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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Juli 1897
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Nr. 149
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0613

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Wtzer Volksblatt

Zustellungen

für das

awts, Wirkliche Geheime Rach Dr. Graf von
Posadowsky-Wehner.
Dr. Graf v. Posadowsky Webner, Wirklicher
Geheimer Rath, Staatssecretär des Reichsschatzamts,
Bevollmächtigter zum BundeSrath: Auf Anfrage des
verehrten Herrn Abgeordneten kann ich erklären, daß
im nächsten Haushaltsetat die Mittel eingestellt wer-
den, um die Kost der Mannschaften deS Heeres
zu verbessern. Es wird damit den Wünschen des
Herrn Antragstellers, betr. die Gewährung einer
warme» Aendkost an die Truppen, genügt werden.
Die verbündeten Regierungen bedauern eine Anzahl
Abstriche, die bei den Vorlagen, betreffend die
BesoldungSverbesierung der Officiere und Beamten,
gemacht sind, aufs lebhafteste, namentlich bedauern
sie, daß die Gehaltserhöhungen für die Stabsofficiere
zum Theil abgelehnt, und die Gehälter der Inten,
danturbeamten und Postbaubeamten und ebenso die
Gehälter der Jntendanturräthe und Posträthe ander-
normirt sind als die Gehälter der gleichartigen
Categorien in Preußen. Die verbündeten Regierungen
haben auch Bedenken gehabt in staatsrechtlicher
Beziehung, daß seitens deS Reichstags GehaltSver-
besserungeu für Categorien in die Vorlage ausgenom-
men sind, welche in den Vorschlägen der verbündeten
Regierungen nicht enthalten waren. Trotzdem aber,
um den weiteren Kreisen von Angehörigen des Heeres
und der ReichScivilverwaltung die vom hohen Hause
in zweiter Lesung beschlossenen BesoldundSverbesser-
ungen zuführen zu können, haben die verbündeten
Regierungen sich dahin schlüssig gemacht, der Vorlage
in der Form, welche sie in der zweiten Lesung erhalten
hat, ihrerseits zuzustimmen. (Bravo!)

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren' Raum
rhallungsblatt „Der Sonntagsbote" für Privatanzeigen,sowiesürJahres-Anzeigen^bedeutende
monatlich SV H mit Trägerlohn, durch ' Rabattbewilligung.

Blind und doch sehend.
. Der Greis ging- Als das geheime Signal gegeben war,
Mab er sich stracks zu dem Juden, der im Besitze von
Rudvls'z Instrumenten war und löste sie ein. Rudolf setzte
Operation auf den folgenden Tag fest. Schon waren
Meder alle Zurüstungen zu dem Werke getroffen, schon
»and der liedcglühende Operateur mit seinen Werkzeugen
Meit, und der Vater brachte sein blindes Kind herbei —
°a erbebte Rudols's ganzes Wesen; Clelia reichte ihm die
Hand — sein Puts schlug hörbar — sie setzte sich — er
"ahte sich ihrem Auge — er zitterte, der Angstschweiß trat
Um aus die Stirn — „Ich kann nicht, ich kann nicht!'
slagte er mit Thränen rm Äuge — „verzeihen Sie mir —
lch bin zu ties bewegt — ein andermal, wenn ich ruhiger bin "
, , «O, es eilt ja nicht," sagte Clelia lächelnd — «Du haft
lange Geduld mit mir gehabt, lieb Väterchen, Du wirst
»e auch noch länger mit mir haben."
. . Der Greis zog sie an seine Brust. Rudolf stand ver-
wirrt und beschämt da — er hätte mögen in die Erde
Men. Doch der Greis sprach: „Beruhigen Sie sich, Doktor,
ich kann mir denken, wie einem Manne von Gefühl bei
nnem solchen Unternehmen zu Muthesein muß; es ist mir
«eber, Sie gehen schüchtern an ein solches Werk, als un-
verschämt, wie jener Prahlhans."
w Vater Wilerhold wurde jetzt abgerufen. Kaum war
Rudolf mit Clelia allein, so stürzte er Vor ihr nieder,
»^lelia," flehte er, „verzeihen Sw mir diese Täuschung,
und stellen Sie mtck nicht jenem Stümper an die Seite."
- Da beugte sie sich zu ihm nieder und bat um seine
»and. Und als er sie ihr gereicht und unter ihrem Drucke
Muhen fühlte, da entquoll seinen Lippen das Geständniß
"e» eigentlichen Grundes seiner augenblicklichen Unfähigkeit
v'-inner heißen Liebe. Da erzitterte die liebliche Gestalt,
iank sie saft bewußtlos in seine Arme, und zwei un-
Meihte Lippenpaare sanden sich im keuschen Verlobungs-
Me. Da sah das blinde Mädchen den Himmel offen und
?,w.mrtten darin. Da wurde dem Gefangenen der Kerker
W Paradiese und er pries Gott, der seine wunderbare
^ebx ,u dgz dunkle Erdenleben sandte und ihr Macht gab,

