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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 4.1887

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Nr. 4 (1. April 1887)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29789#0028
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Eine Ferien reise.
Von G. B. Harsch.
(Schluß).
Die Siegessäule mit ihren schnaubenden Erzrossem
die dabei liegende Arena in großartiger Ausdehnung, das
Cavurd enkmal, die interessante Broncestatue Napoleons
I., öffentliche Gärten rc. rc. bilden die übrigen hervor-
ragendsten Sehenswürdigkeiten der wunderschönen Stadt. Wohl
wäre es kein Wunder, wenn man unter solch großartigen Ein-
drücken fein bischen Lokalpatriotismus einbüßte; doch hatte es
damit keine Gefahr. Zur Beruhigung der lieben Angehörigen
schrieben wir Postkarten nachhause; und alsdann hieß es: Aus
zur Rückfahrt! Wir müssen außer den Kunstschöpfungen
Italiens noch die wunderbaren Naturschönheiten der
Schweiz sehen! — Durch liebliche Gefilde (Maulbeeren, Acha-
zien, Feigen, Wein rc. rc.) führte uns setzt die Bahn an den
reizenden C omer Se e.
In Como, dem Schlüssel der Lombardei, bestiegen wir
das Dampfboot nnd fuhren über den freundlichen See. In
Cadenabbia, Bellaaio und mehreren anderen Stationen
hielt unser Dampfboot. Reisende kamen, andere gingen. Ein
fröhliches Leben herrschte auf dem Schiff. Alles schien sich
zu ergötzen an dem wunderbaren Kontrast zwischen der grün-
lichen Wasserflut und dem tiefblauen Himmel, und wir auch.
Nachdem wir auf dem Schiff ein äußerst seines Frühstück ein-
genommen hatten, ließen wir die malerischen User des Sees
Revue passieren. Eine vollständig südländische Vegetation schmückt
die Ufer. Teils aus kleinen Anhöhen, teils am Grunde des
Sees liegen die Dörfer mit ihren Weitausschauenden, ländlich
einfachen Kirchen. Nicht alle machen den Eindruck großer Wohl-
habenheit. Am besten aber gefielen mir die wahrhaft romantisch
gelegenen Villen auf dem südlichen Seeufer. (Eine der reizend-
sten ist die „Villa Carlotta des Herzogs von Meiningen"
bei Cadenabbia, welche ganz bedeutende und seltene Kunstsch ätze
besitzt.) Inmitten prächtiger Gartenanlagen erheben sie sich meist
über hohe Terassen; einige reichen bis dicht an das Seeuser.
Tosende Wasserfälle und anmutige Grotten sieht man. Hier der
See, dort das Gebirge: Freigebig und verschwenderisch hat die
Natur ihr Füllhorn ausgegossen — am Corner See! —
Von Menaggio führte uns die Bahn nach Porlezza, und
da bestiegen wir wieder ein Dampfschiff und fuhren über den
Luganer See, der Stadt Lugano zu. Der Luganer See
ist ein langer und schmaler Gebirgssee; seine Umgebung ist
jener des Corner Sees vielfach ähnlich; vielleicht wild-romantischer,
gewiß nicht weniger reich an Naturschönheiten. Da wir schon
zeitig am Nachmittag in Lugano anlangten, so reichte der Tag
noch vollständig hin, um die malerisch am See und Gebirge
gelegene Stadt des Schweizer Kantones Tessin in Augenschein
zu nehmen, und das geschäftige Leben der gewerbsleißigen Be-
wohner flüchtigen Blickes kennen zu lernen. Alles spricht hier
italienisch. Und es war gut, daß mein trefflicher Führer diese
Sprache sowohl wie di eenglische versteht, denn sonst Hütte ich nicht
einmal — der Mama den schönen Seidenteppich mitbringen können.
Die Sehenswürdigkeiten der Stadt: Das bewegte Treiben am
See, viele Gasthäuser und freundlich gelegene Pensionen (L. ist
Luftkurort) waren bald agnesehen; wir stiegen zu dem hochge-
legenen Bahnhof, nahmen noch ein Fläschchen Asti, der nebenbei
gesagt, nicht so gut, Wohl aber teurer war wie der Mailänder,
und weiter gings mit der Bergbahn nach Airolo.
In einem trefflichen Schweizer Gasthaus logierten wir
hier, freuten uns des ehrlichen schwäbischen Dialektes unserer
gutmütigen und behäbigen Wirtin und hielten am nächsten
Morgen Rundschau. Nun konnte ich mich nicht entschließen,
dem drängenden Wunsche meines verehrten Freundes folge zu
leisten und mit ihm über die Schneeregion des St. Gotthard
zu gehen, obwohl derselbe drohte, allein zu gehen und mich per
Bahn weiter reisen zu lassen. Heute bedaure ich das am meisten.
Wir fuhren nun durch den großen Tunnel nach Göschenen.
Der Tag war gar zu verlockend: hell, nicht kalt, die Lust
erquickend rein. Eine sonntägliche Stimmung erfüllte des Stuben¬

