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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Januar 1897
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Nr. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0025

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6.

Verantwortlicher Redakteur:
Joseph Huber in Heidelberg.

Melbers, ZmMg, bm 9. Imm 1897.

Druck, Verlag u. Expedition:
Gebr. Huber in Heidelberg,
Iwtngerstraße 7.

1. Ichrg

Pfälzer Mksblatt.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u.
Feiertage. AboriuewentSpreid mit dem wöchent-
nchen Unterhaltungsblatt „Der Sonntagsbote" sür
Heidelberg monatlich KV H mit Trägerlohn, durch
die Post bezogen Viertels. 1.60 franco.

Organ für Waürlmi, FMert L

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
10^, Reklame25^. Für hiesige Geschäfts- und
slbübl» Privatanzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende
Rabattbewilligung.
Expedition: Zwiugerstratze 7.

Mr das erste Guartal 1897
Rehmen noch immer alle Postämter Bestellungen auf
die täglich erscheinende Zeitung
„Pfälzer Bottsblatt"
(mit der wöchentlichen Gratisbeilage „DerMonntags-
sowie unsere Expedition Heidelberg
Utvivgerstraße 7 entgegen.
Expedition des „Pfälzer Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

Die Verwerflichkeit der religionslosen
Schule.
Je mehr in den einzelnen Ländern der sittlich -
religiöse Zerfall um sich greift, um so mehr greift
dort auch bei denkenden, wenn auch der Kirche ent-
fremdeten Männern die Erkenntniß Platz, daß die
bon dem Liberalismus eingeführte religionslose
Schule den Hauptantheil an dem Unheil trage und
daß eine Heilung deS Nebels nur zu erwarten sei,
wenn auf diesem Gebiete Wandel geschafft werde.
Wohin muß es mit einem Volke kommen, in dem
don der Schule aus die Frömmigkeit geflissentlich zer-
stört wird? So hat z. Zt. des Attentats auf Carnoi
der bekannte Philosoph uns frühere UnterrichtSminister
W Frankreich, JuleS Simon geschrieben:
„Kein Volk darf ungestraft Jahre hindurch den
«edanken an Gott aus feinem Unterrichtswesen ver-
drängen. Ich weiß wohl, daß die Regierung die Re-
«gion nicht ausgerottet hat, aber sie hat dieselbe auS-
üewiesen, zurückgewiesen, verborgen. Sie hatte damit
angefangen, die Ordensleute zu verjagen, dann ver-
sagte sie die Priester und entfernte selbst die religiösen
Bücher aus den Schulen. Ein im Pulte eines
Schülers aufgefuudeuer Katechismus galt als Beweis-
mittel gegen den Lehrer. Die Kruzifixe wurden als
Unbrauchbare Schulmöbel angesehen und auf Wagen
furtgeschafft. Man brachte sie aus den Gerichtszimmern
und den Sälen der Hospitäler weg. Gewisse Ge-
weinderäthe hielten es für ihre Aufgabe, die Schul-
dlbliotheken zu untersuchen und daraus die Bücher zu
rutfernrn, in welchen der Name Gottes enthalten war.

