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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Oktober 1897
DOI article:
Nr. 237
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0965

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Pscher Volksblatt

WellM KÄMg, de« 16. OMer 1897.

m
erg.

Verantwortlicher Redakteura
Joseph Huber in Heidelberg.

Jungczechischen Abgeord«
den weitgehenden Ver«
mit der Regierung deS
die Rückkehr zur Oppo«
Auch bei den polnischen
die Neigung, mit den

Druck, Verlag u. Erp
G eb r. Hnber in He rd
IwingrrSraßr 7.

hen find, u. daß eine Berathung im Plenum des Bundes-
ratheS noch nichtstattgefunden hat. Hinsichtlich der Ge-
staltung des Inhalts der Militärstrafprozeßordnung hat
sich die bayerische Regierung im Laufe der Berathungen
auf den Boden des Landtagsabschiedes vom 28. Mai
1892 gestellt umd demgemäß die in der bisherigen
bayerischen Militärgerichtsverfassung und Militär-
strasprozeßordnung enthaltenen Grundsätze insbesondere
jene über die Gerichtsorganisation, die Mündlichkeit u.
Oeffentlichkeit deS HauptvcrfahrenS, insoweit sich diese
Grundsätze durch die Erfahrung erprobt hatten, mit
Nachdruck vertreten. Nicht minder ist die bayerische
Regierung für die Wahrung der bayerischen Reservat-
rechte in vollem Umfange eingetreten und wird dies
mit Festigkeit auch in den weiteren Stadien dieser
Verhandlungen thun. Eine Mittheilung über da?
bei den bisherigen Verhandlungen Erreichte und über
die noch in Schwebe befindlichen Punkte vermag bei
dem gegenwärtigen Stand der Sache nicht gemacht zu
werden. Zu irgend einer Beunruhigung ist für
Bayern kein Anlaß gegeben; sollte eine gemeinsame
Militärstrafprozeßordnung für das Reich nicht zu
Stande kommen, so verbleibt eS in Bayern bei dem
bestehenden Gesetze. Eine reichsgesetzliche Regelung
kann aber ohnehin nicht staitfinden, ohne daß die
Volksvertretung im Reichstage gebührend zu Worte
kommt.

Ausland.
* Zürich, 14. Oktbr. Der kleine Stadtrath hat
dem großen Stadtrath einen Gesetzentwurf über die
Arbeitslosenversicherung einzeie;cht mit dem Gesuch,
denselben beim Kantonsrath vorzuleg-n. — In Luzern
ist eiu Maurerstreik ausgebrochen. 200 Maurer, meist
Italiener, streiken.
* Wie«, 13. Okt. Die Erregung derMehrheitS-
Parteien über den Antrag Dipauli'S betr. Aufhebung
der Sprachen-Berordnungen hat sich einigermaßen ge-
legt, und eS scheint doch nicht zu einem Zerfalle der
Mehrheit zu kommen. Die junzczechijche Presse
wüthet zwar gegen die katholische Volkspartei, die sie
als Verrätherin an dem im Juni hergestellten Bund«
niß hinstellt. DaS Gros der l"
neten aber fühlt, daß nach
bindungen, welche ihr Club
Grafen Badeni eingegangen,
sition nahezu unmöglich ist.
Abgeordneten besteht nicht „ ...
Jungczecheo, deren nationale Forderungen in'S Maß-

IV. Quartal
. n immer noch alle Postämter aus die täglich er-
bittende Zeitung
-Pfälzer Bottsblatt"
der wöchentlichen Gratisbeilage „Der TonntagS-
sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwinger-
7, entgegen. Die bereits erschienenen Num-
"" werden nachgeliefert.
Expedition des „PMzer VolksblsN".
Heidelberg, Zwingerstraße 7

