^raufenden »Großer Gott wir loben Dich- schloß dir
Einweihungsfeier.
Nachmittags um halb 3 Uhr war Herz-Jesu-Andacht
mit Predigt; Herr Curat Mußler wendete sich haupt-
sächlich an die zahlreich erschienenen Kinder der Pfarr-
gemeinde, für die das göttliche Herz Jesus besonders
warm schlage, und zu denen Christus das beglückende
Wort gesprochen habe: Lasset sie zu mir kommen, und
wehret ihnen nicht. Nach dem Gottesdienst ordneten
sich die Kinderschaaren auf dem Kirchplatz und zogen
unter den Klängen einer Abtheilung Militärmusik in
geschlossenen Rechen durch die sestlich geschmückten
Straßen des Stühlingers und zurück zum Festplatz,
wo nach Aufführung einer allegorischen Darstellung
die Bescheerung vor sich ging. Nicht weniger als
2000 Würste wurden verabreicht und mit sichtlichem
Behagen verspeist. Auch die nöihige Zugabe von Brod
und einem Schluck Bier fehlte nicht, und für die klei-
neren Kinder hatte eine gütige Hand eine reichliche
Spende Zuckerwaaren und „Gutsle" gestiftet.
Abends um 8 Uhr begann in der gut besetzten
Sängerhalle das zwanglose Bankett. Wie im ganzen
Verlauf des Festes, so herrschte auch hier eine freudige,
gehobene Stimmung, die in zahlreichen Reden und
Ansprachen Ausdruck fand.
Deutsches Reich.
* Berlin, 5. Mai. Die ReichstagSkommisfion
für die Handwerksorganisationsvorlage nahm Z 100s
und 100t an, letzteren mit dem Anträge Gamp, der
die Aufhebung oder Schließung erschwert. Damit ist
der erste Theil (Innungen) erledigt. Theil 2 (Jnn-
ungsauSschüsse) Theil 3 (Handwerkerkammern) und
Theil 4 (Jnnungsverbände) erfuhren nur uuwesent
liche Abänderungen. Die Commission begann sodann
die Berathung des Abschnittes über das Lehrlingswesen
und^, nahm eine Reihe vonWaragraphen dieses Ab-
schnittes nach der Regierungsvorlage an.
* Berlin, 5. Mai. Wie die „Nordd. Allg. Ztg."
meldet, wird angenommen, daß zum Nachfolger des
Staatssekretärs Stephan Unterstaatssekretär Fischer
ernannt werde.
Deutscher Reichstag
Berlin, 5. Mai.
' Am Bundesrathstische Staatssekretär v. Bötticher.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung
des Auswanderungsgesetzes.
Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte über die
Zusammenfassung der ersten Paragraphen für die
Debatte beginnt die Berathung über 8 1: „Unter-
nehmer für Beförderung von Auswanderern nach
außerdeutschen Ländern bedürfen der Erlaubnis"
Abg. Lenzmann (freis. Volksp.): Meine politischen
Freunde und ich können uns mit dem Gesetz nicht
befreunden. Dasselbe trägt den Stempel der Polizei-
vorschriften an der Stirn. Das Gesetz ist außerdem
überhastet hergestellt, das ist überall zu bemerken.
Das Gesetz verstärkt die sozialen Gegensätze zwischen
reichen und armen Auswanderern. Ich bitte daher
dar Gesetz abzulehnen oder nochmals an die Com-
mission zurückzuverweisen.
Äbg. v. Cuny (liatl.), der Vorsitzende der Commission,
vertheidigt die Commission gegen den Borwurf der
Ueberhastung.
Abg. Hahn (fraktionsl.) greift den Abg. Lenzmann
an und weist auf den Nutzen hin, den die Deutschen
im Auslande dem nationalen Gedanken leisten könnten,
soweit sie nicht mehr infolge der internationalen Frei-
zügigkeit Volksdünger seien wie jetzt.
Abg. Hasse (natl.) und Abg. Förster (Antisemit)
greifen die Aeußerungen des Abg. Lenzmann an.
Abg. Barth (freis. Vg.) meint, der Abg. Hahn möge
nicht so viel mit dem nationalen Gedanken prunken.
Die Vorlage sei eine bureaukratische verfehlte Arbeit.
Die Petition der Hamburger Rheder, die auch Wör-
mann unterschriebe» habe, sei sehr verständig.
Abg. v. Arnim (ReichSp.) begrüßt das Gesetz mit
Freuden.
tz 1 wird nach dem KommissionSbeschlusse ange-
nommen.
