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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Mai 1897
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Nr. 114
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0471

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Wtzer Wksblatt

WÄM Kmg, den 21. W1897.

wünscht," meldete er.'

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Organ für NIMM, Freiheit L KeM. L-LWLZZWLKLL
Expedition: Zwingerftraß« 7.

zu Tute auf Ihre Frömmig-
daß es heißt: Selig sind die
venn nicht klar, welche furcht-
-veraunvoliunu «nr uu, »uocu, «>»«» Sie Ursache
Md, daß man einem schutzlosen Mädchen, Ihrer eigenen
Kusine, die Thüre weist und sie in die Nothwendigkeit

Für den Monat
Zunr
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Ae",) sowie unsere Expedition Heidelberg
owingerstraße 7 entgegen.
Expedition des „PMzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

Deutsches Reich.
* Berlin, 18. Mai. Die Session des
Reichstage- wird voraussichtlich Ende dieser
Woche geschlossen werden. Man will noch
die Handwerkervorlage, den Nachtragsetat, die Besol-
dungserhöhung der Beamten und möglicherweise den
Servistarif erledigen; daher auch die Energie der
Präsidenten, der, um wenigsten- noch einige
Tage ein beschlußfähiges Haus zu erhalten (wie wir
in der gestrigen Nummer meldeten. Red.) alle nicht
durch Krankheit begründeten Urlaubsgesuche von heute
an ablehnt. Alle übrigen Vorlagen werden unter
den Tisch fallen, darunter die Vorlage über die Post-
dampfer-Subvention. Der Reichstag hat die jetzige
Art der Gesetzmacherei satt und an die Militärstraf-
prozeßordnung denkt man nicht mehr.
* Mainz, 19. Mai. Der 5. Hessische Katholi-
kentag findet Sonntag, den 27. Mai in Bensheim a.
der Bergstraße statt.

Rechie und die Nationalliberalen ein Minimum zu
Stande kommen, das, sachlich betrachtet, höchst bedauer-
lich wäre, politisch genommen aber doch nicht an-
nähernd so bedeutsam ist, daß der ganze Apparat die-
ser Vorlage und die ganze Aufregung, welche sich an
sie knüpft, um ihretwegen als lohnend erscheinen könn-
ten. Wenn Fürst Hohenlohe wirklich mit seinem Ein-
treten für diese Vorlage nach dieser oder jener Seite
hin den Beweis liefern wollte, daß für solche Experi-
mente nicht ein Mal im Abgeordnetenhause eine Mehr-
heit sich findet, und daß mit der Reaction überhaupt
keine politischen Geschäfte zu machen sind, so wird ihm
dieser Beweis glänzend gelingen. Was aber gewinnen
die wirklichen Anhänger der Vorlage, zumal so kurz
vor den Wahlen? Kurzsichtigkeit und Verblendung
oder bewußter Hinsteuern auf Conflikt und Staats-
streich? DaS ist die jetzt so oft erhobene Frage, die
zu stellen Frevel wäre, wenn sie nicht so oft schon
durch auffällige Vorgänge geradezu auf die Zunge ge-
zwungen worden wäre. Die Vorlage wurde
einer Commis sion v on 28 Mitgliedern
überw iesen.

