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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Dezember 1897
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Nr. 292
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#1214

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dieser; Ungeheuern und noch einer unabsehbaren Ent-
wickelung fähigen Mark», so wird sich der Rückschlag
auf das europäische Jndustrieleben auf die Miüioum
industriellkn Arbeiter in niederdrückender Weiss bemrrk-
bar wachen, er wird dort zu Noch und Unruhen
führen. Dem muß vorgeöeugt werden. DieZ aber
ka-an nur geschehen, dadurch, daß mau so zu sagen
den „Daumen auf Japan hält." Japan wittert in
der That schon Unrach und sucht sich feiner Haut
durch Militärische Anstrengungen zu wehren.
Eine solche Auffassung vsu der zukünftigen Ent-
wickelung der Dinge in Ostasirn ist recht materiell;
man wird ihr jedenfalls am wenigsten in denjenMN
Kreisen Beifall zollen, welche Japan als eins Art
ideales Spiegelbild deutschen Könnens auf wissenschaft-
lichem und technischem Gebiet Kuschen. Mit diesen
Kreisen befaßt sich auch v. Heffe-Wartsgß; und wenn
er auch nicht drabsichügt, ihnen ihren Idealismus
ganz auszutreiben, so bemüht er sich doch, durch seine
reale Darstellung sie zu eirer nüchternen Auffassung
dessen zu bewegen, was die Japaner wirklich im
Schilde führen. Es ist die bis zur Gewissenlosigkeit
gesteigerte Nachahmung europäischer Erzeugnisse, auf
denen sie selbst die deutschen Fabrikmarken nachmachen:
„Dis deutschen Idealisten sagen, „die in Deutschland
erzogenen Japaner haben nach ihrer Rückkehr deut-
schen Geist und deutsche Ideen überall verbreitet".
Sie haben nicht nur das gethan, sie haben auch Fab-
riken ' nach deutschem Muster eingerichtet, in denen
sie deutsche Waarrn erzeugen, mit dem deutschen
Fabrikftempel versehen und daun auf den deutschen
Märkten in Ostasien zu viel billigem Preisen los-
schlagen; diese haben die aus Deutschland kommenden
Waaren großenthrilS verdrängt und dadurch dem
deutschen Handel schon jetzt empfindlichen Schaden
zugefügt. Was soll daraus nun in zehn und zwan-
zig Jahren werden, wenn die industrielle Entwickelung
Japans und die, sagen wir ein Mal, Prinzipienlosig-
keit der Japaner in demselben Maße weiter schreitet
wie bisher? Was sollen unsere Fabriken, unsere
Arbeiter dann anfangeu?"
In den vielen interessanten Capitel» des Buches
v. Hesse-Wartegg'S sind selbstverständlich auch dis
christlichen Missionsanstalten und die Christen-
verfolgungen in China berücksichtigt. Manche
Stellen darin muthen den Leser an, als seien sie
unter dem unmittelbaren Eindruck der neuesten Vers
folgung und des dann bei Kiaotschau von den Deut-
schen unternommenen Handstreichs geschrieben, was
zwar nicht der Fall ist, dem Buche aber ein um so
actuellereS Interesse verleiht. Der Verfasser betont,
daß mit den Missionen die Hoffnungen stehen und
fallen, Eingang in daL Reich der Mitte zu erzielen,
und daß schon deshalb die Missionen ohne Unterschied
des Glaubens den weitestgehenden Schutz der Mächte
verdienten. „Mit Parlamentiren kommt man bei den
Chinesen nicht vorwärts. Eine Kanonenmündung
flößt ihnen größer» Respekt ein, als alle Gesandten
zusammengenowmen. . . . Mit christlicher Liebe
allein ist noch kein orientalisches Reich den Europäern
geöffnet worden. Immer und überall mußte die Ge-
walt mitsprechen. Die alten, hartnäckigen, den Frem-
den trotzenden Mächte sind wie die Austern. Man
muß sie mit Gewalt öffnen; dann sind sie todt und
können von den Europäern verspeist werden." Die
nächste Zukunft wird lehren, ob die coalirten Mächte
an China eine solche Auffassung bethätigen wollen.
Deutsches Reich.
* «erlitt, 20. Dez. Die „Nordd. Allg. Ztg."
erklärt, die Nachricht des „Sunday Special", daß
zwischen Deutschland und Italien ein Abkommen wegen
eventueller Ueberlaffung einer Kohlenstation auf St-
cilien an Deutschland getroffen worden sei, entbehre
jeder Begründung.
* Maiuz, 18. Dez. Zum diamantenen Priester -
jubiläum des Heiligen Vaters wird ein gemeinsamer
Hirtenbrief des preußischen Episkopates, Mitunterzeich-
ner von dem Bischof von Mainz und dem Capitular-
Vikar von Freiburg erscheinen. DaS Hirtenschreiben
soll in allen Kirchen am Feste deS heil. Stephanus
von der Kanzel verkündet werden. Am NeujahrStage
ist die kirchliche Feier des Jubelfestes; in der Predigt
des Festtages soll auf die Jubelfeier des Heiligen
Vaters hingewiesen, nach dem Hochamt wird ein
feierlicher Trdeum gesungen und die an diesem Tage
abzuhalteude Kirchenkollekte als besonderer PeterS-
pfennig dem Heiligen Vater von den Bischöfen ein-
gesandt werden.

