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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
November 1897
DOI article:
Nr. 262
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1069

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Pscher Volksblatt

86Z.

WMrg, WM de» 16. UMinbkr 1897.


IVN
i>erg.

Verantwortlicher Redakteur >:
Joseph Hubert» Heidelberg.

Druck, Verlag u. Expeditic
Gebr. Huber in Herdelb
Zwtsgcrstraße 7.

Deutsches Reich.
* Berlin, 13. Nov. Die „Nordd. Allg. Ztg."
erfährt, daß die Kreuzerdivision Ostastens den Befehl

in Vorbereitung hat, die zu gelegener Zeit ausgegeben
werden soll, weiß man nicht. Sehr wahrscheinlich
steht es nicht aus. Von der Flottenvermehrung als
Trumpf mahnen ihr selbst ihre besten Freunde ab.
Miquei'S Wort vom „Sammeln" ist nicht zugkräftig
genug; eS hat bisher nicht die geringste praktische
Wirkung gehabt und wird auch in Zukunst nur
ironisch behandelt werden. Der Evangelische Bund
und seine Verwanden hätten gewiß gern die Aus-
gabe einer kräftigen CulturkampfeS-Parole; aber daran
kann man doch trotz aller vergeblichen Aufregung der
Protestanten, zumal im Reiche, nicht denken. Die
Reichs-Fiaanz-Reform des Hrn. o. Miquel ist gleich-
falls nichts für die Wähler; man hat auch nicht gehört,
baß sie in der nächsten Session wieder ausgenommen
werden solle. In der sächsischen Thronrede ist so
eben dieser Sehnsucht von neuem Ausdruck gegeben
worden. Ob das Hrn. v. Miquel noch im letzten
Moment zur Thal ermuntern mag? Aber was auch
die Regierung in der nächsten Session versuchen
möge, um für die Wahlen gut abzuschließen, wir
glauben nicht, daß eS ihr viel nützen würde. Man
hat im Lande vor allem kein Vertrauen in ihre Be-
ständigkeit und Zuverlässigkeit.

Die Einberufung des Reichstages
doch erst zvm 30. November erfolgt, wie der
„„^avzeiger verkündet, die Arbeitszeit vor Weih-
«Na " H also kürzer bemessen worden, als vielfach
-kommen wurde. Mehr als die ersten Lesungen
-8 und der wichtigsten Gesetzentwürfe wird sich
üH^'ich bis zur WeihnachtSpouse erledigen lassen,
äm. wird noch Zeit sein für die eine u. andere
'^pellation.
HjAkranlasfung zu Interpellationen ist ja hinreich-
vorhanden, beispielsweise hat der hohe Bundes-
M er bis in den Hochsommer hinein vcr-
war, noch immer keine Stellung genommen
Beschlüssen des Reichstages auf Aufhebung
JesuitengesetzeS oder wenigstens deS Ein- und
Mi« sungsparagrophen, und eS wäre gewiß iute-
tzM, etwas Authentisches über die Aussichten jener
ii^Wsse zu erfahren. Herr Dr. Lieber war zwar
siL, - !chon berichten in der Lage, daß die Aus-
lA Vn sich noch nicht gebessert haben, aber eine amt-
„^ «uskunst steht noch aus. Wir möchten nicht an-
daß der Bundrsrath sich einfach ablehnend
«d s werde, wie bei frühern Gelegenheiten. Es
tziH lt sich, Wie immer von neuem betont werden
um ein Ausnahmegesetz gegen die katholische
mit dem paritätischen Charakter des Rei-
Mrlianr. AL
vlung von Melativ Iva. Aus dem Holländischen von
L- v. Heemstede-
Siebt^ch ist allerdings ein geistreicher Mensch," sagte Leo
«!d.„°der weniger ungeduldig, .und ich habe nichts da-
in w^°uu er ihn nur gebraucht, um sich über mich lustig
viel Ueu; man kann übrigens von allen Dingen auch zu
. "Kn, selbst zu viel Geist, findest Du nicht, Miliane?"
>hle E? habe lieber etwas ru viel als ru wenig," war
Mort.
dud Kn Sohn hat nichts zu viel. Sein Geist ist scharf
wie ein M.ffer," versicherte Frau Hilverda,
MiAas liingt doch wohl ein wenig gefährlich, aber ich
M nichts Schlimmes nachsagen, Miliane wird bald
« Stande sein, darüber ru uriheilen.'
Aedes. wurde „mein Sohn" der tägliche Refrain deS
kommt, er kommt nicht, er kommt früher, er
. später."
Man? .Werde froh fein, wenn er endlich da ist," sagte
Mr Eines Tages ru Nette, .dann hören wir wenigstens
,,wehr von ihm."
Mx . ich wollte, daß er gar nicht käme," entgegnete
Men»'?"> verlange gar nicht, diesen unerträglichen Pe-
, .zv, nnen z» lernen."
weiß, wie er Dir noch gefallen wird! Frau
Me» w "s-Ußte nur wissen, daß sie ihre Freundschaft eine
, .rKrachterin ihres Abgottes schenkt!"
MaAbgottes? Ich glaube, daß die Beiden sich am
W.Mammen vertragen, wenn der Orean sie scheidet.
K die allen ihren Lobeserhebungen schließen muß,
sie ihr^ama mehr besorgt wegen der dummen Streiche,
M ».^ugott möglicherweise sich zu Schulden kommen
'M. N?uu aiz dankbar wegen deS Guten, das er wirklich
. Leo von ihm?"
?rkeout seine Talente bereitwillig an, im Uebri-
M er nur immer: Wir sympathisiren nicht mit-
M. zs/' Auch bat iS mir nie verziehen, daß ich so frech
ici «elt zu komme». Aber weil er Tante» einziger
W «r«ige ich ihm gerne meine Gastfreundschaft."