läge nur an, vm SäimmereS zu verhüten, in dem
Gedanken, daß sie ebe ja doch nicht durchgeht? Wir
wissen eS nicht und geiehen offen, daß wir einstweilen
ohne Erklärung vor d;ser Wendung stehen.
Wie eS im Ministr Rath, welcher den Minister-
präsidenten überstimmt, zugegangen hat, kann man
nur einigermaßen errchen. Außer dem Minister des
Innern oder besser geatzt dem Polizeiminister von der
Recke wird der Justipiinister Schönstedt sich für die
Vorlage inS Zeug geegt haben. Nach seinem Debüt
im Reichstag bei de verflossenen „großen Umsturz-
Vorlage" im vorigen Jahre kann das eigentlich nicht
mehr überraschen, wem man davon ausgeh», daß eS
auch Minister gibt, die nicht- lernen. Die Fachmini-
ster, der KriegSminister v. Goßler, der Handelsmini-
ster Brefeld, der Eisenkahnminister Thielen werden sich
wohl im Ministerrath nicht besonders erhitzt haben,
eS fei denn, daß der lkriegsmiuister geglaubt habe»
sollte, durch die Borl-ge verhindern zu können, daß
er sozialdemokratische Rekruten in da- Heer bekomme.
Wie aber standen die andern politischen Minister, der
Cultusminister Bosse >i. der Finanzminister v. Miquel?
Am meisten interessirt des letzteren Stellung. Nach
seiner Vergangenheit müßte man annehmen, daß er
der Vorlage die schärfste Opposition gemacht habe.
Aber wenn ein Mann wie er, mit dem Brustton der
Ueberzeugung, den er immer beherrscht, wenn er will,
dem Ministerpräsidenten zur Seite getreten wäre, so
sollte man meinen, hätte dieser und nicht Herr von
der Recke im Ministerrathe obsiegen müssen. Auch hat
Herr v. Miquel s. Z. schon Vas ZedUtzffche Schul-
gesetz unterschrieben, ohne alle Rücksicht auf seine po-
litische Vergangenheit; warum sollte er nicht auch diese
Vereinsvorloge mitmachen, wenn'S ihm sonst nur
frommt? Aber auch da- ist noch unaufgeklärt.
Ganz klar aber ist daS: der Polizeiminister und
der Justizminister Arm in Arm, brüderlich vereint zur
Knebelung der Vereins- und Versammlung-rechtes!
Des ist ein krasses Spiegelbild unserer Tage, krasser
wie man es bisher hätte für möglich halten sollen.
Und alles das zu Ehren einer Vorlage, die aus-
sichtslos ist, und deren Aussichtslosigkeit man doch
im Voraus mit Sicherheit erkennen konnte! Nach der
heutigen entschiedenen Stellungnahme der National-
liberalen steht fest, daß die entscheidenden Bestimmun-
gen, die Artikel l und III, unbesehen von einer großen
Mehrheit abgelehnt werden. Was Artikel II anlangt,
der vom Ausschluß Minderjähriger von Versammlun-
gen und Vereinen handelt, so wird, wenn die National-
liberalen fest bleiben, aus ihm höchstens durch die
bkth'S Anklage — eine ««erwiesene Anklage, vergeßt das
nicht — entlasse ich sie aber nun und nimmermehr I"
10. Kapitel.
Mr EberSburg kamen bewegte Tage. Da- große Fest
erforderte mehrfache Vorbereitungen. Obwohl daS benach-
barte Städtchen, in welchem eine Garnison lag, daS Haupt-
kontingent der Geladenen lieferte, die vom Tanze weg sich
unmittelbar nach Hause zurückbcgeben wollten, blieben doch
noch Menschen genug übrig, welche Gastfreundschaft in
Anspruch nahmen. Mr diese mußte Quartier beschafft wer-
den. Unermüdlich flog die Dienerschaft Trepp auf, Trepp
ab; Zimmer wurden gelüftet, Möbel auSgeklopfi und um-
gestellt, jeder benutzbare Raum wurde zu einem Fremden-
zimmer umgewandclt. Aus dem Garten trug man Körbe
voll Blumen und Kübel mit fremdländischen Gewächsen in
das Haus, um die Räume zu schmücken. Im groben Speise-
saale wurden lange Tafeln aufgeschlagen, und die Gräfin
hatte endlose Conferenzen mit Koch und Beschließerin. Die
jungen Mädchen legten den besten Willen an den Tag,
hülfretch zu sein; sie fragten nach Allem, mischten sich in
Alles, veranlaßten aber durch immer wechselnde Ansichten
nur mehr Unruhe und Verwirrung.
Dieser Zustand hatte jedoch für Anna den Vortheil,
daß die Aufmerksamkeit von ihr abgelenkt und von ihren
vermeintlichen Vergehungen nicht mehr gesprochen wurde,
"ori und Carrh, auf welche die Strafrede der Baronin
Burkersdorf mehr Eindruck gemacht batte, als sie sich cin-
gesteben mochten, vermieden seitdem alle gehässigen Be-
merkungen gegen das Mädchen. Naturen, wie die ihren,
beugen sich vor entschiedenem Auftreten; dagegen legten sie
die Nachsicht der Stiefmutter als Schwäche aus. Elisabeth
that, als habe sie die Existenz ihrer Rivalin vergessen. Sie
würdigte sie keines Blickes, ließ sie vollständig unbeachtet
und versuchte auch nicht mehr, Gräfin Hollerbrunn zu
strengem Borgehe» gegen dieselbe zu bewegen. So schien
der Freudentag für Alle in ungestörter Heiterkeit verlaufe«
zu sollen. Am Nachmittage aber fuhr eine Trauerbotschaft
mitten in die Festfreude. Baronin Burkersdorf erhielt die
telegraphische Nachricht, eine ihrer Töchter sei erkrankt.