Rede des Adg. Dr. Schädler für Einführ-
ung warmer Abendkost für die Soldaten,
Schalten im Reichstag am Donnerstag, den 24.
Juni.
Meine Herren, gestatten Sie mir; einige Bemerk
ungen, um so mehr, als ich in der zweiten Lesung
vicht anwesend sein konnte. Angesichts der G scyäfts»
ivge des HausiS werde ich dieselben sehr kurz hallen.
Bereits in der Budgetcommission habe ich meinem
Standpunkt der Besoldurgsvorlage gegenüber dahin
präcisirt, daß ick an dieselbe nur unter der Beding,
ung herantrete re könne, daß angesichts der Mittel,
Welche für diese Besoldungsverbesserungen parat ge-
stellt werden, auch die Mittel parat gestellt werden
Men und müssen für eine Abendkost für unsere
Soldaten; ferner unter dem Gesichtspunkt, daß ich
lür eine Ausbesserung der niederen und mittleren Be-
amten sei, nicht aber der höheren. Es wurden da-
mals seitens des Herrn Kriegsministers befriedigende
Erklärungen abgegeben bezüglich der Abeudkost, in
°er Folge aber hat der Herr Reichsschatzsekretär in
"er Budgetcommission nicht mehr von der Abendkost
°cr Soldaten gesprochen, sondern nur von einer
Verbesserung dec MannschaftSkost, ohne weiter sich
dahin auSzulossen, ob der ursprünglich von mir an-
geregte Gedanke sestgehalten worden oder ob er in
ein anderes Studium getreten sei. Ich muß hierin
«ne gewisse Verschiebung des Standpunktes erblicken,
11

>11. Quartal
nehmen immer noch alle Postämter auf die täglich er-
scheinende Zeitung
-Pfalzer BoNsblatt"
(mit der wöchentlichen Gratisbeilage „Der EountagS-
b*te",) sowie unsere Expedition Heidelberg
8wi«gerstraße 7 entgegen.
Expedition -es „Pfälzer Volksblstt".
Heidelberg, Zwingerftraße 7.

