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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Januar 1897
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Nr. 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0013

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Pfcher Volksblatt.

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die Post bezogen Viertels. 1.60 franco. Expedition: Zwingerftratze 7.
L 3- MdkU SimstW, Len 5. Imnr 1. IM.

Mr das erste Guartal 1897
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„Pfälzer Bolks-latt"
(mit der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Eonntags-
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3tvi«gerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfalzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

Ist man verpflichtet eine gute Zeitung zu
halten?
Sonderbare Frage das, wird mancher Leser den-
lrn, wenn er sich die Aufschrift ansieht. Schreiber
diese- gesteht gerne, daß er weder die Frage noch ihre
Lösung je irgendwo in dieser Form gesehen. Was
also folgt ist demnach nur eine persönliche Meinung,
die sich aber in ihrem wesentlichen Inhalte auf die
kirchlichen Kundgebungen der Obern, des heiligen Va-
ters und der Bischöfe stützt.
Daß jemand im Gewissen verpflichtet sei, eine ka-
tholisch geschriebene Zeitung zu halten und zu bezahlen;
Mit andern Worten, daß es eine Unterlassungssünde
fei, eS nicht zu thun, wird gewiß als Regel niemand
behaupten. Denn, was kein Gesetz, ist kein Gebot
Und ein solches Gesetz existiert nicht. Dagegen stehe
ich keinen Augenblick an zu behaupten, daß es eine
Mehr oder weniger große Sünde ist, ein Blatt in sein
Haus aufzuvehmen, zu lesen, von den Hausgenossen
lesen zu losten, das versteckt oder offen die Wahr-
heiten und Rechte deS katholischen Glaubens und der
christlichen Zucht und Ehrbarkeit verletzt. Es ist ja
rin nicht zu leugnendes Gebot, das uns der liebe
Gott selber im siebenten Gebote gegeben, daß wir
tveder uns noch andern Schaden zufügen dürfen.
Schaden wird aber unleugbar auf diesem Wege der
schlechten oder doch verdächtigen Lektüre ganz gewiß
jugefügt. Wer also nicht durch besondere, bestimmte
Gründe, die es entschuldigen und genügend erklären
könne», sich in die Lage versetzt sieht, solche Tages-
«tteratur, Bücher, Zeitungen, Broschüren u. s. w. zu

halten und zu lesen, der schadet muthwillig sich und
oft auch andern und kann doch vor Gvtt kaum hoffen,
für solchen Schaden sich nicht verantworten zu müssen.
Zudem ist es gewiß angezeigt, zu fragen, ob nicht
darin eine direkte Mitwirkung des Bösen liege? Von
was leben denn die glaubenSfeindlichen Publikationen?
Doch gewiß in erster Linie von ihren Abnehmern, die
sie bezahlen und abonnieren. Wie manches frivole
oder doch verdächtige, den Sinn des Volkes betö-
rende Blatt müßte entweder eingehen oder seine Ge-
sinnung zum Bessern ändern, wenn es nicht so viele
Abnehmer hätte? Und wie oft sind viele dieser be-
zahlenden Abonnenten solcher TageSlitteratur Katho-
liken, die es noch im Ernste sein wollen?
Es ist ja längst nicht mehr unbekannt, welche
leichten, wenigsagenden Entschuldigungen vorgebracht
werden, wenn man einmal gewarnt wird oder jemand
sich erlaubt, eine Anregung zum Bessern zu machen.
Bald muß das Geschäft herhalten, bald die Anzeigen,
bald das Publikum, das das Geschäft oder Wirths-
hauS meiden könnte, wenn es nicht solche geistige Kost
vorfindm würde. Es mag in der That bei solchen
Gasthäusern, Geschäftsleuten mehr wie einmal ein
etwas zu entschuldigender Grund vorhanden sein; wie
oft aber wäre ermöglich, wenn nicht ganz, doch mehr
alS er gemeiniglich geschieht, solche Lektüre auf ein
bescheidenes Maß zurückzuführen. Und gesetzt auch:
es sei wirklich nicht zu umgehen, man könne aus ge-
nügend scheinenden Gründen uicht ausschließlich Blät-
ter katholischer Richtung halten, muß es dann als
Vertretung anderweitiger Ideen gerade ein perfides
Blatt sein oder, was gar nicht selten, ein eigentlicher
Schund, der da als geistige Speise den Gästen gratis
servirt wird? Es wird doch im Ernstfälle eS nie-
mand als Uebertreibung taxieren, wenn man in diesen
und ähnlichen Fällen nrudestens das weniger Schäd-
liche wählen soll.
Geht man zum Arzt oder Apotheker und erhält
ein Mittel, das leicht durch unvorsichtiges Gebrauchen
den Leib vergiften oder doch Schaden aurichten könnte,
so muß l icht bloS mündlich gewarnt werden, sondern
eS wird ausdrücklich ein rothes Papierchen darauf
geklebt, das onzeigen und mahnen soll, welchen Ge-
brauch man damit zu machen allein berechtigt ist. Ist
der Inhalt deS Fläschchens oder der Schachtel gar
Gift, so kommt zu allen andern Warnungen noch ein
Todenkopf mit der Aufschrift: Gift, damit ja keine
Unvorsichtigkeiten begangen werden sollen. Würde
diesen Vorschriften nicht gewissenhaft nachgelebt, so
hätten die betreffenden Verkäufer für den dadurch

