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Pfälzer Volksblatt: Organ für Wahrheit, Freiheit & Recht — 1.1897

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Juli 1897
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Nr. 160
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https://doi.org/10.11588/diglit.42846#0658

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Der Anspruch ist übrigens ein höchst persönlicher
und verjährt, wie auch die anderen Ansprüche, binnen
zwei Jahren nach Auflösung des BerlöbnisseS.
2. Die Erfordernisse und die Form der Ehe-
schließung haben bereits durch das Gesetz vom 6. Feb.
1875 betr. die Beurkundung des Personenstandes
und die Eheschließung ihre theilweise gesetzliche Regel-
ung gefunden. Diese Vorschriften enthalten materielles
Recht und gehören ihrer Natur nach in ein da- ganze
Privatrecht umfassendes bürgerliches Gesetzbuch. Anders
verhält er sich in Ansehung der das Aufgebot und
die Beurkundung der Eheschließung betreffenden Vor-
schriften. Dieselben sind lediglich BerfahrungS-
Vorschriften und gehören deshalb nicht in das Bürger-
liche Gesetzbuch.
Die Bestimmungen über die Ehehindernissc sollen
einer besonderen Betrachtung Vorbehalten bleiben.
Bezüglich der Form der Eheschließung ist zu bemerken,
daß sich dar Bürgerliche Gesetzbuch den Vorschriften
deS PersonenstandSgesetzeS von 1875 im wesentlichen
anschlißt.
Die Ehe wird dadurch geschlossen, daß der Standes-
beamte in Gegenwart von zwei Zeugen an die Ver-
lobten einzeln und nach einander die Frage richtet, ob
sie die Ehe mit einander eingehen wollen, daß die Ver-
lobten vor ihm persönlich und bei gleichzeitiger An-
wesenheit erklären, die Ehe miteinander eiugehen zu
wollen, und daß der Standesbeamte sodann ausspricht,
daß sie kraft dieses Gesetzes nunmehr rechtmäßig ver-
bundene Eheleute seien. Dieser Ausspruch hat nur
declaratorische Bedeutung. Die Ehe kommt zu stände
lediglich durch die ConsenSerklärung der Verlobten.
Anders war dies im 1. und ll Entwürfe.
Erfordert wird auch, daß der Standesbeamte zur
Entgegennahme der Erklärung bereit ist. Er kann
also nicht wider seinen Willen zur Abschließung der
Ehe gehalten werden, im Gegensätze zu den triden-
tinischen Ehevorschriften, wonach nur die sog. Passive
Assistenz erforderlich und ausreichend ist.
Die Ehe soll zwar vor dem zuständigen Standes-
beamten geschlossen werden, allein sie muß es nicht;
auch eine vor einem unzuständigen Standesbeamten
geschlossene Ehe ist gültig. Auch hierin unterscheidet
sich da- Gesetzbuch von dem bisherigen Rechte und
dem I. Entwurf. Ja, es geht sogar noch weiter —
wir möchten sagen, zu weit —, indem er als Standes-
beamten auch denjenigen gelten läßt, welcher, ohne es
zu sein, das Amt eines Standesbeamten öffentlich
aurübt, eS sei denn, daß die Verlobten den Mangel
der amtlichen Befugniß bei der Eheschließung kennen.

Deutsches Reich.
* Berlin, 16. Juli. Aus Berge« wird gemeldet,
daß der Kaiser gestern an Land gegangen ist und
mit einigen Herren seiner Begleitung im Hotel Norge
dinirt hat. Der Kaiser trug dar Auge noch verbunden.
Die Weiterreise ist eingestellt. Am Samstag kehrt
der Kaiser nach Kiel zurück.
* Detmold, 16. Juli. Die Zeit der Ankunft
des neuen Regenten Grafen Ernst ist nun-
mehr festgesetzt. Am SamStag früh wird er mit seiner Fa
mitte von Hannover mittels SonderzugeS nach Schieber
fahren, wo er gegen halb 3 Uhr Nachmittags er-
wartet wird; dann erfolgt die Weiterreise nach Detmold
mit Hofwagen. Die Ankunst dahier dürste um halb 6
Uhr Nachmittags erfolgen.