Nach kurzen Worten des Direktors Reichardt
bemerkt Geheimrath Dr. Richter, daß das Gesetz
hierin im Wesentlichen nur bereits bestehende Be-
stimmungen der hanseatischen und preußischen Gesetz-
gebung übernehme. Daher sei der Antrag Frese nicht
zu empfehlen.
Gerisch (Soz.) spricht sich für den Antrag Frese aus.
Nächste Sitzung morgen 1 Uhr. Bei der Fest-
stellung der Tagesordnung entspinnt sich eine sehr
aufgeregte Debatte, da die Abgg. Bachem und v.
Levetzow beantragen, morgen einen Schwerinstag
(Margarine) anzusetzen. Dieser Antrag wird abge-
lehnt. Tagesordnung: Fortsetzung der heutiges.
Schluß 5-> Uhr.
Ausland.
* Washington, 5. Mai. Aldrich legte den
Bericht des Finanzausschusses über die Tarifbill
vor und theilte mit, er werde beantragen, die Be-
rathung der Bill auf den 18. d. M. festzusetzen. Der
Bericht thut der rückwirkenden Klausel keine Erwähnung
und schlägt den 1. Juli an Stelle der 1. Mai für
daS Inkrafttreten der Bill vor. Bei der Tarifposttion
„Wolle" werden für die Lvom Repräsentanten Hause
angenommenen Sätze folgende Ermäßigungen vorge-
schlagen : für Wolle 1. Klasse von 11 auf 8 Cent
pro Pfund, für Wolle 2. Klasse von 12 auf 9 Cent
pro Pfund, für Wolle 3. Klasse, wenn ihr Werth
unter 10 Cent pro Pfund ist 14, und wenn -ihr
Werth höher ist 7 Cent Zoll, während daS Repräsen-
tentenhaus für Wolle 3. Klasse einen Satz von 32 pCt.
vom Werthe, wenn der Werth unter 13 Cent pro
Pfund beträgt, und, einen solchen von 50 pCt. vom
Werthe, wenn der Werth höher ist, feftgestellt hatte.
DaSZgrotze Brandunglück in Paris..
* Paris, 5. Mai. Die Herzogin von Alengon
ist thatsächlich verschwunden. Die Polizei glaubt zwar,
sie befinde sich in einem Zimmer des Champs Elysees,
wohin nach dec Katastrophe Verwundete geschafft wurden,
aber bisher konnten ihre Schwestern, die Köngin von
Neapel und die Gräfin Trani, welche die ganze Nacht
nach ihr herumsuchten, keine Nachricht erhalten. Der
Leichnam der Herzogin ist zwar auch nicht gefunden,
aber einige Blätter nennen sie bereits unter den Tobten.
Der „Figaro" gibt folgende erste Tobtenliste: 1. Her-
zogin von Alengon; 2. Gräfin Hunolstein, Schwester
des Herzoges von Uzes; 3. Marquise Maison,
Schwester des Barons Mockau; 4. Baronin Batimes-
nil, Schwägerin der vorgenannten; 5 Baronin Lau-
mont, die mit ihrer Tochter umgckominen ist; 6. die
beiden Töchter des Grafen Chevilly, eines der Chefs
der Partei dis Herzogs von Orleans; 7. Generalin
Chevals; 8. Madame de Sain-Auge, Schwester der
vorgenannten; 9. Madame de Carayon Latour und
deren Kammerdiener; 10. Madame Theodor PorgeS,
geborene Weisweiler; 11. Baronin Sain-Martin;
12. Madame Gosselin; 13. Gräfin Mimerel, Tochter
der vorgenannten; 14. Gräfin Bonneval; 15. Mr-
dame Jacques Haußmann, Frau des Direktors im
Kolonialministerium; 16. Madame Becnard-Dutreuil;
16. Madame de Baranvalle; 18. Madame HoSkier,
Frau des bekannten Bankiers; 19. Madame Rolland
Goslin und deren Tochter; 20. Madame Nnot, Frau
eines bekannten Arztes; 21. Dr. Feuland; 22. dessen
Tochter (Dr. Feuland rettete zuerst seine Frau, kehrte
dann in die Flammen zurück, um die Tochter zu
suchen und kam dort mit ihr um); 23. General Ma-
nier, welcher schwerverwundet nach dem Hospital ge-
schafft wurde und während des Transports starb;
24. Fräulein Mandat-Grancch; 25. Bicomtesse Ma-
lezieux, deren Leichnam nur an Ringen und Schlüsseln
erkannt werden konnte; 26. und 27. dir beiden Grä
sinnen Hinnisdal; 28. die OrdenSschwrster Ginoux;
29. Baronin Saint-Didier, deren Salon einer der
bekanntesten von Paris war. Die alte Dame saß in
einem Fauteuil in ihrer Verkaufsbude; als das Feuer
ausbrach, wollten ihre Freundinnen sie mitreißen,
aber vom Alter halbgelähmt, blieb sie in ihrem Fau-
teuil, wo sie vom Rauch erstickte; ihre beiden Kam-
merfrauen sind mit ihr verbrannt. Der „Matin"
nennt unter den Todten auch Frau Schlumberger,
Frau Louis Kahn geborene Siedel. Während der
Nacht sind in den Hospitälern gestorben: Baronin
Saint-Martin, Madame de Morado, Madame de
Flores, die Frau des spanischen Konsuls. Schwer
verwundet ist die Gräfin Horn, geb. v. Haber.