Ausland.
* PortSmonth, 20. Dez. DaS deutsche Flagg-
schiff „Deutschland" wurde gestern früh hier erwartet.
Als das Schiff bis 6 Uhr Abends von Dover noch
nicht fignalirt war, kam man zu der Vermuthung,
daß die „Deutschland" durch den herrschenden dichten
Rebel ausgehalten worden fei. Kurz nach 6 Uhr
Abends zeigte das Aufflammen der Sianallichter an,
daß ein Schiff bei Spithead angekommen war Hier.

auf erkannte mau, daß die Deutschland und der „Ge-
fion" ihren Weg durch dm Nebel genommen und etwa
2 Meilen von Spithead vor Anker lagen. Daß mau
mit einem Male die Deutschland vor Anker liegen
sah, erregte ,,allgemeine Ueberraschung, da spezieller
Auftrag gegeben worden war, Signale zu geben, so-
bald ein Schiff der deutschen Panzerkreuzer eintreffe.
Admiral Seymour, welcher die ganze Zeit über ge-
wartet hatte, um den deutschen Schiffen die Ehre er-
weisen zu kölmrn, machte sich nunmehr auf,
um den Prinzen Heinrich zu bewillkommnen. In
Marimkrcisen betrachtet man die Fahrt der Sch'ffe
durch den Nebel als eine glänzende seemännische
Leistung.
* PsrLsmonth, 20. Du. Der Kreuzer „Deutsch-
land" u -d der Gefion werden Spithead morgen früh
9 Uhr verlasst», wenn eS ihnen möglich ist, Kohlen
eivzuuehrmn. Die See geht indessen so hoch, daß die
Kohlenschiffe nicht an die Läugsstite des Kreuzers ge-
langen können. Prinz Heinrich hat die Nacht m ÖZ-
borne verbracht und ist heute früh mit dem Prinzen
Ludwig an Bord des Deutschland zurückgekehrt, wo-
rauf von der Salutbatteris der Salut erfolgte.
* Wien, 20. Dez. Der Rektor Ulbüch und fünf
Professoren der Prager deutschen Universi-
tät erschienen heute beim U.iterrichisminister mit dem
Ersuchen um Schutzmaßnahmen für die deutschen Um-
versitäis-Institute. Der Minister Latour sagte zu,
alle Verfügungen zu treffen, welche die ungehinderte
Wiederaufnahme der Vorlesungen und di? gedeihliche
Fortentwicklung der Universität ermöglichen sollen.
* Prag, 20. Dez. Eine Versammlung der Ver-
trauensmänner der Jungczschenpartei beschloß eine
Resolution, in der erklärt wurde, daß einem eventuellen
Ausgleiche mit den Deutschen eine gehörige Geriug-
Lhuung vomusgehen müsse für alle Bedrückungen und
Unbill, dir un drr Czechenation, an ihrem guten
Namen und insbesondere an ihren Minoritäten verübt
wurden. Einer Zweitheiluug Böhmens würde man
sich entschieden widersetzen. Die Resolution tutt
für Regelung des staatsrechtlichen Verhältnisses der
Länder der böhmischen Krone zu anderen Ländern
ein. Eine dauernde Sicherstellung der Autonomie der
Länder wäre das einzige Mittel zur Beseitigung der
Kämpfe in Oesterreich. Entschieden müsse die Einberufung
des böhmischen Landtages gesördert werden. Schließlich
vemrthrilkn die Vertrauensmänner die Prager Ereig-
nisse, die ohne Mitwirkung und Zustimmung czechischer
nationaler Kreise nur in Folge der unverzeihlichen
deutschen Provokationen wie selbst der Statthalter
zugestanden habe, hervorgerufen worden seien. Die
Versammlung schickte an Badeni ein HuldigungS
telegramm.

