-
stimmung auf der hessischen wie auf der badischen
Seite. Der Großherzog von Baden wollte durch
eine Einladung an den Zaren offenbar den Weg
zur Beilegung eines alten Zwistes ebnen, während
der Zar durch die Ablehnung der Einladung kund-
gegeben hat, daß er sich mit der Familie seiner Fra«
in dieser Angelegenheit solidaristrt."
Von anderer Seite wird wieder versucht, den Zwi-
schenfall auf den Mißgriff eines Unterbeamten zurück-
zusühren. Ebenso hätte man auch gern, daß auch die
gereizte Darstellung des Vorfalles in der Karlsruher
Ztg. auf untergeordnete Persönlichkeiten zurückgeführt
würde. Der Franks. Ztg. wird aus Darmstadt be-
richtet, der Besuch des Großherzogs sei abgelehnt
worden, weil dadurch die längst festgesetzten Reise-
———
Der „Prinz" machte eine leichte Verbeugung- „Darf
ich das als ein Kompliment auslegen?"
„Wie Sie wollen, obschon es nicht schmeichelhaft für
einen Lehrer ist, wenn seine Schülerin nach einer halben
Stunde noch nichts von dem gemerkt hat, was er sie leh-
ren will."
So plauderte« und scherzten sie, die kleinen spitzen
Pfeile hin und hersendend.
Nette hatte eine Handarbeit hervorgezogen u. lächelte
dann und wann beim Anhören des immer lebhafteren Ge-
spräches. Nach der Landschaft an beiden Seiten warfen
sie keinen Blick. Das erste Thema war schon lange er-
schöpft und in bescheidenem Tone, der ihm nicht sehr mund-
gerecht zu sein schien, erbat „der Prinz" sich die Erlaubniß,
das Album besehen zu dürfen.
„Nein," sagte Miliane lächelnd, „darin liegt das Te-
heimniß eines Jnkognito's."
„Hektor", zog rasch seine Hand zurück. „An das süße
Geheimniß der Psyche werde ich nicht rühren."
„Wer sagt Ihnen, daß es süß ist?" frug Miliane in
einem Tone und mit einem Blicke, die keineswegs vermu-
then ließen, daß es ein bitteres Geheimniß sein werde.
Miliane versteckte sich aber hinter dem Fächer, wie um an-
zudeuten, daß sie dem Gespräche eine andere Richtung zu
geben wünsche.
„Haben Sie die Ufer des Rheines gesehen?" frug er.
„Ja!" lautete die kurze Antwort.
„Und auch die der Themse?"
„Ebenfalls!"
„Und die der Newa?"
„Nein!'
„Und die des Missisippi?"
„Auch noch nicht. Aber Sie wohl?"
„Ja, selbst die des Ohio und des Ganges."
„Dann bedauere ich Sie l"
„He, Mili, Du reisest doch so gerne!" sagte Nette und
in der Eile vergaß sie französisch zu sprechen.
Miliane erröthete vor Aerger.
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Der Zsr und der Großherzog von Baden.
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schen Besuches durch den russische» Kaiser finden
sich in der Presse die verschiedenartigsten Combi-
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Mehrere Blätter sind bemüht, den Zwischenfall
mit Familienverhäitnissen in Verbindung zu bringen.
So schreibt der Hannov. Courier:
„ES besteht bekanntlich eine Verstimmung zwischen
dem Zaren und seinem Großoheim, dem Großfürsten
Michael Nicolajewitsch, dem Schwager des Großher-
zogs von Baden. (Der Großfürst war der Gemahl
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Diese Verstimmung ist zum guten Theil zurückzu-
führen auf die vom Zaren Alexander III. aus'S
schärfste gemißbilligte Vermählung des Großfürsten
Michael Michajlowitsch, deS Sohnes des Großfürsten
Michael Nicolajewitsch, mit der Gräfin Sophie Meren-
berg, der Tochter des Prinzen Nicolaus von Nassau,
und dessen morganischer Ehe mit Natalie v. Doubelt,
geb. Pusebkin. Großfürst Michael Michaelowitsch ist
wegen dieser Ehe aus Rußland verbannt; nur ein
Mal, wenn wir nicht irren, war eS ihm gestattet, in
einer dringenden Familien-Angelegenheit die Heimath
auf kurze Zeit zu besuchen. Gräfin Sophie Meren-
berg, ist die richtige Cousine der Erbgroßherzogin
von Baden, geborenen Prinzessin Hilda von Nassau.