10.
.Ist Fräulein Miliane zu Hause?" frug Leo'S klare
Stimme unten an der steilen Treppe, die zu der Wohnung
der Damen Wolson führte.
„Fräulein Miliane wohl, Fräulein Nette nicht," war
die Antwort des Mädchens, das die Thüre öffnete.
.Das ist es gerade, was wir wünschen," sagte Jemand,
der hinter dem Junker noch auf der Straße sich befand,
denn der Raum zwischen der Thüre und der ersten Treppen-
stufe war zu beschränkt, um zwei Personen zugleich Platz
finden zu lassen-
.Miliane ist gewiß in ihrem Atelier; ich werde Dir
vorangehen, Erich." Und in drei Sprüngen war Leo oben,
»Ich will sie holen, hier ist der Salon, komm' herein!"
„Können die Stühle das Sitzen vertragen?" frug
Erich; .geh' nur nach oben, Leo, ich will mich hier so lauge
ein wenig umschauen."
„Ich bin gleich wieder da!" rief Leo.
Nachdem er eine weitere Treppe erstiegen und seine
Verlobte in üblicher Weise begrüßt hatte, sagte er: „Erich
ist unten, er kam gestern Abend unerwartet an. Welch"
eine Ueberraschung für Tante! Zieh' Deinen Kittel aus.
Liebste! Wir werden Dich im Salon erwarten."
Miliane war einigermaßen unangenehm berührt, weil
Leo sich seinem Vetter gegenüber zu schämen schien, daß
seine Verlobte nur eine Malerin war, die für ihr Brod
arbeitete. Hundertmal hatte er ihr gesagt, daß sie in ihrem
blauen Kittel zum Stehlen aussehe, und nun sollte sie
Toilette machen für den unbekannten Verwandten.
.Es ist nicht nöthig, Leo, ich kann Herrn Hilverda,
da er ja Dein Vetter ist, wohl hier im Atelier empfangen,"
sagte sie.
.Nein Liebste, das nicht! Komm' lieber unten zu uns."
Verstimmt legte Miliane Pinsel und Palette nieder,
zog ihre Blouse aus und begab sich in das anstoßende
Schlafzimmer-
„Miliane wird gleich kommen," sagte der Junker, in
den Salon tretend.
(Fortsetzung folgt.)