Aus Baden.
Heidelberg, 21. Dez.
----- Ein letztes Blümlein inniger Verehrung
und dankbarer Liebe nochmals niederzulegen auf das
Grab des seligen CanifiuS, ist die Absicht dieser Zeilen.
Der selige Petrus Canisius ist heute vor dreihundert
Jahren, am 21. Dezember 1597 dem Feste deS hei-
ligen Apostels Thomas, genau 3^4 Uhr Nachmittags
zu Freiburg in der Schweiz sanft im Herrn ent»
schlafen. Ueber seinen Tod erzählt seine Lebensbe-
schreibung :
„Anfang Advent 1597 sagte CanifiuS: „Binnen
kurzem werde ich scheiden." ES war so; er sollte
Weihnachten im Himmel feiern. Am liebsten lag
jetzt CanisiuS der Betrachtung und dem Gebete ob.
Täglich betete er den Rosenkranz. Ungefähr sieben
Stunden des Tage- verwendete er nach der Aussage
des Krankenbruders auf das Gebet. So kam der
Vorabend vom Feste des heiligen Thomas heran.
Gegen Abend war CanifiuS vom Bette aufgestanden,
um die Vesper aus den marianischen Tageszeiten
zu beten. Dann verlangte er wieder zu Bette gelegt
zu werden.
Hierauf ergriff ihn ein heftiger Schrecke». Der
Heiland, der im Oelberge selbst betrübt war bis in
den Tod, läßt manchmal seine Freunde einen Tropfen
aus dem Kelche kosten, damit sie zu letzter Bewäh-
rung ihrer Treue mit ihm sprechen: „Nicht mein,
sondern dein Wille geschehe!" Dann kommt der
Engel herab, sie zu trösten. Er kam auch zu Cani-
siuS herab. Nachdem seine um ihn versammelten Or-
denSgenoffen die Bußpsaluieu und die „Empfehlung der
Seele" gebetet hatten, kehrte himmlischer Friede wie-
der bei ihm ein. Am nächsten Morgen empfing er
unter Thränen die heilige Wegzehrung und die letzte
Oelung, dann blieb er mehrere Stunden unbeweglich,
in Andacht versunken, liege». Die Mitglieder deS
Hauses, drei Vertreter der Regierung, zwei Kapuziner
sammelten sich im Zimmer, der TodeSkampf begann.
Um drei Uhr Nachmittags erhellte sich fein
Angesicht, rL nahm einen liebliche« Ausdruck
an und nach der Thüre hi» mit dem Finger
weisend, rief er ganz deutlich: „Seht ihr nicht-
Seht ihr nicht ?" Die Umstehende» bemerkte« nichts.
Wahl darf wem nernwlhen, daß die frÜDste Amlßfnm

ihm erschienen sei, um seine Seele vor den Richter
stuhl seines Sohnes zu begleiten. Den Blick unver-
wandt nach der Thüre gerichtet, betete er mit de»
Umsteh-nden den Rosenkranz. Einen Augenblick unter-
brach er dieses Gebet und nahm von den Anwesend
Abschied, dann setzte er dasselbe fort, küßte das KreüZ
und hielt eS fest m der Hand. Als er langsam Zü
sinken begann, war seine See e sanft hinübergegangeir
in die Freude seines Herr». Es war am 21. Dez-
1597, dem Feste des heiligen Apostels Thomas geaalt
3*/i Uhr Nachmittags.
Der Himmel zählte einen Heiligen mehr, di« Wett
auf welcher er sechsundsiehenzig Jahre sieben Monats
und dreizehn Tage zugebracht hatte, einen weniger-
— Für die Zusammensetzung des Nächsten
Reichstages auf G und der Neuwahlen ist, sagt
die Frns. Ztg, in einer Wahlbetrachtung, „8^
genwärtig nicht so gefährlich die Stärke der rechts-
stehenden Parteien als die Stärke der Sozialdemo-
kratie in denjenigen Wahlkreisen, in welchen die So-
zialdemokratie unter Umständen andere Liberal; zw»r
auZ der Stichwahl zu verdrängen, aber selbst bei der
Stichwahl das Mandat nach dem Charakter des gan-
zen Wahlkreises nicht zu erlangen vermag. Die für
den Liberalismus besten Wahlkreise sind dutzendweift
im Laufe der Zeit an rechtsstehende Parteien verloren
gegangen, nicht infolge einer RechtSströmungl im Wahl-
kreise oder einer Unemigknt unter den Liberalen, son-
dern umgekehrt dadurch, daß man sich in einem ge-
wissen unklaren Radikalismus vielfach dec Sozialde-
mokratie zuivandte, und derselben damit unter Zurück-
drängung deS entschiedenen Liberalismus zu einer
Stichwahl verhalf aus der alsdann nicht die Sozial-
demokratie, sondern ein ganz rechts stehender Canvi-
dat als Sieger hervorgiug."
.....

