AeldeldeU MmmW, dm 14. Imm 1897.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
DruchBerlag u. Expedition:
Gebr. Huber in Heidelberg,
Zwingrrstraßr 7.
Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
10H, ReklameLöA. Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
Expedition: Zwingerstratze 7.
scheint tiiglich mit Ausnahme der Soun- n.
Oman für Walstlmt, FrMkti L Kecht
Mdelbera monatlich 8V -S, mit Trägerlohn, durch » l '
tz^die Post bezogen Viertels. 1.60 franco.
Die Eröffnung des außerordentlichen
Landtages
heute Vormittag 10 Uhr statt. Die Feier fand
aukgegkbenen Programm gemäß im Sitzungssaale
Zweiten Kammer statt. Nachdem deren Mitglie-
ihre Plätze eingenommen hatten und sodann die
Mtglieder der Ersten Kammer, darauf die Mitglieder
es Grvßherzoglichen StaatsminifieriumS eingetreten
^üren, hielt der Präsident des Staatsministeriums,
Staats Minister Dr. Nokk, folgende Ansprache:
Durchlauchtigste, Hochgeehrteste Herren!
Seire Königliche Hoheit der Großherzog haben
M gvädigst zu beauftragen geruht, den außersrdent-
^cn Landtag in Seinem Namm zu eröffnen. Die
^»höchste Entschließung lautet:
Friedrich, von Gottes Gnaden Großherzog von Baden,
Herzog von Zähringen.
Wir beauftragen hiermit Unseren Präsidenten des
«taatSmintsteriumS, Staatsminister Dr. Nokk, die
Dienstag, den 12. d. M., einberufene außer«
^"Miche Ständeversammlung in Unserem Namen zu
Offnen.
Gegeben zu Schloß Baden, den 28. Dez. 1896.
(gez.) Friedrich.
. Seine Königliche Hoheit lassen Ihnen, Durch-
^Uchtigste, Hochgeehrteste Herren, Seinen freundlichen
^uß zu der außercrde rttichen Tagung entbieten, zu
"rr Sie einberufen worden sind.
.. Die einzige Vorlage, die Ihnen zugehen wird, hat
Umwandlung der 4procentigen Staatsschuld in
Ne 3Vsprocentige zum Gegenstand. Die Frage der
Umwandlung der 4prccent'gen Staatsschuld in eins
Mdriger verzinsliche hat die beiden Häuser des Land-
US in der letzten Session mehrfach beschäftigt; sie
Wen aber damals weder der Großh. Regierung noch
Wen völlig spruchreif zu sein. Mittlerweile sind
W Regierungen von Preußen, Bayern und Württem-
mit entsprechenden Gesetzvorlagen an die Volks-
vertretungen herangetreten, und es ist in diesen Staa-
Un die in Aussicht genommene Umwandlung der 4
r^centigen Staatsschuld theils schon in Ausführung
^är-ffen, theils ist die Ausführung unmittelbar be
Wstehend. Die Großh. Regierung ist durch dieses
Ergehen veranlaßt, aus ihrer zuwartenden Haltung
Wauszutreten, weil m t der Möglichkeit zu rechnen
daß eine Hinausschiebung der Maßnahme bis zum
üufamuirntritt des nächsten ordentlichen Landtags
das gute Gelingen der in Rede stehenden Finanzmaß-
nahms beeinträchtigen könnte. Der Gesetzentwurf,
mit dem die Großh. Regierung ihre Zustimmung zu
der nunmehr auch bei uns unverweilt vorzu nehmender
Umwandlung der 4procentigen Staatsschuld beantragt,
wird Ihnen sofort vorgelcgt werden.
* «
*
Hierauf erfolgte die Beeidigung der anwesenden
neu eingetretenen Mitglieder beider Kammern, und
erklärte sodann der Präsident des Staatsministeriums
im Namm Seiner Königlichen Hoheit des Großher-
zogs den außerordentlichen Landtag für eröffnet.
Mit einem dreimaligen Hoch der Versammlung auf
das Wohl Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs
fand dir Feierlichkeit ihren Abschluß.
* «
*
Sitzung der Ersten Kammer.