angestifteten Schaden aufzukommen, und kaum ei«
weltlicher Gericht würde sie vor Schuld, Strafe und
Entschuldigung freisprechen wollen, wenn durch ihren
Leichtsinn jemand vergiftet würde oder zu Schaden
käme.
Leider besteht nun aber solche Vorsicht nicht, wo
es sich um viel größeren Schaden, um Verderben u.
Vergiftung der Seelen von Hunderttausenden handelt.
Weltliche Obrigkeiten können und wollen nicht wirk-
sam eingreifen, denn die Verhältnisse sind derartig,
daß sich die Leute in der Möglichkeit das Böse zu
thun, so wenig als nur immer möglich eingeschränkt
wissen wollen. Die einzige Autorität, die sich dagegen
erhebt und ihre Stimme dagegen warnend hören läßt,
die kirchliche Autorität, ist nur zu oft „eine Stimme
des Rufenden in der Wüste", wo niemand sie hören
will. ES ist schon viel gesagt, wenn sie nicht gerade-
zu verhöhnt, verlästert, verspottet wird und das ge-
rade Gegentheil dessen trotzig als Anlaß genommen
wird. Beispiele ähnlicher Art liefert die jetzige Zeit
übergenug.
Angesichts dieser Nutzlosigkeit der Warnungen und
bei dem vielerorts stets steigenden Uebel kann es also
nie genug betont werden, daß eS, in wenigen Fällen
ausgenommen: — geradezu Sünde ist, ein Blatt zu
halten und gar zu bezahlen, das seine Spalten der
Kirchenfeindlichkeit offen hält.
Eine Autorität, die weltliche, kann uicht oder doch
nur in den schlimmsten Fällen einschreiten; die an-
dern, die kirchliche Obrigkeit, wird wenig, jedenfalls
zu wenig beachtet: was bleibt danach zu thun übrig?
Das Uebel gehen zu lassen, so lange und so weit eS
gehen will? Mit Nichten! Um so mehr muß dar
auf dem Wege der Presse selber immer und immer
wieder dem Einzelnen ans Herz gelegt werden, daß
eS unrecht ist ohne Nothwendigkeit durch Geld und
andere Unterstützung an solchen publizistischen Erschei-
nungen sich zu oetheiligen.
Mau spricht so viel von „einer socialen Gefahr."
Und doch, wer könnte eine Gefahr nennen, die im
Umfange und grauenhaftem Erfolge dieser gleich käme.
Ist eS dann aber nicht ein dringendes Gebot der Er-
Haltung für die Grundsäulen der menschlichen Gesell-
schaft, daß diesem pestartigen, allüberall grassieruden
Hauptübel am ohnedieß kränkelnden GesellschaftSkörper
der heutigen Generation endlich von allen Seiten und
mit allen rechtlichen Mitteln ein energisches Halt ge-
boten werde? Ich denke die Frage stellen, heißt sie
auch beantworten.