Aus Nah und Fern.
Nachricht.u für diese Rubrik find uns jederzeit willlommeü. — Etwaig-
Kofteu werden stet» sofort ersetzt.)
* Heidelberg, 21. Dez. (MuthmaßlicheS Wetter für
Mittwoch, 22. Dezember.) Morgens nebliges, im übrigen
trockenes und tagsüber heiteres Wetter in Aussicht
nehmen.
* Heidelberg, 21. Der- (G ew erb eg e rich t s siö'
ung vom 3. Dezember.) Gegenwärtig Bürgermeister Dl-
Walz als Vorsitzender, Bäckermeister Lucius Riegler und
Schlosser Franz Köhler als B-isitzrr und Sekretär Dürr
als Gerichtsschreibex.
1. I. S- des Webermeister Georg Baumann gegen
Kaufmann Joseph Trilling dahier, Entschädigungsforder-
ung von 90 M. wegen kündigungsloscr Entlastung betr.,
einigten sich die Parteien dahin, daß der Beklagte dein
Kläger zur Ermöglichung der Heimreise de» Betrag von
8 M. bezahlt und die Kosten der Verköstigung während
der Dauer des Arbeitsverhältniffes übernimmt.
2. I. S. des Webergehilfen Karl Decker gegen den
gleichen Beklagten wurde der Kläger auf Ausbleiben inj
Termin mit seiner erhobenen Klag; auf Zahlung von 1/
Mark Entschädigung wegen kündigungsloser Entlastung av-
gewiesen
3. Die Putzmacherin Emma Seelig klagte gegen M-
Anria Krausmann dahier auf Zahlung einer Entschädigung
von 220 M- wegen vorzeitiger Entlastung, indem die Kl»!
gerin geltend machte, stc fei zur ArbeltSletstuna bis 1 In«
k. IS. eingestellt. Auf Grund der gepflogenen Verhandln»'
gen mußte die Klägerin jedoch mit dem erhobenen Anspru»
zurückgewiesen werden-
Ohne Zuzug von Beisitzern wurde am 6. d. Mts- noÄ
folgender Streitfall erledigt:
4. Die Klage des Taglöhners Peter Wolf gegen
Hopfenhändler Leopold Sternweiler dahier auf Zahlung
von 12 M- wegen kSndigunasloser Entlastung, indem st«
der Kläger nach der ersten Verhandlung mit dem Bemerken
entfernte, daß er auf die Weiterführung der Klage verzichte-
* Heidelberg, 21. Dez. Gestern Nachmittag fiel ein
Arbeiter ans der Pfalz bet dem Abbruch einer Hütte vo«
einer Höhe von nur M Centimeter so unglücklich auf den
Rücken, daß derselbe in das akad. Krankenhaus verbräun
werden mußte, woselbst der Bedauernswerthe Nachmittag»
4 Uhr seinen Verletzungen erlegen ist.
* Heidelberg, 21. Dez. Zwei Frauenspersonen /wur-
den wegen Trunkenheit verhaftet; ferner ein Kellner, der
von einer auswärtigen Behörde wegen Diebstahl verfolg»
wurde.
* Mannheim, 20. Dez. Die Oberreinische Bank
hier erhöht ihr Aktienkapital von 9 Millionen aus
15 Millionen Mark u. errichtet eine Filiale in Karls-
ruhe und Freiburg i. B.
* Mannheim, 20. Dez. Ein Gedächtnißakt des
hiesigen GrenadierrregimentS fand heute Vormittag 11
Uhr zur Erinnerung an das Gefecht bei NuitS av>
hiesigen Kriegerdenkmal statt. Unter klingendem Spiele
zogen die Truppen nach dem Monument am Rhein-
thor, woselbst Herr Oberst v. Zastrow eine markige,
zündende Ansprache hielt, schließend mit einem drei-
maligen Hurrah auf den deutschen Kaiser.
* Weinheim, 19. Dez. Gestern feierten hier die
Eheleute Wetzel ihr 50jährigeS Jubiläum als Schm-
diener. Den schlichten und immer noch recht dienst
eifrigen Leuten wurde große Ehre zu Theil. Seitens
der Bürgermeisterei u. deS Lehrerpersonals fanden
offizielle Gratulationen u. Ueberreichung entsprechender
Geschenken statt.
* MoSbach, 19. Dez. An der Expedition na,H
China ist auch ein Morbacher Matrosenartillerlfi
NaminS Philipp Seher brtheili-t.
a* Mtthet«, 20. Der. Heut- Nacht.kur» «aj
IS Uhr ward« mir durch H««rr«f «I dem Schlaf'
 
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