* Paris, 5. Mai. Die Presse bezeichnet die Ka-
tastrophe mit den Ausdrücken tiefster Bewegung. Die
Blätter, die von der vornehmen Welt gelesen werden,
sagen, der einzige Trost sei in dem Bewußtsein zu
finden, daß die Todten auf dem Felde der Ehre star-
den. Der Christ, der bei der Ausübung der Wohl-
thätigkeit den Tod finde, gleiche dem Soldaten, der
auf dem Schlachtfelde falle. Die Einnahme des Ba-
zars betrug gestern bis Nachmittag ungefähr 45,000
Francs, welche für die Armen bestimmt waren. Wie
die Polizei erklärt, durfte sie sich nicht hineinmischen,
da der Bazar von Privatleuten auf einem privaten
Terrain veranstaltet worden sei.
* Paris, 5. Mai. Die Blätter sind überfüllt
mit Schilderungen der Katastrophe, als der Brand
ausbrach und die Menge in wahnsinniger Flucht auf
die Straße hinausstürzte. Damen wurden niederge-
treten und wanden sich mit gräßlichem Hilfegeschrei
unter den Füßen der Flüchtenden. Die Angestellten
der dem Bazar gegenüber liegenden Rothschild'schen
Stallungen konnten Einige aus dem Gewühl hervor-
ziehen. In den geöffneten Hof des Rothschild'schen
Stallgebäudes stürzten Personen, denen die Kleider
auf dem Leibe brannten. General Manier, von Flam-
men umgeben, warf sich rasend vor Schmerz in einem
mit Wasser gefüllten Pferdetrog, brennende Damen
wälzten sich heulend auf dem Pflaster des Hofes; ein
Stallknecht bespritzte einige mit der Gießkanne und
rettete ihnen dadurch das Leben. Im Innern war
die Panik deshalb so furchtbar, weil in wenigen Se-
kunden das aus Theerleinwand bestehende Dach brannte
Vom Kriegsschauplatz.
* Konstantinopel, 5. Mai. Hier verlaut^
die türkischen Truppen seien in Phars^"
einmarschirt. .
* Athen, 4. Mai. Der Kronprinz meldet tele
graphisch, daß zwei türkische Regimenter bis Karins
und PorsitiS vorrückten. Der Kronprinz verlang
Verstärkungen. Es wurde ein Kampf erwartet, v>
heute Mittag ist indessen keine Nachricht hierüber ein
getroffen. Die Regierung ist in eine Be prechE
mit den Admiralen ringetreten, um nach Kreta ei
Kriegsschiff zur Abholung des Obersten VassoS un
der andern zurückberufenen Offiziere zu senden.
* Volo, 5. Mai. 15,000 Griechen zogen A
nach DomokoS rückwärts, von Pharsala, zurück. 2'
Türken stehen vor Pharsala in beträchtlicher AnM-
Ein bedeutender Kampf wird erwartet. Die Grieche
fahren fort, Velestino energisch zu vertheidigen.
* Loudon, 5. Mai. Der „Times" wird unterm
4. d. Mts. aus Athen gemeldet, der Ministerraw
habe in seiner letzten Sitzung, welche bi- TageSanbruw
und bald den Flüchtenden auf die Köpse stü^te. ^^
Leichen waren derart ineinander geschlungen, daß"
mehrfach ihre Glieder brechen mußte, um sie von .
ander loszumachen; zumeist ist der obere Th«t .