menschen Brust und wir beschlossen, wenigstens einen Teil des
St. Gotthard zu besteigen. — Zunächst bemerkte ich unweit des
Tunneleinganges dicke eiserne Röhren, welche längs der Straße
und neben dem Reußuser liegen und beim Tunnelbau dazu
gedient haben, die Maschinen mittelst gewaltiger Wasserkraft
zu treiben. Sogar das Einpumpen frischer Luft geschah mit
Hilfe dieser Wasserkraft. Die Gotthardstraße, über welche wir
nun gingen, ist 6 Meter breit und so solide gebaut und so gut
erhalten, wie unsere besten Landstraßen. Langsam führt die
Straße neben der wildschäumenden Reuß zur Höhe hinauf. Ich
staunte immer wieder die Felsenriesen der Schölennen an nnd
bemerkte, wie nach und nach der Pslanzenwuchs weiter zurückgeht,
! bis er aus der Höhe ganz aufhört. Bald war die gewaltige
Teufelsbrücke erreicht. Unterhalb derselben sieht man noch die
schmale alte Teufelsbrücke, und an der nächsten Felswand hat
! eine wenig kunstaeübte Hand den leibhaftigen pferdefüßigen und
, feuerspeienden Schwarzen dargestellt. Wie man nicht meint,
daß die Brücke sich 30 Meter über dem wild tosenden Wasser
befindet, so verliert auch unser Anae den Maßstab beim An-
schanen der Bergriesen und steilen Felsentürme. Durch das
Urner Loch, einen durch den Felsen gehauenen, 71 Meter langen,
6 Meter breiten und 5 Meter hoben Tunnel aelangten wir
! nun in das freundliche, noch im Oktober grüne Urseren - Thal.
! Alsbald zeigte sich nns der giaantische Brislenstock. Wir stiegen
ohne besondere Anstrengung weiter zur Höhe, bis wir die Dörfer
Andermatt und eine Stunde später Hospenthal erreicht hatten.
Ziegen- und Schaiheerden sahen wir an den beschneiten Abhängen
grasen. Die hochgelegenen Dörfer scheinen ziemlich wohlhabend,
Wohl infolge des früher noch lebhafteren Verkehrs aus der Gott-
hardstraße. Auch an trefflichen Gasthöfen ist kein Mangel.
Die hohe Lage dürfte sehr geeianct zur Luftkur sein. Noch eine
kurze Strecke bergauf, und aller Pslanzenwuchs ist verschwunden.
Man steht mitten im Schnee und ist geblendet von den unab-
: sehbaren Schneefeldern. Wir vergnügten uns auch einen Auaen-
! hlick mit Schneeballwersen, und: — jetzt kam der verhängnis-
volle Kreuzweg, der westlich nach der Furka und dem Rhone-
gletscher, südlich über den St. Gotthard nach Italien und östlich
nach dem Vorderrheingletscher und Graubünden zuführt. Trotz
, der wiederholten Versuche deS verehrten Gönners konnte ich mich
nicht entschließen, demselben weiter zu folgen, was ich heute
! bitter bereue. Ein Tag weiter, und ich wäre um eine fürs
aanze Leben unberechenbare Erfahrung reicher gewesen. Aber
freilich war meine Zeit bereits soweit verflossen, daß ich fürchten
mußte, die Unterrichtsstunden an meiner höheren Anstalt zu ver-
säumen; und da wäre doch wenigstens — — die Welt aus den
Angeln gegangen! Heute sehe ich mein Unrecht ein, bitte den
lieben Freund um Entschuldigung und möchte die überaroße
! Gewissenhaftigkeit fast anders nennen! — Unser Weg ging nun
, in raschem Tempo wieder zurück und mit der Bahn über Wasen,
! Amsteg, Flüelen, Brunnen, Steinen, Jmmensee und Küßnacht
! nach Luzern. — Von Flüelen bis Brunnen geht die Bahn am
I Gestade des Urner Sees, bei Steinen geht sie über den Lowerzer
See, von Art bis Jmmensee am User des Zuger Sees und von
Küßnacht bis Luzern dem Gestade des Vicrwaldstetter Sees ent-
lang. Die Fahrt längs dieser Seen wäre allein schon einer
weiten Reise wert; jedoch noch besseres sollte uns erwarten.
Vom Urner See aus sahen wir den Uri-Rothstock und den
. Mpthenstein; auch zeigt sich uns da ein 30 Meter hoher Fels-
; obelisk mit der Inschrift: Dem Sänger Teils — Friedrich Schiller
— die Urkantone 1859. Eine Viertelstunde weiter ist das
Rütli. — Schallen da nicht Dutzende lieblicher Namen an unser
; Ohr, bei deren Klang es jedem Deutschen warm ums Herz und
freudig zumute wird? Ja diese schweizer Erde, ist ein Stück
deutscher Erde und ihre Geschichte ein Stück deutscher Geschichte!
Gegen Abend war Luzern erreicht. Nur zwei Tage
gehörten noch unser, und sic wurden gewissenhaft ausgenutzt.
Vorerst nahm der V i e r w a l d st e t t e r s e e unsere Aufmerk-
samkeit in Anspruch. Derselbe hat seinen Namen von den vier
! ihn umgebenden Kantonen: Luzern, Uri, Schwyz und, Unter-
walden. Er besteht eigentlich aus sieben nach allen Himmels-
gegenden ausbuchtendcn Seebecken, unter denen der Urner See,
der Buochser See, der Alpnacher See, die Küßnachter Ducht
 
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