mrnrster die Anfrage, insofern eine Beantwortung
unter den momentan obwaltenden Verhältnissen über-
haupt möglich ist, ob im nächsten Budget die
Kosten für die Beschaffung der Adendkost eingestellt
werden.
Ich wünschte diese Frage mit der Besoldungsauf-
besserung pari xu88u gelöst. ES hätte darum mir
am meiste» entsprochen — und damit ist meine
Stellung jetzt gegeben — die ganze Besoldungsfrage
zu vertagen und die beiden Fragen dann miteinander
zu lösen, und ich halte dies auch für gerechtfertigt
angesichts der verschiedenen Fluthungeu und der
tiefen Zuckungen, unter denen wir ja auch im
Augenblick stehen. Ich weiß aber auch recht
gut, daß ein derartiger Antrag Gegenliebe kaum
finden würde, besonders nachdem ja auch in Preußen
jetzt die Beamtenaufbisstrung perfekt geworden ist,
wie ich auch durchaus nicht verhehle, avzuerkennen,
daß in der Budgetkommission die Vorlage der ver-
bündeten Regierungen bedeutende Verbesserungen er-
fahren hat, indem es möglich geworden ist, noch
22,000 Unterbeamten die Wohlthat einer Verbesserung
ihrer Gehaltsverhältnisse zu Theil werden zu lassen,
vorausgesetzt nämlich, daß die staatsrechtlichen Be-
denken, die dagegen geltend gemacht wurden, jetzt
zurückgestellt sind, Verbesserungen, denen ich vollstän-
dig beistimmen kann, und auf Grund deren ich eS
auch vollständig begreife, daß der Vorlage gegenüber
seitens deS größten TheilS meiner politischen Freunde
eine freundliche Stellung eingenommen wird.
Wie ich eben bemerkte, auch ich begrüße diese
Verbesserung. Aber das Nämliche kann ich nicht
sagen bezüglich der Aufbesserung der hohen Stellen,
und ich stehe deßhalb mit einem Theil meiner Freunde,
speciell mit meinen bayerischen Landsleuten gegenüber
der Aufbesserung der hoben Stellen auf einem ande-
ren, nämlich dem ablehnenden Standpunkt, und zwar
in Rücksicht auf unsere ganze wirthschaftliche Lage,
wie ich insbesondere auch — ich darf das jetzt gleich
beifügen, um nachher nicht mehr auf die nämliche
Frage zurückkommen zu müssen und zugleich im In-
teresse der Kürze, mit einem Theile meiner Freunde
nämlich namens meiner sämmtlichen bayerischen Colle-
gem, mich gegen die Aufbesserung der Gehälter der
Herren Staatssekretäre oussprechen muß, besonders
auch, abgesehen von der wirthschaftlichen Lage, unter
dem Gesichtspunkte, das wir an Noblesse den Herrn
Staatssekretär v. Posadowsky nicht überbieten wollen,
selbst in die schauerlichsten Finsternisse zu dringen und sie
zu verklären.
Wie Clelia geahnt, rächte sich der Däne für die ihm
widerfahrene Schmach dadurch, daß er der Polizei die
Identität des Kapitäns Gildenstern mit dem Flüchtling
Eduard Widerhold verricth. Aker als die Polizei ihn im
Hafen suchte, batte er schon die offene See gewonnen. Nun
wurde Vater Widerbold zur Verantwortung gezogen. Er
gestand jene Identität ohne Weiteres zu und wollte er-
warten, was die höchste Staatsbehörde über einen Vater
beschließen würde, welcher der Stimme der Natur gehor-
sam gewesen.
2. Die Verurtheilung.
Ein halbes Jahr der Untersuchung war verflossen. Da
kam aus England die gerichtliche Aussage des Käufers von
Adols's Bild, wodurch sich dessen Antheil an dem Prozeß
so günstig gestaltete, daß der Untersuchungsrichter ihn auf
Havdgelöbniß entlassen zu können glaubte. Als sich der so
lange um sein Liebesglück betrogene Künstler auf freiem
Fuß befand, war sein Erstes nicht etwa, daß er in die
Arme der bekümmerten Braut eilte, sondern daß er für
die Rettung des Freundes Sorge trug- Er verband sich mit
einem geschickten Advokaten, der Rudolfs Vertherdigung
übernehmen und Alles aufbieten sollte, den wahren Mörder
aut findig zu machen. Dann erst suchte er sein eigenes Glück
an dem cs dem heiteren und biederen Künstler in den
Armen einer seiner würdigen Geliebten nicht fehlte.
Endlich waren die Akten zum Spruche reif geworden.
Der Untersuchungsrichter verschickte sie im Bewußtsein, dem
hohen Gerichtshof durch ein Meisterstück der Inquisitions-
kunst Respekt cinzuflößen. Nachdem er sich selbst tief und
immer tiefer in die Ueberzeugung von der Schuld des In-
culpaten hinein informirt und registrirt, dilputirt und rai-
sonirt, hatte er nichts versäumt, um seine Ueberzeugung auch
zu der des Gerichtshofes zu wachen. Nicht, als ob er ein
böser Mensch gewesen wäre, o nein! er handelte in dem
wärmsten Eifer und vollsten Glauben, das Rechte zu thun.
Er war ein zärtlicher Gatte und Vater, ein mildthätiger