Als ein Mitglied der Kammer, dessen Gewissen sich
regte, vorschlug, an die Spitze des Programms für
den Plimär-Unterricht die Liebe zu Gott und dem
Vaterlands zu setzen, rief mau um ihn herum: „Was
für einen Gott?" Das sollte heißen: „Es giebt kei-
nen Gott!" oder wenigstens: „Es giebt keinen Gott,
den man unsere Kinder lehren sollte." Inmitten
dieses Krieges, den ein Minister einen großen Krieg
nannte, kam das Wort auf: vi cliou ui waitr« (weder
Gott noch Herr), welches alle Geister über die Folgen
dessen, was man that, hätte aufklären müssen. Selbst
damals erkannte man, daß der Unterricht ohne Er-
ziehung werthlos ist. WaS aber ist die Erziehung
ohne Gott?
Ich setze entschieden den Priester an die Seite des
Lehrers und der Mutter, nicht als ob ich eine Staats-
religion oder eine Herrschaft der Kirche haben wollte
... ich verlange für die Religion nur Achtung und
Freiheit; ich verlange für den Glauben an Gott nur
das Bürgerrecht. Jeder soll ihn frei anrufen können
nach dem Glauben seiner Väter. Ich kann es nicht
vergessen, daß zu jenen Zeiten, als gegen die Kirche
der Kampf heftig war, Frankreich den Name» Gottes
schrieb. Da man die Seele Frankreichs wieder be-
leben will, möge man nicht eine wichtige ErziehungS-
kraft vergessen. Nächst der Familie, welche die Quelle
aller guten Gefühle ist, gibt es noch zwei Kräfte,
welche Cousin und Thiers als unsterbliche Schwestern
bezeichnen: die Religion und die Philosophie. Die
Erziehung eines Volkes muß sich an die Autorität
anlehnen. Die Natur selbst hat den Mann bestimmt,
zu diSkutiren, und das Kind, zu glauben. Ein Gesetz
über die Erziehung ist schwieriger zu machen, als ein
anderes Gesetz. Die religionsfeindlichen Lehren, welche
an Boden in Frankreich verlieren, werden noch leiden-
schaftlich vertheidigt durch gewisse Leute, welche sich
für fortgeschritten halten und doch Rückschrittler sind.
Das ist k,in Grund, allen Arten von Nihilisten und
Anarchisten diejenigen Schranken nicht entgegenzu-
stellen, die sie nicht überspringen können. Die große
Mehrzahl der Unglücklichen, an welche in Folge der
Attentate die Gerechtigkeit Hand angelegt hat, sind
junge Leute, die erzogen sind, als das Bild Gottes
überall verhüllt war. Die schreckliche Lektion ist ge-
geben, möge sie verstanden werden! Die Erziehung
macht den Menschen und der Mensch das Volk."
Ganz in Uebereinstimmung hiermit hat sich ein
nicht minder kompetenter Bcurtheiler, der Unter-
suchungsrichter Guillot über die religionslose Schule
wie foljjt ausgesprochen:

„Warum scheitern so viele gutgemeinte Versuche,
der Jugend aufzuyelfen? Weil min die Kinder der
einzigen Kraft beraubt, die auf sie wirkt, nämlich der
sittlichen und religiösen Erziehung. Mag mau von
der Religion denken wie man will, sie ist besonders
für das Kind ein sittlich bildendes Element, und
zwar das mächtigste von allen. DaS Kind, welches
sich von Gott gesehen und gefolgt glaubt, wird anders
gehütet sein, als dasjenige, das nur einem menschlichem
Auge sich zu entziehen sucht, welches daS Kind nicht
überall sieht und verfolgt. Man hat die Religion
aus den offiziellen Kreisen wie aus manchen Privat-
gesellschaften verbannt, daher rührt — das sage ich
nicht von meinem Gefühle, sondern auf Grund lang-
jähriger Erfahrung — ein gewaltiger Rückgang. Mit
dem religiösen Ideal schwindet auch jedes andere
Ideal. Vaterland, Familie, Pflicht stad Worte, die
ebenso wie das Wort Religion nur ein Lächeln her-
vorrrufen. Es bleibt nur noch der Kampf für daS
Leben, für die unmittelbaren Bedürfnisse und die
rohen Instinkte. Dies alles erwacht im Alter, wo
man früher mit Soldaten und Puppen spielte, und
führt in den Schlamm, in's G-ffängniß und manchmal
aufs Schaffst. Trotzdem wird in gewissen antikleri-
kalen Anstalten des Landes die Verbildung der Jugend
systematisch betrieben. Ein ZeitungSrebakteur hatte
zur Zeit der Pceisaustheilungen, mit dem Direktor eines
Mädchenpensionats folgende Unterredung: „Sie haben
keinen Preis für KatechismuSuntercicht?" — „Wahr-
haftig, nein!" — „So werden Sie das Gegen-
theil haben?" — Ja gewiß. W-r habenden Preis
für den Antiklerikalismus; derselbe wird der
Schülerin ertheilt, die das Jahr hindurch sich als
die von den alten Vorurtheilen am weitesten befreite
erwiesen hat. Es trifft sich sehr selten, daß die Kin-
der, die man uns anvertraut, auf dem Schooß ihrer
Mütter oder ihrer Großmütter nicht einige religiöse
Grundsätze gelernt haben. Und das verschwinden zu
machen, ist schwerer, als man glaubt, aber mau bringt
es dahin."
Deutsches Reich.
* Berlin, 7. Jan. Der Bundesrath über-
wies in seiner heutigen Sitzung nachstehende Vorla-
gen-den zuständigeu Ausschüssen: Den Antrag Sach-
sens betr. Aufhebung des Kammzug-TerminhandelS
in Leipzig und die Vorlagen betr. den Entwurf eines
Gesetzes sür Elsaß-Lothringen über die Erhebung von
Abgaben behufs Deckung der Ausgaben der Handels-
kammern, betr. eine Zusatzakte über die Deklaration

