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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Dezember 1897
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Nr. 283
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1159

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ern einführen oder die Matricular-Umlagen
erhöhen, so bleibt nichts anderes übrig als Schulden-
vermehrung. Die Reichseinnahmen wachsen nicht der-
artig, daß wir neben den andern steigenden Ausgaben
auch noch die gewaltigen Anforderungen der Marine-
verwaltung damit befriedigen können.

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Rau»
1VH, Reklame25 Mr hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutend«
Rabattbewilligung.
Expedition: Zwingerftratze 7.

Deutsches Reich.
* Berlin, 9. Dez. Der Bundes cath er-
theilte in der Plenarsitzung den Aurschußanträgen zum
Entwurf von Grundsätzen für die Handhabung der
Bestimmungen der Gewerbeordnung — betreff- des
Gewerbebetriebes im Umherziehen und
unter Mitführung von Kindern — seine Zustimmung.
* München, 9. Dez. Bei der heute in der Kam-
mer der Abgeordueten vorgenommenen Bizepräsiden-
tenwahl erhielt Abg. Fuchs (Ctr.) 79 Stimmen, 51
Zettel waren unbeschrieben. Abg. Fuchs lehnte die
Wahl ab. Bei dem zweiten Wahlgange wurde sodann
Abg. Ludwig v. Keller (lib) mit 80 gegen 52 Stim-
men zum Vw-präsidenten gewählt.

Wsflell'ungen
für den Monat

nehmen immer noch alle Postämter aus die täglich er
scheinende Zeitung
.Pfälzer Bottsblatt"
Wit der wöchentlichen Gratisbeilage „Der Lountags-
bete"), sowie unsere Expedition Heidelberg, Zwi«ger-
ftratze 7, entgegen.
Expedition des „Pfalzer Volksbtatt".
Heidelberg Zwingerstraße 7