Deutsches Reich.
* Berlin, 3. Juli. Finanzminister Miquel, sowie
Graf Posadowsky und Herr von Bötticher begeben
sich, wie die „Reuest. Nachr." melden, auf Befehl des
Kaisers heute nach Travemünde, wo sie morgen vom
Kaiser empfangen werden. Am Montag veranstaltet
das preußische Staatsministerium, am Dienstag der
Bundesrath ein Abschiedsmahl für Herrn v. Bötticher.
Schleswig und Hannover sollen für den zukünftigen
Oberpräsiventen nicht in Betracht kommen, man ver.
muthet schon seit längerer Zeit, daß Kasiel für ihn
bestimmt sei.
Mann — aber ein Fanatiker des formalen Rechts. „Der
römische Rechtszopf bangt ihm armstark hinten," tagte
Adolf von ihm, „und hält ihn auf dem Lretrade der Para-
graphentreterei fest."
„Also Du glaubst in der Tbat, unser Doktor könne
verurtheilt werden?" fragte Clelia ihren Vater am Tage,
als die Akten an das Obergericht abgegangen waren.
„Nach dem Stande der Akten" — erwiderte der Ge-
fängmßverwaltsr traurig — „ist daran nicht zu zweifeln.
Wir muffen uns darauf gefaßt machen, den armen güten
Menschen an einen schaurigeren Ort abzugeben, als dieser ist."
Clelia preßte die Hand krampfhaft auf den Busen.
,O warum mußte Eduard sich von den Dänen blenden
lassen?' sagte sie halblaut. Da wurde die Thorklingel ge-
zogen. Bald darauf meldete die Haushälterin, der Maler
Waller begehre Einlaß. „Den sendet Gott!" rief Clelia,
ihre Hände faltend. Ihr Vater beachtete den Ausruf nicht
weiter, und ging, den Gemeldeten selbst einzulassen.
Adolf hatte das Mißtrauen des Greises während sei-
ner Gefangenschaft auch überwunden. Er brachte einige Er-
frischungen für den Freund und hoffte jetzt, nach geschlos-
sener Untersuchung, zu ihm gelassen zu werden. Vater
Widerhold hatte kein Bedenken mehr dagegen. Er führte
ihn zu Rudolf. Kaum war Clelia allein, als sie auf ihre
Knie sank und Gott dankte, daß er sie, wenn auch leiblich
erblinden lasten, doch nicht mit Geistes- und Herzcnsblind-
beit geschlagen, und daß er sie in der Zeit der höchsten
Noth und Gefahr den Weg der Rettung, ven sie durch des
Dänen Verrath schon für versperrt gehalten, eben so klar
erkennen lasten, als einst die Unschuld und den hohen Werth
des Geliebten.
Wie ihr Vater mit dem Maler zu ihr zurückkehrte,
zog sie Ersteren auf die Seite und bat ihn, sie malen zu
lassen. Er sah sie verwundert an. „Wie kommt Dir dieser
Einfall?" fragte er. „Da Eduard mich nun wohl lange
nicht mehr sehen darf, so soll er wenigstens mein Bild ha-
ben" — erwiderte sie erröthend.
„Wollen Sie meine Tochter jetzt noch malen?" fragte
der Greis den Künstler, und dieser sagte mit Freuden ja.
(Fortsetzung folgt.)

»"fchetnt täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
«ctertage. VbormemeutSpreis mit dem wöchent-

K 149.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
Melders, WM de« 6. M11897.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingerstraßr 7.
1.
IW.
und ich gestatte mir deshalb an den Herrn Kriegs-
Präsident: DaS Wort hat der Herr Bevollmäch.
 
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