Unmittelbar nach Beendigung der Eröffnungsfeier«
lichkeiten fand eine Sitzung der Ersten Kammer statt.
Der Präsident, Prinz Wilhelm, eröffnete die Sitzung
mit einer Ansprache, indem er die Mitglieder will-
kommen hieß.
Weiterhin gab der Präsident die Namen der seit
dem letzten Landtag verstorbenmderzeitigen und früh-
ren Mitglieder der Ersten Kammer bekannt. Es sind
dies: 1. Graf Emil zu Leiningen, 2. Erzbischof Dr.
RooS, 3. Karl v. Gailingen, 4. Fürst Karl Egon
von Fürstenberg, 5. Altoberbürgermeister Malsch. Das
Haus ehrte das Andenken der Verstorbenen durch Er-
heben von den Sitzen.
Hierauf machte der Präsident die Eingänge bekannt.
Sodann erfolgte die Wahl der Sekretäre. Auf
Vorschlag des Frhrn. v. Göler wurden die beiden
Sekretäre des vorigen Landtages, Graf Hennin und
Geheimrath Prof. Engler, per Akklamation wieder-
gewählt.
Auf Vorschlag des Grafen Hennin wurde der auf
dem vorigen Landtag mit der Braun'schen Druckerei
abgeschlossene V.rtrag für die gegenwärtige Tagung
erneuert.
Um halb 11 Uhr wurde die Sitzung geschloffen,
-t- *
Der auf heute einberufenen außerordentlichen
Ständeversammlung des GroßherzogthumS Baden
wurde folgender Gesetzentwurf vorgelegt:
8 1. Die Eisenbahnschuldentilgungskaffe wird er»
mächtigt, die zur Heimzahlung der 4<>/o Staatsanleihen
von 1859 61, 1862 96, 1875, 1878, 1879, 1880 u.
1886 erforderlichen Mittel, so weit nöthig, im Wege
d-r Aufnahme eines S.'aatSavlehens aufzubringen.
8 2. Bevor die obigen StaatSanleheu zur Heim«
Zahlung gekündigt werden, ist den Gläubigern die Um-
wandlung ihrer 4proz. Schuldverschreibungen in
3V»proz. avzubieten. DaS Angebot gilt als ange-
nommen, wenn nicht binnen einer vom Finanzmini-
sterium zu bestimmenden Frist eine schriftliche Ab-
lehnung der angebotenen Umwandlung unter Vorleg-
ung der Schuldverschreibungen erfolgt.
8 3. Eine weitere Herabsetzung des Zinsfußes,
sowie außerordentliche Tilgungen der umgewaudelten
StaatSanlehen finden vor Ablauf von 10 Jahren
von der erfolgten Umwandlung an nicht statt.
8 4. Das Ministerium wird mit dem Vollzug
dieses Gesetzes beauftragt.
Deutsches Reich.
* Berlin, 12. Jan. Der Congreß des Weltpost-
vereins beginnt endgültig am 5. Mai in Washington.
Er dauert etwa sieben Wochen. China organisirt ge«
genwärtig seine Post nach europäischem Muster. Sei«
Eintritt in den Weltpostverein steht zu erwarten.
* Berlin, 12. Jan. Nach der Meldung eines
hiesigen Blattes aus Karlsruhe befindet sich Lieute-
nant Brüsewitz noch immer dortselbst. Wie weit dar
neue strafgerichtliche Verfahren gediehen ist, darüber
verlautet noch nichts.
* Wiesbaden, 12. Jan. Bei der heutigen Land-
tags Ersatzwahl erhielten gegen die seitherige Liste die
Freisinnigen 14 Stimmen mehr, die Conservativen 14
Stimmen weniger. Der Caudidat der Freisinnige«
Volkspartei, Landwirth Wintermeyrr, ist als gewählt
zu betrachten.
* Stuttgart, 12. Jan. Der Staatsanzeiger hört,
daß der König die Einführung der irr Preußen erlas-
senen Bestimmungen über dis Ehrengerichte der Offi-
ziere und die Einschränkung des Duellwesens im Of-
fizierscorps bei der württembergischen Armee befoh-
len hat.