Ausland.
* Rom, 16. Juli. Der Fürst v on Bulga-
rien hat »ach zweitägigem Aufenthalt am letzten
Sonntag um 2 Uhr Nachmittags Rom wieder ver-
lassen. Was er eigentlich hier gewollt hat, dar ist
bislang noch nicht recht klar. Etwa, wie einige be-
haupten, die Zustimmung der italienischen Regierung
zur Annahme des KönigStitelS? Dar ginge doch
wohl zunächst den Sultan an, dessen LehenSmann er
ist. Man wird nicht behaupte« können, daß der
Bulgarenfürst vom italienischen Hofe mit Ehrenbe-
zeugungen überhäuft worden sei. Bei seinem Ein-
treffen am hiesigen Bahnhofe wurde er von einigen
Hofchargen und Behörden bewillkommt, aber von kei-
nem Minister noch Unterstaatssekretär. Was mehr
Beachtung verdient, ist die Anwesenheit der bulgarisch,
unirten Bischofs Lazarus Mladenoff, mit dem Fürst
Ferdinand sich länger unterhalten haben soll, als mit
irgend einem der andern Herrn. Dieser dem Lazaristen-
Orden angehörende Prälat ist geboren zu BanSko in
Macedonien am 11. Juli 1851 und wurde am 12.
Juni 1883 zum Titularbischof von Satala und apo-
stolischen Bicar für die macedonische» Bulgaren er-
nannt. Nachdem er dieses Amt mehrere Jahre ver-
waltet, trat er aus einem uns unbekannten Anlaß
zum Schisma über, kehrte aber bald wieder in den
Schooß der Mutterkirche zurück, und lebt seither hier
in einem Kloster seines Ordens.
* London, 16. Juli. Nach einer Schätzung deS
Ausschusses der Vereinigten Gesellschaft der Maschinen-
bauer streiken jetzt 14,000 Mitglieder derselben «nd
im Ganzen find einschließlich verwandter Gewerk-

vereine 20,000 Mann außer Arbeit. Dagegen
arbeiten noch 70,000 Maschienenbauer, welchr die
übrigen unterstützen.

Die Türkei unk die Mächte.
* Konstantinopel, 15. Juli. Auf Grund
besonderer Informationen wird versichert, daß
der Vorschlag einer Großmacht, auf Kreta erst einen
Zustand herzustellen, wie ein solcher vor der Invasion
deS Obersten Bassos bestand, und, falls die Türkei
dann noch die Räumung Thessaliens verweigert,
Repressalien zu ergreifen, die größte Beachtung fi adet.
Der Sultan selbst scheint einen Modus zu suchen,
der ihm einen möglichen Rückzug erleichtert. Bon
der Kandidatur Droz ist unter solchen Umständen
keine Rede mehr. Der Sultan konferirte gestern mit
dem ehemaligen Großvezir Djevadd Pascha; er ernannte
ihn soeben zum General Gouverneur und General-
issimus auf Kreta. Djevadd dürfte morgen nach
Kanea abreisen, sobald die Botschafter keinerlei Ein-
wendungen gegen die Entsendung neuer türkischer
Truppen nach Kreta erheben.

