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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

DOI issue:
Juli 1897
DOI article:
Nr. 160
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0657
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Pfcher Volksblatt

K 180.

§eUUN NnMz, dm 18. W1897.

rg,

Verantwortlicher Redakteur :
Joseph Hube rlin Heidelb esr'g.

Druck, Verlag u. Erp-
Gebr. Huber in Herd
Lwingerftraße 7.

, Der heutigen Nummer liegt „Der Sonntags-
«r. W d.i.

»Pfälzer Bottsblatt"
'^t der wöcheutlichen Gratisbeilage „Der Sonntags-
*Ee",) sowie unsere Expedition Heidelberg
7 entgegen.
Expedition des „PM;er Volksblatt".
Heidelberg, Zwingerstraße 7.

Westellrrngen
"khmen für dar
III. Quartal
^»rr noch alle Postämter auf die täglich erscheinende

sogleich zurück, so will ich Euch mit Rücksicht auf Euere
Mutter und Eucrn verunglückten Bruder verzeihen."
„Mein Herr," antwortete Richard fest, mit erhobenem
Haupte und mit einem Blicke voll Entrüstung, „ich bin un-
schuldig !"
Der Kammerdiener nahm jetzt das Wort und sagte:
„Ich habe Euch schon mehrere Male um dieses Fenster
schleichen sehen."
Mag sein, aber . . ,
„Heute diesen Morgen noch habt Ihr gegenüber ge-
sessen, und Ihr hattet die Augen hier ins Zimmer gerich-
tet ; übrigens . . ."
Julian täuschte sich hier, wie der Leser bemerkt, durch
die außerordentliche Aehnlichkeit der beiden Brüder.
„Ich bin unschuldig", wiederholte Richard, ich war die-
sen Morgen nicht hier gegenüber und habe nicht hier in-
Zimmer gesehen "
„Ich schwöre bei Gott, daß ich es gesehen habe", schrie
der Diener.
Da dachte Richard an seinen Bruder. Er hatte ihn
ja selbst diesen Morgen an dem bezeichneten Platze gesehen
und in Gedanken vertieft gesunde». Er erinnerte sich auch
wieder an jene plötzliche Blässe, die er aus seinem Gesichte
bemerkt hatte, als von dem Diebstahl die Rede war. Er
wurde verwirrt . . .
„Machen wir es kurz," sagte der Baron, man erwartet
mich. Bekennt ihr, die Nadel genommen zu haben?"
„Wenn Ihr es nicht seid, so ist es Euer Bruder," sagte
Julian, denn . . .
„Bekennt!" drängte der Baron.
Die Lippen des armen Richard öffneten sich halb und
unter eiuem Seufzer glaubte man ein schwaches Ja l zu
vernehmen.
So weit ging er in seiner Liebe.
„Gebt mir diese Nadel zurück und ich verzeihe Euch,
ich lasse Euch fliehen."
„Mein Herr", flüstert- Richard, „ich habe sie nicht."
„Untersucht ihn!" befahl der Baron.
Man sand nichts, als drei, Gott weiß wo aufgeraffte
Blätter aus Chateaubriand. Fortsetzung folgt.)

^krlöbniß und Eheschließung im Bürger-
lichen Gesetzbuche.
Tas Berlöbniß, d. h. das gegenseitige Versprechen
tweirr Personen, künftig eine Ehe miteinander einzu-
Wn, tzjlt als Vorder eilungSakt für die Ehe, wie
lese s^bst, her katholischen Kirche als res spiri-
^Iis, aH tim kirchliche Sache, so daß die Beding-
te» der Giltigkeit eines Verlöbnisses ebenso wie
.^.sonstigen ehegesetzlichen Bestimmungen, vor der
.'schlichen Gesetzgebung festzustellen sind und Streitig-
Mo der kirchlichen Gerichtsbarkeit anheim»
. Die kcthvlische Kirche hat daher niemals das Recht
Staates anerkannt, Vorschriften über das persön-
Eherecht für die Katholiken zu erlassen. Wie
^'üdthorst im Jahre 1876 gelegentlich der Berath-
."8 der Civilprrceßordnung, haben auch bei den Be-
«'Hungen deS Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag
Redner der Centiumkpartei ausdrücklich diesen
.Endpunkt g!wahrt und insbesondere der Abg. Lie-
r erklärt, daß die Centrum!Partei nichts von dem
^gebe, was sie in Bezug auf die Ehefrage vorher
A^dsätzl ch tmtheidigt tabe. Und nur unter diesem
3