Stich und Lleöe. L«
H Dem Amerikanischen nacherzählt.
. «Nein, ich denke nicht," entgegnete Walter. „Wir schul-
den Mr. Graham mehr, als wir ihm je zurückzahlen köa-
«en. und ich will lieber mein Leben lang in unserm alten
vause bleiben, als von seiner Güte abhängig sein. 2u
AMe, Du magst das Geld Deinem Vater zurückschicken,"
Wte er hinzu. „Sage ihm, daß ich ihm dankbar wäre,
aver ich könnte seine Gabe nicht annehmen."
„O Walter I" Und indem sie auf den Stuhl kletterte,
?« welchem Walter stand, schlang Jessie ihre Arme um
Wen Hals und bestürmte ihn so mit Bitten, bis er end-
«ch nachgeben und die werthvolle Gabe annehmen mußte,
jedoch that er es nur unter der Bedingung, daß Mr.
Graham ihm erlaube, dieselbe rurückzuzahlen, sobald er es
Mr. Graham, an den jetzt sofort abermals ein Brief
Mesandt wurde, erklärte sich in seinem Antwortschreiben
UM't einverstanden, weil er den stolzen Sinn, der sich in
wußk ^dingung aussprach, sehr wohl zu würdigen
»Ich achte Dich darum nicht weniger," schrieb er,
Aff Du für Dich selber sorgen willst. Wie leicht mag die
«est kommen, daß ich das Geld, welches ich Dir jetzt so
übergebe, für mich selbst und für die Meinigen be-
Einstweilen aber beunruhige Dich nicht darüber,
AArn wirf Dich mit aller Kraft daraus, Deine Erziehung
Krollenden. Später werde ich Hülfe in meinem Geschäfte
dUlg, haben, und nichts würde mich mehr freuen, als
Ni"" rch die Namen Graham und Marshall in meiner
«uma wieder vereinigt sähe. Gott segne Deinen Vater,
o er auch immer sein mag."
t„-Aeser Brief hat e die richtige Saite im Herzen Wal-
"hr.t, und oft sah der glückliche Knabe in seinen
em Firmenschild, das in goldenen Buchstaben
tzni^Meu Graham und Marshall zeigte. Nun begannen
w die Vorbereitungen für den Abschied des jungen Stu-