Meer neu Rechtsanwalt Stephan (Beuthen), als Stell-
Vertreter Bergarbeiter Krolik (Tornowitz), Kaufmann
Kaiser (BreSlau), Erzpriester Sdralek (Groschowitz
O.-S.). Sämmtliche Wahlen erfolgten mit überwäl-
tigenden Mehrheiten.
* Pose», 14. Okt. Die Jubelfeier der 125jäh-
rigen Bestehens deS GrenadierrrgimentS „Kleist" fand
heute unter reger Beiheiligung der Publikums statt.
Viele frühere Regimentrangehörige sind hierzu ange-
kommen, worunter eine große Anzahl Veteranen aus
dem letzten Kriege.
* Müvche«, 13. Okt. Im Finanzausschüsse er-
klärte der Kriegsminifier, die AuSschußberoihungen sür
die Militärstrafprozeßordnung seien im BundeSrathe
noch nicht abgeschlossen, die Berathung im Plenum
habe demzufolge noch nicht stattgefunden. Hinsichtlich
der Gestaltung der Vorlage vertrat Bayern nachdrück-
lich die in der bisherigen bayerischen Militärstraf-
prozeßordnung enthaltenen Grundsätze, insbesondere
die Gerichtsorganisation, Mündlichkeit und Oeffentlich-
keit des Havpiverfahrens, soweit diese Grundsätze durch
die Erfahrung erprobt seien. Nicht minder trat die
bayerische Regierung für die Wahrung der bayrischen
Reservatrechte in vollem Umfange ein. Zu irgend ei-
ner Beunruhigung sei für Boyern kein Anlaß. Sollte
eine gemeinsame Strafprozeßordnuna nicht zu Stande
kommen, so verbleibe es in Bayern bei den bestehenden
Gesetzen.
* München, 14. Okt. Namens des Gesammt-
staatSministeriums hat der Kriegsminister im Finanz-
ausschüsse der Abgeordnetenkammer folgende Erklärung
über die Militärstrafprozeßordnung abgegeben:
Nach Z 26 der Geschäftsordnung für den Bundes-
rath kann der BundeSrath die Geheimhaltung einzel-
ner Gegenstände beschließen und erhalten die auf
solche Angelegenheiten sich beziehenden Drucksachen die
Bezeichnung „Geheim". Die mündlichen Verhand-
lungen des BundeSratheS und der Ausschüsse sind,
auch wenn die Geheimhaltung nicht ausdrücklich an-
geordnet ist, geheim zu behandeln. Nach diesen Be-
stimmungen der Geschäftsordnung des BundeSratheS,
und da der Entwurf der Militärstrafprozeßordnung
ausdrücklich als geheim bezeichnet wurde, sind der
bayerischen Regierung für ihre Mittheilungen über
den Gang und den dermaligen Stand der Angelegen-
heit sehr enge Grenzen gezogen. In formeller Be-
ziehung kann nur mitgetheilt werden, daß die bisherigen
Verhandlungen sich auf AuSschußberathungen beschränkt
haben, welche noch nicht vollständig zum Abschluß gedie-

Deutsches Reich.
m * Berlin, 14. Okt. Der Kaiser hielt heute im
sekr Palais einen Kronrath ab. — Der StaatS-
tlm ^s Marineamts, Kontreadmiral Tirpitz be«
di». h'ute nach Stuttgart, um sich beim König
" Württemberg zu melden.
U * Berlin, 13. Okt. Der vierwöchige Urlaub deS
^SesehlS Knorr wird als Vorläufer seines Rücktritts
Berlin, 14. Okt. Der Central Vorstand des
.»Mkn Buchdrucker Verbandes hat der „VolkSztg."
lOnA englischen Metallarbeitern als erste Rate
auS der Centralkasse überwiesen. Eine
To» R"le in gleicher Höhe folgt in den nächsten
tzLa- Der Berliner OrtSverein des Buchdrucker-
tz^s?ndeS bewilligte gestern ebenfalls als erste Rate
? M. und beschloß, in allen Berliner Druckereien
l^I^weln. In gleicher Weise soll in ganz Deutfch-
, vorgegangen werden.
tzt« .Breslau, 14. Okt. Gestern waren hier 128
der CenlrumSpartei aus den schlesischen
sch^Aeisen versammelt. Dieselben wählten in das
j>j Fiche Provinzalcomite der CentruwSparlei wieder
Ttib»^" Graf Ballestrem, Consistorialrath Dr. Porsch,
lyg.I^vlh Dr. Horn, Erzpriester Philippi, Rechtsan-
Nicolaus und für den verstorbenen Präfekten

Mestellungen
«d°-

scheint tL-it» «re der Sonn- u — Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Organ für Wakckerh Freiheit L KM.