Körpers verbrannt, der untere unversehrt. Bskle llY^
Schmucksachen, Portemonnaies uad Portefeuille-,»
unter einer mit 50,000 FrcS., wurden aus der "
glückSstätte gefunden. Personen, die sich im 3"»^
befanden, erzählten, daß Herren wie toll auf dlefl"^
tende Menge geschlagen haben, um sich Bahn zn ° .
chen; Frauen lehnten wie gelähmt an der W» '
wehrlos den Tod erwartend. Eine Ordensschwei
erzählt, als sie flüchtete, sei ihr eine elegante D»
in den Weg getreten, habe sie geküßt und mit "
Armen umschlungen mit den Rufen; wir werden«
sammen in den Himmel fahren. Nur mit groß
Kraftanstreugung konnte sich die Ordensschwester " ,
der Umschlingung lösen. Die Brasilianerin
de Silva lief mitten durch die Flammen iuS Ftn'
indem sie ihre beiden Kinder mir ihren Kleidern s
schützen suchte, alle drei sind gerettet, wenngleich v
Mutter schwere Brandwunden erlitt. Zahlreiche d
denhafte RettungSthaten werden gemeldet. Ein Arber
drang mehrmals in die Brandstätte ein trotz dec BcaN
wunden, die er an der Hand erlitten hatte. D>e ß
richtliche Untersuchung ist eröffnet, um festznMr"'
wer für das Unglück verantwortlich ist. ...
* Paris, 5. Mai. Mehrere der Herzogin v
Alencon gehörende Schmucksachen sind aufgefnno
worden. Die Herzogin de la Torre, die Wittwe o
ehemaligen spanischen Regenten Srrrano, die sch""
verwundet war, ist außer Lebensgefahr. ,
* Paris, 5. Mai. War schon dec Anblick
aufgehäuften Leichen am WchlthätigkeitS-Bazar r»
setzlich, so ist der schreckliche Eindruck, den der «A
des Jndustriepalastes macht, wo die Leichen znr.Sch^
gestellt sind, geradezu unbeschreiblich. Da sich
Saal im Abbruchszustande befindet, wurde er
Brettern belegt, über welche Deckm ausgebreitet W"
den. Auf diese legte man die Leichen in drei
nieder, wie sie von den Ambulanzwagen herbeigefiM
wurd-n. Man sieht darunter gänzlich nackte Köcp
mit vor Schmerz krampfartig verzogenen Miedet'
An einigen Leichen haften noch Kleiderreste, welche
Erkennung ermöglichen. Alle sind entsetzlich entstell '
Bei den meisten hat daS Feuer die Fleijchtheile gaNj
lich verzehrt, so daß nur noch Skelette übrig bliebe '
Die Zahl der bis 11 Uhr im Industries) alast nieder
gelegten Leichen betrug 115. Die Thüre des Saale
war von einer Menscheammze umlagert, auS dtten
Mitte Schmerzensrufe ausgestoßen wurden. M"
ließ jedoch nur einige Personen zu gleicher Zeit eM
treten, um die Feststellung der Verunglückten zu er
leichtern. Die Eintretenden erhielten Fackeln, um M
bei der Leichenschau zurecht zu finden. So giE"
sie suchend umher, indem sie die Kleiderreste prüfte»-
Die wieder erkannten Leichen wurden sogleich bedeckt
Diese Nachforschungen wurden die ganze Nacht fou
gesetzt. Man hoff, daß jetzt alle Leichen aufgefnnde»
find. Ihre Zchl dürfte 115 nicht übersteigen. .
* Paris, 5. Mai. Seit 5 Uhr früh ist d>e
ganze Umgebung der Unglücksstätte von einer große"
Menschenmenge belagert. Die nach und nach aUM
hobenen Leichen werden zum Zwecke der Rekogno»
cirung im Industries)alast ausgestellt. Vor dem
Haupteingang des Palastes sind ungefähr 100 SM
in einer dreifachen Reihe aufgestellt, um die verlos
ten Leichenüberreste aufznnehmen. Im JndustciepKa?
Herrscht eine fürchterliche Atmosphäre, denn du
schrecklich zugerichteten Leichen verbreiteten einen b
erträglichen Pestgeruch. Ununterbrochen spielen flA
herzzerreißende Scenen ab und immer wieder M
man die aus das höchste erregte» Angehörigen unte
lauten SchmerzenSausbrüchen sich über die von ihm»
rekognoScirten Toten werfen. . ,
* Paris, 5. Mai. Aus Anlaß der gestrige"
Brandunglücks wird heute Nachmittag 6 Uhr ein an
ßerordentlicher Ministerrath abgehalten werden.