Als letzte Session vor den Neuwahlen wird die
kommende auch die Eigenheit haben, daß viele- ge-
redet und gethan wird im Hinblick auf die Neuwahlen.
Bei der ungewöhnlichen Wichtigkeit dieser Wahlen
werden die Parteien, die um ihre Mandate besorgt
sind oder andern welche abzujagen gedenken, sicher
einen besonderen Elfer in der Vertretung „Volks-
thümlicher" Forderungen entwickeln. Das Centrum
hat zu einer derartigen PopularitätS-Hascherei wohl
am wenigsten Bedürfniß; dagegen werden Conservative,
Freisinnige u. Anti-Semiten sicher einen heißen Wett-
kumpf um die Gunst der Wähler beginnen. Zur
Verkürzung der Sessionsdauer dürste das gerade nicht
beitragen.
Den meisten Grund, sich um das Wohlwollen der
Wähler zu bewerben, hätte die Regierung. Denn
darüber ist alle Welt einig: es geht eine starke Un-
zufriedenheit und „Verdrossenheit" durch das Land,
die bei den nächsten Wahlen sich Luft machen wird
durch Niederstimmung der regierungsfreundlichen Par-
teien. Ob die Regierung eine zugkräftige Wahlparole
Vorbereitung hat, die zu gelegener Zeit ausgegeben
cden soll, weiß man nicht. Sehr wahrscheinlich

Monate
November «nd Dezember
Men immer „och alle Postämter auf die täglich er'
Svende Zeitung
Pfalzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der EonntagK-
sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
bk 7, entgegen.
Spedition des „PMer Volksblatt".
Heidelberg Zwingerftraße 7