Stotz und Liebe. LL?
3) Dem Amerikanisch en nacherzählt.
Walters Abneigung gegen die Stadtleute schrieb sich
von dem einzigen gelegentlichen Besuche her, den er bei den
nölten Verwandten seiner Mutter in Boston gemacht batte.
Dieselben waren über die Ehe ihrer Tochter und Schwester
wlt einem armen Landbewohner so entrüstet gewesen, daß
ne Alle, mit alleiniger Ausnahme der Mutter, es sogar
abgelebnt hatten, zu ihrem Begräbnis, das der Hochzeit
M ru bald war, noch , Deerwood ru kommen.
Walter hatte davon später gehört und dadurch war in sein
lunges Herz eine Erbitterung gepflanzt worden, die ihn
»rt einer Art von Feindschaft nicht nur gegen feine Ver-
wandten, sondern gegen alle Stadtbewohner insgesammt
«füllte. Daß er m Bezug auf Jessie keine Ausnahme
wachte ist Erklärlich. Trotzdem sah Niemand mit solcher
Ungeduld entgegen als gerade er. Seine kleine Covssme
Men bemerkte isogar, daß er an dem Tage, der Jessie
«ringen sollte, mehr Sorgfalt ausffeine Kleidung verwandte,
M gewöhnlich, und als das Gerassel der herannahenden
Postkutsche ertönte, stellte ftr stch hinter die Gardinen, um
von dort aus den Ankömmling beobachten zu können,
endlich hieltider Wagen und ein kleiner, von dichten Locken
Wflofsener Mädchenkopf schaute ,neugierig zum Fenster
Waus, um das neue Heim zu entdecken, welches sie, den
Ankömmling, nunmehr aufnehmen sollte.
2. Kapitel.
Mr. Graham und Jessie.
Sie war ein kleines Mädchen mit dunkeln, tiefschwar»
xN Augen und gleichfarbigem Haar, und ihre ganze Ge-
M war von unbeschreiblicher Zartheit. Als Walter nach
Ugem Zögern einen Blick auf sie warf, hatte sie ihr
Msehütchen bereits abgeworfen und mit der verwunderten
Mstatze im Arm, blickte sie suchend nach eine« ihr paffen-
M Stuhle umher. Die Wahl schien ihr nicht schwer zu
Men, denn kaum hatte sie den Lehnstuhl in der Ecke er-
Mt, der stets unbenutzt dastand und in welchen selbst
^en nicht zu klettern wagte, so eilte sie auf ihn zu, zog