Ein Frauenschicksal.
dir ^.Woption machte nicht das geringste Aufsehen, da
die si'e des Müllers erst vor kurzer Zeit von E- auf
Lite gepachtete Sandmühle gezogen und in dem
<H,ü> wohin die Mühle gehört, noch unbekannt war,
i»de>» m Interesse von Niemanden verletzt wurde. Nachdem
Anna sich von allen Bekannten ihres Vaters zurück-
Uoa hatte, nur mit der Familie des Müllers Umgang
diiew„^"h entfernt von E. wohnte, kümmerte sich sonst
um sie, als die Armen, die sie unterstützte und so
Anna „ r. dies auch erscheinen mag, das Verhältnis zwischen
A d,?"L.ibrem Kinde und der Müllersfamilie blieb selbst
fort»»?» Kind ein Geheimniß, und Christian betrachtete
Und den Müller und seine Ehefrau für seine Eltern
Wr seine Base.
Anim ° gesetzlichen Gründe dem Erbrecht der Tochter
dies- ^Gegenständen, unterlag es keinem Anstand, sie in
* einzusetzen; sie verkaufte das schöne elterliche
sie b°j„n und kaufte sich in der Nähe jener Tannen, wo
dereittzAhe den Tod gefunden, das einfache Häuschen, das
den ki>.F,Owrieben worden ist, dagegen konnte u. wollte sie
Fehltri«?^" Bußen nicht entgehen, die sie durch ihren
siche» ruaezogen hatte; in Anbetracht ihres körper-
sidvek Aldens und ihrer geschwächten Gesundheit wurde
der sichtbare Strafe der öffentlichen Ausstellung an
umgewandelt, indem fie Jahre hindurch
ei«- F".die Kirche liefern wußte und dem Armen-
Kirch. „E Stiftung machte. Der weiteren Strafe, in der
^ikrtrF.sV in dem Armensünderstuhl Platz zu nehmen,
, Lj," s"d freiwillig.
M t»,.Fchiete nun ihre Gedanken auf einen Plan, auf
Men in.»' s^ gerettet worden war, eine Kapelle zu
.Schutzpatronin, der hl- Anna, zu erbauen,
itz «ine? ^urch das Anerbieten einer ewigen Stiftung
Messe, die in bestimmten Tagen in der Kapelle
Üdirkt >llte, die Erlaubniß der Kirchenbchörde
Mus« schritt fie rüstig an den Bau und die Aus-
"isch^.^r Kapelle. Als diese errichtet und elngeweiht war,
"k ne ihre Ausgänge auf den Besuch der Pfarr-