Großfürst Michael hat seinen beständigen Wohnsitz in
Wiesbaden. Die Vorurtheile, welche von Seiten des
russischen Herrscherhauses gegen die Gräfin Merenberg
E Die Niederlage der Nationslliberalen
dU am 27. dieses Monats stattgefundenen ba-
Wahlmännerwahlen ist eine vollendete That-
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diek iidenz Karlsruhe, sowie in Mannheim ist
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IjhImmpse hervorgegangen. Damit ist die national-
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tz^-Nationalliberalev bilden von heute an in dieser
die Minderheit. In der Stadt Karls
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Lörrach Land 1 Mandat verloren. Heidelberg -
droht an die Antisemiten überzugehen u. WieS
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«rid , stnd auch die „Konservativen" zurückgedrängt
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konservative Mehrheit nicht mehr möglich.
i„ ^einzelte nachträgliche Gewinne dieser Parteien
"sie wch^" einzelnen Bezirken vermögen deren Ver-
^Wgen behauptet daS Ceutrum nicht nur alle
bisherigen Sitze, sondern es ist nicht auSgeschlos-
daß ez diesen noch neue hinzu erobert. DaS
ktki,^ Endergebniß kann erst durch die Abgeord-
^vahlen genau erfahren werden.
Hat, 8 Resultat befriedigt uns! Fort mit dem
8,!."dEberaliSmuS war unsere Losung in einem
^tikel vor dem Wahlkampf, Der 27. Oktober
- Mklisne. «L
Zahlung von Melativ Iva. Aus dem Holländischen von
L- v. Heemstede-
ihres" Hektor" schien das Fesselnde und Anziehende
esens schon nach den ersten Worten, die er mit ihr
Mi,, E- Empfunden zu haben, denn er nahm einen Klapp
ktlvaz z,d lleß sich neben den Damen nieder. «Ist es nicht
gewöhnliches," sagte er dann, „wenn Sie die
«t r; "le als einen Genuß begrüben, während die ganze
eine Qual der Hölle betrachtet, wodurch die
der zur Verzweiflung gebracht werden und alle Län-
rren, um sich schließlich durch eine Kugel in's
tu befördern."
aberwi^ Menschen," sagte Nette in gutem Französisch,
b>itz unverkennbar holländischem Accent, „haben ge-
Utzten tu thun; wenn sie für ihre Existenz arbeiten
sich r» ' Wurden sie nicht so viele Tollheiten begehen, um
^amüsiren."
Hektor" nahm die Damen mit einem einzigen
Mx EN Blicke von Kopf bis zu den Füßen aus und lä-
bber «Er war zu höflich, um eine Frage zu thun,
dkhgn^svvüte ihm nicht recht einleuchten, daß diese sein
Eie«. U ö^n Fingerchen für ihren Lebensunterhalt acbei-
kiivs Rette, obschon sie ihrer Schwester glich wie
Mchaur !"stde Rose einer zarten Kamelia gleicht, hatte
«ie u>^ "-ES Von einer Putzmacherin oder Ladenjungfer,
dchgtzs r sinen halbe» Kopf größer als Miliane, kräftig
G'°!„" "ner Neigung zur Korpulenz, und hatte frische,
Imndheit strahlende Wangen.
"Der Holländerinen zu sein," dachte der „Prinz."
pichen sollen sie nur französisch hören." — „Und
hg Wird A'E. daß die Arbeit für die Existenz nie langwei-
. . «arf er nachlässig hin.
?»rf, g? wmmt nur daraus an, ob man sich langweilen
Ute di«r>"E," lachte Miliane, „ich für meinen Theil
ü^che» ,,„?A?weile für einen Luxusartikel, nur für die
«it Glückliche» der Erde bestimmt. Die sonst keine
«u haben, finden deßhalb einen Genuß darin."