Einweihungsfeier.
Nachmittags um halb 3 Uhr war Herz-Jesu-Andacht
mit Predigt; Herr Curat Mußler wendete sich haupt-
sächlich an die zahlreich erschienenen Kinder der Pfarr-
gemeinde, für die das göttliche Herz Jesus besonders
warm schlage, und zu denen Christus das beglückende
Wort gesprochen habe: Lasset sie zu mir kommen, und
wehret ihnen nicht. Nach dem Gottesdienst ordneten
sich die Kinderschaaren auf dem Kirchplatz und zogen
unter den Klängen einer Abtheilung Militärmusik in
geschlossenen Rechen durch die sestlich geschmückten
Straßen des Stühlingers und zurück zum Festplatz,
wo nach Aufführung einer allegorischen Darstellung
die Bescheerung vor sich ging. Nicht weniger als
2000 Würste wurden verabreicht und mit sichtlichem
Behagen verspeist. Auch die nöihige Zugabe von Brod
und einem Schluck Bier fehlte nicht, und für die klei-
neren Kinder hatte eine gütige Hand eine reichliche
Spende Zuckerwaaren und „Gutsle" gestiftet.
Abends um 8 Uhr begann in der gut besetzten
Sängerhalle das zwanglose Bankett. Wie im ganzen
Verlauf des Festes, so herrschte auch hier eine freudige,
gehobene Stimmung, die in zahlreichen Reden und
Ansprachen Ausdruck fand.
Deutsches Reich.
* Berlin, 5. Mai. Die ReichstagSkommisfion
für die Handwerksorganisationsvorlage nahm Z 100s
und 100t an, letzteren mit dem Anträge Gamp, der
die Aufhebung oder Schließung erschwert. Damit ist
der erste Theil (Innungen) erledigt. Theil 2 (Jnn-
ungsauSschüsse) Theil 3 (Handwerkerkammern) und
Theil 4 (Jnnungsverbände) erfuhren nur uuwesent
liche Abänderungen. Die Commission begann sodann
die Berathung des Abschnittes über das Lehrlingswesen
und^, nahm eine Reihe vonWaragraphen dieses Ab-
schnittes nach der Regierungsvorlage an.
* Berlin, 5. Mai. Wie die „Nordd. Allg. Ztg."
meldet, wird angenommen, daß zum Nachfolger des
Staatssekretärs Stephan Unterstaatssekretär Fischer
ernannt werde.
Deutscher Reichstag
Berlin, 5. Mai.
' Am Bundesrathstische Staatssekretär v. Bötticher.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung
des Auswanderungsgesetzes.
Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte über die
Zusammenfassung der ersten Paragraphen für die
Debatte beginnt die Berathung über 8 1: „Unter-
nehmer für Beförderung von Auswanderern nach
außerdeutschen Ländern bedürfen der Erlaubnis"
Abg. Lenzmann (freis. Volksp.): Meine politischen
Freunde und ich können uns mit dem Gesetz nicht
befreunden. Dasselbe trägt den Stempel der Polizei-
vorschriften an der Stirn. Das Gesetz ist außerdem
überhastet hergestellt, das ist überall zu bemerken.
Das Gesetz verstärkt die sozialen Gegensätze zwischen
reichen und armen Auswanderern. Ich bitte daher
dar Gesetz abzulehnen oder nochmals an die Com-
mission zurückzuverweisen.
Äbg. v. Cuny (liatl.), der Vorsitzende der Commission,
vertheidigt die Commission gegen den Borwurf der
Ueberhastung.
Abg. Hahn (fraktionsl.) greift den Abg. Lenzmann
an und weist auf den Nutzen hin, den die Deutschen
im Auslande dem nationalen Gedanken leisten könnten,
soweit sie nicht mehr infolge der internationalen Frei-
zügigkeit Volksdünger seien wie jetzt.
Abg. Hasse (natl.) und Abg. Förster (Antisemit)
greifen die Aeußerungen des Abg. Lenzmann an.
Abg. Barth (freis. Vg.) meint, der Abg. Hahn möge
nicht so viel mit dem nationalen Gedanken prunken.
Die Vorlage sei eine bureaukratische verfehlte Arbeit.
Die Petition der Hamburger Rheder, die auch Wör-
mann unterschriebe» habe, sei sehr verständig.
Abg. v. Arnim (ReichSp.) begrüßt das Gesetz mit
Freuden.
tz 1 wird nach dem KommissionSbeschlusse ange-
nommen.