Reichsschlüden.
Wie aus der dem Reichstage zugegangenen Denk-
schrift über die Ausführung der fett dem Jahre 1875
"lasseren Anlnhegesetze ersichtlich ist, hat das Deutsche
Reich bis Ende Oktober d. I. 2,032,281,963 Mark
Schulden gemacht. Im Ganz-n belaufen sich die
Anleihecredite gegenwärtig auf 2,154,340,300 Mark.
Es sind also noch gut 122 Millionen an bereits b:-
billigten Anleihen zu vergeben. Der Schuldenbetrag
Wäre noch um 50 Mill. Mark höher, wenn nicht das
Schuldentilgung- gesetz vom März ds. IS.
wesen Betrag den Einze staaten entzogen hätte. In
22 Jahren über 2 Milliarden Schulden machen, ist
Sktviß sehr „anständig". Die Marineverwaltung ist
daran mit einem sehr ansehnlichen Betrage beiheiligt,
Dämlich mit etwas mehr als 290 Millionen, wobei
der Credit des laufenden Jahres nicht mitzerechnet ist.
Daß das mit dem Schuldenmachen nicht so weiter-
gehen kann, wird allgemein zug-geben. Hätte aber
nicht das Eentrum so entschieden darauf gedrungen,
so wäre mit dem Schuldentilgen wohl noch lange nicht
degvnnen worden. Jetzt hat sich der Gedanke so »mit
Bahn gebrochen, daß die Regierung freiwillig
RSbald ein SchuldentilgungSgesetz nach dem Muster
des vorigen eingebracht har. Man kommt indeß nicht
dielweitcr, wenn man mit der einen Hand alle Schuld-
Verschreibungen einzieht und mit dec andern eben so
düle neue auSgibt. Sind aus dem Jahre 189697
Erzählung von Melativ Iva- Aus vem ö--ä bischen von
L- v. Heemftede.
, Aber diese hatte, Alles vergessend und nach Versöhnung
schmachtend, die Arme um ihre Schwester geschlagen und
oselt ihren Kopf innig an der treuen Brust geborgen.
»Chamounix, steht im Telegramm, war er da zuletzt, Mimt?"
„Nun," sagte diese leise zu Nette, „auf der Kartenschale
fügen zwei Briefe von ihm, ungeöffnet- Lies sie und sieh',
Was darin steht."
, „ Nette that es, ohne jedoch Frau Hilverda merken zu
'Mn, daß sie dieselben jetzt erst öffnete. „Er hat eine Villa
W Lago Maggiore gsmiethet und wollte nicht über dm
«t. Gotthard sondern über Chomounix zurückkehren, da er
sm in Genf vierzehn Tage aus seiner Hochzeitsreise bleiben
«ad auch da die Wohnung selbst sich aussuchen möchte."
Miliane verbarg zitternd dos Gesicht in den Händen.
. „Doch ich gehe jetzt nach Cbamounix. Denke Dir, Erich
M mir telegraphirt und angefragt, wo er mir begegnen
Mn, da er mit mir zu reden habe. Hatte er dazu in Hol-
Md keine Zeit? Ich habe ihm das „Hotel Rohal" in
^hamounix als Rmdez vous vorgeschlagen, wenn er wenig-
»ens keine Geduld hat, bis ich nach Lausanne komme. Da
Zwarte ich auch Deine Briefe. Wußtest Du von Erich's
^effe? Es ist doch ein Sonderling, der Alles anders thun
Mß als andere Menschen. Ec wird Dich aber nicht zu
Myer Vertrauten gemacht haben! O, wie verlange ich nach
Miner Miliare, wie würden wir Alles doppelt genießen,
?°er bald . . ." Nette las nicht weiter; ihre Augen wur-
M feucht. Wie im Traume hörte sie aus der Ferne den
vWpsen Klang: Todt! todt! todt!
^..Miliane lag ans demSopha, das Besicht in die Kiffen
"kuckend, vor Schmerz und Scham wie gebrochen.
„In Chamouwx. Hotel Royal. Also unmittelbar dahin
Wgraphirt!" sagte Nette, und Papier und Bleistift nehmend,
!swe sw sofort eine Depesche auf und gab sie dem Mädchen
«»r Besorgung.
„Soll ich Hinreisen?" frug Frau Hilverda unschlüssig.
-Gewiß, morgen, ohne Zeit zu verlieren."