kirche, die Kapelle und die Mühle. So schwand fie allmälig
aus dem Gedächtniß der Bewohner und blieb nur in dem
Gedächtniß der Armen, welche sie unter dem Namen: die
„gute Anna" ehrten und liebten.
9. Die Entdeckung.
Der allein verliert keinen Theuern,
dem Alle in Demjenigen theuer find,
welcher nicht verloren gehen kann-
Wer aber ist dieser anders, als unser
Gott, der Himmel und Erde gemacht hat
und dieselben erfüllt, weil er fie er-
füllend schuf. Dich verliert Niemand,
er verlasse Dich denn selbst!
Augustinus.
Zwei Jahre waren seither umflossen u. das Leben der
guten Anna und der Müllerfamilie war ungetrübt geblie-
ben, als ein Ereigniß eivtrat, welches in Anna die heftig-
sten Erschütterungen hervorricf.
In jener Zeit zogen fortwährend Truppen auf beiden
Seiten des RheineS hin und her und es verursachte daher
kein Aussehen, wenn in der Nachbarschaft Regimenter ein-
quartiert wu-den. Eines Tages kam nun eine Frau von E-,
welche mit Büchern, künstlichen Blumen und dergleichen
mehr handelte und regelmäßig bei Anna einkehrte, wo sie,
wenn auch nicht immer Absatz ihrer Maaren, so doch im-
mer ein Almosen fand, zu ihr und brachte ihr die Nach-
richt, daß in E. ein Regiment Soldaten eir quartiert sei
und einer der Soldaten bei der Händlerin Quartier ge-
nommen habe. Anna schien kaum darauf zu hören, so we-
nig nahm fie Antheil an der Welt.
Etwas gereizt bemerkte die Händlerin, wenn Sie,
(Anna) sich um all' das nicht kümmere, so scheine es, daß
der Soldat sich um so mehr sür Anna interessire. Sie be-
schrieb den Soldaten als einen sehr großen, stattlichen Mann
mit braunen Haaren und blauen Augen und außerordent-
lich bescheiden, in sich gekehrt und niedergeschlagen. Da
hörte Anna mit pochendem Herzen zu Nun ging die listige
Händlerin an ihren Auftrag und bemerkte, der Soldat habe
sich bei ihr «ach Anna erkundigt und als er erfahren, daß

diese noch am Leben sei, geäußert, er möchte Anna, die er
früher gekannt habe, wieder sehen.
Obgleich in Anna eine Ahnung aufftieg, wollte fie die-
ser doch nicht glauben und schlug die Bitte ab; Die Händ-
lerin ließ sich jedoch nicht so leicht abfertigen, sie öffnete
ihren Pack und zog aus einer Schachtel ein Briefchen her-
vor, das nicht odressirt war und übergab es Anna. Diese
weigerte sich, einen Brief zu öffnen, der nicht an sie adres-
firt war; die Händlerin aber versicherte Anna, indem sie
auf ihre arme Seele schwor, das Briefchen sei ganz be-
stimmt nur an fie gerichtet. Zögernd nahm fie den Brief
in die Land und las, während ihr die Äugen flimmerten,
die wenigen Worte: „Um Gottes Gnade und Barmherzig-
keit, Anna, gestatte mir eine Unterredung von nur einer
halben Stunde." Statt der Unterschrift standen nur die
Buchsiaben W. G.
Anna fühlte sich im Innersten ihres Herzens getroffen,
fie wußte nicht, was fie sagen sollte und zog sich dadurch
aus ihrer Verlegenheit, daß fie sagte, fie könne nichts ver-
sprechen, sie wolle zuerst mit ihren Verwandten sprechen,
die Händlerin solle den andern Tag wiedeikommen, was
diese auch versprach.
Kaum hatte fie sich entfernt, als Anna in größter Auf-
regung in die Mühle eilte, und den beiden Eheleuten er-
zählte, was vorgefallen war. Nachdem Anna versicherte,
daß fie die Handschrift genau erkenne, auch die Beschreibung
deS Soldaten genau auf ihren früheren Geliebten paffe,
so wurde beschloßen, dem Soldaten die Unterredung zu
bewilligen, aber in der Mühle und in Gegenwart der
Müllerslcute.
Als nun den folgenden Tag die Händlerin wieder kam
eröffnete ihr Anna ihren Entschluß und fügte bei, diese
Unterredung sei aber die einzige und letzte. Die Händlerin
machte ein bedenkliches Gesicht und erklärte, daß dieser Plan
unausführbar sei und wenn Anna ihr Wort halten wolle,
so müsse sie nach E. kommen, denn der Soldat habe ihr
anvertraut, daß er, weil er vor Kurzrm von dem preußi-
schen Heer zu oen Oefterreichern desertirt sei, das Städt-
chen E. nicht verlaßen dürfe, außer mit dem ganzen Corps.
(Fortsetzung folgt.)
 
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