Aus Baden.
Heidelberg, 17. Juli.
T DaS Heidelberger Antisemitenblatt „Deut'
scher BolkSbote" Nr. 55 bringt von der Heidelberg
Freimaurerloge mit der Überschrift „Ueberall Anti-
semitismus" folgenden Artikel:
„Wie schon berichtet, sind aus der Loze in Mann-
heim 14 angesehene Mitglieder ausgetreten und zwar
vermuthlich, weil von dieser Loge Juden angenommen
wurden. Da die 14 Mann sich in der Minorität
befanden, konnten sie keine Aenderung herbeiführen,
und traten deshalb lieber aus. Bemerkenswerth ist,
daß die Ausgetretenen durch die Bank — national-
liberal sind.* Das wäre wieder eia Beweis dafür,
daß eS bei den Nationalliberalen doch auch Antise-
mitismus gibt. Auch in der Heidelberger Loge hat»
unlängst gespuckt, und auch hier war eS der Antise-
m itismuS, der zu einer Trennung führte, nur mit
dem Unterschiede, daß hier die antisemitischen Elemente
die Mehrzahl hatte« und in Folge dessen die lieben
jüdischen Mitbürger für alle Zukunft darauf verzichten
müssen, in dieser Loge vertreten zu sein, da dieselbe
keine Juden mehr aufnimmt.
Der amtliche Bericht über den Hagelschlag
im Amtsbezirk Eppingen
liegt jetzt vor und entwirft ein tieftrauriges Bild von
dem angerichtete» Schaden, der auf Jahre hinaus von
den betroffenen Gemeinden schwer empfunden werden
wird. Die „Karlsr. Ztg." hat folgende Einzelheiten:
„Während der Schaden an Fcldgewächsen sich jetzt
im großen und ganzen übersehen läßt, kann derjenige
an Obstbäumen, Weinreben und Beerensträuchern,
soweit er nicht im Verlust der diesjährigen Ernte be-
steht, vorerst auch nicht annähernd geschätzt werden;
ebenso ist eS zur Zeit noch nicht möglich, die Höhr
des Gebäudeschadens mit Sicherheit anzugeben.
Der Schaden an Feldgewächsen beläuft sich
nach den bisherigen Schätzungen auf etwa zwei
Millionen Mark. Insbesondere sind dieH al m-
frächte auf den Gemarkungen Rohrbach, Eppingen,
Stebbach und Gemmingen so zusammen- und in den
Boden hineingeschlagen, daß nicht einmal Stroh vor-
handen ist, das zur Fütterung dienen könnte, aber
auch als Streumaterial haben die Halme kaum noch
einen Werth, so daß man sagen kann, der Verlust an
Halmfrüchten ist io den genannten Gemarkungen auf
allen von dem Hagelschlag betroffenen Grundstücken
ein vollständiger. Auch die Futtergewächse sind so
zerschlagen «nd mit Erde durchweicht, daß von einer
Ernte keine Rede sei« kann. Die Kartoffeln
sind in den Gemarkungen Stebbach und Gemmingen,
wo der Hagelschlag am heftigsten war, ss zerfetzt, daß
kaum noch auf eine — wenn auch bescheidene — Ernte
gerechnet werden kann, und auch in den übrigen Ge-
markungen ist daS Erträgniß zum mindesten auf die
Hälfte reduzirt. Der frisch angepflanzte Tabak hat
namentlich durch Verschwemmung der Felder gelitten,
verhältnißmäßig am besten wird sich noch die im Be-
zirk ziemlich viel augebaute Cichorie erholen. Die
Heuernte ist durch das Durchnässen der Scheuern
verdorben, daS Heu muß vielfach wieder auf die Wie-
sen geschafft werden, um dort zu trocknen.
Die Ob st bäume sind der Früchte gänzlich be-
raubt und die jungen Obstbäume haben durch den
Hagel so tiefe Verletzungen erfahren, daß sie durch-
weg als krank bezeichnet werden müssen u. zum großen
Theil eingehen werden. An den Weinreben sind
die Trauben und auf den vier am stärksten betroffenen
Gemarkungen auch die Blätter verschwunden; nicht
nur das junge, sondern auch das alte Holz ist vielfach
geknickt, so daß Jahre vergehen werden, bis wieder
genügendes Fruchtholz nachgewachsen ist; in ähnlicher
Weise sind die Beerensträucher zugerichtet. Was

der Hagelschaden nicht vernichtete, hat der SturmtM
gethan, die entwurzelten, zerspaltenen oder ihrer stärk'
sten Neste beraubte« Obstbäume zählen «ach Hunderte«
und der dadurch verursachte Schaden beläuft sich auf
mehreren Gemarkungen auf Zehntausende von Mark-
Gegenüber diesen großen Schäden ist die Summe,
die durch Hagelversicherung gedeckt ist, ein«
nur sehr kleine und beträgt etwa 250,000 M.
Ein weiterer erheblicher Schaden ist an den Ge-
bäuden entstanden, die Wirkung von Sturm und
Hagel war ähnlich der von Gewehrfeuer, nicht nuk
die Fensterscheiben, sondern auch die Dachziegel, ja die
Fensterjalousien wurden durchgeschlagen, selbst die
schweren Falzziegel stellenweise zertrümmert. Durch die
halb offen stehenden Dächer stürzten dann gewaltige
Wassermassen herein, die gleichfalls einen große«
Schaden anrichteten. Die durchschnittlichen Wieder«
Herstellungskosten dürften mit 200 M. jeder Hofraithe
nicht zu hoch gegriffen sein, sodaß sich dieser Schade«
auf ca. 200,000 M. belaufen wird.
Der gesummte S chaden durch Zerstörung
bezw. Schmälerung der bisherigen Ernte, Beschädigung
der Obstbaum-, Weinreben- und Beerenanlagen, sowie
der Gebäude, wird nahezu die Summe von 2 ein halb
Millionen Mark erreichen.
Aus der weiteren Schilderung des furchtbare«
Unwetters selbst darf noch hervorgehoben werden, daß
dasselbe mit einer solchen Plötzlichkeit und einer vo«
Sekunde zu Sekunde sich so reißend schnell steigernde«
Heftigkeit losbrach, daß eS unmöglich war, Schutzvor-
kehrungen zu treffen; daS Getöse der Hagel- u. Was«
sermaffen war geradezu betäubend, mit Angst und
Schrecken erfüllend das Durchschlagen der Fenster-
scheiben und Dächer. Man suchte Schutz hinter Mö-
beln und Betten vor den durch die Zimmer sausende«
GlaSsplittern und als der Morgen anbrach, da wagte
man sich kaum hinaus auf die Felder und Einzelne,
welche man draußen herumirren sah, ergaben sich einem
fassungslosen Schmerz. Betroffen sind von dem Unglück
die Gemeinden Adelshofen, Berwangen, Elsenz, Eppitt«
gen, Gemmingen, Landshausen, Mühlbach, Richen, Rohr-
bach, Schlüchtern, Stebbach mit Streichenberg,^Sulz-
feld und Tiefenbach, und zwar die östlich gelegene»
stärker, die westlich gelegenen weniger stark. Vielfach
bleibt nicht- andere- übrig, als die Felder alsbald
umzupflügen und sie mit rasch wachsenden Früchte«,
die noch einen Ertrag versprechen, anzupflmzen; die
hiezu nöthigen Setzlinge sind aus den angrenzende«
Bezirken bereits in reichlichem Maße zugeführt wor-
den «nd die Militärbehörde hat, um eine rasche Er-
ledigung des Anbaugeschäftes zu ermöglichen, nicht nur
zählreiche Beurlaubungen von Mannschaften au» dem
Bezirk eintreten lassen, sondern in dankenswerter Weise
außerdem noch einzelnen Gemeinden Hilfskommandos zur
Verfügung gestellt. Wie sich die Folgen des Unglück-
für die einzelnen davon betroffenen Gemeinden und
Haushaltungen gestalten werden, läßt sich zur Zeit
noch nicht übersehen, so viel ist aber sicher, daß, wen«
nicht da und dort ein Notstand eintreten soll, weitere
Hilfe dringend nöthig ist, und wir erlauben uns des-
halb, auch an dieser Stelle auf den Aufruf des Hilfs-
komitees, das sich zum Zwecke der Empfangnahme
und Verteilung milder Gaben in Eppingen — und
zwar für den ganzen Bezirk — gebildet hat, auf-
merksam zu machen."