* München, 10. Jan. Die Verhandlungen im
BundeSrath über die Militärstrafprozeßordnung wer-
den nun bald beginnen. Bayern ernennt dazu einen
besonderen stellvertretenden Bundesrathbevollmächtigten
(KriegSrath Habel). Der bayerische Kriegsminister
wird sich persönlich weder an den einschlägigen Bundcs-
raihsoerhandlunge«, noch — wenn es so weit kommt
an den ReichstagSberathungen betheilizen. Als er
vor einigen Wochen in Berlin war, galt seine An-
wesenheit dem Militärstrasprozeßentwurf, sondern der
Verordnung über die Offiziersduelle.
Stotz und Liebe. LL.7
10) Dem Amerikanischen nacherzählt.
In scheinbar gleichgiltigem Tone fuhr er daher fort:
M komme direkt von New Haven, wo ich das Vergnügen
Wie, Re Doklorrede des Bettelstudenten zu hören. ES ist
'"vaw, welches Glück manche Leute haben."
»Wen meinen Sie?" fcagte Jeiste nicht ohne Befrem-
»Ich dachte, Walter Marshall würde heute seine
Mtorrede halten, welcher beizuwohnen ich durch die
Rankheit Ellens leider verhindert wurde."
a,, »Eben Walter Marihall meine ich. Ist er denn nicht
Wtelstudent? Bezahlt nicht Ihr Vater die Kosten seines
Mdiums?" fragte William mit einer Erregung, welche
lEwe Absicht schlecht verhüllte.
Jessie erröthete; die Worte Williams und noch mehr
N Ton, in welchem er sie gesprochen, hatte sie aufs
Wiste gekränkt und ihre Stimme zitterte, als sie antwor-
«Mr. Bellenger, nichts berechtigt Sie, von Walter
7?k>rshE in einem so wegwerfenden Tone zu reden. Wenn
Mn Vater die Mittel zu feinem Studium ihm als Dar-
Mn vorstreckte, so trug er nur den kleinsten Theil der
Mkezfchuld gegen den ab, welcher seiner Tochter das
"ben gerettet."
«. William bemerkte mit doppeltem Mißbehagen, daß er
W zu weit vorgewagt hatte; er stammelte einige Ent-
Mldigungen und suchte seine Verlegenheit dadurch zu
Mbergm, daß er sich nach dem von Jessie angedeuteten
Vorgänge erkundigte, von dem er ja noch gar nichts wisse.
Jessie schilderte die ausopsernde That Walters mit so
Mer Wärme, daß William nicht verborgen bleiben konnte,
in dem Herzen des Mädchens, wenn ihm selbst auch
Kch unbewußt, keimte. Nun mußte William von Walters
Mtvrrede erzählen, welche er, um den ungünstigen Ein-
Uck von vorhin möglichst zu erwischen, nach Kräften
< .Jndeß," so schaltete er ein, »hörte ich Umstehende
»ns "den, daß nicht Alles, was oer junge Promovus
Mgesagt, sein Eigenthum sei; Manches habe bekannt ge-
lungen."
Diese Mittheilung hatte den Vorzug, wahr zu sein,
denn in der That waren in der Corona ähnliche Bemer.
langen gefallen. Dieselben verfehlten auch ihren Zweck nicht
ganz; denn Jessie haßte nichts so sehr als Unwahrheit
und Trug; in Walter aber war sie bisher das Ideal der
Wahrhaftigkeit zu verehren gewohnt.
„Walter würde niemals etwas als sein Eigenthum
ausgeben, das nicht ihm gehört!" entgegnete sie erregt-
„Das gleicht weder ihm, noch e ne« andern aus der Fa.
milie Marshills."
William zog dis Schultern und frug geheimnißvoll:
„Kennen Sie das Geschick seines üaters nicht?"