schluß dieser Rechtes präsumirt. Bei einseitigem Rück-
tritt eines Verlobten hat dieser dem andern Theil
den Schaden zu ersetzen, welcher aus den in Erwart-
ung der Ehe gemachten Aufwendungen oder einge-
gangenen Verbindlichkeiten und daraus entstanden ist,
daß er in Erwartung der Ehe sonstige sein Vermögen
oder seine ErwerbSstellung berührende Maßnahmen ge-
troffen hat.
In vielen Fällen sind es aber nicht die Verlobten,
sondern deren Eltern, oder dritte Personen, welche
an Eltern stelle gehandelt haben, die durch Anschaffung
von Aussteuer oder Einrichtung aus ihrem eigenen
Vermögen Aufwendungen gemacht haben. ES ist deß-
halb diesen Personen einen selbstständiger Anspruch
auf Schadenersatz hierfür gewährt.
Dem eigenen Rücktritt vom Verlöbnisse steht eS
gleich, wenn ein Verlobter durch ein Verschulden, das
einen wichtigen Grund bildet, den Rücktritt des andern
veranlaßt.
Das neue Gesetzbuch enthält endlich auch noch
eine dem bisherigen Rechte unbekannte Bestimmung.
Eine unbescholtene Verlobte, welche sich ihrem Ver-
lobten hingegeben hat, kann nämlich unter den oben-
genannten Voraussetzungen auch wegen deS Schadens,
der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädig-
ung in Geld verlangen. Dieser Schaden sog. äommuM
moral, kann darin bestehen, daß dieselbe der Aussicht
auf eine angemessene Versorgung beraubt ist oder
eine Kränkung in ihrer Ehre und ihrem Rufe erfuhr.
Im ersten Entwürfe war eine derartige Bestimmung
nicht enthalten, sie wurde erst von der Commission
für die zweite Lesung eiugefügt. Diese Vorschrift ist
nicht unbedenklich und ist nach Umständen geeignet,
das Gegentheil dessen, was beabsichtigt war, zu
erzielen. Eine edeldenkende, auf ihre jungfräuliche
Ehre haltende Frauensperson wird niemals einen
Fehltritt der Oeffentlichkeit preisgeben, um dadurch pe-
kuniären Vortheil zu erzielen. Für jene andere aber, die
minder edel gesinnt ist, besteht die Gefahr, die ihr vom Ge-
setze eingeräumte Befugniß als indirektes Zwangs-
mittel gegen den Verlobten zur Eheschließung zu
gebrauchen. Insofern widerspricht die Vorschrift auch
dem Grundgedanken des Gesetzbuches, welcher zur
Beseitigung der übrigen Wirkungen des Verlöbnißver-
träges führte. Sagen doch die Motive (IV, 3), daß
ein Anspruch auf das ErfüllungSintereffe oder eine
Abfindung sich nicht mit dem Wesen der Ehe vertrage,
welche in erster Linie ein sittliches Verhältniß sei
und nicht als Quelle für vermögensrechtliche Vortheile
behandelt werden dürfe.