Aus Nah und Fern.
Nachrichten für diese Rubrik find und jederzeit willkommen. — Etwaig«
Soften werden stet» sofort ersetzt.»
* Hetd-lb-r«, 16 Juli. (MuthmaßlicheS Wetter für
Sonntag, den 18. Juli.) GrößtentheilS trockenes und
heiteres Wetter in Aussicht zu nehmen.
* «ett-lb-rg, 17. Juli. Am 3. und 4. Auguft begeht
daS hiesige StudentencorpS Bandalia sein SSjährtgeS Stift-
ungsfest. Für diese Feier ist folgendes Programm aufge-
stellt: Dienstag, 3. Aug., Mittags 1 Uhr Frühschoppen
im Museum, 3 Uhr Ausfahrt nach der Hirschgasse, wo uM
4 Uhr daS Mittagessen stattfindet, halb 8 Uhr FuchS-
ritt und halb 9 Uhr Commers in der Hirschgasse.
Mittwoch, 4. August, 1 Uhr Frühschoppen im Corpshause,
4 Uhr Mittagessen im „Prinz Karl', halb S Uhr Abfahrt
mit Sonderzug nach Schlierbach, halb 9 Uhr Rückfahrt
auf dem Neckar, 9 Uhr Schloßbeleuchtung u. nach
derselben Feftkneipee im Corp »Hause.
* Heidelberg, 17 Juli. IV. Symphonie-CoN-
cert des ftädt. Orchesters ans dem Schlosse. Bei etwas
kühler Witterung konnte das Concert dennoch stattsinden.
Hr. Kapellmeister Zschoppe, welcher nunmehr wieder stramm
das Sccpter nach seiner genialen Weise führt, hat für die-
sen Abend ein in jeder Hinsicht interessantes Programm
zusammengeftellt. Die Einleitung begann mit dem „Fest-
marsch" aus Beethoven's Ls-änr-Concert, arrangiert voM
königl. Preuß- Musikdirektor Wieprecht. Ueber die Schön-
heit dieses Festmarsches gibt es nur eine Stimme, ebenso
über die Ausführung desselben durch unser Orchester. Als
2. Nummer folgte die entzückend schöne Concert-Oaverture
„In der Natur* von Dvöräk. Was man von dieser Ou-
vertüre sagen kann, ist einfach: „Das ist Musik". M»
einem Oonoert miiitairs für 2 Flöten von Andersen, a»r-
gesührt von den Herren Krämer U. und Rammelt, in wel-
chem die beiden jungen Künstler das Publikum durch ihr
vorzügliches, reines und volles Spiel entzückten, das ben-
eiden großen und verdienten Beifall eintrug, war als
Nummer aufgeführt. „Der Ritt der Walküren" aus dem
gleichnamige« Musikdrama von R. Wagner schloß den er-
ten Theil. Alsdann begann unter andächtiger Stille des
lauschenden Auditoriums die aus 4 Sätzen bestehende tu-
„Sinfonie-Eroica" von Beethoven. Ueber deren Werth u-
 
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