ches in schreiendem Widerspruch steht. Was würde
der BundrSrath sagen, wenn die Mehrheit des Reichs- I
tageS einen Beschluß faßte auf Verbot des Evangrli- i
scheu Bundes oder einer ähnlichen protestantischen !
Organisation! Er würde die Anerkennung des Be- I
schlufseS verweigern, vielleicht mit der Begründung,
daß eS nicht Sache des Reiches sein könne, sich in
konfessionelle Streitigkeiten einzumischen. Aber gegen
die katholische Kirche wird ern Ausnahmegesetz auf-
rechterhalteu, zu dessen Begründung schon beim Erlaß
nichts Stichhaltiges vorgebracht werden konnte gegen
die in Deutschland thätig gewesenen Ordensniederlass-
ungen der Jesuiten. Und haben etwa die aus dem
Ausland ausgewanderten Niederlassungen der deutschen
Jesuiten mit dem Reiche Krieg geführt oder nur ir-
gend eine Feindseligkeit gegen das Reich begangen?
Der Bundesrath würde in Verlegenheit kommen, wenn
er Material zu einer solchen Anklage herbeischaffen
müßte. So blieb denn nur das protestantische Bor-
urtheil als ausschlaggebender Grund gegen die Auf-
hebung des Ausnahmegesetzes bestehen; wir meinen
aber, daß es dem BundeSrathe nicht zur Zierde ge-
reichen kann, in den Augen eines großen Tyeiles des
deutschen Volkes als eine in konfessionellen Vorurtheilen
befangene Körperschaft dazustehen!
Wie es heißt, wird die Milnär-Strafprozeß Reform
dem Reichstage gleich zu Anfang zugehen, u. von einer
Veröffentlichung des Entwurfes vorher Abstand genom-
men werden. Noch immer schweigen sich die amtlichen
Berichte über die Annahme des Entwurfes im BundeS-
rath aus. Warum die Geheimnißkrämerii? Wir
wollen nicht glauben, was man hier in sonst unter-'
richteten Kreisen zu hören bekommt, daß der Reichstag
bei der „Inaugenscheinnahme" des Entwurfes sich in
der Rolle deS Tänzers befinden werde, der bei der
DemaLkirung seiner Schönen auf den Rücken fiel und
sich dann tröstete: Es hätte noch viel schlimmer sein
können. Hr. Tirpitz, der neue Staatssekretär deS
Reichs Marire-Amtes, hat nun seine Circular-Reise
an den 22 deutschen Fürstenhöfen beendigt und wird
hoffentlich noch zu rechter Zeit in Berlin eintreffeu,
um seine Marine-Vorlage zu vertreten. Wir werden
dann vielleicht auch hören, welchen Curs die Marine
steuern wird, denn die Marine befand sich bisher im
lebhaftesten Ackzack-CurS. Im Uebrigen wird der
Reichstag nach langer Zeit sich wieder ein Mal mit
Verbesserungen auf dem Gebiete des Post- und Tele-
graphen-WesenS zu beschäftigen haben, der sonstige
wesentliche Rest der Vorlage dürfte in Justiz-Ent-
würfen bestehen.
Gesine aber schien sich am meisten zu ärgern, wenn
über Erich's wahrscheinliches Kommen oder Ausbleiben ge-
sprochen wurde. Sie sagte zwar nichts, doch ihre Brauen
zogen sich zusammen, ihre Lippen zuckten, und sie warf bis-
weilen einen flüchtigen Blick aus Leo, den Nette sehr viel-
sagend fand.
Die Heirath war im Monat September anberaumt;
das junge Paar wollte den Winter in Italien zubringen
und Leo wollte sogar eine Villa am Kommerses mtethen,
um dort die Flitterwochen zu verleben.
Italien war ein Zauberwort für Miliane's Phantasie.
„O Leo, wie glücklich machst Du mich! Wie werde ich es
Dir je vergelten körn-n?" sagte sie bewegt.
„Durch Deine Liebe!" erwiderte er zärtlich.
Sie wandte sich ab. Ja gewiß, sie hatte es sich Wohl
tausendmal wiederholt, sie hatte ihn lieb! Doch wenn die
stets wie im Fieber verbrachte Zeit der Verlobung vorbei
war, wern das ruhige Alltagsleben kam, würde eS ihr
dann nicht klar werden, daß sie mehr die Gaben liebte, als
de», der sie ihr schenkte?
Daß Miliane sich diese Frage stellen konnte, fand sie
schon beunruhigend; eine Antwort darauf gab sie nicht.
Die Zeit wird Alles gut machen, meinte sie; dann aber
dachte sie zugleich an ihre ersten Kinderjahre, wovon Nette
erzählte, wie sie für ein schönes Bild einer Spielgefährtin
all' ihre Kuchen und Bonbors gegeben habe.
„Sind die prächtigen Geschenke, das reiche» luxuriöse
Leben, das er mir bietet, nicht die Bonbons, für die ich
meine Kunst, meenen Berus hingebe?" frug sie bisweilen
zögernd, aber wenn sie dann ihren Verlobten wieder sah
und hörte, dann schwanden ihre B devken. Warum sollte
eS verkehrt sern, ihn zu lieben, der !o gut, so schön, so edel
war, der ohne seinen Reichthrm und seinen Namen doch
ihrer Liebe würdig war?
Ja sicher, sie hatte ihn lieb, innig lieb und ihre Liebe
war der ernzrae Preis, den er fü all' seine Galen ver-
langte. Sie wollte ihm ihr ganzes Herz schenken, wenn sie
es konnte. Und warum sollte sie es nicht können, wenn sie
es nur Wöll» ? Miliane wollte is und sie sandle ein inni-
ge» Gebet zu Sott empor, dem guten Willen treu zu bleiben-

tiigltch 'mit Ausnahme der' Sonn-I u. Juserate die 1-ivaltioe NpMr»r- „
LSMZZKZ «'M >°° ««i.«-»K
dieSost bezogen viertelt. 1.60 franeo._7,
 
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