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Pfeilstücker, Suse
Das Wesen der Plastik — Führer zur Kunst, Band 20: Esslingen a.N.: Paul Neff Verlag (Max Schreiber), 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.67363#0049
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weit nach links geht, (er muß ja des rhythmischen Gleichge-
wichts halber ausgestreckt sein!), daß unterhalb eine häßliche
Lücke entstehen würde, ist der reizvoll geschwungene Mantel
hingeführt worden. Der Kentaur wird zu Gunsten der Außen-
form verkleinert, so daß dies sonst gewaltige Geschöpf nicht
größer als die menschliche Gestalt ist und die Köpfe von
Mensch und Kentaur in gleicher Höhe abschneiden. — Wie
die Figuren eines Giebelfeldes — denn diese Gestalten sind
hier nicht als Rundplastik, sondern als Reliefgruppe aufzufassen
— sich in den gegebenen Dreieckraum hineinfügen, ist allbe-
kannt: eine in majestätischer Größe stehende Figur in der
Mitte, kleinere Gestalten oder solche mit geringer Schulternei-
gung rechts und links davon, dann Sinkende, Knieende, zu-
letzt Liegende in den äußeren Winkeln.
Die Vollrundfiguren des Giebelfeldes, welche als Relief
anzusehen sind, die Laokoongruppe andrerseits, deren einzelne
Gestalten sich in einem strengen Nebeneinander reliefartig auf-
bauen und die doch zur Rundplastik gehört, führen uns zu einem
anderen Gebiet, zu einer dunklen und heißumstrittenen Frage
über die Gestaltung der plastischen Form.
Die Reliefauffassung in der Rundplastik.
Bei der Einweihung des Beethovendenkmals in Bonn hatte
der Graf Fürstenberg sein hinter dem Denkmal liegendes Palais
für die vornehmen, auswärtigen Gäste zur Verfügung gestellt.
Da standen der König und die Königin von Preußen, die
Königin von England samt ihrem Prinzgemahl und viele Leute
von Rang und Adel erwartungsvoll auf dem Balkon, bis end-
lich die Hülle fiel und das noch ganz golden glänzende Denk-
mal sichtbar wurde. Doch unter den Herrschaften zeigte sich
keine freudige Erregung; im Gegenteil, man war ärgerlich, und
der König von Preußen sagte halb lachend, halb entrüstet:
„Der dreht uns ja den Rücken zu!“ Der gewandte und geist-
reiche Alexander von Humboldt wußte aber die gute Stimmung
wiederherzustellen, indem er ausrief: „Majestät, der Beethoven
ist schon immer in seinem Leben ein grober Kerl gewesen!“
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