Nach kurzen Worten des Direktors Reichardt
bemerkt Geheimrath Dr. Richter, daß das Gesetz
hierin im Wesentlichen nur bereits bestehende Be-
stimmungen der hanseatischen und preußischen Gesetz-
gebung übernehme. Daher sei der Antrag Frese nicht
zu empfehlen.
Gerisch (Soz.) spricht sich für den Antrag Frese aus.
Nächste Sitzung morgen 1 Uhr. Bei der Fest-
stellung der Tagesordnung entspinnt sich eine sehr
aufgeregte Debatte, da die Abgg. Bachem und v.
Levetzow beantragen, morgen einen Schwerinstag
(Margarine) anzusetzen. Dieser Antrag wird abge-
lehnt. Tagesordnung: Fortsetzung der heutiges.
Schluß 5-> Uhr.
Ausland.
* Washington, 5. Mai. Aldrich legte den
Bericht des Finanzausschusses über die Tarifbill
vor und theilte mit, er werde beantragen, die Be-
rathung der Bill auf den 18. d. M. festzusetzen. Der
Bericht thut der rückwirkenden Klausel keine Erwähnung
und schlägt den 1. Juli an Stelle der 1. Mai für
daS Inkrafttreten der Bill vor. Bei der Tarifposttion
„Wolle" werden für die Lvom Repräsentanten Hause
angenommenen Sätze folgende Ermäßigungen vorge-
schlagen : für Wolle 1. Klasse von 11 auf 8 Cent
pro Pfund, für Wolle 2. Klasse von 12 auf 9 Cent
pro Pfund, für Wolle 3. Klasse, wenn ihr Werth
unter 10 Cent pro Pfund ist 14, und wenn -ihr
Werth höher ist 7 Cent Zoll, während daS Repräsen-
tentenhaus für Wolle 3. Klasse einen Satz von 32 pCt.
vom Werthe, wenn der Werth unter 13 Cent pro
Pfund beträgt, und, einen solchen von 50 pCt. vom
Werthe, wenn der Werth höher ist, feftgestellt hatte.
DaSZgrotze Brandunglück in Paris..
* Paris, 5. Mai. Die Herzogin von Alengon
ist thatsächlich verschwunden. Die Polizei glaubt zwar,
sie befinde sich in einem Zimmer des Champs Elysees,
wohin nach dec Katastrophe Verwundete geschafft wurden,
aber bisher konnten ihre Schwestern, die Köngin von
Neapel und die Gräfin Trani, welche die ganze Nacht
nach ihr herumsuchten, keine Nachricht erhalten. Der
Leichnam der Herzogin ist zwar auch nicht gefunden,
aber einige Blätter nennen sie bereits unter den Tobten.
Der „Figaro" gibt folgende erste Tobtenliste: 1. Her-
zogin von Alengon; 2. Gräfin Hunolstein, Schwester
des Herzoges von Uzes; 3. Marquise Maison,
Schwester des Barons Mockau; 4. Baronin Batimes-
nil, Schwägerin der vorgenannten; 5 Baronin Lau-
mont, die mit ihrer Tochter umgckominen ist; 6. die
beiden Töchter des Grafen Chevilly, eines der Chefs
der Partei dis Herzogs von Orleans; 7. Generalin
Chevals; 8. Madame de Sain-Auge, Schwester der
vorgenannten; 9. Madame de Carayon Latour und
deren Kammerdiener; 10. Madame Theodor PorgeS,
geborene Weisweiler; 11. Baronin Sain-Martin;
12. Madame Gosselin; 13. Gräfin Mimerel, Tochter
der vorgenannten; 14. Gräfin Bonneval; 15. Mr-
dame Jacques Haußmann, Frau des Direktors im
Kolonialministerium; 16. Madame Becnard-Dutreuil;
16. Madame de Baranvalle; 18. Madame HoSkier,
Frau des bekannten Bankiers; 19. Madame Rolland
Goslin und deren Tochter; 20. Madame Nnot, Frau
eines bekannten Arztes; 21. Dr. Feuland; 22. dessen
Tochter (Dr. Feuland rettete zuerst seine Frau, kehrte
dann in die Flammen zurück, um die Tochter zu
suchen und kam dort mit ihr um); 23. General Ma-
nier, welcher schwerverwundet nach dem Hospital ge-
schafft wurde und während des Transports starb;
24. Fräulein Mandat-Grancch; 25. Bicomtesse Ma-
lezieux, deren Leichnam nur an Ringen und Schlüsseln
erkannt werden konnte; 26. und 27. dir beiden Grä
sinnen Hinnisdal; 28. die OrdenSschwrster Ginoux;
29. Baronin Saint-Didier, deren Salon einer der
bekanntesten von Paris war. Die alte Dame saß in
einem Fauteuil in ihrer Verkaufsbude; als das Feuer
ausbrach, wollten ihre Freundinnen sie mitreißen,
aber vom Alter halbgelähmt, blieb sie in ihrem Fau-
teuil, wo sie vom Rauch erstickte; ihre beiden Kam-
merfrauen sind mit ihr verbrannt. Der „Matin"
nennt unter den Todten auch Frau Schlumberger,
Frau Louis Kahn geborene Siedel. Während der
Nacht sind in den Hospitälern gestorben: Baronin
Saint-Martin, Madame de Morado, Madame de
Flores, die Frau des spanischen Konsuls. Schwer
verwundet ist die Gräfin Horn, geb. v. Haber.