Der erste Lag der Verhandlung
^tt .die „kleine Umsturzvorlage" im preußischen Ab-
^ordnetenHause hatte drei demerken-werthe
Ergebnisse: Ministerpräsident Fürst Hohen-
^>he identificirte sich persönlich mit der Vorlage,
Mtizunnister Schönstedt warf sich scharf für die-
Iklbe ws Zeug, ohne eS nöthig zu haben, und trotzdem
ist die Vorlage ein todtgeboreneS Kind. Die Vor-
!^e war, trotz ihrer großen allgemein politischen Be-
Hutung, nur von dem Ressortminister Frhrn. von
Recke eingebracht worden; man wußte, daß
Mrst Hohenlohe sowohl im Punkte ihres materiellen
Maltes, wie im Punkte der Opportunität ihres gegen-
Artige« Einbringens überstimmt worden war;
M mußte also annehmen, daß er bei der Berhand-
über die Vorlage sich in der Hinterhand halten
?krde. Zur nicht unerheblichen Ueberraschung der
vauseS jedoch leitete er gleich die Verhandlung ein
M einem Vortrage, in welchem er in seiner Eigen-
last als Ministerpräsident die Vorlage uneingeschränkt
^riheidigte und empfahl.
.. Man muß sagen: verständlich ist einstweilen
^kstr Vorgang nicht. Fürst Hohenlohe ist nichts we-
^ger wie ein Kleber in seinem Amte; niedriger Ehr-
M kann einem Mann von seiner Vergangenheit und
Wellung und der Ehrenhaftigkeit seiner Charakter-
M weniger bewegen. WaS denn brachte ihn
dies er Stellungnahme? Will er seinen
"tgnern den handgreiflichen Beweis liefern, daß nicht
V Mal im preußischen Abgrordnetenhause mehr solche
Erlebte Gedanken der Gesetzgebungskunst eine Mehr-
Erfinden? Nimmt er sich dieser aussichtslosen Vor-
tz

Lridvoll und freudvoll. »'L"
Novelle von L- v. Neid egg.
„Ja wohl," fiel die Baronin scharf ei«. „Und feixe
u, «ne fromme, edle Dulderin, war Ihrer Mutter
,-„üche Schwester, Gräfin Elisabeth! Können Sie den»
Kinder Leid gar nicht mit empfinden?" fuhr sie streng
M. „Sie thu» sich etwas zu Gute auf Ihre Frömmig-
Ut; Wisse« Sie denn nicht, daß cS h " "" " "
?armberziaen? Ist Ihnen denn nicht »
Verantwortung Sie auf sich loden, wenn
^«si«e^die°Thüre weist'und sie ... —........
Wetzt, unter dem Banne einer für eine Erzieherin ver-
binde» Anklage sich anderwärts ein Unterkommen zu
mchen?-
- Die Gräfinnen Hollerbrunn ließen die Köpfe hängen,
aufgerichtet, ein düstere« Licht in den dunkeln Augen.
Md aber Elisabeth da. „Wenn Anna Grashoff für ihre
Wellung nicht taugt, muß man fir unbedingt sortschicken,"
Mderholte sie; langsam und nachdrücklich kamen die Worte
Uer ihre Lippen. „Es heißt wohl: Selig sind die Barm-
Wigen, Frau Baronin I Es heißt aber auch: Die Sünden
U Väter werden heimgesucht an ihren Kinder«. Das
Wchte Beispiel, das Anna Neudinge» seit ihrer Kind-
W vor Augen gehabt bat, läßt voraussetzen, daß ihr die
x'senschaften mangeln, die für eine Erzieherin erforderlich
W. Mein Vater hätte die Tochter eines solchen Mannes
jemals in sein Haus genommen. Ich hoffe, die Tante
7Ud wcht Ursache haben, da- Werk zu bereuen, das sie
>br thut."
. Sie grüßte stolz und kalt: ohne eine Antwort abzu-
"Uten, verließ sie da- Zimmer.
„„.Sprachlos, wie versteinert, blickte Gräfin Hollerbrunn
W ihr. „Brr!' sagte sie endlich und schüttelte sich. „Eis-
W Überläuft es «ich bei den Reden dieses jungen Mäd-
"ui dem versteinerten Herzen. Geht jetzt, Kinder,
Ich bin für Martha'- Wohl mindestens eben so be-
N- als Ihr es seid, da-müßt Ihr doch glauben. Blinde
^rtewahme für die Erzieherin liegt mir fern; auf Elisa-