denten ; die allgemeine Aufregung, die ängstliche Sorge um
den Scheidenden zeigte am besten, wie sehr er geliebt
wurde. Ein jeder wünschte, etwas für ihn zu thun; sogar
die kleine Jessie, die vor ihrer Ankunft in Deerwood nie-
mals zu einer nützlichen Besch üftigung war cngehalten
worden, bemühte sich emsig, ein paar Socken zu vollenden,
wte Ellen sie im verflossenen Wmter für den Großvater
gestrickt hatte. Aber ach! ihre Hoffnung auf Erfolg war
äußerst gering; denn Stricken war JessieS Stärke nicht,
und selbst Walter konnte ein Lächeln nicht unterdrücken,
wie langsam das mißrathene Kunstwerk in ihrer Hand
wuchs. Endlich gab sie in Berzwe flung das vergebliche
Beginnen auf, und eines Abends, als Niemand in der
Stube war, warf sie ihr Werk in den Ofen.
„Ich muß ihm aber doch ein Andenken geben," dachte
sie, und weil sie sich erinnerte, daß er oftmals die Locken
schmeichelnd durch die Hand hatte gleiten lassen, nahm sie
die Scheere, schnitt die längste und schönste Locke herunter
und gab sie ihm. „Als mein Vater abreiste," erklärte sie
ihm, „hat er eine Locke von mir mitgenommen, und Du
hast vielleicht auch gerne eine."
Walter nahm das Geschenk lachend entgegen; aber es
war ihm in später en Jahren ein theures Kleinod, das er
nicht gegen andere Schätze hätte vertauschen mögen.
Endlich kam der Nprilmorgen, an welchem Walter
se me Hcimath verließ. Thronenden Auges blickte die ganze
Familie dem Scheidenden nach, bis eine Biegung drr
Straße ihn ihren Blicken entzog. Sie alle fühlten, daß mit
de m lebhaften, thätigen Knaben der Sonnenschein für lange
Z ert aus dem Hause gewichen sei. Walter selbst hatte sich
in eine Ecke des Wagens gedrückt und zählte die Bäume
a n der Landstraße, um die Tkränen, die ihn übermannen
w ollten, zu überwinden. Bald freilich verließ ihn das
G efühl trauernden Schmerzes; mit der glücklichen Leich-
tr gkeit der Jugend versetzte er sich in zukünftige Zeiten.

3. Kapitel.
Acht Jahre später.

Jahre floh'n; der blonde Knabe
War zum Jüngling aufgeschossen.
Stark und stattlich; still, doch glühend»
Offenen Auges, doch verschlossen-
ES war ein angenehmer Tag im Spätsommer. Die
anmuthigen Gartenanlagen, welche das Univsrsitätsge-
bäude zu New Haven umgaben, waren von Gruppen hei-
terer Menschen reich belebt- Die Einen standen plaudernd
zusammen, dre Anderen lustwandelten im Schatten der
hohen Ulmen und wieder Andere begaben sich in das präch-
tlge Gebäude, um m der weiten menschengefüllte» Aula
der Rede des rungen Mannes,zu lauschen, der am Schluffe
semer Studienzeit stand und sich den Doktorgrad erworben
harte. Noä, batte der feierliche Akt nicht begonnen, unb
der Held des Tages, dessen Züge eine gewisse Unruhe ver-
netzen, blickte suchend und erwartungsvoll über sein Au-
ditorium. Offenbar hatte er erwartet, unter all den Ge-
sichtern ein bestimmtes, ihm besonders erwünschtes, zu
finden; aber sein Suchen war vergebens. Nur zwei Ge-
stalten zogen seine Aufmerksamkeit auf sich, ein alter, grau-
haariger Mann, der sich mühsam auf einen derben Stock
stutzte, und m der vorderen Reihe ein junger Elegant mit
gewaltigem Barte, der den mgendlichen Redner mit ge-
spannter Aufmerksamkeit betrachtete. "
ruhiger, würdiger Miene gab Walterden scharfen
er gleichzeitig überlegte, wo er dies
^Än.ni^^^reits gcsehen habc. Plötzlich kam ihm die
"Pi) es gewährte ihm eme große Genugihuung,
bah?me zweite Begegnung mtt diesem Manne gerade bei
M^n-^.bürnhelt stat!finde. Fröhlich winkte er dem alten
d s "Ak Rerse nicht gescheut hatte, um
«AArenw" seines Enkels mttzufeiern. Als endlich die
Rede begann und die Worte leicht und gewandt von Wal-
Lippen flössen, hlnaen die Blicke aller Zuhörer mit
dem Ausdrucke größten Interesses an dec männlich schönen
Gestalt auf oem Katheder; und als er geredet, war viel-
stimmiger Beifall se,n Lohn und sein Lob. Sein Großvater
 
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