Schuld und Sühne.
An Stdt fleckte er den gestohlenen SLotz in die Brusttaschc.
U?l«ffklbkn Augenblicke börte er das Rollen eines Wa-
lick m den Schloßhof einsährt. Unruhig beugte er
räi». die Dachrinne vor, um zu sehen; aber bei dieser
Bewegung dringt ihm die Nadel tief in die Brust,
t-n^lltwerz verliert er das Gleichgewicht, stößt einen lau
«chrei aus und stürzt auf das Hof-Pflaster nieder.
do» « „ Duner, die Dachdecker, die Vorübergehenden, Herr
Sn, i-°strarges und seine Tochter, welche eben zurückkehrten,
«ock herbei. Ein rasch gerufener Arzt findet, daß es
5lu,Luckl,ch gegangen ist; Valentin hat, außer kleinen
«Eichungen, ein Bein gebrochen.
" ist kein Zimmer frei," erklärt der Baron trocken,
»kg^üluß den Unglücklichen rasch nach seiner Wohnung
zv„?Iber Herr," wagt ein Arbeiter einzuwenden, „seine
m ru arm, um ihn zu pflegen."
Utun, so bringt ihn ins Hospital I"
tz°i„/°ch einigen Minuten war Valentin dorthin gebracht,
iu in^iuiter hatte die Trauerbotschaft erhalten und war
die geeilt. Trotz der Schmerzen, die er litt, hatte er
KNoUdegreifliche Geistesgegenwart, sohald er im Hospital
i« k,°"jwen war, die Nadel, während »an ihn entkleidete,
er U krampfhaft geschlossenen Hand zu halten, und als
Nia«? Bette lag, barg er sie geschickt und steckte sie an der
fest.
Zehren wir jetzt in das Schloß zurück.
dkn W erzählte Unfall geschehen und Jedermann auf
ihre» ^cilt war, staunten einige Dachdecker, daß sie
Hal. i?e?ken Handlanger nicht sahen und riesen mehrere
ß>llr - „Richard, Dein Bruder ist verwundet!" Richard
auf einem Dache, von wo au» er weit aufs
d«ll> konnte, und hatte über seine Träumereien, die
Arnw ^"kig, halb poetisch waren, die ganze Welt um sich
der dergtsftn. Als jedoch der Ruf: Richard, dein Bru-
Nach pi^rwundet," bis an sein Ohr drang, suchte er eiligst
*iiene DÄ,Lttter, fand aber keine und stürzte sich in das
Schlafzimmer de» Barons, um von dort durch die