ihn hervor und machte es sich bequem, als wenn sich das
von selber verstanden hätte-
Walter, der ihrem Beginnen halb erschreckt, halb belustigt
zuschaute, dachte bei sich: „Gelegentlich will ich ihr sagen,
daß es meines Vaters Stuhl ist, und sie wird dann von
selbst nicht mehr darin fitzen wollen; aber so lange sie noch
fremd bei uns ist, muß ich sie schon gewähren losten."
Mittlerweile war die Katze der etwas stürmischen
Liebkosungen Jessies müde geworden; sie sprang von ihrem
Schooße unb suchte zu entkommen, während die Kleine
ihr nachlief und laut rief; „Halt sie fest, halt sie fest, Junge!"
Als aber Walter statt besten durch heftiges Zischen
die Flucht des Thieres znoch beschleunigte, warf sJeffie
ihre Locken zornig zurück und rief blitzenden Auges: Du
bist em ganz abscheulicher ?Junge und ich mag Dich gar
nicht leiden."
„Jessie", mahnte da die ernste Stimme ihres Vaters,
und letzt erst bemerkte Walter die Hohe Gestalt des Mannes,
der sein Töchterlein begleitet hatte. Bei dem Anblicke Mr.
Grahams fühlte der Knabe plötzlich seinen ganzen Grell
dahinschwinden; denn statt eines stolzen, hochmüthigen
Gesichtes sah er milde und weiche Zügen, die ihm zuge-
wandt waren.
„Seths Kind", unterbrach Mr. Marshall das augen-
blickliche Schweigen. Bei diesen Worten ergriff Mr. Gra-
ham die Hand des Knaben und blickte einen Augenblick in
das freie, offene Auge desselben.
„Gerade so wie Du", sagte Mr. Graham, „sah Dein
Vater aus, da wir «och Knaben zusammen waren. Einen
besseren Freund habe ich niemals gehabt."
„Was hat Sie denn zu seinem Feinde gemacht?"
wollte Walter rasch entgegnen; aber Mr. Grahams Be-
nehmen hatte seinen Zorn besiegt, so daß er die Worte
unterdrückte und nur entgegnete: „JchLhoffe, daß ich ein-
stens ein so guter und treuer Mann werde, wie ich glaube,
daß er einer gewesen ist."
Noch immer hielt Mr. Graham die Hand des Knaben
fist, der so tapfer die Ehre seines Vaters vertheidigte, ob-
wohl die Welt ihn als einen Verworfenen nnd Ausge-
stoßencn betrachtete. Dann wandte er sich zur Seite und

Walter war die Bewegung nicht entgangen, die den statt
lichen Mann ergriffen.
„Dafür will ich ihn lieben," dachte er, während Mr.
Graham sich Tante Mary zuwandte, um mit ihr über
Jessie zu reden. Bald kam der Augenblick des Scheidens,
weil M. Graham heute noch abreisen wollte. Als er seinem
Kinde Lebewohl sagte, lchlang dies in leidenschaftlicher
Erregung die Arme um den Hals des Vaters, um ihn
zu halten. Von keinem Trost wollte sie wissen, bis Wal-
ter ihr von dem Eichhörnchen erzählte, das draußen auf
dem Ahornbaume in seinem Käfig spielte. Da erst wurde
sie ruhig und ging mit Ellen hinaus, während Walter Mr.
Graham zur Eisenbahnstation begleitete. Ein eigentümliches
Band der Sympathie hatte sich rasch zwischen dem Knaben
und dem Manne gebildet, und mit jedem Augenblicke fühl-
ten die Beiden ihre gegenseitige Zuneigung wachsen. Mr.
Graham gab seinem jugendliche» Genossen unzählige Auf-
träge bezüglich des zurückgelassenen Lieblings, und Walter
fühlte sich stolz und gehoben, als sein Begleiter ihn ange-
legentlich bat, für Jessie zu sorgen, wie für seine Schwester.
Mr- Graham hätte sich wohl selber keine Rechenschaft
darüber zu geben vermocht, was ihn zu manchen seiner
vertraulichen Bemerkungen veranlaßte; als er aber an die
Zukunft dachte, und an die Zeit, da Jessie kein Kind mehr
sein würde, sagte er wie M Selbstgespräch: „Sie wird
ein schönes Mädchen werden, und ich hoffe, daß ste ebenso
gut und rein, wie schön sein wird. Wenn sie dann einst
in die Lage kommt, wird ihr Gatte nicht vergeblich sein
Glück in ihr erhoffen."
Vielleicht dachte Mr. Graham dabei an sein eigener
Weib, das es so wenig verstanden hatte, ihm eine glückliche
Häuslichkeit zu bereiten. War dies wirklich der Fall, so suchte
er doch rasch, die trübe Erinnerung los zu werden und
lachend fügte er hinzu: „Ihre Großmutter ist eine sehr
vorsichtige, alte Dame; sie hat Jessie bereits für William
Bellen ger bestimmt. Aber ich möchte sie lieber todt sehen,
wie vermählt mit einem Manne aus dieser Familie."
(Fortsetzung folgt.)
 
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