* Paris, 5. Mai. Die Presse bezeichnet die Ka-
tastrophe mit den Ausdrücken tiefster Bewegung. Die
Blätter, die von der vornehmen Welt gelesen werden,
sagen, der einzige Trost sei in dem Bewußtsein zu
finden, daß die Todten auf dem Felde der Ehre star-
den. Der Christ, der bei der Ausübung der Wohl-
thätigkeit den Tod finde, gleiche dem Soldaten, der
auf dem Schlachtfelde falle. Die Einnahme des Ba-
zars betrug gestern bis Nachmittag ungefähr 45,000
Francs, welche für die Armen bestimmt waren. Wie
die Polizei erklärt, durfte sie sich nicht hineinmischen,
da der Bazar von Privatleuten auf einem privaten
Terrain veranstaltet worden sei.
* Paris, 5. Mai. Die Blätter sind überfüllt
mit Schilderungen der Katastrophe, als der Brand
ausbrach und die Menge in wahnsinniger Flucht auf
die Straße hinausstürzte. Damen wurden niederge-
treten und wanden sich mit gräßlichem Hilfegeschrei
unter den Füßen der Flüchtenden. Die Angestellten
der dem Bazar gegenüber liegenden Rothschild'schen
Stallungen konnten Einige aus dem Gewühl hervor-
ziehen. In den geöffneten Hof des Rothschild'schen
Stallgebäudes stürzten Personen, denen die Kleider
auf dem Leibe brannten. General Manier, von Flam-
men umgeben, warf sich rasend vor Schmerz in einem
mit Wasser gefüllten Pferdetrog, brennende Damen
wälzten sich heulend auf dem Pflaster des Hofes; ein
Stallknecht bespritzte einige mit der Gießkanne und
rettete ihnen dadurch das Leben. Im Innern war
die Panik deshalb so furchtbar, weil in wenigen Se-
kunden das aus Theerleinwand bestehende Dach brannte
Vom Kriegsschauplatz.
* Konstantinopel, 5. Mai. Hier verlaut^
die türkischen Truppen seien in Phars^"
einmarschirt. .
* Athen, 4. Mai. Der Kronprinz meldet tele
graphisch, daß zwei türkische Regimenter bis Karins
und PorsitiS vorrückten. Der Kronprinz verlang
Verstärkungen. Es wurde ein Kampf erwartet, v>
heute Mittag ist indessen keine Nachricht hierüber ein
getroffen. Die Regierung ist in eine Be prechE
mit den Admiralen ringetreten, um nach Kreta ei
Kriegsschiff zur Abholung des Obersten VassoS un
der andern zurückberufenen Offiziere zu senden.
* Volo, 5. Mai. 15,000 Griechen zogen A
nach DomokoS rückwärts, von Pharsala, zurück. 2'
Türken stehen vor Pharsala in beträchtlicher AnM-
Ein bedeutender Kampf wird erwartet. Die Grieche
fahren fort, Velestino energisch zu vertheidigen.
* Loudon, 5. Mai. Der „Times" wird unterm
4. d. Mts. aus Athen gemeldet, der Ministerraw
habe in seiner letzten Sitzung, welche bi- TageSanbruw
und bald den Flüchtenden auf die Köpse stü^te. ^^
Leichen waren derart ineinander geschlungen, daß"
mehrfach ihre Glieder brechen mußte, um sie von .
ander loszumachen; zumeist ist der obere Th«t .