Vorbehalt und Protest stimmte dieselbe für das
Bürgerliche Gesetzbuch und das Einführung!».Gesetz
iw Ganzen. Dieser Standpunkt fand auch seine An-
erkennung im Reichstag, indem ein besonderer Titel
in daS Gesetzbuch ausgenommen wurde, in welchem eS
heißt: „Die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung
der Ehe werden durch die Vorschriften der Bürgerlichen
Gesetzhuchs nicht berührt."
1. Las Berlöbniß verpflichtet nach kanonischem
Rechte zur Treue und zur Schließung der Ehe. Es
bewirkt rin aufschiebendes Ehehinderniß für die Ehe-
schließung mit einer andern Person, als dem andern
verlobten Theil; die mit der dritten Person geschlossene
Ehe ist zwar giltig, aber unerlau" Endlich kann
der eine Theil darauf dringen, daß gegen den gründ-
los die Eingehung der Ehe verweigernden andern
Theil kirchliche Censmen verhängt werden, oder der
Pfarrer soll vielmehr eine gütige Ausgleichung ver-
suchen. Erfolgt kein Einverständniß, so soll die Ge-
stattung der beabsichtigten anderweitigen Ehe als da-
kleinere Nebel angesehen werden; der Verletzte ist wegen
eventuellen Schadenersatzes an die weltlichen Gerichte
zu weisen.
Diese Wirkungen deS Verlöbnisses nach kirchlichem
und gemeinem Rechte haben bereits durch daS Per-
sonenstandsgesetz und sodann durch die Civilproceß-
ordnung eine starke Abschwächung erfahren. Nach
ersterem Gesetz hat das Berlöbniß bereits die Wirkung
eines aufschiebenden EhthindernisseS verloren; nach
letzterem ist jede direkte oder indirekte Erzwingung der
Eheschließung im Wege der Zwangsvollstreckung aus-
geschlossen. ES ist lediglich eire Consequenz hieraus,
wenn das Bürgerliche Gesetzbuch run bestimmt, daß
aus einem Berlöbniß nicht auf Eingehung der Ehe
geklagt werden kann und deß das Versprechen einer
Strafe für den Fall, daß die Eingehung der Ehe
unterbleibt, nichtig ist.
DaS Bürgerliche Gesetzbuch enthält überhaupt
keine Bestimmungen, ob und unter welchen Voraus-
setzungen ein Berlöbniß vorhanden ist. ES regelt
vielmehr nur die Frage, welche Rechtsfolgen im Falle
der Auflösung des Verlöbnisses eintreten können, während
eS die Beantwortung der ersten Frage der Wissen-
schaft und der Rechtsprechung überläßt.
Im Falle der Auflösung des Verlöbnisses entsteht
zunächst sirr die Verlobten selbst ein Rückforderung-»-
recht bezüglich desjenigen, was sie sich gegenseitig ge-
gescherkt oder zum Zeichen des Verlöbnisses gegeben
haben. Beim Tode eines Verlobten wird der Aus-
Treppe herunterzueileu- In dem Augenblicke, als er die
Thüre öffnete, trat Herr von Lrstranges in sein Zimmer,
nachdem er eben den Befehl ertheilt halte, Valentin ins
Krankenhaus zu bringen.
„Was macht Ihr hier?" fragte er Richard barsch.
„Herr Aaron," antwortete dieser, „ich wollte rasch hier-
durch zu meinem verwundeten Bruder eilen."
„Dann geht!" sagte der Baron . . . „Aber, was zum
Teufel," fuhr er fort, als Richard schon hinabgeeilt war,
„warum geht er hier durch? Wahrhaftig, solche Leute ha-
ben doch sonderbare Manieren."
Am Abende wollte Herr von Lostranges für den Ball
Toilette macken. Er ging auf sein Schlafzimmer in Be-
gleitung seines Kammerdieners. Als er seine Diamantnadel
anflecken wollte, fand er sie nicht an ihrem Platze.
„Das ist doch auffallend," sagte er, „Julian, suche doch
meine Diamanlnadel I"
Weder er, noch Julian fand sie, als er sich plötzlich
vor die Stirn schlug und rief:
„Ei, da geht mir ein Licht auf l Dieser junge Dach-
decker, den ich hier überrascht Habel . . . Julian, laus', laß
rasch den Bruder des verwundeten DcchdeckerS hierher ho-
len, eiligst I"
Man traf Richard am Bette Valentins.
„Lunger Manu!" schrie der Kammerdiener, der mit
zwei Knechten hcreinftürmte, „Ihr habt dem Herrn v. Lo-
ftranges einen kostbaren Schotz gestohlen,"
„Ich?" rief der arme Jüngling.
Und er sah auf seine Mutter und seinen Bruder. Letz-
terer wurde so blaß wie ein Betttuch, so blaß, daß es
Rrchard auffiel.
„Ich?"
„Wenn Ihr es nicht seid", versetzte der Kammerdiener,
„so kommt mit und rechtfertigt Euch vor dem Baron."
Richard folgte den Dienern.
Martha blieb stumm und erschrocken zurück.
Sobald er vor dem Baron stand, fuhr ihn dieser also
an:
„Ich habe Euch soeben hier im Zimmer überrascht,
Ihr habt h,er eine Nadel weggenvmmen. Gebt Ihr sie

»Acheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum
Organ für Wglirkmt, Fmlmt L KM.
^Weibern monatlich Sv L mit Trägerlohn, durch ' Rabattbewilligung.
^bie Post bezogen Viertels. 1.60 franco Expedition: Zwingerftratze!7.
 
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