Deutscher Reichstag.
Berlin, 19. Mai.
M Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzent-
wurfes über den Servistarif und die Klasseneintheilung
der Orte.
und die besorgte Mutter beschloß sofort abzureisen. Sie
war io fassungslos, daß Gräfin Hollerbrunn die Freundin
zur Bahn zu begleiten beschloß. Sie glaubte noch zur rech-
ten Zeit zurückkommen zu können, um in ihre Balltoilette
zu schlüpfen und zum Empfange der Gäste bereit zu sein.
Reisefertig trat sie in das Schulzimmer und gab Martha
einen Abschiedskuß.
„Sei brav und lerne fleißig, kleiner Wildfang- D»
mußt Dir die Freude deS Abends ehrlich verdienen," mahnte
sie lächelnd. „Nebenbei hütet mir meine Schätze; ich habe
keine Zeit mehr, sie einzuschließen. Die Gangthüre sperrt
die Jungfer ab. Adieu."
Sie nickte Anna freundlich zu und entfernte sich.
Martha gab sich alle Mühe, die Ermahnungen ihrer Mut-
ter zu befolgen. Als aber die Lektion zu Ende war, über-
mannte sie die Neugier; es litt sie nicht länger im Schul-
zimmer. Sie bat um die Erlaußniß, zu ihren Schwester»
gehe» und mit ihnen dem Ausschmücke« des Tanzsaales zu-
sehen zu dürfen. Mit ihren Gedanken war sie ohnehin bei
den bevorstehendes Festlichkeiten; Anna ließ sie also ziehen.
Sie erinnerte sich der Zeit, wo sie selbst so harmlos froh
sein konnte wie dieses Kind und blickte der Kleinen lächelnd
nach, als diese mit lauten Freuderufen davonhüpfte. Dann
setzte sie sich an ihren Nähtisch, um die letzte Hand an de»
bescheidenen Staat zu legen, womit sie Abends sich schmü-
cken wollte. Sie war heiter gestimmt; leise sang sie vor
sich hin.
Da klopfte es an die Thüre; einer der Bedienten trat
«in. Man sah es dem Manne an, daß er eine besondere
Mittheilnng zu machen hatte; etwas wie Neugier und
Schadenfreude zugleich stand auf seine» Gesichte geschrieben.
„Draußen ist Jemand, der Fräulein Grashoff zu sprechen
wünscht," meldete er.
„Ein Herr?" fragte sie, und in dem thörichte« Herzen
daS erklärt hatte, nichts mehr zu hoffen, regten sich frohe
Erwartungen.
(Fortsetzung folgt.)

Drucks Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Herdelberg,
Lwingrrftraßr 7.

t ISgttch mit Ausnahme der Sonn- u.
«bonnemevttzprei» mit dem wöchent-
iterhaltungsblatt „Der SonntcHsbote" für
- ..
---franco.
Verantwortlicher Redakteur c
Jo sie pH Huber in Heidelberg.

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