Körpers verbrannt, der untere unversehrt. Bskle llY^
Schmucksachen, Portemonnaies uad Portefeuille-,»
unter einer mit 50,000 FrcS., wurden aus der "
glückSstätte gefunden. Personen, die sich im 3"»^
befanden, erzählten, daß Herren wie toll auf dlefl"^
tende Menge geschlagen haben, um sich Bahn zn ° .
chen; Frauen lehnten wie gelähmt an der W» '
wehrlos den Tod erwartend. Eine Ordensschwei
erzählt, als sie flüchtete, sei ihr eine elegante D»
in den Weg getreten, habe sie geküßt und mit "
Armen umschlungen mit den Rufen; wir werden«
sammen in den Himmel fahren. Nur mit groß
Kraftanstreugung konnte sich die Ordensschwester " ,
der Umschlingung lösen. Die Brasilianerin
de Silva lief mitten durch die Flammen iuS Ftn'
indem sie ihre beiden Kinder mir ihren Kleidern s
schützen suchte, alle drei sind gerettet, wenngleich v
Mutter schwere Brandwunden erlitt. Zahlreiche d
denhafte RettungSthaten werden gemeldet. Ein Arber
drang mehrmals in die Brandstätte ein trotz dec BcaN
wunden, die er an der Hand erlitten hatte. D>e ß
richtliche Untersuchung ist eröffnet, um festznMr"'
wer für das Unglück verantwortlich ist. ...
* Paris, 5. Mai. Mehrere der Herzogin v
Alencon gehörende Schmucksachen sind aufgefnno
worden. Die Herzogin de la Torre, die Wittwe o
ehemaligen spanischen Regenten Srrrano, die sch""
verwundet war, ist außer Lebensgefahr. ,
* Paris, 5. Mai. War schon dec Anblick
aufgehäuften Leichen am WchlthätigkeitS-Bazar r»
setzlich, so ist der schreckliche Eindruck, den der «A
des Jndustriepalastes macht, wo die Leichen znr.Sch^
gestellt sind, geradezu unbeschreiblich. Da sich
Saal im Abbruchszustande befindet, wurde er
Brettern belegt, über welche Deckm ausgebreitet W"
den. Auf diese legte man die Leichen in drei
nieder, wie sie von den Ambulanzwagen herbeigefiM
wurd-n. Man sieht darunter gänzlich nackte Köcp
mit vor Schmerz krampfartig verzogenen Miedet'
An einigen Leichen haften noch Kleiderreste, welche
Erkennung ermöglichen. Alle sind entsetzlich entstell '
Bei den meisten hat daS Feuer die Fleijchtheile gaNj
lich verzehrt, so daß nur noch Skelette übrig bliebe '
Die Zahl der bis 11 Uhr im Industries) alast nieder
gelegten Leichen betrug 115. Die Thüre des Saale
war von einer Menscheammze umlagert, auS dtten
Mitte Schmerzensrufe ausgestoßen wurden. M"
ließ jedoch nur einige Personen zu gleicher Zeit eM
treten, um die Feststellung der Verunglückten zu er
leichtern. Die Eintretenden erhielten Fackeln, um M
bei der Leichenschau zurecht zu finden. So giE"
sie suchend umher, indem sie die Kleiderreste prüfte»-
Die wieder erkannten Leichen wurden sogleich bedeckt
Diese Nachforschungen wurden die ganze Nacht fou
gesetzt. Man hoff, daß jetzt alle Leichen aufgefnnde»
find. Ihre Zchl dürfte 115 nicht übersteigen. .
* Paris, 5. Mai. Seit 5 Uhr früh ist d>e
ganze Umgebung der Unglücksstätte von einer große"
Menschenmenge belagert. Die nach und nach aUM
hobenen Leichen werden zum Zwecke der Rekogno»
cirung im Industries)alast ausgestellt. Vor dem
Haupteingang des Palastes sind ungefähr 100 SM
in einer dreifachen Reihe aufgestellt, um die verlos
ten Leichenüberreste aufznnehmen. Im JndustciepKa?
Herrscht eine fürchterliche Atmosphäre, denn du
schrecklich zugerichteten Leichen verbreiteten einen b
erträglichen Pestgeruch. Ununterbrochen spielen flA
herzzerreißende Scenen ab und immer wieder M
man die aus das höchste erregte» Angehörigen unte
lauten SchmerzenSausbrüchen sich über die von ihm»
rekognoScirten Toten werfen. . ,
* Paris, 5. Mai. Aus Anlaß der gestrige"
Brandunglücks wird heute Nachmittag 6 Uhr ein an
ßerordentlicher Ministerrath abgehalten werden.