50,000,000 M. zur Schuldentilgung überwiesen worden,
so sind durch Etats und Nachtragsetats im laufenden
Jahre auch wieder 81,694,299 M. Anleih credite be-
willigt worden. Wird es damit etwa besser werden,
wenn die Marinevorlage angenommen wird? Das
behauptet selbst die Regierung nicht. Sie sagt nur,
eS werde ohne eine „einmalige große Anleihe" gehen.
Als ob sieben „kleine" Anleihen nicht eine große aus-
machten !
Die „Nordd. Allg. Ztg." hat sich um den Beweis
bemüht, daß die Marineverwaltung bestrebt gewesen
sei, die Anschlagssumme für die SchiffStypen so
hoch zu wählen, daß eine weitere Preissteigerung in
den nächsten 4 Jahren nicht anzunehmen sei, u. dar-
auf bingewiesen, daß der große Kreuzer in der „Nieder,
schliff" des Herrn Hollmann auf 14, in der Begründ-
ung des neue» Gesetzes auf 15 Millionen Mark ver-
anschlagt sei. Sollte dieser Umstand nicht für die
Meinung sprechen, daß immer höhere Summen ver-
langt werden würden? Daß das Flottengesetz in den
nächsten 3 Jahiea nicht mehr, sondern weniger
fordert als die „Niederschrift", ist ja richtig; allein
die „Niederschrift" ging von der Voraussetzung auS,
daß im laufenden Jahre über 62 Millionen bewilligt
wurden; diese gestrichenen 13 Millionen hätten auf
die nächsten Jahre doch wieder aufgeschlagen werden
müssen.
DaS Schlimmste an dem neuen Gesetze sind aber
gar nicht ein Mal die geforderten Summen, sondern
das, waS noch dahinter steckt, und was man
noch nicht völlig kennt. Die nach Ablauf des Sep
tennates zu erwartenden Forderungen für Ersatzbauten
lassen sich ja einigermaßen berechnen, wenn man nur
davor gesichert wäre, daß nicht, wie bisher, Ersatz-
bauten stets theuerer werden, als daS Schiff, zu dessen
Ersatz sie bestimmt sind. Sodann aber: waS wird
für die heutige Flotte alles noch an sonstigen Bauten,
an Docks, Werften usw. nothwendig sein? Die jetzi-
gen Einrichtungen sind dann doch überall unzureichend,
und man weiß, daß Erweiterungen und Neueinrichtun-
gen immer tief in die Millionen hineingehen.
Wer willens ist, die Vorlage anzunehmen, der
kann das doch ohne ein Maß von Leichtfertigkeit nicht
thun, ohne sich genauere Auskunft darüber verschafft
zu haben, was noch im Hintergrund hält. Di-
Vorlage schweigt sich darüber vollständig aus. Und
ebenso muß der Bewilligungslustige sich doch klar
machen lassen, wie die vielen Millionen zur Stelle
geschafft werden sollen. Schulden haben wir genug
und übergenug. Will man aber k-ine neuen Steu-
„Und wird Keine von Euch mich begleiten?"
Nette schwieg, Miliane rührte sich nicht.
„Wir müssen weitere Nachrichten abwarten. Sie nicht!
Ihr Sohn kann noch der Pflege bedürfen . . . Unsere Ge-
genwart ist vielleicht . . . überflüssig."
„Aber es ist eine so schreckliche Reise I Ich bin nicht
gewohnt, zu reisen; ich bin nie weiter gewesen als einmal
nach Brüssel mit Leo. Wir sollten nach Paris, aber da
wurde ich so elend, daß wir uns beeilen mußten, heimzu-
kehren — und nun soll ich allein nach Chalouste, oder wie
heißt das Ding?"
„Nehmen Sie Gesine mit!"
„Das Kind! Sie weiß keinen Weg. Ich habe an Leo's
Rentmeister Gerrits gedacht, der ist früher zur Pariser
Ausstellm g gewesen."
„Nun aut, so nehmen Sie Gerrits als Kourier und
Gesine als Gesellschafterin mit. Aber es muß etwas geschehen.
Die Reise geyt gewiß über Frankreich; ich werde sehen,
wann ein Schnellzug abgeht."
Nette blätterte im Koursbuch und sagte dann kurz und
bündig: „Morgen früh 8 Uhr 10 Minuten müssen Sie ab-
reisen, dann haben Sie Anschluß nach Paris. Fahren Sie
also sitzt gleich nach Lause, um alle Vorbereitungen zu
treffen, Gerrits zu inftruireu, und wenn nähere Berichte
kommen, so kheilen S>e es uns gefälligst sofort mit."
„O Gott, o Gott! welch' eine Aufregung! Mein armer
Sohn, was mag nur geschehen sein ? Ein Eisenbahnunglück?
Ein Theaterbrand? In meinem Alternocheine solche Reise
unternehmen! Nun Adieu! Wenn Näheres kommt, we-de
ich es Euch wissen lassen. Ich habe meine Zeit nöthig I"
Nette gab ihr das Aue geleite und kehrte dann zu ihrer
verzweifelnden Schwester zurück-
„Miliane!" sagte Nette mit der Zärtlichkeit einer Mut-
ter, „es ist eia schreckliches Eretgniß, aber Du brauchst
darum nicht an ein Duell zu denken. Leo würde sich nie
dazu verstehen, das streitet mit seinen Grundsätzen."
L! „Grundsätzen," ächzte sie unwillkürlich, „wer fragt nach
Grundsätzen, wenn die Leidenschaft im Spiel ist? Sie sind
Beide todt and ihr Blut klebt an meinen Händen. Es kommt
über mich Elende! Ich bin von Jedermann verlaßen!"