„Was soll's mit seinem Vater sein?" frug Jessie er-
staunt. „Mir ist nichts Genaues bekannt. Ich weiß nur,
daß sich irgend eine unangenehme Erinnerung an seinen
Namen knüpft. Es muß etwas geschehen sein, was Walter
furchtbar quält. Einst trug ich meinen Vater darnach; er
aber antwortete mir, offenbar sehr bewegt, er spreche nicht
gern davon. Dann wandte ich mich an Ellen, jedoch sie
wollte ebenfalls nichts sagen, und weil sie meinen Fragen
stets auswich, gab ich es endlich auf, weiter zu forschen.
Wissen Sie mir Aufklärung zu geben?"
William gewahrte, daß er das Interesse des jungen
Mädchens lebhaft erregt und dasselbe in eine große Span-
nung versetzt hatte. Die Gelegenheit schien chm günstig
für seinen Plan. Um die Spannung noch zu erhöhen,
antwortete er nicht sogleich. Er kannte Jessies Stolz und
sagte sich, daß sie den Sohn jedenfalls aufgeben werde,
wenn ihr dis öffentliche Schande des Vaters bekannt
geworden.
Erst als sie ihre Frage wiederholte: „Was war es?
Was hat Mr. Marshall gethan?" antwortete er - „Da
Ihr Vater es Ihnen verschwiegen hat, so sollte ich viel-
leicht auch nicht mit Ihnen darüber sprechen. Nur so viel
will ich sagen, wenn Seth Marshall seiner gerechten Strafe
nicht entflohen,"so säße er heute im Zuchihause."
„Walters Vater rm Zuchthause?" rief Jessie aus, in-
dem sie bestürzt aufsprang. „Es ist nicht möglich! War
denn feine Schuld erwiesen? Und wo weilt er jetzt?"
„See zeigen ein größeres Interests für die Familie
Marshall und mehr Teilnahme für den Sohn des Zucht-
häuslers, als ich erwartete," entgegnete Bellenger, in der
Absicht, die Wunde, welche seine Mitiheilungsn in dem
Herzen deS jungen Mädchens gerissen, noch zu erweitern.
Jessie entging in ihrer Erregung die Absicht und sie be-
merkte mit wachsender Wärme: „Ja, ich fühle eins große
Theilnahms für Walter und sein Faanliengeschick; ich
liebe ihn wie meinen Freund und Bruder, und ich be-
schwöre Sie, Mr Bellenger, theilen Sie mir mit, waS
Sie wissen, erzählen Sie!"
William hatte genug beobachtet, um so mehr war er
versucht, mit spitziger Zunge weiteres Gift in sas Herz
des Mädchens zu versenken, damit es dort fortwirke. War
einmal das Ideal der aufkeimenden Liebe zerstört, dann
glaubte er gewonnenes Spiel zu haben. Mit erheuchelter
Rücksichtnahme antwortete er daher auf die Bitte Jestis's:
„Es ist bester, wenn ich darüber schweige. Da Ihr
Vater Gründe hatte, es vor Ihnen zu verbergen, so darf
ich ihm gewiß nicht vorgreifen. Genug, Walter's Vater
hat sein junges Weib, dis Schwester meines Boters, ge-
tödtet, und seither hat unsere Familie Walter kaum mehr
als zu uns gehörig betrachtet. An mir lag das freilich
nicht", fuhr er fort, als er das zornige Aufblitzsn in Jeffie's
Äugen sah und erkannte, daß sie keine verletzende Bemerk-
ung über Walther zu hören wünschte. Aber meine Familie
ist sehr stolz und hält auf Stand und guten Namen u. bei
meiner Großmutter ist das ganz besonders der Fall. Als
meine Tante den unbekannten Menschen vom Lande heira-
thete, war eine Entfremdung nur natürlich, und als noch
gar jenes dunkele Verbrechen geschah, wurde das Verhält-
niß zehnmal schlimmer. Es ist ein eigen Ding, wenn sich
Jemand unter seinem Stande verheirathet, und die Gefühle
meiner Großmutter werden Sie am leichtesten begreifen,
wenn Sie sich vergegenwärtigen wollen, was Ihr Vater
wohl sagen würde, wenn sie sich etwa — nun ja, mit jenem
Walther vermählen würden. Er mag persönlich ja ganz gut
und edel sein; nimmer kann erhoffen, den Flecken von
seinem Nam naschen."
Fortsetzung folgt.)