Deutscher Reichstag.
* Berlin, 9. Dez.
Am BundeSrathStische die Staatssekretäre v. Tir-
Pitz, v. Thie mann und v. Posadowsky.
Präsident v. Buol eröffnet die Sitzung um 1 Uhr
18 Min.
Foitsetzung der ersten B-rathung des Gesetzent-
wurfs betreffend die deutsche Flotte.
Abg. Dr. Hammacher (natl): Meine politischen
Freunde haben nach eingehender B-rathung einstim-
mig beschlossen, sich voll auf den Boden der Regier-
ungsvorlage zu stellen. Der dermalrge Stand der
Flotte entspricht dem Bedürfnisse nicht, weder für
den Küstenschutz, noch für unsere auswärtigen Interessen.
Der gesetzgeberische Weg ist der beste, um den bishe-
rigen Schwankungen ein Ende zu machen. Redner
zollt der maßvollen und sachlichen Rede des Abg. Dr.
Lieber große Anerkennung, und wendet sich gegen die
Ausführungen Schönlankr.
Abg. Hilpert (Bahr. Bauernbündler) behält sich
für sich und seine Freunde die Entscheidung vor. Er
erwartet eine Erklärung der Regierung darüber, auf
welche Weise die Mittel für die Schaltung dec Flotte
beschafft werden. Seine Partei habe schwere Bedenken
gegen die Vorlage, besonders finanzieller Natur.
. — " —
„Nur nicht von mir, armes Kind! Du trägst ja fo
wenig Schuld daran. Er hat Dich verleittt und ich vätte
es eher sehen müssen, wie sich die listige schlänge meiner
arglosen Taube nahte."
„Keine Vorwürfe, Nette, weder Dir noch eine« ande-
ren ! Armer Leo! Er hätte Besseres an mir verdient!"
Erich's Name kam nicht über ihre Lippen; es kam ihr wie
eine Sünde vor; den jetzt zu nennen, denn in jedem Fall
war Leo das Schlachtopfer.
Nach einer fürchterlich durchwachten Nacht wurde in
der Frühe geschellt; es war ein Bedienter von Schönburg,
der mit dem Wagen kam und ein Telegramm brachte, das
schon gestern Abend besorgt war. Es waren nur wenige
Worte aber niederschmetternd in ihrer beredten Kürze:
„Alkeraede todt. Hilverda außer Gefahr."
Es schwindelte Nette vor Augen. Leo todt, das herr-
liche, glänzende, volle Leben und das Grab, welche Gegen-
sätze! Eine Welt schien die beiden Joeen zu scheiden und
nun waren sie doch vereint, und wer war der erste Anlaß
davon? Ihre Schwester!
„Er ist todt!" rief Meliane, „o verbirg es mir nicht!
Ich habe ihn ermordet! Warum mußte ich seinen Pfad
kreuzen? Warum hat er mich je gesehen! Und fecn
Mörder! O Gott, ein Mensch gttödtet um meinet-
willen !"
„Es ist ja gar nicht sicher, daß sie sich duellirt haben!"
suchte sie Neue,zu trösten, wenn sie auch selbst nicht an ihre
eigenen Worte glaubte.
Inzwischen dampfte Frau Hilverda klagend und jam-
mernd mit dem verblüffte» GerittS dem schönen Italien
entgegen. Auch Gesine machte die Reise mit; sie saß da
mit kalten und starren Augen und zusammengepreßten
Händen; sie sprach saft kein Wort und rhre Tante seufzte
„Was hat man nnn an solcher Gesellschaft I" :
(Fortsetzung folgt.)

Crqmt für Wakrlmi, Freitm! L AM
Heidelberg monatlich KV H 'mit Trägerlohn, durch
die Post bezogen Viertels. M 1.60 franco.—-—-


8c. 283.
Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.
WMrs, MDg dm 11. KMr 1897.
Druck, Verlag u. Expedition
Gebr. Huber in Heidelberg,
Lwingerstraßr 7.
1. R
-rg.
 
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